JudikaturJustiz9Ob65/11s

9Ob65/11s – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R***** P*****, vertreten durch Dr. Birgit Bichler Tschon, Rechtsanwältin in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei DI A***** P*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger, Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Nichtigkeit, über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Juni 2011, GZ 42 Nc 5/11x 3 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 371,52 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten 61,92 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit ihrer beim Erstgericht am 26. 4. 2011 eingebrachten Nichtigkeitsklage begehrt die Klägerin die Aufhebung von Beschlüssen des Bezirksgerichts F***** vom 9. 8. 2006 und des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. 1. 2007, die in einem die Streitteile und deren gemeinsames eheliches Kind betreffenden Obsorgeverfahren ergangen sind. Sie begehrt weiters erkennbar die Feststellung, dass ein in diesem Verfahren ergangener Beschluss des Bezirksgerichts F***** vom 12. 4. 2005 rechtskräftig sei. Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO mit der wesentlichen Begründung geltend, dass jene Richterin, die den Beschluss des Bezirksgerichts F***** vom 9. 8. 2006 gefasst habe, zu diesem Zeitpunkt nicht Richterin dieses Bezirksgerichts gewesen sei. Dieser Umstand sei der Klägerin am 8. 4. 2011 bekannt geworden, er wäre vom Rekursgericht von Amts wegen aufzugreifen gewesen.

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht aus, dass der als Nichtigkeitsklage bezeichnete Antrag im außerstreitigen Verfahren zu behandeln sei, es sei zu dessen Behandlung unzuständig. Es überwies den Antrag gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht M*****, bei dem das Obsorgeverfahren mittlerweile anhängig sei. Soweit für das Rekursverfahren von Relevanz, führte es aus, dass sich die Verfahrensart, in welcher eine Rechtssache zu behandeln sei, gemäß § 40a JN nach dem Inhalt des Begehrens und dem Vorbringen der Partei richte. Demnach sei der als „Nichtigkeitsklage“ bezeichnete Antrag der Klägerin im Außerstreitverfahren zu behandeln. Das Außerstreitverfahren kenne jedoch keine Nichtigkeitsklage iSd §§ 529, 532 ff ZPO, sondern das Instrument des Abänderungsantrags gemäß §§ 72 ff AußStrG. Über einen Abänderungsantrag habe gemäß § 76 Abs 2 AußStrG selbst dann, wenn der abzuändernde Beschluss von einem Gericht höherer Instanz gefällt werde, das Erstgericht zu entscheiden. Dass ein solcher Abänderungsantrag hier gemäß § 107 Abs 1 Z 3 AußStrG unzulässig sei, könne vom angerufenen Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mangels Zuständigkeit derzeit nicht aufgegriffen werden. Der Antrag sei daher dem nunmehr im Obsorgeverfahren zuständigen Bezirksgericht gemäß § 44 JN zu überweisen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der vom Beklagten beantwortete Rekurs der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Die Klägerin hat die Nichtigkeitsklage erkennbar gemäß den §§ 532 Abs 1, 535 ZPO bei jenem Gericht eingebracht, das im Vorverfahren als Rekursgericht entschieden hat. Gemäß § 535 ZPO sind für die Anfechtbarkeit von Entscheidungen, die ein höheres Gericht im Zuge eines bei ihm anhängigen Nichtigkeitsverfahrens fällt, diejenigen Bestimmungen maßgebend, welche für dieses Gericht als Rechtsmittelinstanz maßgebend wären (RIS Justiz RS0043965). Wurde die Nichtigkeitsklage wie hier beim Rekursgericht des Vorverfahrens eingebracht, gelten die Rekursbestimmungen der §§ 519 und 528 ZPO (6 Ob 15/99w mwH).

Ein Beschluss gemäß § 40a JN ist nach den Regeln der vom Verfahrenseinleitenden gewählten Verfahrensart selbständig anfechtbar (RIS Justiz RS0046245; Mayr in Rechberger , ZPO³ § 40a JN Rz 6 mwH), das sind hier jene des streitigen Verfahrens. Ist wie hier eine Überweisung einer Rechtssache in das außerstreitige Verfahren beschlossen worden, so ist darin nach der Rechtsprechung ein zweiaktiger Vorgang zu sehen. Der erste Akt der Entscheidung beendet in einem solchen Fall das spezifische Prozessrechtsverhältnis nach der ZPO und ist deshalb mit Rekurs ungeachtet des Streitwerts in der Hauptsache anfechtbar ( Ballon in Fasching/Konecny ² I § 40a JN Rz 12). Wird ein Überweisungsbeschluss gemäß § 40a JN vom Rekursgericht gefällt, ist er - ebenso wie ein Beschluss des Berufungsgerichts (RIS Justiz RS0041890 ua) - in Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO mit Rekurs ohne Rücksicht auf das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen und die Höhe des Entscheidungsgegenstands anfechtbar ( Ballon aaO § 40a Rz 13; vgl auch Zechner in Fasching/Konecny ² IV/1 § 519 Rz 19, 21).

2. Die Klägerin führt im Rekurs zusammengefasst aus, dass das Abänderungsverfahren gemäß den §§ 72 ff AußStrG im konkreten Fall wegen § 107 Abs 1 Z 3 AußStrG ausgeschlossen sei. Nur durch die Einbringung einer Nichtigkeitsklage könne daher ihr Rechtsschutzbedürfnis gewahrt werden.

Die Bestimmungen der §§ 529 ff ZPO könnten im Verfahren außer Streitsachen jedoch nur im Weg einer Analogie zur Anwendung gelangen. Die Schließung einer planwidrigen und daher ungewollten Gesetzeslücke durch Analogie ist im Verfahrensrecht im gleichen Umfang wie im materiellen Recht möglich (Rkv 1/01 mwH; Fasching in Fasching/Konecny ² I Einl Rz 109). Erste Voraussetzung der von der Klägerin begehrten analogen Anwendung der Bestimmungen über die Nichtigkeitsklage nach der ZPO im außerstreitigen Obsorgeverfahren ist das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke (RIS Justiz RS0008866; RS0098756 ua).

3.1 Der Oberste Gerichtshof lehnte in ständiger Rechtsprechung die analoge Anwendung der §§ 529 ff ZPO für das Außerstreitgesetz 1854 ab (RIS Justiz RS0007194; ausführlich 6 N 1/80 = SZ 53/127; vgl auch 6 Ob 12, 13/95). Er erkannte an, dass dadurch eine Rechtsschutzlücke bestehen möge, deren Sanierung jedoch Sache des Gesetzgebers sei (SZ 53/127). Diese Rechtsprechung wurde in der Lehre nahezu einhellig kritisiert (vgl nur Böhm , Wiederaufnahme und Analogie im Außerstreitverfahren, JBl 1973, 360 ff; Konecny , Wiederaufnahme im Außerstreitverfahren, insbesondere im Verfahren zur einvernehmlichen Scheidung, JBl 1983, 20 ff; Simotta , Zum Nichtigkeitsantrag im Außerstreitverfahren, insb im Verfahren über die einvernehmliche Scheidung, JBl 1989, 154 ff; Fasching , LB² Rz 2042; Klicka , Die Wiederaufnahme im Außerstreitverfahren als Gebot verfassungskonformer Rechtsanwendung, JBl 1997, 90 ff; Mayr , Das historische Argument gegen die Wiederaufnahme im Außerstreitverfahren, JBl 1997, 547 f; uva).

3.2 Die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof gelangte unter ausführlicher Auseinandersetzung mit dieser Kritik zum Ergebnis, dass eine analoge Anwendung der Bestimmungen der ZPO über das Nichtigkeits- und Wiederaufnahmeverfahren zumindest (nur, vgl 3 Ob 128/09h) in den „echten Streitsachen“ des Außerstreitverfahrens in Frage kommt (Rkv 1/98 in JBl 1998, 731 mit zust Anm von Klicka [aaO 735]; RIS Justiz RS0110299; RS0110301). Insbesondere könne aus dem Umstand, dass dem AußStrG (alt) Regelungen über ein Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsverfahren fehlten, nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass deshalb eine analoge Anwendung der Regelungen der ZPO nicht in Frage käme. In „echten Streitsachen“, in welchen ein kontradiktorisches Verfahren nach Art des Zivilprozesses abzuführen sei und über Rechtsschutzgesuche (Sachanträge) der Parteien abgesprochen werde, sei eine planwidrige Gesetzeslücke im Sinn einer planwidrigen Unvollständigkeit anzunehmen, die durch analoge Anwendung der Bestimmungen der §§ 529 ff ZPO zu schließen sei.

3.3 Demgegenüber lehnte der Oberste Gerichtshof für das Obsorgeverfahren nach dem Außerstreitgesetz 1854 eine analoge Heranziehung der Bestimmungen über die Nichtigkeits und Wiederaufnahmsklage mit der Begründung ab, dass es sich dabei nicht um „echte Streitsachen“ im eben dargestellten Sinn, sondern um Rechtsfürsorgeentscheidungen handle (7 Ob 147/04z; 3 Ob 128/09h mwH; 10 Ob 79/11g).

4.1 Im Zuge des Gesetzgebungsprozesses zum neuen Außerstreitgesetz war die Gestaltung eines Nichtigkeits bzw Wiederaufnahmsverfahrens immer Thema. Der Ministerialentwurf des BMJ für den allgemeinen Teil einer Außerstreitverfahrensordnung aus dem Jahr 1985 enthielt in seinen §§ 50 ff Bestimmungen über einen Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsantrag, nach denen die sinngemäße Anwendung der §§ 529 - 547 ZPO im Außerstreitverfahren beabsichtigt war (in: Ludwig Boltzmann Institut XVI, Die Außerstreitreform ein neuer Anlauf [1996], Anh 2 68 [77]). In einem vom Ludwig Boltzmann Institut erarbeiteten Alternativentwurf eines Außerstreitgesetzes finden sich hingegen in den §§ 73 ff detaillierte Bestimmungen zu einem Abänderungsverfahren, in dem mit Antrag die Abänderung einer Entscheidung ermöglicht werden sollte, wenn sie an einem Mangel leidet, der im Zivilprozess mit Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden könnte oder wenn die Voraussetzungen vorliegen, die im Zivilprozess eine Wiederaufnahmsklage rechtfertigen würden (ebenfalls in: Ludwig Boltzmann Institut XVI, Die Außerstreitreform ein neuer Anlauf, Anh 3 79 [90 f]).

4.2 Auch in der Lehre wurden die Möglichkeiten der Regelung eines solchen Verfahrens im neuen Außerstreitgesetz erörtert (zB Jelinek , Überlegungen zur Reform des Außerstreitverfahrens, NZ 1984, 100 [103]; Kralik , Zur Rechtskraft außerstreitiger Entscheidungen in: Ludwig Boltzmann Institut IV, Grundlegende Neuerungen im Außerstreitverfahren, 153 [158 f]; Fasching , Die allgemeinen Grundsätze in der neuen Außerstreitverfahrensordnung in: Das neue Außerstreitverfahren, Richterwoche 1987, 33 [52]), wobei auch die Unterschiede dieser beiden Entwürfe herausgearbeitet wurden (zB Rechberger , Zum Grundsätzlichen eines neuen Außerstreitverfahrens in: Außerstreitverfahren die fällige Reform, Richterwoche 1995, 131 [176 f]; ders , Die Anforderungen an ein neues Außerstreitverfahrensrecht in: Ludwig Boltzmann Institut XVI, Die Außerstreitreform ein neuer Anlauf, 61 f). Diskutiert wurde im Schrifttum auch der Anwendungsbereich des geplanten Abänderungsverfahrens, wobei auch der Aspekt herausgearbeitet wurde, dass ein derartiger Rechtsbehelf im Pflegschaftsverfahren nicht sinnvoll sei ( Schrott , Anforderungen der Praxis an das außerstreitige Erkenntnisverfahren erster Instanz in: Außerstreitverfahren die fällige Reform, Richterwoche 1995, 245 [259]; Rechberger , Zum Grundsätzlichen eines neuen Außerstreitverfahrens in: Richterwoche 1995, 176 f). Knoll erachtete eine Wiederaufnahme im Obsorgeverfahren für entbehrlich, weil die Rechtsprechung zum Wohle des Kindes jede neue Entwicklung zu berücksichtigen habe (Veränderbares im Außerstreitverfahren, RZ 1995, 102 [106]; ähnlich Kohlegger , Zum besonderen Teil im neuen Außerstreitgesetz: Struktur eines Abschnittes „Pflegschaftsverfahren“ in: Das neue Außerstreitverfahren Texte und Strukturen, Richterwoche 1997, 81 [123ff]). Demgegenüber sprach sich aber etwa Fucik für die Möglichkeit eines Abänderungsantrags im Obsorgeverfahren aus (Zum Pflegschaftsverfahren im neuen Außerstreitverfahren in: Das neue Außerstreitverfahren Texte und Strukturen, Richterwoche 1997, 167 [185 f]).

4.3 Der Gesetzgeber des AußStrG 2003 war sich der ablehnenden Haltung der Rechtsprechung gegenüber der Anwendung der Bestimmungen der §§ 529 ff ZPO im Außerstreitverfahren bewusst. Dies ergibt sich deutlich aus den Materialien zum AußStrG 2003, die auszugsweise lauten (224 BlgNR 22. GP 14 und 56):

„Das Abänderungsverfahren entspricht der Wiederaufnahms- und Nichtigkeitsklage der Zivilprozessordnung. Die Schaffung eines solchen Rechtsinstituts wurde von der Lehre seit langem gefordert, von der Rechtsprechung wurde eine Analogie zur ZPO in diesem Bereich bis in die jüngste Zeit jedoch (von Entscheidungen der Obersten Rückstellungskommission beim OGH zwar postuliert, aber) vom OGH noch nicht gezogen. Vor allem in den 'streitigen' Materien des Außerstreitverfahrens lässt sich das Fehlen einer Möglichkeit der Wiederaufnahme kaum rechtfertigen. Wird der Anwendungsbereich des Außerstreitgesetzes auf bisher streitige Materien ausgedehnt, bewirkt der Entfall der bis dahin gegebenen Möglichkeit, eine Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage einzubringen, ein erhebliches Rechtsschutzdefizit. Es besteht daher grundsätzlich Bedarf an einer solchen Regelung. Der Entwurf greift auf die von der Kommission des Ludwig Boltzmann Instituts für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen vorgeschlagene Regelung zurück, die den Besonderheiten des Außerstreitverfahrens und dem Rechtsschutzbedürfnis der Parteien in gleicher Weise Rechnung trägt. […]

Bis zuletzt hat die Rechtsprechung die analoge Anwendung der Bestimmungen über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage im Verfahren Außerstreitsachen mit von der Lehre einhellig bekämpften Argumenten abgelehnt. […] Für das neue Verfahren außer Streitsachen steht es daher außer Frage, dass ein Rechtsbehelf eingeführt werden muss, der funktionell weitestgehend der Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage des streitigen Verfahrens nachgebildet ist. Statt der Bezeichnung 'Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmeantrag' wird aber die Bezeichnung 'Abänderungsantrag' gewählt, insbesondere wegen der grundlegend anders gearteten Verfahrensgestaltung.

4.4 Der Abänderungsantrag gemäß §§ 72 ff AußStrG 2003 vereint die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage der ZPO und ist diesen Rechtsbehelfen nachgebildet ( Fucik/Kloiber , AußStrG § 72 Rz 1). Die Abänderungsgründe des § 73 Abs 1 Z 1 und 2 AußStrG entsprechen den Nichtigkeitsklagegründen des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO, § 73 Abs 1 Z 3 AußStrG entspricht § 529 Abs 1 Z 1 ZPO, geht aber mit dem zusätzlichen Abänderungsgrund des mit Erfolg abgelehnten Richters oder Rechtspflegers darüber hinaus ( Klicka in Rechberger , AußStrG § 73 Rz 4). Auch die Wiederaufnahmsgründe des § 530 ZPO finden ihre Entsprechung in § 73 Abs 1 Z 4 bis 6 AußStrG. Der Ausschluss des Abänderungsantrags gemäß § 73 Abs 2 und 3 AußStrG entspricht ebenso weitgehend den Bestimmungen über die Unzulässigkeit der Nichtigkeits und Wiederaufnahmsklage in den §§ 529 Abs 2 und 3 bzw 530 Abs 2 ZPO (224 BlgNR 22. GP 56). Wesentliche Unterschiede zwischen den Regelungen der ZPO und des Außerstreitgesetzes 2003 bestehen lediglich bei den das Verfahren regelnden Bestimmungen, vor allem kennt das Abänderungsverfahren nicht die in der ZPO vorgesehene Trennung in Aufhebungs- und Erneuerungsverfahren ( Fucik/Kloiber aaO § 77 Rz 2).

5.1 Aus allen diesen Gründen folgt, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des Abänderungsverfahrens in den §§ 72 ff AußStrG ein eigenständiges Verfahren zur Beseitigung von mit besonders schwerwiegenden Mängeln behafteten Beschlüssen im Verfahren außer Streitsachen geschaffen hat und eine sinngemäße Anwendung der Bestimmungen der §§ 529 ff ZPO im Außerstreitverfahren zwar bedacht (sogar im ursprünglichen Ministerialentwurf vorgeschlagen), letztlich aber bewusst nicht vorgesehen hat.

5.2 Die von der Klägerin gewünschte Analogie lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Abänderungsantrag im Obsorgeverfahren gemäß § 107 Abs 1 Z 3 AußStrG ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber hat sich zum Ausschluss des Abänderungsverfahrens in verschiedenen Arten des Verfahrens außer Streitsachen und aus unterschiedlichen Gründen entschlossen (vgl §§ 90 Abs 2, 91, 139 Abs 2, 180 Abs 2 AußStrG; §§ 1 Abs 2 KEG, 225e Abs 1 AktG, 15 Abs 1 FBG oder 122 Abs 1 GBG). Für das hier zu behandelnde Obsorgeverfahren hat er den Ausschluss des Abänderungsverfahrens im Obsorgeverfahren wie folgt begründet (224 BlgNR 22. GP 75):

Der Gesetzgeber trägt dem Grundsatz der Kontinuität der Erziehung Rechnung. Selbst wenn die Obsorgeerstzuteilung auf einer mangelhaften Sachgrundlage ergangen sein sollte, ist der Grundsatz der Kontinuität so hoch zu bewerten, dass ein Wechsel des mit der Obsorge Betrauten nur noch bei Gefahr für das Wohl des betroffenen Kindes erfolgen soll. Bei der Entscheidung über einen Obsorgeentziehungsantrag hat das Gericht im Interesse des Wohles des betroffenen Minderjährigen ohnehin alle maßgeblichen Umstände mit zu berücksichtigen, die auf den gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt einwirken und daher die für diesen Termin zu erstellende Zukunftsprognose beeinflussen; es sind daher auch Umstände mit zu berücksichtigen, die bei einer früheren Entscheidung - auch wenn diese eine solche nach § 177 ABGB war - bewusst oder irrtümlich unberücksichtigt blieben. Somit eröffnet daher § 176 ABGB die Möglichkeit, jederzeit ein gerichtliches Verfahren einzuleiten und unter den dort normierten Voraussetzungen die bisherige Obsorgeregelung, einschließlich einer Erstzuteilung umzustoßen, ohne dass das Gericht dabei auf den Sachverhalt beschränkt wäre, der seit der letzten gerichtlichen Obsorgeregelung verwirklicht wurde. Da diese Möglichkeit weder durch Fristen (wie jene des § 74) noch durch bestimmte Anfechtungsgründe (wie jene des § 73 Abs 1) beschränkt ist, bietet das materielle Recht hier weiter gehende Abhilfemöglichkeiten als das Verfahrensrecht im Allgemeinen Teil. Die Abhilfemöglichkeiten des Abänderungsverfahrens würden zwar in den Fällen weiter reichen, in denen die Kenntnis der nova reperta zum alten Entscheidungszeitpunkt zu einer anderen Entscheidung iSd § 177 ABGB geführt hätte (wenn nämlich das Kindeswohl beim einen Elternteil, der nicht betraut wurde, besser gewahrt wäre, ohne dass beim anderen Obsorgewerber auch schon das Kindeswohl gefährdet wäre), doch können die zwischenzeitigen faktischen Obsorgeverhältnisse nun einmal nicht ausgeblendet werden, weil dadurch eine Irritation des Kindeswohls durch mehrfache Obsorgewechsel nicht ausgeschlossen wäre. In solchen Fällen können also durch die zwischenzeitigen, durch keine juristischen Eingriffe mehr rückgängig zu machenden Erziehungslagen Beurteilungsgrundlagen vorliegen, die eine Rückbeziehung auf den nach § 177 ABGB maßgeblichen Zeitpunkt des Günstigkeitsvergleichs nicht mehr gestatten. Dies mag im Ergebnis bei bloß verfahrensrechtlicher Betrachtung - eine Einschränkung des Rechtsschutzes bedeuten, die aber aus Gründen des materiellen Kindschaftsrechts unumgänglich ist.

5.3 Aus den Materialien ergibt sich damit unzweifelhaft, dass der Gesetzgeber die Frage einer möglichen Beeinträchtigung des Rechtsschutzes durch den Ausschluss des Abänderungsverfahrens im Obsorgeverfahren bedacht hat, sodass auch daher eine planwidrige Lücke nicht anzunehmen ist. Daran vermögen auch die weiteren Argumente der Rekurswerberin, wonach der Rechtsschutz der Nichtigkeitsklage weiter reiche als jener des Abänderungsantrags und die analoge Anwendung der Nichtigkeitsklage vom Obersten Gerichtshof auch nach Inkrafttreten des AußStrG 2003 etwa im Exekutions oder Insolvenzverfahren bejaht worden sei, nichts zu ändern. Eine Analogie ist selbst bei Vorliegen überzeugender Sachargumente für eine Gleichbehandlung jedenfalls dann unzulässig, wenn der Gesetzeswortlaut und die Absicht des Gesetzgebers wie hier klar in die Gegenrichtung weisen ( P. Bydlinski in KBB³ § 7 Rz 2 mwH). Allenfalls nach Ansicht der Rekurswerberin unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern ist nicht Sache der Rechtsprechung, sondern des Gesetzgebers (RIS Justiz RS0008880).

6. Es fehlt daher betreffend das hier zu beurteilende außerstreitige Obsorgeverfahren an einer planwidrigen Gesetzeslücke als Voraussetzung für die von der Rekurswerberin gewünschte analoge Anwendung des § 529 ZPO. Im Ergebnis ist das Rekursgericht daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Einbringung einer Nichtigkeitsklage im außerstreitigen Obsorgeverfahren nicht zulässig ist. Dies müsste zwar im konkreten Fall, in dem die Klägerin was sie allerdings deutlich erstmals im Rekurs ausführte offenbar bewusst keinen (auch ihrer Ansicht nach hier unzulässigen) Abänderungsantrag gemäß den §§ 73 ff AußStrG stellen wollte, zur Zurückweisung der Klage führen, weil nicht iSd § 40a JN zweifelhaft ist, welches Verfahren anzuwenden ist. Jedoch wurde bereits ausgeführt, dass die vom Berufungsgericht im streitigen Verfahren beschlossene Überweisung der Klage in das Verfahren außer Streitsachen ohnehin der formellen Zurückweisung der Klage gleichzuhalten ist.

Dem Rekurs war aus diesen Gründen nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach jenem Rechtsweg, den der das Hauptverfahren Einleitende in seinem Rechtsschutzantrag gewählt und behauptet hat, sie beruht daher hier auf den §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
9