JudikaturJustiz9Ob22/15y

9Ob22/15y – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juli 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. G***** A*****, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 11.107,54 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2015, GZ 4 R 107/14d 11, mit dem der Berufung der klagenden Partei nicht, der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 8. April 2014, GZ 3 Cg 87/13w 6, Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden teilweise abgeändert, sodass die Entscheidung (unter Einschluss des bestätigenden Ausspruchs) insgesamt lautet:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 11.107,54 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 4. 2013 binnen 14 Tagen zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für alle zukünftigen Schäden haftet, die der klagenden Partei daraus entstehen, dass sie im Verfahren AZ 55 Cg 301/11t des Handelsgerichts Wien aufgrund der von der beklagten Partei zu vertretenden mangelnden Fälligkeit des Klagebegehrens unterlag.

3. Soweit das Feststellungsbegehren auf Feststellung nicht zukünftiger Schäden gerichtet ist, wird es abgewiesen.

4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.938,29 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.338,56 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.892,03 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hatte beim Finanzdienstleister A***** AG einen Betrag von 25.000 EUR veranlagt. Nach Konkurs des Wertpapierdienstleistungs-unternehmens beauftragte er die Beklagte mit der Geltendmachung seiner Ansprüche gegen die Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH (im Folgenden: AEW). Mit Schreiben vom 27. 2. 2006 gab die Beklagte der AEW die Ansprüche des Klägers sowie anderer Anleger unter Angabe von Namen, Betrag und Depotnummer bekannt. In der nachfolgenden Korrespondenz forderte die AEW die Beklagte als Vertreterin des Klägers wiederholt zur Vorlage von Unterlagen für eine Forderungsprüfung auf, was diese jedoch ablehnte, da kein Anerkenntnis dem Grunde nach erfolgt sei.

Am 16. 11. 2011 brachte die Beklagte im Namen des Klägers eine Klage beim Handelsgericht Wien gegen die AEW über 20.000 EUR ein. Der Klage war ein Anlegerzertifikat angeschlossen. Mit Schriftsatz vom 22. 2. 2012 wurden erstmals Einzahlungsbelege über den veranlagten Betrag vorgelegt. Die Verhandlung vor dem Handelsgericht Wien wurde am 6. 6. 2012 geschlossen. Mit Urteil vom 16. 7. 2012 wurde das Klagebegehren wegen mangelnder Fälligkeit der Forderung abgewiesen. Der vom Kläger dagegen erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 28. 2. 2013 nicht Folge. Die ordentliche Revision wurde vom Oberlandesgericht Wien als nicht zulässig erachtet.

Der für die Beklagte tätige Rechtsanwalt erörterte mit dem Kläger daraufhin die Möglichkeit einer außerordentlichen Revision und das damit verbundene Kostenrisiko. In der Folge wandte sich der Kläger an einen anderen Anwalt, der die Erfolgsaussichten einer außerordentlichen Revision als gering einschätzte. Er teilte der Beklagten jedoch mit, dass sie ermächtigt sei, im Namen des Klägers aber auf eigene Kosten und Kostenrisiko eine solche außerordentliche Revision einzubringen, falls sie entsprechende Erfolgsaussichten sehe. Das tat sie jedoch nicht.

Im Rahmen des Insolvenzverfahrens waren an den Kläger bereits vor diesem Verfahren 5.000 EUR ausbezahlt worden. Eine weitere Zahlung über 6.250 EUR wurde an die Beklagte als Vertreterin des Klägers überwiesen. Sie behielt davon 5.926,60 EUR als Honorar ein, der Differenzbetrag wurde an den Kläger weitergeleitet. An die AEW hatte der Kläger Prozesskosten von 5.180,94 EUR zu zahlen.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage von der Beklagten den Ersatz der von ihm selbst aufgewendeten und der dem Gegner zu zahlenden Prozesskosten aus dem Verfahren vor dem Handelsgericht Wien und dem anschließenden Rechtsmittelverfahren, insgesamt 11.107,54 EUR sA. Weiters beantragt er die Feststellung, dass die Beklagte für sämtliche Schäden hafte, die ihm daraus entstehen, dass er im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien aufgrund der von der Beklagten zu vertretenden mangelnden Fälligkeit des Klagebegehrens unterlegen sei. Die Beklagte hafte, weil sie das Anlegerzertifikat und den Einzahlungsbeleg nicht vor Klagsführung an die AEW übermittelt habe, weshalb die Forderung noch nicht fällig gewesen sei und der Kläger den Prozess verloren habe. Sie habe ihn dadurch einem unnotwendigen Prozesskostenrisiko ausgesetzt, ohne ihn über mögliche Folgen aufzuklären. Zwar sei die Forderung gegen die AEW in der Folge neuerlich geltend gemacht worden, diese habe jedoch Verjährung eingewendet. Auch die Einbringlichkeit sei ungewiss, weshalb er ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten habe.

Die Beklagte bestreitet und bringt vor, die AEW habe nur eine angemessene und nicht eine bestimmte Prüffrist zugestanden. Diese Rechtsansicht sei jedenfalls vertretbar gewesen. Die angemessene Prüffrist sei besonders kurz anzusetzen gewesen, da es sich um eine Einmalzahlung gehandelt habe. Der Kläger habe eine außerordentliche Revision gegen die rechtlich verfehlte Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Wien abgelehnt.

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren statt, wies das Feststellungsbegehren dagegen ab und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger die Kosten des Verfahrens zu ersetzen. Nach §§ 23b und 23c WAG 1996 habe die AEW zu gewährleisten, dass Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden. Bis zur Klagseinbringung habe die Beklagte der AEW keine prüffähigen Unterlagen übermittelt. Die Ansicht, die Forderung werde ohne Vorlage von Urkunden fällig, habe der damals bereits anerkannten Rechtsprechung und dem deutlichen Gesetzestext widersprochen. Über das damit verbundene Risiko sowie die Alternative, sicherheitshalber die Unterlagen zu übermitteln und die Prüffrist nach der Judikatur zwischen einem und sechs Monaten und die Auszahlungsfrist von drei Monaten abzuwarten, hätte die Beklagte den Kläger aufklären müssen. Sie habe daher keinen Anspruch auf ein Honorar und dem Kläger den durch die unterlassene Aufklärung verursachten Schaden zu ersetzen.

Dagegen sei das Feststellungsbegehren nicht berechtigt. Der behauptete Zinsverlust sei nicht nachvollziehbar, die weiteren Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung habe der Kläger jedenfalls zu tragen, einen allfälligen Verjährungseinwand in einem neuerlichen Verfahren habe nicht die Beklagte zu verantworten.

Das Berufungsgericht gab der gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge, dem gegen die Stattgebung des Zahlungsbegehrens gerichteten Berufung der Beklagten dagegen Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Die Vorgangsweise des Beklagten sei vor dem Hintergrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen vertretbar gewesen. Ab Oktober/November 2011 sei ein Sachverständigengutachten, aus dem sich der Anspruch des Klägers ergeben habe, vorgelegen. Mit der Klage sei das Anlegerzertifikat übermittelt worden. Ab diesem Zeitpunkt habe die Prüffrist zu laufen begonnen bzw habe dies mit guten Gründen vertreten werden können. Ausgehend von der Prüffrist von einem Monat und der Auszahlungsfrist von drei Monaten sei der Anspruch des Klägers zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung fällig gewesen. Die Negativfeststellung des Erstgerichts über den ungewissen Ausgang eines Revisionsverfahrens gehe zu Lasten des Klägers, der beweisen hätte müssen, dass damit ein Schaden nicht hätte abgewendet werden können. Da die Haftung schon dem Grunde nach ausscheide, bestehe auch das Feststellungsbegehren nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Über den nach § 508 ZPO gestellten Antrag der Klägerin änderte es den Zulässigkeitsausspruch jedoch nachträglich ab, weil „der Revisionswerber eine Vielzahl von Begründungsmängeln und Rechtsirrtümern des Berufungsgerichts zur Darstellung bringe“.

Die Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und auch berechtigt.

1. Der Vertrag zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Klienten ist grundsätzlich ein Bevollmächtigungsvertrag, auf den in erster Linie die Vorschriften der Rechtsanwaltsordnung, hilfsweise die Bestimmungen des ABGB über die Bevollmächtigung anzuwenden sind (RIS Justiz RS0038703). Gemäß § 9 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Diese Bestimmung ergänzt § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag aufgetragene Geschäft umsichtig und redlich zu besorgen. Daraus ergeben sich, wie die Vorinstanzen richtig ausgeführt haben, für den Anwalt eine Reihe von Pflichten wie zB Warn , Aufklärungs , Informations und Verhütungspflichten (RIS Justiz RS0112203). Welche konkreten Pflichten aus den von der Rechtsprechung allgemein entwickelten Grundsätzen abzuleiten sind, richtet sich immer nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Einzelfalls (vgl RIS Justiz RS0026584).

Haftungsmaßstab des Anwalts ist nach § 1299 ABGB der eines Sachverständigen. Damit wird der Sorgfaltsmaßstab gegenüber der allgemeinen Regel des § 1297 ABGB angehoben, da nicht auf den gewöhnlichen Grad an Aufmerksamkeit und Fleiß abzustellen ist, sondern auf den für die übernommene Tätigkeit notwendigen. Maßgeblich ist somit nicht die Sorgfalt eines Durchschnittsmenschen, sondern die übliche Sorgfalt von Personen, die derartige Tätigkeiten ausüben. Andererseits kommt es beim Verschulden nicht wie sonst auf die subjektiven Kenntnisse und Fähigkeiten an, sondern ist ein objektiver Verschuldensmaßstab anzulegen.

Dem Rechtsanwalt obliegt es, in seiner beratenden und vertretenden Tätigkeit so vorzugehen, dass die von seinem Mandanten angestrebten Ziele am sichersten und ungefährdetsten erreicht werden. Ein Anwalt ist gehalten, ein unnötiges oder vermeidbares Risiko auszuschließen. Er ist verpflichtet, von mehreren denkbaren Rechtsbehelfen zur Wahrung der Klienteninteressen jeweils den sichersten zu wählen, es sei denn, die Parteien würden trotz Belehrung auf einem anderen Vorgehen beharren (RIS Justiz RS0026303).

2. Nach § 23b Abs 2 WAG 1996 hat die AEW zu gewährleisten, wenn über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird, dass Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen gemäß § 93 Abs 2a BWG bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden.

Zur ähnlich lautenden Bestimmung des § 93 BWG hat der Oberste Gerichtshof bereits 2002 ausgesprochen, dass Forderungen gegen die Einlagensicherung der Banken und Bankiers GmbH erst mit Legitimation fällig werden, was bedeutet, dass der Anleger seine Identität offen legt und den Nachweis antritt, dass der erliegende Betrag oder ein Teil davon wirtschaftlich aus seinem Geld stammt (7 Ob 98/02s). In der Entscheidung 9 Ob 50/09g, einem als Musterprozess geführten Verfahren zwischen Anlegern aus dem Konkurs der A***** AG und der AEW, hielt der Oberste Gerichtshof fest, dass die Behauptungs- und Beweislast demjenigen obliegt, der einen Anspruch für sich reklamiert, in den konkreten Fällen also den Anlegern. Die Entschädigungseinrichtung sei verpflichtet, den Anlegern auf Verlangen nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt seien, zu entschädigen. Die Feststellung der Forderung knüpfe dabei nicht an die Anmeldung der Forderung im Konkurs an, sondern beruhe vielmehr auf einer selbstständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anleger durch die Entschädigungseinrichtung. Fristgerechte Anmeldungen seien jedenfalls unverzüglich zu prüfen und gegebenenfalls Entschädigungen binnen der für jede Forderung jeweils neu laufenden Dreimonatsfrist auszuzahlen. Je nach Komplexität des Sachverhalts zur Feststellung der Forderung werde der Entschädigungseinrichtung daher eine angemessene Prüfungszeit zuzubilligen sein. Eine Überschreitung eines Prüfungszeitraums von sechs Monaten werde aber nur in besonderen Fällen gerechtfertigt sein, weil die Anlegerentschädigungseinrichtung ohne ungebührliche Verzögerung zu entschädigen habe.

In nachfolgenden Entscheidungen wurde ausgesprochen, dass zur Haftung dem Grunde nach auch und zunächst der Nachweis gehöre, dass bzw von wem ein Betrag an das insolvente Wertpapierdienstleistungs-unternehmen gezahlt wurde. Die Verpflichtung zu diesem Nachweis ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 23b Abs 2 WAG 1996, der eine „Legitimierung“ und nicht nur die Behauptung einer Forderung verlange (8 Ob 110/11a). Habe bereits zuvor eine „sorgfältige Prüfung“ der Forderungsanmeldung stattgefunden und umfassten die fehlenden Urkunden, nämlich das Anlegerzertifikat und der Einzahlungsbeleg, jeweils nur eine Seite und daher nur einen Prüfaufwand von wenigen Minuten, sei eine vom Berufungsgericht angenommene Prüffrist von drei Monaten nicht zu kurz bemessen und daher nicht zu beanstanden (2 Ob 171/12d). Die Rechtsansicht, die AEW habe sich sämtliche Informationen mit ihrer amtlichen Prüfungspflicht selbst zu beschaffen, sei durch höchstgerichtliche Rechtsprechung widerlegt. Die Annahme einer Prüffrist im Ausmaß von einem Monat als angemessen stelle keine Fehlbeurteilung dar, die zu korrigieren wäre (5 Ob 63/12v). Mit welchen Mitteln dieser Nachweis zu führen sei, sei vom Obersten Gerichtshof nicht in genereller Weise vorzugeben, weil es dafür maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls ankomme (9 Ob 55/12x).

Als ausreichender Nachweis angesehen wurden Anlegerzertifikat und Depotbericht (9 Ob 55/12x), ein Anlegerzertifikat und eine spätere Mitteilung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens über die ein und ausgezahlten Beträge (9 Ob 51/12k), ein Anlegerzertifikat und eine Mitteilung über eine bereits erfolgte Einzahlung (9 Ob 37/13a) sowie ein Anlegerzertifikat, aus dem sich durch Angabe des Investitionsdatums ergibt, dass die zu veranlagende Summe bereits zur Verfügung steht (4 Ob 40/13f). In der Entscheidung 9 Ob 35/13g wurde im Hinblick darauf, dass die AEW bereits vor Vorlage des Anlegerzertifikats verlässliche Daten über die Veranlagung des konkreten Anlegers hatte, ein urkundlicher Forderungsnachweis als übertriebener Formalismus bezeichnet.

3. Im konkreten Fall brachte die Beklagte für den Kläger die Klage gegen die AEW zu einem Zeitpunkt ein, als abgesehen von der älteren Judikatur zum BWG bereits die Leitentscheidung 9 Ob 50/09g ergangen war, wobei diese, wie sich aus der Klage ergibt, auch bekannt war. Daraus war aber, wie ausgeführt, zu ersehen, dass eine Fälligkeit eines allfälligen Anspruchs des Klägers erst nach Legitimierung, Ablauf einer angemessenen Prüffrist und der dreimonatigen Auszahlungsfrist gegeben war. Dass die Beklagte vor diesem Hintergrund die Klage gegen die AEW einbrachte, ohne zuvor alles Erforderliche für eine Fälligstellung der Forderung zu tun und ohne zumindest das Risiko einer solchen Prozessführung mit ihrem Mandanten zu erörtern, stellt ein vorwerfbares sorgfaltswidriges Verhalten dar. Vor Klagseinbringung war mangels Vorlage irgendwelcher Unterlagen noch nicht einmal die Prüffrist in Gang gesetzt worden, geschweige denn die Auszahlungsfrist. Ob der Anspruch des Klägers daher bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz fällig sein würde, war ausschließlich von der Schnelligkeit des Prozessgerichts abhängig und durch den von der Beklagten vertretenen Kläger nicht mehr zu beeinflussen. Die Beklagte hat damit den Kläger dem leicht vermeidbaren Risiko ausgesetzt, dass das Klagebegehren mangels Fälligkeit abgewiesen wird. Dieses Risiko hat sich letztlich auch verwirklicht. Grundsätzlich hat die Beklagte daher dem Kläger für die Folgen aus dieser Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten zu haften.

4. Dass der geltend gemachte Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln des Rechtsanwalts nicht eingetreten wäre, ist vom Geschädigten zu beweisen (RIS Justiz RS0022700). Durch die sorgfaltswidrige Klagsführung vor Fälligkeit war das Verhalten der Beklagten kausal für die dem Kläger entstandenen Kosten. Ob diese Schadensfolge durch ein Rechtsmittel hätte abgewendet werden können, ist keine Frage der Kausalität sondern der Schadensminderungspflicht, für deren Verletzung aber die Beklagte die Beweislast trifft (RIS Justiz RS0026909). Aus § 1304 ABGB folgt, dass der Geschädigte verpflichtet ist, den Schaden möglichst gering zu halten. Er verletzt die Schadensminderungspflicht, wenn er schuldhaft Handlungen unterlässt, die von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden und geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern. Maßgebend ist, ob der Geschädigte jene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Betroffener in seiner Lage angewendet hätte, um eine Schädigung nach Möglichkeit abzuwenden. Ergreift der Geschädigte kein Rechtsmittel obwohl es geeignet gewesen wäre, den Schaden ganz oder teilweise abzuwenden, so handelt er sorglos in eigenen Angelegenheiten und verletzt die ihm obliegende Rettungspflicht (4 Ob 127/97y). Dabei ist hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wäre das entsprechende Rechtsmittel erhoben worden. Die hypothetische Beurteilung des Verfahrensausgangs eines Vorprozesses ist wenn die Tatsachengrundlagen unstrittig sind eine Rechtsfrage (RIS Justiz RS0115755). Auf die diesbezüglich vom Erstgericht getroffenen Feststellungen kommt es daher nicht an. Rechtlich zu beurteilen ist, ob ein richtigerweise zu erhebender Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO erfolgreich gewesen wäre.

Zum Zeitpunkt einer solchen Antragstellung lag bereits eine Vielzahl oberstgerichtlicher Entscheidungen zu den relevanten Rechtsfragen vor, die vom Berufungsgericht in seiner Entscheidung auch berücksichtigt wurden. Aus diesen ergab sich, dass zur Legitimation des Anlegers gegenüber der AEW einerseits der Nachweis der Berechtigung, andererseits, dass ein bestimmter Betrag an das Wertpapierdienstleistungsunternehmen bezahlt wurde, erforderlich war. Mit der Klage gegen die AEW wurde erstmals das Anlegerzertifikat, mit Schriftsatz vom 22. 2. 2012 der Einzahlungsbeleg vorgelegt. Zwischen diesem Zeitpunkt und dem Schluss der mündlichen Verhandlung 6. 6. 2012 lagen dreieinhalb Monate. Bei Berücksichtigung einer angemessenen Prüffrist und der anschließenden dreimonatigen Auszahlungsfrist war die rechtliche Beurteilung der Gerichte im Vorprozess, dass Fälligkeit noch nicht eingetreten war, jedenfalls vertretbar. Die Beklagte verweist selbst in ihrer Revisionsbeantwortung darauf, dass der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen nicht von einer fixen Prüffrist ausgegangen war, sondern diese jeweils für den konkreten Einzelfall individuell auszumessen war. Welche erhebliche Rechtsfrage daher im Vorprozess eine Zulassung gerechtfertigt hätte bzw vom Obersten Gerichtshof hätte aufgegriffen werden können, ergibt sich auch aus seinem Vorbringen nicht. Die Nichterhebung der Revision durch den Kläger stellt daher keine Verletzung der Schadensminderungspflicht dar.

5. Aufgrund des von der Beklagten zu vertretenden Sorgfaltsverstoßes in der Vertretung des Klägers, hat dieser den Vorprozess verloren und wurde verpflichtet, der Gegenseite die Kosten zu ersetzen. Dieser Schaden ist daher von der Beklagten zu ersetzen.

Einem Mandanten eines Rechtsanwalts kommt aber auch ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Schlechterfüllung zu, wenn die Ausführung des übernommenen Auftrags aus Verschulden des Anwalts vereitelt wird (RIS Justiz RS0038695). Für wertlose anwaltliche Leistungen steht grundsätzlich kein Honorar zu (RIS Justiz RS0039663). Die Geltendmachung einer erkennbar nicht fälligen Forderung im Klagsweg stellt eine wertlose Leistung dar, für die der Beklagten daher kein Honorar zukommt. Der von ihr aus der Überweisung im Konkurs der A***** AG zu Unrecht einbehaltene Betrag ist daher dem Kläger auszuzahlen. Das Zahlungsbegehren, das der Höhe nach nicht strittig ist, ist daher insgesamt berechtigt.

6. Nach § 228 ZPO erfordert die Klage auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechts ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Klärung und eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre. Diese Voraussetzungen sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (RIS Justiz RS0039123). Ein Feststellungsinteresse liegt dann vor, wenn eine objektive Ungewissheit über den Bestand oder Umfang eines Anspruchs besteht, die durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils beseitigt wird. Es ist dann zu bejahen, wenn durch die Klarstellung der Rechtsverhältnisse künftige Streitigkeiten vermieden werden können.

Das Erstgericht hat zwar festgestellt, dass weitere Schäden aufgrund des Unterliegens des Klägers im Vorprozess ausgeschlossen sind, allerdings nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Forderung gegen AEW aufgrund ihrer späteren Geltendmachung allenfalls nicht mehr zur Gänze einbringlich sein wird. Da auch dies im weitesten Sinne eine Folge davon ist, dass der Kläger aufgrund Nichtfälligstellung im Vorverfahren unterlegen ist, ist ein rechtliches Interesse an einer Feststellungsklage zu bejahen. Allerdings besteht ein Feststellungsinteresse nur an der Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden. Das darüber hinausgehende Feststellungsbegehren war abzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 43, 50 ZPO. Beim Feststellungsbegehren war von einem gleichteiligen Obsiegen auszugehen, dementsprechend ist der Kläger in erster Instanz mit 15 % seines Klagebegehrens unterlegen, hat daher Anspruch auf Ersatz von 70 % seiner Kosten und 85 % der Pauschalgebühr. Mit seiner eigenen Berufung hat der Kläger letztlich zu 50 % obsiegt, daher Anspruch auf Ersatz von 50 % der Pauschalgebühr. Die Kosten der Berufungsbeantwortung zur Berufung der Beklagten sind dem Kläger zu 100 % zu ersetzen. Die Kosten der Revision stehen wieder zu 70 % zu, die Kosten der Pauschalgebühr zu 85 %.

Rechtssätze
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