JudikaturJustiz6Ob66/02b

6Ob66/02b – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Prückner, Dr. Schenk, Dr. Hurch und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Dr. Günter W*****, und 2. Helga W*****, beide vertreten durch Dr. Hans Kaska und Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die Antragsgegner 1. Ernst B*****, und 2. Dr. Christa B*****, beide vertreten durch Dr. Walter Riedl ua Rechtsanwälte in Wien, wegen gerichtlicher Regelung von Beitragszahlungen für einen Servitutsweg, über die ordentlichen Revisionsrekurse der Antragsteller und der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 20. Dezember 2001, GZ 7 R 178/01h-9, womit über den Rekurs der Antragsteller der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 25. Juni 2001, GZ 1 Nc 33/01d-5, aufgehoben, das Verfahren ab Antragstellung für nichtig erklärt und ausgesprochen wurde, dass der Antrag der Antragsteller im streitigen Verfahren als Klage zu behandeln ist, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Beiden Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragsteller sind nach ihrem Vorbringen Eigentümer einer mit einer bücherlichen Wegeservitut zu Gunsten der im Eigentum der Antragsgegner stehenden Grundstücke belasteten Liegenschaft. Die Servitut habe ihre vertragliche Grundlage in einem im Jahr 1980 abgeschlossenen Dienstbarkeitsvertrag mit einer Genossenschaft. Diese habe im Laufe der Zeit sämtliche Grundstücke verkauft und einen Agrarweg angelegt, sodass die Servitutsberechtigten nicht mehr auf den Weg über das Grundstück der Antragsteller angewiesen gewesen seien. Die Antragsgegner seien die letzten aus dem Dienstbarkeitsvertrag noch berechtigten Grundeigentümer. Im Dienstbarkeitsvertrag sei vereinbart worden, dass die Genossenschaft 66 % der Erhaltungskosten, die Antragsteller aber 34 % zu tragen hätten. Wegen Wegfalls eines Großteils der herrschenden Grundstücke sei eine Neuregelung der Kostenvereinbarung erforderlich. Der Dienstbarkeitsvertrag sei von allen servitutsberechtigten Grundeigentümern mit Ausnahme der Antragsgegner mit Auflösungsvertrag vom 20. 12. 1991 aufgelöst worden.

Mit ihrem am 14. 3. 2001 beim Erstgericht eingelangten Antrag auf "Regelung der Beitragszahlung zu einem gemeinsamen Weg" beantragen die Antragsteller, durch richterlichen Beschluss im Außerstreitverfahren den von den Antragsgegnern zu tragenden Anteil an den Erhaltungskosten des Weges "im prozentmäßigen Anteil für jedes der beiden Grundstücke" festzustellen.

Die Antragsgegner stehen auf dem Standpunkt, dass die strittige Kostenfrage schon vertraglich geregelt worden sei. Den Antragstellern fehle die Antragslegitimation nach § 848a ABGB.

Das Erstgericht wies den Regelungsantrag der Antragsteller ab. Es beurteilte das Antragsvorbringen rechtlich dahin, dass die Teilung eines dienenden oder herrschenden Grundstücks die Art und den Umfang der Dienstbarkeit nicht berühre. Durch die Teilung dürfe eine Servitut allerdings nicht erweitert werden. Bei Teilung des herrschenden Grundstücks könne jeder Berechtigte, bei Teilung des belasteten Grundstücks jeder Belastete die gerichtliche Regelung der Ausübung begehren. Der Antrag sei schon mangels Aktivlegitimation abzuweisen. Eine mittels Analogie (zu § 848a ABGB) zu schließende planwidrige Gesetzeslücke liege nicht vor.

Das Rekursgericht hob aus Anlass des Rekurses der Antragsteller den erstinstanzlichen Beschluss (gemeint: als nichtig) auf, erklärte das Verfahren des Erstgerichtes ab Antragstellung für nichtig und sprach aus, dass der Antrag im streitigen Verfahren als Klage zu behandeln sei. Das Rekursgericht wies ferner die Rekursbeantwortung der Antragsgegner zurück.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht im Wesentlichen aus, dass für die Frage der Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges der im Antrag geltend gemachte Rechtsgrund maßgeblich sei. Entscheidend sei der Wortlaut des Begehrens und die zur Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen. Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch unzweifelhaft schlüssig ins außerstreitige Verfahren verwiesen seien, gehörten auf den streitigen Rechtsweg. Wenn eine rechtswirksame Vereinbarung über die Benützung einer Sache vorliege, seien Streitigkeiten im Rechtsweg auszutragen. Die Antragsteller wollten die Abänderung einer vertraglichen Vereinbarung (des Dienstbarkeitsvertrags vom 11. 7. 1980) erreichen. Für diesen Anspruch sei der außerstreitige Rechtsweg unzulässig. Das Erstgericht werde das gesetzmäßige streitige Verfahren nach Durchführung einer erforderlichen Verbesserung durch Konkretisierung des Klageanspruchs einzuleiten haben. Eine analoge Anwendung des § 848a ABGB komme über den Teilungsfall hinaus nicht in Betracht, weil weder eine Teilung des dienenden noch des herrschenden Gutes erfolgt sei. Die Rekursbeantwortung der Antragsgegner sei wegen der Einseitigkeit des Rekursverfahrens zurückzuweisen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur analogen Anwendung des § 848a ABGB auf Fälle, in denen es zu keiner Teilung, sondern nur zu einer Verringerung der herrschenden Grundstücke gekommen sei, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richten sich

1. der ordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass dem Erstgericht die Fortsetzung des außerstreitigen Verfahrens aufgetragen werde;

2. der ordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionsrekurse sind zulässig, jedoch nicht berechtigt.

I. Zu der von allen Rekurswerbern bejahten Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens:

1. § 848a ABGB bestimmt: Gewährt eine Dienstbarkeit oder eine andere dingliche Last einen Anspruch auf Nutzungen, so kann bei Teilung des herrschenden Grundstückes jeder Berechtigte und bei Teilung des belasteten Grundstückes jeder Belastete eine gerichtliche Regelung der Ausübung begehren. Die Ausübung ist mit Rücksicht auf die Natur und Zweckbestimmung des Rechtes sowie auf das Größenverhältnis und die wirtschaftliche Besonderheit der einzelnen Liegenschaftsteile ohne Erschwerung der Last so zu regeln, wie es allen Interessen billigerweise entspricht.

Das Gesetz regelt einen Regulierungsanspruch über widerstreitende ranggleiche Nutzungsrechte für den Fall der Teilung des herrschenden oder des dienenden Grundstücks. Darüber ist gemäß § 31 der 3. Teilnovelle vom Bezirksgericht in einem außerstreitigen Verfahren zu entscheiden, in dessen Sprengel sich die belastete Liegenschaft befindet (Gamerith in Rummel ABGB3 Rz 6 zu § 848a). Hier liegt kein Teilungsfall vor. Die von den Antragstellern angestrebte Analogie scheitert schon an der fehlenden Vergleichbarkeit der Sachverhalte. § 848a ABGB regelt Streitigkeiten von Berechtigten oder Belasteten jeweils untereinander, nicht aber den hier vorliegenden Fall eines Streits zwischen Belasteten und Berechtigten. Die von den Antragstellern zitierte Entscheidung SZ 44/110 stützt ihren Standpunkt nicht. Dort wurde nur ausgesprochen, dass nach der Teilung für den Streit der servitutsberechtigten Eigentümer untereinander das Verfahren nach § 848a ABGB zur Verfügung steht, für Ansprüche gegen die belasteten Eigentümer aber der Klageweg. Die Entscheidung bejaht lediglich die analoge Anwendung des § 848a ABGB auf Streitigkeiten von Servitutsberechtigten. Das Gesetz selbst spricht von Nutzungsberechtigten. Nur in diesem Sinne bejaht auch die Lehre eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches des § 848a ABGB im Wege der Analogie (Gamerith aaO Rz 3 mwN). Dem von der Teilung nicht betroffenen Eigentümer des herrschenden oder dienenden Grundstücks steht kein Antragsrecht nach § 848a ABGB zu (Gamerith aaO Rz 4). Gegen die Vermehrung seiner Lasten steht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks der Klageweg offen.

2. Auch der Hinweis auf die im außerstreitigen Verfahren durchzusetzende Benützungsregelung unter Miteigentümern (§ 835 ABGB) ist nicht zielführend. Eine analoge Anwendung scheitert schon an den nicht vergleichbaren Rechtspositionen. Das Miteigentum an ein und derselben Sache begründet eine spezielle Rechtsgemeinschaft, innerhalb derselben Streitigkeiten (wiederum: untereinander) unter gewissen Voraussetzungen im weniger förmlichen außerstreitigen Verfahren ausgetragen werden können. In Bezug auf Dritte muss der Rechtsweg beschritten werden. Die angestrebte Analogie, also die Einbeziehung von Dritten in die Rechtsgemeinschaft der Miteigentümer führte zu dem offenkundig unhaltbaren Ergebnis, dass so gut wie alle sachenrechtlichen Streitigkeiten im außerstreitigen Verfahren abzuhandeln wären. Dies stünde mit dem Rechtssatz im Widerspruch, dass grundsätzlich alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Rechtsweg gehören, soferne nicht das Gesetz etwas anderes ausdrücklich oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig bestimmt (RS0012214; 1 Ob 202/00p). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Analogie zur Benützungsregelung unter Miteigentümern auch daran scheitert, dass eine gerichtliche Regelung durch den Außerstreitrichter nur zulässig ist, wenn keine Benützungsvereinbarung vorliegt (Gamerith in Rummel, ABGB3 Rz 5 zu § 835 mwN) und dann die Unwirksamkeit, Aufhebung oder Abänderung der Vereinbarung im Rechtsweg durchzusetzen ist (RS0013554; RS0013622) oder ob trotz Vorliegens einer Miteigentümervereinbarung eine Benützungsregelung durch den Außerstreitrichter ausnahmsweise dann zulässig ist, wenn sich die objektiven Gebrauchsmöglichkeiten wesentlich verschoben haben (RS0013552). Entscheidend ist hier jedenfalls, dass die Rechtsbeziehung zwischen einem belasteten Grundeigentümer und einem Servitutsberechtigten der Rechtsgemeinschaft von Miteigentümern nicht gleichgehalten werden kann.

II. Zur Überweisung nach § 40a JN:

Die Antragsgegner streben die Wiederherstellung des den Antrag abweisenden Beschlusses des Erstgerichtes an. Der Antrag sei im außerstreitigen Verfahren gestellt worden und vom Außerstreitrichter zu behandeln. Der Nichtigerklärung des Verfahrens fehle die rechtliche Deckung. Nach dem Spruch der Rekursentscheidung sei auch der Antrag selbst "aus dem Rechtsbestand entfernt" worden: Diesen Argumenten ist entgegen zu halten:

1. Für die Frage, ob über ein Begehren im außerstreitigen Verfahren oder im Prozess zu entscheiden ist, sind der Inhalt des Begehrens und das Klage- oder Antragsvorbringen maßgeblich (RS0013639; RS0005896). Die Partei kann nicht die Entscheidung in einer unzulässigen Verfahrensart erzwingen. Die Wahl der Verfahrensart durch die verfahrenseinleitende Partei bestimmt lediglich die anzuwendenden Rechtsmittelvorschriften (RS0046238). Die Revisionsrekurse der Parteien sind daher solche nach den §§ 14 ff AußStrG. Die Rekurslegitimation der Antragsgegner ist ebenso zu bejahen wie die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels wegen erheblicher Rechtsfragen. Beschlüsse über die anzuwendende Verfahrensart können von beiden Parteien angefochten werden (Mayr in Rechberger ZPO2 Rz 6 mwN), außer in dem hier nicht vorliegenden Fall einer a limine-Zurückweisung (dazu: RS0039183).

2. Die Antragsgegner streben den Entfall der Nichtigerklärung des durchgeführten außerstreitigen Verfahrens lediglich mit dem Argument an, dass die Antragsteller die Verfahrensart bestimmt hätten und der Prozessrichter keine Kompetenz im Regulierungsverfahren hätte. Letzteres träfe nach den dargelegten Erwägungen durchaus zu, wenn der Antrag nach dem Sachverhaltsvorbringen ein im außerstreitigen Verfahren zulässiger Regelungsantrag nach § 848a ABGB wäre. Gerade dies ist nicht der Fall. Dann hat das angerufene Gericht gemäß § 40a JN über die Verfahrensart zu entscheiden. Ein in der falschen Verfahrensart gestelltes Rechtsschutzgesuch ist nicht zurückzuweisen, sondern umzudeuten und im richtigen Verfahren zu behandeln. § 40a JN ist in jeder Lage des Verfahrens anzuwenden. Das Rekursgericht hat zutreffend das bisher durchgeführte Verfahren für nichtig erklärt und die angefochtene Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben. Von der Nichtigerklärung ist die Verfahrenseinleitung aber nicht erfasst (Mayr aaO Rz 2 und 3 zu § 40a JN mwN). Nichts Gegenteiliges ergibt sich aus dem Spruch des Rekursgerichtes, wird doch der Antrag nicht zurückgewiesen, sondern ausdrücklich ausgesprochen, dass der Antrag als Klage zu behandeln ist.

III. Das Rekursgericht hat die Rekursbeantwortung der Antragsgegner im Einklang mit der Judikatur zurückgewiesen. Das Rekursverfahren im außerstreitigen Verfahren ist grundsätzlich nicht zweiseitig (RS0007041). Dagegen führen die Antragsgegner die Judikatur ins Treffen, dass eine Rechtsmittelgegenschrift dann zulässig und zweckmäßig sein könne, wenn im Rechtsmittel zulässige Neuerungen gemäß § 10 AußStrG geltend gemacht wurden, sodass dem Rechtsmittelgegner das rechtliche Gehör zu geben sei (RS0007056). Diese Ausnahme von der grundsätzlichen Einseitigkeit des Rekursverfahrens wird aber auch nach der von den Rekurswerbern zitierten Entscheidung 6 Ob 2398/96g nur dort vertreten, wo der Rechtsmittelgegner neuen Sachverhaltsbehauptungen des Rekurswerbers entgegentreten können soll, nicht aber dann, wenn der Rekurswerber nur neue Rechtsausführungen machte (hier: über die mögliche Analogie zur Benützungsregelung unter Miteigentümern). In einem solchen Fall wird dem Rechtsmittelgegner das Gehör nicht entzogen, weil er - wenn die Rekursentscheidung nicht in seinem Sinne ausfällt - im Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof Gelegenheit hat, seinen Rechtsstandpunkt darzulegen.

Beiden Revisionsrekursen ist aus den dargelegten Gründen ein Erfolg zu versagen.

Rechtssätze
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