JudikaturJustiz5Ob48/19y

5Ob48/19y – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juni 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R***** J*****, 2. Dipl. Ing. Dr. E***** F*****, 3. Dipl. Ing. DDr. C***** F*****, alle vertreten durch Dr. Hanno Hofmann, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. M*****D*****, 2. Dr. J***** D*****, beide vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in Murau, wegen Feststellung, Einwilligung und Entfernung (Gesamtstreitwert 6.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2019, GZ 1 R 167/18b 56, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Rechtsprechung und Lehre anerkennen die Gültigkeit von Vereinbarungen, mit denen Berechtigungen, die ihrem Inhalt nach sonst den Gegenstand von Dienstbarkeitsbestellungsverträgen an Liegenschaften bilden, mit bloß obligatorischer Wirkung eingeräumt werden (RIS Justiz RS0011659). Ob die Parteien ein obligatorisches Recht oder die Einräumung einer Dienstbarkeit beabsichtigten, richtet sich nach dem Parteiwillen (10 Ob 13/16h). Welcher Art das Nutzungsrecht ist, ist daher eine Frage der Auslegung des Erwerbstitels (vgl RS0011840 [T8]).

1.2. Die Auslegung des Erwerbstitels, wie also Parteienerklärungen im Einzelfall aufzufassen sind, ob eine solche inhaltlich ausreichend bestimmt ist und ob in ihr ein endgültiger Bindungswille zum Ausdruck kommt, ist jeweils nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wirft nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, wenn ein aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierendes Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl RS0042555; RS0042776; RS0042936; RS0044298; RS0044358; RS0112106).

1.3. Das ist hier nicht der Fall. Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend davon aus, dass die Voreigentümer der belasteten Liegenschaft den Klägern ein bloß obligatorisches persönliches Wegnutzungsrecht eingeräumt hatten. Gemäß § 479 Satz 2 ABGB ist zwar im Zweifel davon auszugehen, dass eine Servitut und kein obligatorisches Recht eingeräumt wurde (3 Ob 163/12k = RS0011648 [T8]; vgl RS0011592; RS0058319), allerdings geht aus dem hier festgestellten Sachverhalt hervor, dass solche Zweifel nicht bestehen. Nach dem objektiven Erklärungswert der Parteienerklärungen wurde gerade kein dingliches Recht eingeräumt. Wieso es zu gar keiner wirksamen Einräumung eines Wegnutzungsrechts und, wenn doch, zur (konkludenten) Einräumung eines Rechts dinglicher Natur gekommen sein soll, vermag die Revision nicht nachvollziehbar aufzuzeigen. Die Kläger lassen in ihrer Argumentation vielmehr wesentliche Teile des dazu festgestellten Sachverhalts außer Betracht.

2.1. Die Beklagten erwarben die angeblich dienende Liegenschaft nicht rechtsgeschäftlich, sondern anlässlich einer Versteigerung der Liegenschaft nach § 352 EO.

2.2. Nach der jüngeren, nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat der Ersteher einer zwangsversteigerten Liegenschaft offenkundige, aber nicht verbücherte und im Versteigerungsedikt nicht angeführte Dienstbarkeiten nach Maßgabe ihres durch den Begründungsakt – vollendete Ersitzung oder Schaffung der Offenkundigkeit – geschaffenen Rangs ohne oder in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen und daher gegen sich gelten zu lassen (2 Ob 238/08a; 6 Ob 95/04w; RS0003056; RS0111211 [T4]; RS0003064 [T4]; RS0013795 [T9]; RS0002949 [T8]).

2.3. Nicht verbücherte, aber offenkundige Servituten sind vom Ersteher im Rahmen einer Zwangsversteigerung aber nur dann zu übernehmen, wenn sie bereits ersessen sind (1 Ob 221/99b; RS0003064 [T1]). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können aber Sachen, an denen dem Berechtigten die Gewahrsame rechtsgeschäftlich überlassen wurde, nicht ersessen werden (RS0034095; RS0011591 [T2]). Dies gilt insbesondere auch für Dienstbarkeiten (1 Ob 49/18i; 5 Ob 30/14v; RS0034095 [T9]). Eine Ersitzung ist also ausgeschlossen, wenn sich das ausgeübte Gebrauchsrecht – wie hier – innerhalb der Grenzen dessen bewegt, was dem Einzelnen ohnehin bereits gestattet ist (1 Ob 49/18i; 5 Ob 30/14v). Dahinter steht der Gedanke, dass es bei einer rechtsgeschäftlichen Überlassung eines Gebrauchsrechts am Ersitzungsbesitz und an der Redlichkeit fehlt. In jüngeren Entscheidungen wurde der Rechtssatz, dass rechtsgeschäftlich überlassene Sachen nicht ersessen werden können, zwar insoweit präzisiert, als es an der für die Ersitzung erforderlichen Redlichkeit regelmäßig nur dann fehlt, wenn dem Nutzer der Umstand der bloß obligatorischen Gebrauchsüberlassung bekannt ist oder bei ausreichender Sorgfalt bekannt sein muss (1 Ob 49/18i; RS0034095 [T14]). Aber auch das ist hier nach dem festgestellten Sachverhalt der Fall.

2.4. Ein bloß obligatorisches Recht, das nach dem Willen der Parteien nicht verbüchert werden soll, kann einer nicht verbücherten Dienstbarkeit nicht gleichgesetzt werden, weshalb die (restriktiv zu handhabenden) Grundsätze über die Durchbrechung des Eintragungsprinzips hier nicht anzuwenden sind (RS0097244). Von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen sind obligatorische Rechte, die im Versteigerungsedikt nicht angeführt werden und die im Schätzwert keinen Niederschlag gefunden haben, vom Ersteher nicht zu übernehmen (RS0002893; 7 Ob 108/15f; 3 Ob 70/00s; Angst in Angst/Oberhammer , EO 3 § 150 EO Rz 9). Auf die Kenntnis des Erstehers vom Bestehen eines solchen bloß obligatorischen Rechts kommt es daher nicht an (3 Ob 70/00s mwN).

2.5. Solche obligatorischen Benützungsrechte gehen daher nur bei entsprechender (auch konkludenter) Vereinbarung zwischen Berechtigtem und Ersteher auf den Ersteher über (RS0011673; Mini/Neumayr in Burgstaller/Deixler Hübner , Exekutionsordnung § 150 EO Rz 42, § 156 Rz 87). Die Beurteilung des Vorliegens einer konkludenten Willenserklärung hat in der Regel keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanz vor, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (RS0043253 [T1, T2, T8, T18, T21]; vgl RS0044358 [T14, T23]). Dieser Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Eine konkludente Übernahme des obligatorischen Wegnutzungsrechts kann aus den Feststellungen nicht abgeleitet werden. Die bloße Kenntnis des Rechtsnachfolgers von einem solchen Nutzungsrecht reicht nicht aus. An die Annahme der schlüssigen Einräumung einer Dienstbarkeit sind, weil dies einem Teilrechtsverzicht gleichkommt, strenge Anforderungen zu stellen. Die sonst an die Ersitzung anknüpfenden Erfordernisse des rechtmäßigen, redlichen und echten Besitzes, einschließlich dem Ablauf der Ersitzungszeit, sollen nicht dadurch einfach umgangen werden können, dass man aus der Nichtausübung eines Rechts oder der stillschweigenden Duldung der Nutzung des Grundstücks durch eine andere Person während eines kürzeren Zeitraums als jenes für die Ersitzung bereits einen konkludenten Rechtsverlust durch rechtsgeschäftliche schlüssige Einräumung von Dienstbarkeitsrechten bejaht (RS0111562 [T5]).

3. Die außerordentliche Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Rechtssätze
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