JudikaturJustiz4Ob170/11w

4Ob170/11w – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. M***** H*****, vertreten durch Dr. Walter Breitwieser und Mag. Paul Max Breitwieser, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und andere Rechtsanwälte in Wels, wegen 72.500 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. Juli 2011, GZ 4 R 70/11h 12, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 28. Februar 2011, GZ 26 Cg 133/10b 8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben , und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen .

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Bruder des Klägers war geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, die ein Sägewerk betrieb. Die Gesellschaft verfügte über Grundvermögen von etwa 60 ha, das zugunsten einer Bank mit einer Höchstbetragshypothek von 14 Mio EUR belastet war.

Um die Jahreswende 2001/2002 sprach ein Kundenbetreuer der hier beklagten Bank den Bruder des Klägers auf eine mögliche Geschäftsbeziehung an. 2002 gewährte die Beklagte der Gesellschaft einen ersten Kredit von 1 Mio EUR und einen Haftungsrahmen von weiteren 1 Mio EUR, 2004 wurde der Kredit auf 8 Mio EUR und der Haftungsrahmen auf 3 Mio EUR erhöht. Zur Besicherung wurden Pfandurkunden errichtet, deren Verbücherung jedoch unterblieb. Grund dafür war, dass der Kundenbetreuer der Beklagten aufgrund der betrieblichen Kennzahlen, der Gespräche mit dem Bruder des Klägers und von Besichtigungen des Betriebs den Eindruck hatte, bei der Gesellschaft handle es sich um ein zukunftsträchtiges Unternehmen. Insbesondere nahm er aufgrund der Angaben des Bruders des Klägers an, dass die Liegenschaften in der Bilanz deutlich unterbewertet seien. Ein zu einem früheren Zeitpunkt eingeholtes Gutachten hatte einen Wert von 37 Mio EUR ergeben.

2007 kam es zu einer Spaltung der Gesellschaft. Dabei wurden die Schulden und das wesentliche Betriebsvermögen auf eine neu gegründete Gesellschaft übertragen. Der Bruder des Klägers wurde auch hier geschäftsführender Gesellschafter. Ein Sachverständiger bewertete das Grundvermögen dieser Gesellschaft mit 74 Mio EUR.

2008 gewährte die Beklagte dieser Gesellschaft einen weiteren Kredit von 2,5 Mio EUR. In diesem Zusammenhang wies der Bruder des Klägers die Beklagte darauf hin, dass das Unternehmen über eine Eigenkapitalquote von 50 % verfüge und bestens aufgestellt sei; der Wert der Liegenschaften sei weit höher als in der Bilanz dargestellt.

Am 2. März 2009 eröffnete das Landesgericht Wels über das Vermögen der Gesellschaft das Ausgleichsverfahren, am 17. April 2009 den Anschlusskonkurs.

Hätte das 2007 eingeholte Gutachten einen Liegenschaftswert von nur 20 bis 25 Mio EUR ergeben, so hätte die Beklagte die Pfandurkunden verbüchert und 2008 keine weiteren Kredite mehr gewährt. Diese Kreditgewährung wäre auch unterblieben, wenn der Bruder des Klägers „die Situation des Unternehmens kritisch(er) dargestellt hätte“.

Bereits am 10. April 2009 hatte der Bruder des Klägers bei der Beklagten nach Auflösung eines Sparbriefs fünf auf Überbringer lautende Sparbücher mit einer Einlage von je 14.500 EUR eröffnet. Kurz darauf verweigerte die Beklagte einer Überbringerin der Sparbücher die Auszahlung. Der Rechtsvertreter der Beklagten teilte dem Rechtsvertreter des Bruders des Klägers mit Schreiben vom 22. April 2009 mit, dass gegen diesen Schadenersatzansprüche bestünden, weil er die Beklagte über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft falsch informiert habe. Diese Ansprüche würden gegen die Forderungen aus den Sparbüchern aufgerechnet. Der Vertreter des Bruders bestritt, dass diesen ein Verschulden treffe; zudem gehörten die Sparbücher nicht (mehr) zu seinem Vermögen. Der Vertreter der Beklagten hielt seinen Standpunkt aufrecht und vertrat die Auffassung, dass die Ansprüche aus den Sparbüchern durch Aufrechnung getilgt seien.

Der Kläger wusste von den Sparbüchern und kannte den Standpunkt der Beklagten; sein Bruder versicherte ihm aber, dass keine Schadenersatzansprüche bestünden. Die Brüder nahmen an, dass die Beklagte an einen dritten Erwerber der Sparbücher jedenfalls auszahlen müsse. Der Bruder übergab daher dem Kläger die Sparbücher und nannte ihm die Losungswörter. Dieser verlangte von der Beklagten unter Vorlage der Bücher und Niederschrift der Losungswörter die Auszahlung. Die Beklagte verweigerte sie unter Hinweis auf die erfolgte Aufrechnung.

Der Kläger begehrt von der Beklagten 72.500 EUR gegen Vorlage der näher bezeichneten Sparbücher und Niederschrift des jeweiligen Losungsworts. Er habe die Sparbücher von seinem Bruder am 27. Mai 2010 um 70.000 EUR gekauft; dieser habe sie ihm nach Überweisung des Kaufpreises am 7. Juni 2010 übergeben. Die Beklagte habe trotz Vorlage der Sparbücher und Bekanntgabe der Losungswörter die Auszahlung verweigert.

Die Beklagte wendet ein, dass die Übertragung der Sparbücher tatsächlich nicht erfolgt sei. Jedenfalls habe der Bruder des Klägers dabei aber in der dem Kläger bekannten Absicht gehandelt, die Beklagte zu benachteiligen. Die Forderungen aus den Sparbüchern seien durch Aufrechnung erloschen. Eine solche Aufrechnung sei in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vorgesehen und entgegen 6 Ob 688/77 zulässig. Der Bruder des Klägers habe die Beklagte falsch über den Wert des Liegenschaftsvermögens informiert, weswegen die Verbücherung des Pfandrechts unterblieben sei. Tatsächlich sei dieser Wert weit geringer als vom Kläger behauptet und im zuletzt eingeholten Gutachten angegeben. Der Bruder des Klägers habe für die falsche Bewertung durch den Sachverständigen einzustehen. Die Gesellschaft sei bereits im Jänner 2008 materiell insolvent gewesen. Der Bruder des Klägers hätte dies erkennen und der Beklagten mitteilen müssen. In diesem Fall hätte die Beklagte keine Kredite mehr gewährt und das Pfandrecht verbüchert. Statt dessen habe der Bruder des Klägers eine positive wirtschaftliche Lage vorgetäuscht. Dadurch habe die Beklagte einen Schaden von zumindest 1 Mio EUR erlitten.

Der Kläger hält dem entgegen, dass die Bank nach 6 Ob 688/77 nicht gegen Forderungen des Sparbuchinhabers auf Rückzahlung des Guthabens aufrechnen könne. Zudem bestehe die Gegenforderung nicht zu Recht, weil der Bruder des Klägers auf das Gutachten zum Wert der Liegenschaften vertraut und die Beklagte nicht über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft getäuscht habe. Diese habe 2008 eine „Umstrukturierung“ eingeleitet, die von den Banken, insbesondere von der Beklagten, mitgetragen worden sei. Die Beklagte habe über alle Unterlagen verfügt, sei vom Bruder des Klägers nie falsch informiert worden und habe der Gesellschaft noch 2009 einen weiteren Kredit von 5 Mio EUR angeboten, den diese aber nicht mehr in Anspruch genommen habe. Die Insolvenz sei durch die Wirtschaftskrise Ende 2008 verursacht worden und bei Gewährung der Kredite nicht absehbar gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Von der Berufung der Beklagten bekämpft stellte es fest, dass der Beklagte mit seinem Bruder einen Kaufvertrag über die Sparbücher geschlossen und den Kaufpreis gezahlt habe. Auch die Übergabe sei erfolgt. Allerdings scheitere die Aufrechnung an der fehlenden Bezifferung und der mangelnden Fälligkeit der Gegenforderung. Die Beklagte habe insofern zwar „allfällige gerichtliche Schritte geprüft, jedoch nicht umgesetzt“. Zudem schließe der Geschäftszweck des Spareinlagenvertrags die Aufrechnung der Bank gegen die Forderungen des Erlegers auf Rückzahlung der Einlage aus.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, das die ordentliche Revision zulässig sei.

Eine Bank sei nach 6 Ob 688/77 nicht berechtigt, ihre Forderungen gegen einen Kunden gegen dessen Forderung aus einem Spareinlagenvertrag aufzurechnen. Dies folge aus dem Zweck dieses Vertrags. Es handle sich dabei um eine Geldanlage, bei der die Auszahlung nur gegen Vorlage des Sparbuchs erfolgen dürfe; durch Überweisung könne darüber nicht verfügt werden. Dies schließe die Aufrechnung aus, da damit in nicht barer Weise also in anderer Weise als durch Rückzahlung der Spareinlage gegen Vorlage des Sparbuchs über die Spareinlage verfügt würde. Zudem gestatte § 56 Abs 2 ZPO die Sicherheitsleistung durch Erlag von Sparbüchern. Dies wäre sinnlos, wenn das Kreditinstitut mit Gegenforderungen aufrechnen könnte, die vor Begründung des Pfandrechts iSd § 56 Abs 3 ZPO entstanden seien. Diese Auffassung habe der Oberste Gerichtshof in 6 Ob 69/97h aufrecht erhalten. Auf die anderen in der Berufung erörterten Fragen komme es daher nicht an.

Die Revision sei zuzulassen, weil die Entscheidung 6 Ob 688/77 in der Lehre auf Kritik gestoßen sei. Zudem handle es sich dabei in Wahrheit um die einzige einschlägige Entscheidung, weil der Oberste Gerichtshof in 6 Ob 69/97h der Revision aus anderen Gründen nicht Folge gegeben habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich eine ordentliche Revision der Beklagten . Sie beantragt eine Abänderung dahingehend, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Zur Begründung stützt sie sich auf unrichtige rechtliche Beurteilung (Wirksamkeit der Aufrechnung, Anfechtbarkeit der Übertragung); weiters beanstandet sie, dass das Berufungsgericht ihre Beweisrüge nicht erledigt habe.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung , das Rechtsmittel der Beklagten wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen; hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt .

1. Eine Aufhebung zur Erledigung der Beweisrüge kann unterbleiben.

1.1. Die Beklagte hat in erster Instanz eingewendet, dass der Kläger und sein Bruder keinen Kaufvertrag über die Sparbücher geschlossen hätten. Sie ist daher offenkundig der Auffassung, dass die Vorlage der Sparbücher samt Nennung der Losungswörter nicht ausreichte; vielmehr müsse der Kläger seine materielle Berechtigung nachweisen. Das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang den Abschluss und die Erfüllung eines Kaufvertrags festgestellt. Die Beklagte hat in der Berufung statt dessen eine Negativfeststellung begehrt.

1.2. Die Nichterledigung der Beweisrüge wäre nur dann relevant, wenn der Anspruch des Klägers bei der gewünschten Negativfeststellung zu verneinen wäre, sodass es auf die übrigen Rechtsfragen, insbesondere auf den Bestand der Gegenforderung, die Zulässigkeit der Aufrechnung und und den Schutz eines dritten Sparbucherwerbers, nicht ankäme. Das ist aber aus wertpapierrechtlichen Gründen nicht der Fall.

1.2.1. Unstrittig ist, dass der Vorleger bei Namenssparbüchern und nicht unter § 31 Abs 3 BWG fallenden Bezeichnungssparbüchern seine Berechtigung nachweisen muss; es handelt sich dabei also um Rektapapiere (8 Ob 37/09p = ÖBA 2010, 460 [ Artmann ] mwN zur praktisch einhelligen Lehre; ausdrücklich anders, soweit ersichtlich, nur Nitsche , Anonymität und Wertpapiercharakter, ÖBA 2000, 1055 ff). Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind allerdings Kleinbetragssparbücher, die nicht auf Namen lauten und daher nach § 31 Abs 3 BWG zwingend mit einem Losungswort zu versehen sind. Ob solche Sparbücher ebenfalls Rekta- oder doch Inhaberpapiere sind, hat der Oberste Gerichtshof noch nicht entschieden. In der Lehre ist die Frage strittig.

(a) Dullinger / Nußbaumer (Glosse, JBl 2007, 179 [181]), Aicher / F. Schuhmacher (in Krejci , Unternehmensrecht 4 [2008] 568 f) und Artmann (Zur Rechtsnatur des Sparbuchs, JBl 2008, 273 [279 ff]) nehmen auch hier ein Rektapapier an, sodass der Vorleger trotz Innehabung des Sparbuchs und Nennung des Losungsworts nach Aufforderung des Kreditinstituts seine materielle Berechtigung nachweisen muss; ohne solchen Nachweis ist das Kreditinstitut lediglich berechtigt (§ 32 Abs 4 Z 1 BWG), nicht aber verpflichtet, an den Vorleger auszuzahlen ( Aicher / F. Schuhmacher aaO 569).

(b) Hingegen qualifizieren G. Roth (Die Rechtsnatur des Sparbuchs nach neuem Recht, ÖBA 2001, 295 [302]), Rieder / Sloboda , (Zur wertpapierrechtlichen Einordnung des Großbetragssparbuchs, Zak 2007, 303 [304]), Riss (Die Auskunftspflicht des Kreditinstituts nach dem Tod des Kunden und ihre prozessuale Durchsetzung, ÖBA 2011, 166 [169]), Wagner (Entscheidungsanmerkung, JBl 2005, 648 [650]) und vor allem Apathy (in Apathy / Iro / Koziol , Österreichisches Bankvertragsrecht 2 II [2008] Rz 3/23 ff mwN) das Kleinbetragssparbuch als Inhaberpapier. Daraus leitet insbesondere Apathy (aaO Rz 3/27) ab, dass die Bank einem Vorleger, der das Losungswort nennt, zur Leistung verpflichtet ist, solange sie ihm nicht die fehlende materielle Berechtigung nachweisen kann. Eine Negativfeststellung ginge daher, anders als bei einem Rektapapier, zu Lasten der Bank.

1.2.2. Die letztgenannte Auffassung hat die besseren Gründe für sich.

(a) Zwar wurden die Überbringersparbücher des alten Rechts, die jedenfalls Inhaberpapiere waren (7 Ob 128/04f = ÖBA 2005, 408 [ Apathy ]), mit der BWG Novelle BGBl I 2000/33 abgeschafft (§ 31 Abs 1 BWG). Grund dafür war aber ausschließlich die Bekämpfung der Geldwäscherei durch Einführung einer Identifizierungspflicht bei Abschluss eines Spareinlagenvertrags (§ 40 Abs 1 Z 1 BWG; EB zur RV, 57 BlgNR XXI. GP, zu Z 45 und Z 47). Die Auszahlung kann demgegenüber bei nicht auf Namen lautenden Kleinbetragssparbüchern nach § 32 Abs 4 Z 1 BWG weiterhin an jeden Vorleger erfolgen, der sich identifiziert und das Losungswort nennt. Der Regelungszweck schließt daher die Qualifikation solcher Sparbücher als Inhaberpapier nicht aus.

(b) Aicher und F. Schuhmacher (aaO 569) weisen zwar zutreffend darauf hin, dass das Kreditinstitut nach § 32 Abs 4 Z 1 BWG nur berechtigt, nicht aber ausdrücklich verpflichtet ist, an den das Losungswort nennenden und sich identifizierenden Vorleger auszuzahlen. Ihrer Auffassung nach lässt sich eine solche Verpflichtung auch nicht aus den anderen Bestimmungen dieses Gesetzes ableiten, weil sich daraus nicht ergebe, dass das Sparbuch nach der Konzeption des Gesetzes Umlauffunktion habe.

Dieser Argumentation ist allerdings, worauf in der Sache vor allem Apathy (Bankvertragsrecht 2 II Rz 3/27) hinweist, der Wortlaut des § 31 Abs 3 BWG entgegenzuhalten. Danach hat der Vorleger bei Verfügungen über die Sparurkunde „das Losungswort anzugeben oder, wenn er hiezu nicht imstande ist, sein Verfügungsrecht über die Spareinlage nachzuweisen“. Der Nachweis der Verfügungsberechtigung ist daher nach der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzes nur bei Unkenntnis des Losungsworts erforderlich. Daraus ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber beim nicht auf Namen lautenden Kleinbetragssparbuch die Umlauffunktion des alten Überbringersparbuchs grundsätzlich beibehalten wollte. Das spricht für die Qualifikation als Inhaberpapier.

(c) Richtig ist, dass durch weitere Einzahlungen, die nach § 32 Abs 2 S 2 BWG nicht zwingend im Sparbuch ersichtlich sein müssen, die Grenze zum nicht auf Namen lautenden Großbetragssparbuch überschritten werden kann. In diesem Fall darf das Kreditinstitut nach § 32 Abs 4 Z 2 BWG nur an den identifizierten Kunden oder, wie sich aus der Rechtsprechung ergibt (10 Ob 61/07d = ÖBA 2008, 208; 8 Ob 37/09p = ÖBA 2010, 460 [ Artmann ]), an dessen Vertreter oder Rechtsnachfolger leisten. Das schränkt die Umlauffähigkeit des Kleinbetragssparbuchs zwar ein, weil bei einem dem Übernehmer möglicherweise nicht erkennbaren Überschreiten der Kleinbetragsgrenze der Nachweis der Rechtsnachfolge erforderlich wird. Am grundsätzlichen Bestehen dieser Funktion ändert sich dadurch aber nichts. Zwar kann der Übernehmer eines Kleinbetragssparbuchs nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass er den Nachweis der Rechtsnachfolge nicht erbringen muss. Der Fall einer ihm unbekannten oder allenfalls auch nachträglich erfolgten weiteren Einzahlung, die zur Anwendung von § 32 Abs 1 Z 2 BWG führt, ist bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung eines Sparbuchs aber dermaßen unwahrscheinlich, dass er nicht als Argument gegen die vom Gesetzgeber für den Regelfall offenkundig gewollte Umlauffähigkeit herangezogen werden kann.

1.2.3. Der Senat schließt sich daher der Auffassung Apathys an, dass der Vorleger eines Kleinbetragssparbuchs bei Nennung des Losungsworts seine Berechtigung nicht nachweisen muss. Vielmehr obläge es dem Kreditinstitut, die mangelnde Berechtigung zu behaupten und zu beweisen. Damit ist es aber im vorliegenden Fall unerheblich, ob ein Kaufvertrag über die Sparbücher festgestellt werden kann oder ob insofern wie in der Berufung beantragt eine Negativfeststellung zu treffen ist. Die Nichterledigung der Beweisrüge hat daher keine Auswirkungen auf die Entscheidung.

2. Damit ist zu prüfen, ob die Beklagte dem Kläger die gegenüber seinem Bruder erklärte Aufrechnung den Bestand der Gegenforderung vorausgesetzt entgegenhalten kann. Dabei ist zunächst zu klären, ob die Entscheidung 6 Ob 688/77 (= SZ 50/127) grundsätzlich also auch im Verhältnis zwischen dem Kreditinstitut und dem ursprünglichen Erleger aufrecht zu erhalten ist (unten 3.). Wird das verneint, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Aufrechnung auch einem Dritten Vorleger des Sparbuchs entgegengehalten werden kann (unten 4.).

3. Die Aufrechnung gegen den Auszahlungsanspruch des Sparbuchinhabers ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

3.1. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung 6 Ob 688/77 (= SZ 50/127) richtig dargestellt. Danach schließt der Zweck des Spareinlagenvertrags die Aufrechnung der Bank gegen den Rückzahlungsanspruch des Sparers aus. Abgleitet wurde das zum einen § 22 Abs 2 und 3 KWG (nunmehr § 32 Abs 2 und 3 BWG): Über Spareinlagen dürfe durch Scheck und Überweisung nicht verfügt werden, jede Auszahlung sei im Sparbuch festzuhalten. Daraus folge, dass Spareinlagen von jedem nicht baren Zahlungsverkehr ausgeschlossen und vom Kreditinstitut an den Erleger oder sonst Berechtigten gegen Vorlage des Sparbuchs auszufolgen seien. Zum anderen verwies der Oberste Gerichtshof auf § 56 Abs 2 ZPO, wonach eine Prozesskostensicherheit auch durch Sparbücher erlegt werden könne. Diese Bestimmung wäre „vollkommen sinnlos“, wenn das Kreditinstitut mit einer Forderung aufrechnen könnte, die vor Begründung des Pfandrechts nach § 56 Abs 3 ZPO gegen den Erleger entstanden sei.

3.2. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass keine weiteren Entscheidungen zu dieser Frage vorliegen.

In 6 Ob 69/97h (= ÖBA 1998, 44 [ Dullinger ]) war die Aufrechnung eines Kunden gegen eine Forderung des Kreditinstituts zu beurteilen. Eine solche Aufrechnung setzte nach Auffassung des 6. Senats jedenfalls voraus, dass der Kunde noch über das Sparbuch verfüge und daher auch die Barauszahlung durchsetzen könne. Das traf im Anlassfall nicht zu. Der Senat referierte zwar die Gründe von 6 Ob 688/77, ließ aber offen, ob er daran festhalten wolle.

Die jüngst ergangene Entscheidung 2 Ob 204/10d (= Zak 2012, 16) betraf zwar eine Aufrechnung durch das Kreditinstitut. Ihre grundsätzliche Zulässigkeit blieb aber auch hier offen, weil sie nach Auffassung des 2. Senats jedenfalls die Fälligkeit der Forderung des Aufrechnungsgegners (Sparbuchinhabers) vorausgesetzt hätte; davor würde diesem durch eine Aufrechnung die Rückzahlung vorzeitig aufgedrängt. Die Fälligkeit trete erst mit der Vorlage des Sparbuchs ein, die im konkreten Fall nicht erfolgt sei.

Diese Begründung trägt im vorliegenden Fall nicht, weil hier schon vor der Aufrechnung durch die Beklagte eine andere Person die Sparbücher zur Behebung vorgelegt hatte, wodurch die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs eingetreten war. Soweit der letztgenannten Entscheidung darüber hinaus entnommen werden kann, dass das Kreditinstitut nur anlässlich der Sparbuchvorlage also nicht, wie hier, erst danach wirksam aufrechnen könne, ist dazu gesondert Stellung zu nehmen (unten 3.4.).

3.3. In der Lehre wurde die Entscheidung 6 Ob 688/77 überwiegend kritisiert (grundlegend Avancini in Avancini/Iro / Koziol , Bankvertragsrecht 1 I [1987] Rz 9/78; ihm folgend ua Berger , Das Recht des Sparbuches [1989] 148; Böhler , Die Verpfändung von Sparbüchern [1992] 138 f, Dullinger , Handbuch der Aufrechnung [1995] 145; dies , Glosse zu 6 Ob 69/97h, ÖBA 1998, 45 [46]; Heidinger in Schwimann 3 § 1440 Rz 28; zuletzt ausführlich Apathy, Bankvertragsrecht 2 II Rz 3/85): Unter Verfügung iSv § 32 Abs 3 BWG (früher § 22 Abs 3 KWG) könne nur eine Rechtshandlung des Schuldners verstanden werden, nicht die Erfüllung durch den Gläubiger; dass die Auszahlung nach § 32 Abs 2 BWG (früher § 22 Abs 2 KWG) nur gegen Vorlage des Sparbuchs erfolgen könne, stehe der Aufrechnung zumindest dann nicht entgegen, wenn die Aufrechnungserklärung bei Vorlage des Sparbuchs abgegeben werde; die Annahme eines Sparbuchs als Sicherheitsleistung § 56 Abs 2 ZPO stehe im Ermessen des Gerichts.

Für die Unzulässigkeit der Aufrechnung sprachen sich demgegenüber Kerschner (Aufrechnungsprobleme bei Bankgeschäften, ÖBA 1989, 254 [264 f]) und Rabl (Zur Aufrechnung mit und gegen Sparguthaben, ecolex 1997, 745) aus. Sie stützen sich dafür aber nicht ( Kerschner ) bzw nicht primär ( Rabl ) auf die Gründe der Entscheidung 6 Ob 688/77, sondern auf § 1440 S 2 ABGB, wonach „in Verwahrung genommene“ Sachen kein Gegenstand der Aufrechnung sind.

3.4. Nach Auffassung des Senats kann die in 6 Ob 688/77 vertretene Rechtsansicht nicht aufrecht erhalten werden.

3.4.1. Die Begründung dieser Entscheidung trägt, wie die Lehre praktisch einhellig aufzeigt, nicht

(a) Eine „Verfügung“ iSv § 32 Abs 3 BWG kann tatsächlich nur eine Rechtshandlung des Schuldners sein, nicht die Erfüllung durch den Gläubiger. Diese Bestimmung steht der Aufrechnung daher nicht entgegen.

(b) Richtig ist, dass die Auszahlung nach § 32 Abs 2 S 1 BWG nur gegen Vorlage der Sparurkunde geleistet werden darf. Die Aufrechnung wird der Auszahlung gleichzuhalten sein, auch sie wird daher nach § 32 Abs 2 S 1 BWG die Vorlage der Sparurkunde voraussetzen. Dieses Erfordernis ist aber, worauf Avancini (Bankvertragsrecht 1 I Rz 9/78) und Apathy (Bankvertragsrecht 2 II Rz 3/85) hinweisen, jedenfalls erfüllt, wenn die Aufrechnungserklärung bei Vorlage des Sparbuchs abgegeben wird. Dem gleichzuhalten ist nach Ansicht des Senats der Fall, dass die Aufrechnungserklärung nach einer erfolglosen Vorlage somit als nachträgliche Rechtfertigung der unterbliebenen Auszahlung abgegeben wird. Denn (auch) in diesem Fall ist der Anspruch auf Rückzahlung des Guthabens bereits fällig; dem Sparbuchinhaber wird daher durch die Aufrechnung die Erfüllung nicht vorzeitig aufgedrängt. Das trifft auch im vorliegenden Fall zu, da die konkret strittigen Sparbücher Inhaberpapiere sind (oben 1.) und daher mangels gegenteiliger Behauptungen anzunehmen ist, dass jene Person, die die Sparbücher unter Nennung der Losungswörter zur Rückzahlung vorlegte, dazu auch berechtigt war.

(c) Nach Auffassung des Senats kann aus § 32 Abs 1 und 2 BWG nicht abgeleitet werden, dass die Aufrechnungserklärung nur bei Vorlage des Sparbuchs, also nicht auch danach, wirksam abgegeben werden kann. Zwar ist bei einer nachträglichen Erklärung nicht gesichert, dass der dadurch verringerte Guthabensstand im Sparbuch vermerkt wird. Das wäre aber auch bei einer Auszahlung, die entgegen § 31 Abs 2 BWG nicht in der Sparurkunde vermerkt würde, nicht der Fall. Dennoch wäre in diesem Fall der Rückzahlungsanspruch des Inhabers im Umfang der Auszahlung zweifellos erfüllt; er könnte kein zweites Mal Zahlung fordern. Es besteht kein Grund, eine Aufrechnung inter partes also im Verhältnis zwischen dem Inhaber des Sparbuchs und der Bank, die mit einer gegen den Inhaber bestehenden Forderung aufrechnet - anders zu behandeln. Die Entscheidung 2 Ob 204/10d steht dieser Auffassung nicht entgegen, weil dort die Forderung des Sparbuchinhabers bei Abgabe der Erklärung noch nicht fällig war und die Aufrechnung schon aus diesem Grund erfolglos bleiben musste.

(d) Eine andere Frage ist, ob § 32 Abs 2 S 1 BWG das Vertrauen Dritter auf den in der Sparurkunde ausgewiesenen Einlagenstand schützt. Dazu ist gesondert Stellung zu nehmen (unten 4.). In diesem Zusammenhang wird auch der in 6 Ob 688/77 zur Begründung herangezogene § 56 Abs 2 ZPO sowie der nach dieser Entscheidung neu eingeführte § 147 Abs 1 EO zu erörtern sein. Die Wirksamkeit einer Aufrechnung mit einer Forderung gegen den jeweiligen Sparbuchinhaber wird davon nicht berührt.

3.4.2. Damit bleibt als Argument gegen die Zulässigkeit der Aufrechnung § 1440 S 2 ABGB.

(a) Nach dieser Bestimmung sind „in Verwahrung genommene“ Sachen kein Gegenstand der Aufrechnung. Kerschner (ÖBA 1989, 254 [264 f]) und Rabl (ecolex 1997, 745 f) vertreten die Auffassung, dass darunter auch Sparguthaben zu verstehen seien. Der Spareinlagevertrag weise noch mehr Elemente des Verwahrungsvertrags auf als der Girovertrag; das Interesse an der gesicherten Verwahrung und Rückgabe stehe im Vordergrund, nicht die Verzinsung; die einseitige Aufrechnung durch die Bank wäre daher ein schwerwiegender Vertrauensbruch. Beide Autoren sind allerdings der Auffassung, dass von diesem Aufrechnungsverbot durch vertragliche Vereinbarung abgegangen werden könnte.

(b) Gegen diese Auffassung wenden sich Avancini (Bankvertragsrecht 1 I Rz 9/78), Berger (Recht des Sparbuchs 147 f), Böhler (Verpfändung von Sparbüchern 137 f) und Dullinger (Handbuch der Aufrechnung 108 f; dies in Rummel 3 § 1440 Rz 16b). Selbst wenn man den Spareinlagenvertrag nicht wie Avancini (aaO) als Darlehensvertrag qualifiziere, auf den § 1440 ABGB von vornherein nicht anwendbar sei, liege doch jedenfalls nur ein depositum irregulare vor, bei dem keine dem (echten) Verwahrungsvertrag vergleichbare geschützte Rückgabeerwartung bestehe ( Berger , Böhler und Dullinger aaO). Auch Apathy sieht in § 1440 ABGB offenkundig kein Hindernis für die von ihm bejahte Aufrechnungsbefugnis der Bank (Bankvertragsrecht 2 II Rz 3/8 und 3/84 f).

(c) Der Spareinlagenvertrag ist kein Verwahrungsvertrag ieS, sondern Vertrag sui generis, der gewisse Elemente eines Darlehens oder eines depositum irregulare (§ 959 ABGB) enthält (1 Ob 120/70 = SZ 43/121; 6 Ob 69/97h = ÖBA 1998, 44 [ Dullinger ]); 4 Ob 107/99k = ÖBA 1999, 1023; 7 Ob 128/04f = ÖBA 2005, 408 [ Apathy ]; 2 Ob 204/10d; vgl Griss in KBB³ § 959 Rz 3; Binder in Schwimann , ABGB 3 § 959 Rz 7; Apathy, Bankvertragsrecht 2 II Rz 3/8). § 1440 ABGB ist daher nicht unmittelbar anwendbar. Kerschner und Rabl ist allerdings zuzugestehen, dass beim typischen Sparbuch der Verwahrungszweck im Vordergrund steht. Die analoge Anwendung von § 1440 ABGB liegt daher grundsätzlich nahe.

(d) Diese Bestimmung beruht allerdings darauf, dass der Rückforderungsgläubiger in den darin genannten Fällen typischerweise nicht mit Gegenansprüchen rechnet (1 Ob 64/02x = SZ 2002/57; RIS-Justiz RS0116433; zuletzt etwa 6 Ob 213/08d = JBl 2009, 439) und die Aufrechnung daher als Vertrauensbruch werten müsste (1 Ob 37/03b = SZ 2003/146; Griss in KBB 3 § 1440 Rz 4; Heidinger in Schwimann 3 § 1440 Rz 5, Holly in Kletečka / Schauer , ABGB ON 1.00 § 1440 Rz 11). Ein solcher Vertrauensbruch liegt aber jedenfalls dann nicht vor, wenn die Aufrechnungsbefugnis wie hier von der Beklagten behauptet vertraglich vereinbart wurde. Im konkreten Fall kommt es darauf aber nicht an. Denn nach der Rechtsprechung ist § 1440 ABGB auch dann nicht anwendbar, wenn der Aufrechnungsgegner von vornherein mit Gegenansprüchen rechnen musste (1 Ob 64/02x = SZ 2002/57 mwN; RIS-Justiz RS0116433; Griss, Heidinger und Holly aaO) . Das trifft regelmäßig zu, wenn sich solche Gegenansprüche schon aus der jeweiligen Geschäftsbeziehung ergeben können (1 Ob 64/02x; 4 Ob 163/06h = ÖBA 2007, 566; 6 Ob 213/08d = JBl 2009, 439), ist aber nicht auf diese Fälle beschränkt (1 Ob 37/03b = SZ 2003/146). Vielmehr ist entscheidend, ob das Vertrauen des Aufrechnungsgegners auf das Nichtbestehen von Gegenforderungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bei objektiver Betrachtung berechtigt war oder nicht.

(e) Die Beklagte bringt vor, der Bruder des Klägers habe sie vor Gewährung des letzten Kredits 2008 über die wirtschaftliche Lage der von ihm vertretenen Gesellschaft und über den Wert der Immobilien getäuscht. Trifft das zu, musste der Bruder bei Eröffnung der Sparbücher, die nur eine Woche vor Eröffnung des Anschlusskonkurses erfolgte, mit Schadenersatz ansprüchen der Beklagten rechnen. Ein durch § 1440 S 2 ABGB geschütztes Vertrauen wäre unter diesen Umständen jedenfalls zu verneinen. Damit kommt es auf die vertraglichen Grundlagen der Spareinlagen nicht an: Bestand die Gegenforderung der Beklagten gegen den Bruder des Klägers zu Recht (unten 5.), hätte § 1440 ABGB die Aufrechnung nicht gehindert.

4. Ob das Vertrauen Dritter auf den Sparbuchstand geschützt ist, kann offen bleiben.

4.1. Fraglich ist hier nicht, ob das Eigentum am Sparbuch etwa nach § 367 ABGB oder § 366 HGB gutgläubig erworben werden kann, was bei einem Inhaberpapier grundsätzlich zu bejahen ist ( Apathy, Bankvertragsrecht 2 II 3/70 mwN). Vielmehr geht es darum, ob die Bank dem derivativen oder originären Erwerber des Sparbuchs Einwendungen entgegenhalten kann, die sie gegen ihren früheren Gläubiger hatte, die aber aus der Sparurkunde selbst nicht ersichtlich sind. Darunter fällt insbesondere eine bereits erfolgte Aufrechnung oder das Bestehen einer Aufrechnungslage im Verhältnis zum ursprünglichen Sparbuchinhaber.

4.2. Jedenfalls für Sparbücher, die als Inhaberpapiere gestaltet sind, wird in der Lehre mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass die Bank Einreden, die nicht aus der Urkunde ersichtlich sind, Dritten gegenüber nicht erheben kann ( Apathy, Bankvertragsrecht 2 II Rz 3/71; ders , Glosse, ÖBA 2005, 411; Avancini , Bankvertragsrecht 1 I Rz 9/68; Berger , Recht des Sparbuchs 139 ff; Böhler , Verpfändung von Sparbüchern 133; aA Schauer , Die „Allgemeinen Bedingungen für die Einlagen auf Sparbücher“, QuHGZ 1985/2, 41 [59 f] und wohl auch Aicher / F.Schuhmacher in Krejci, Unternehmensrecht 4 569 [keine andere Wertpapierfunktion]). Auch der von Apathy für die Gegenposition genannte G. Roth (Wertpapierrecht 129) führt aus, dass man bei einem Verstoß der Bank gegen § 32 Abs 1 und 2 BWG (als bei Nichteintragungen einer Auszahlung) den Schutz des Vertrauens Dritter begründen könne. Folgt man dieser Auffassung, könnte sich eine Bank gegenüber einem gutgläubigen dritten Sparbuchinhaber ohne diesbezüglichen Vermerk im Sparbuch entgegen § 1442 ABGB nicht darauf berufen, dass sie mit einer Forderung gegen ihren ursprünglichen Vertragspartner aufgerechnet habe oder dass sie nun durch Erklärung gegen den aktuellen Inhaber mit dieser Forderung aufrechne.

4.3. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in 7 Ob 128/04f (= ÖBA 2005, 408 [ Apathy ]) ausgesprochen, dass es der Zweck des Sparbuchs nicht erfordere, dass der Bank bei Vorlage des Sparbuchs durch den Inhaber „jegliche“ Einreden abgeschnitten würden. Im konkreten Fall hatte aber, worauf insbesondere Apathy (ÖBA 2005, 411; ders , Bankvertragsrecht 2 II Rz 3/71) hinweist, gar kein Spareinlagenvertrag bestanden; ein Mitarbeiter der beklagten Bank hatte eine „Lugurkunde“ ausgestellt. Die fehlende Zurechenbarkeit der Erklärung kann aber auch in Fällen einer ausdrücklich angeordneten Rechtsscheinhaftung jedenfalls geltend gemacht werden (§ 364 Abs 2 UGB). Demgegenüber könnte aus § 32 Abs 1 und 2 BWG, wonach eine Auszahlung nur bei gleichzeitigem Vermerk in der Sparurkunde zulässig ist, durchaus abgeleitet werden, dass Dritte auf den in der Urkunde angegebenen Guthabenstand vertrauen können. Die Bank müsste also den dadurch begründeten Rechtsschein gegen sich gelten lassen, und zwar insbesondere bei einer bereits erfolgten Aufrechnung oder bei Bestehen einer Aufrechnungslage im Verhältnis zum ursprünglichen Sparbuchinhaber. Für diese Auslegung sprechen wohl auch § 56 Abs 2 ZPO und § 147 Abs 1 iVm § 150 Abs 2 EO. Denn diese Bestimmungen gehen offenkundig davon aus, dass die Übergabe eines Sparbuchs gleiche Sicherheit bietet wie der Erlag von Bargeld. Dabei sind sie nicht auf Kleinbetragssparbücher iSv § 31 Abs 3 BWG beschränkt, was angesichts des ebenfalls nicht differenzierenden Wortlauts von § 32 Abs 2 BWG eine gewisse Logik für sich hat.

4.4. Im vorliegenden Fall können diese Fragen aber offen bleiben. Denn der Kläger wusste nach den Feststellungen vom Streit zwischen seinem Bruder und der Beklagten. Aus diesem Grund durfte er keinesfalls auf den Rechtsschein der in den Sparbüchern vermerkten Guthabenstände vertrauen. Ob das bei Gutgläubigkeit anders gewesen wäre, ist hier nicht zu entscheiden.

5. Das Bestehen einer Forderung der Beklagten gegen den Bruder des Klägers kann nicht von vornherein verneint werden.

5.1. Die Beklagte stützt ihre Gegenforderung einerseits darauf, dass wegen unrichtiger Angaben über den Wert des Grundvermögens eine Verbücherung der Pfandurkunden unterblieb. Dieses Vorbringen ist aber schon deswegen nicht zielführend, weil ein allfälliger Schadenersatzanspruch vor Verwertung der Liegenschaften nur auf Einräumung einer entsprechenden anderen Sicherheit gerichtet sein könnte (RIS-Justiz RS0022526; vgl OLG Linz 6 R 78/10y [referiert in 6 Ob 173/10z] zum Anspruch der hier Beklagten gegen den Immobiliensachverständigen). Damit fehlt es für die Aufrechnung an der Gleichartigkeit der Forderungen.

5.2. Anders verhält es sich mit dem Vorbringen der Beklagten, wonach die Gesellschaft bei Gewährung des letzten Kredits im Oktober 2008 bereits in einer schlechten wirtschaftlichen Lage gewesen sei. Hätte sie davon gewusst, hätte sie den letzten Kredit in einer den Einlagestand der Sparbücher jedenfalls übersteigenden Höhe nicht mehr gewährt. Trifft das zu und hat der Bruder des Beklagten dafür einzustehen, wäre der Schaden der Beklagten bereits durch die Gewährung des Kredits eingetreten; auf die Einbringlichkeit im Konkursverfahren käme es nicht an (RIS Justiz RS0022602).

5.3. Die Haftung des Bruders für sein Verhalten als Geschäftsführer der Gesellschaft wäre allerdings abgesehen von vorsätzlicher Schädigung iSv § 1295 Abs 2 ABGB oder einer hier nicht behaupteten Schutzgesetzverletzung nur dann zu bejahen, wenn er ein erhebliches und unmittelbares eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrags gehabt oder bei den Vertragsverhandlungen in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hätte (RIS-Justiz RS0019726; vgl zusammenfassend Reich-Rohrwig in Straube , WK GmbH-G § 25 Rz 283 ff; Ratka / Rauter , Handbuch der Geschäftsführerhaftung 2 [2011] Rz 2/234 ff). Eine bloße Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft reichte dafür noch nicht aus (3 Ob 519/89 = SZ 62/160; 4 Ob 2308/96g = SZ 69/240). Dazu hat die Beklagte nichts Konkretes vorgebracht.

5.4. Diese Fragen wurden allerdings im bisherigen Verfahren aufgrund der vom Senat nicht geteilten Rechtsauffassung der Vorinstanzen folgerichtig nicht erörtert. Da auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen darf, die sie bisher nicht beachtet hatten (RIS-Justiz RS0037300 [T9]), führt das zur Aufhebung in die erste Instanz. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, ihr Vorbringen zum Grund der Haftung zu konkretisieren. Erstattet sie ein schlüssiges Vorbringen, werden allenfalls weitere Beweise aufzunehmen sein.

6. Ergebnis und Kosten

6.1. Aus den genannten Gründen sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben, und dem Erstgericht ist die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens (Erörterung der Anspruchsgrundlage für die Gegenforderung, allenfalls Aufnahme weiterer Beweise) aufzutragen.

6.2. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Nennt der sich identifizierende Vorleger eines nicht auf Namen lautenden Kleinbetragssparbuchs iSv § 31 Abs 3 BWG das Losungswort, so obliegt dem Kreditinstitut der Beweis, dass der Vorleger mangels Rechtsnachfolge oder Vollmacht nicht zur Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs berechtigt ist.

Ein Kreditinstitut kann gegen den fälligen Rückzahlungsanspruch aus einem Sparbuch aufrechnen, wenn dies vertraglich vereinbart war oder der Kunde bei Abschluss des Spareinlagenvertrags mit dem Bestehen von Gegenforderungen rechnen musste.

Ob die Aufrechnung auch gegenüber einem gutgläubigen dritten Sparbuchinhaber wirksam ist, bleibt offen.

6.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
12
  • RS0122157OGH Rechtssatz

    22. Mai 2023·3 Entscheidungen

    Beim Verbot der Auszahlung an einen anderen als den erstidentifizierten Sparbuchinhaber gemäß § 32 Abs 4 Z 2 BWG handelt es sich jedenfalls um eine gesetzliche Bestimmung, welche die Berechtigung der Bank zur (schuldbefreienden) Zahlung regelt. Da es sich bei der Bestimmung des § 32 Abs 4 Z 2 BWG um (allseits) zwingendes Recht handelt, kann die Anwendung dieser Regelung durch Parteienvereinbarung nicht mehr ausgeschlossen werden. Der Wortlaut des Auszahlungsverbotes des § 32 Abs 4 Z 2 BWG steht einer Auszahlung an einen - mit einer banküblichen Vollmacht oder einem sonstigen Nachweis einer Vertretungsmacht ausgestatteten - Bevollmächtigten des Kunden nicht entgegen. Auszahlungen an den (wirklichen) Vertreter des identifizierten Kunden sind daher in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen des Privatrechtes und § 1424 ABGB wirksam. Die Bestimmung des § 32 Abs 1 Z 4 BWG will die Geldwäsche verhindern, wofür es genügt, wenn sich der Vertreter entsprechend § 40 Abs 1 BWG identifiziert und seine Vertretungsbefugnis anhand geeigneter Bescheinigungen überprüft wird. Demgemäß sind auch Auszahlungen aus Namenssparbüchern bzw Großbetragssparbüchern an Personen, die zwar nicht tatsächlich bevollmächtigt sind, die jedoch nach den Regeln der Anscheinsvollmacht dem nach § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden zuzurechnen sind, als rechtswirksam zu beurteilen. Dazu ist jedoch erforderlich, dass der Anschein durch ein Verhalten des identifizierten Kunden geschaffen wurde.