JudikaturJustiz1Ob215/13v

1Ob215/13v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Januar 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E***** E*****, ohne Beschäftigungsangabe, 2. G***** E*****, ohne Beschäftigungsangabe, beide *****, beide vertreten durch Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, Wien 4, Rainergasse 31/8, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 24. Juli 2013, GZ 1 R 24/13a 36, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 12. November 2012, GZ 55 Cg 185/11h 30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

I. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich der nicht angefochtenen und bereits rechtskräftig erledigten Teile lauten:

„Die Forderung der erstklagenden Partei besteht mit 20.000 EUR, die der zweitklagenden dagegen nicht zu Recht.

Die Gegenforderung der beklagten Partei von 8.853,30 EUR besteht nicht zu Recht.

Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei binnen 14 Tagen 20.000 EUR zuzüglich 4 % Zinsen ab 17. 11. 2011 bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen zu zahlen und ihr die mit 4.794,98 EUR (darin enthalten 740,42 EUR USt und 352,50 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz sowie die mit 2.051,92 EUR (darin 278,68 EUR USt und 379,86 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, auch der zweitklagenden Partei 20.000 EUR zuzüglich 4 % Zinsen ab 17. 11. 2011 bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen und beiden klagenden Parteien 4 % Zinseszinsen ab 17. 11. 2011 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die zweitklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.427,50 EUR (darin enthalten 650,65 EUR USt und 524,20 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die zweitklagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 3.584,68 EUR (darin enthalten 381,75 EUR USt und 1.296 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist die aufgrund von § 32 Z 8 WAG 1996 geschaffene Entschädigungseinrichtung für Wertpapierunternehmen. Die Erstklägerin war Vertragspartnerin einer Rechtsvorgängerin eines Mitgliedsunternehmens der Beklagten (A***** Gesellschaft), über die mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. 11. 2005 der Konkurs eröffnet wurde. Diese Gesellschaft veranlagte die Gelder ihrer Kunden in zwei als „Sociétés d'Investissement à Capital Variable“ (SICAV - Investitionsgesellschaften mit variablem Kapital) organisierten luxemburgischen Fonds. Am 4. 3. 2004 wurden Rückkäufe und Zeichnungen für die Fonds suspendiert. Ab diesem Zeitpunkt war weder eine Rücknahme noch eine Ausgabe von Anteilen der beiden Fonds möglich. Die Erstklägerin zeichnete zwei Sparpläne, auf die 6.148,78 EUR bzw 31.006,90 EUR eingezahlt wurden. Die Einzahlungen wurden dabei aus gemeinsamen Vermögen beider Kläger getätigt.

Die Kläger begehrten (zuletzt) 20.000 EUR zuzüglich 4 % Zinsen und 4 % Zinseszinsen jeweils ab 17. 11. 2011 bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen der Beklagten. Bei den Zahlungen in die Depots habe es sich um ein gemeinsames Investment beider Kläger aus ihrem ehelichen Vermögen gehandelt. Im Innenverhältnis habe die Veranlagung beiden Klägern zu gleichen Teilen zukommen sollen.

Die Beklagte erhob eine Gegenforderung, die nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, und bestritt soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung die Legitimation des Zweitklägers zur Inanspruchnahme einer Entschädigungszahlung.

Das Erstgericht wies das Begehren, die Beklagte sei schuldig, dem Zweitkläger 20.000 EUR sA zu zahlen, ab, stellte die Forderung der Erstklägerin mit 11.000 EUR als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest, verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 11.000 EUR an die Erstklägerin und wies das Mehrbegehren ihr gegenüber ab. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass der Zweitkläger nicht aktiv legitimiert sei, weil er nicht Vertragspartner bei den Veranlagungen gewesen sei. Darüber hinaus nahm es ein Mitverschulden der Erstklägerin an, weil diese ihre Forderungen im Liquidationsverfahren in Luxemburg verspätet angemeldet und deswegen keine 45 % Quote erzielt habe. In diesem Ausmaß sei das Begehren auch ihr gegenüber abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, jener der Kläger hingegen (ausgenommen in Bezug auf die Zinseszinsen) Folge, stellte die Forderung der Kläger mit 20.000 EUR als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest und verpflichtete die Beklagte, den Klägern binnen 14 Tagen 20.000 EUR zuzüglich 4 % Zinsen ab 17. 11. 2011 bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen zu zahlen. In rechtlicher Hinsicht verneinte es ein Mitverschulden der Erstklägerin und führte zur Legitimation des Zweitklägers aus, dass nach der zur Einlagensicherung [gemeint gemäß § 93 Abs 3 BWG] ergangenen Rechtsprechung ein Entschädigungsanspruch nicht nur dem „Einleger“ sondern auch anderen Personen zustehe, die ihre Identität offenlegten und nachwiesen, dass ein Teil des Sparguthabens wirtschaftlich von ihnen stamme. Der vorliegende Fall sei ähnlich gelagert. Die Kläger hätten nachgewiesen, dass sie gemeinsames Geld angelegt hätten, weswegen ihnen der Nachweis der gemeinsamen Legitimation gelungen sei.

Die Revision ließ das Berufungsgericht über Antrag der Beklagten gemäß § 508 ZPO zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob die zur Einlagensicherung etablierte Rechtsprechung auch dafür herangezogen werden könne, eine Entschädigung nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz auch einer Person zuzuerkennen, die nicht formell als Anleger aufscheine.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.

I. Zur Revision:

1. Die Revisionswerberin bekämpft ausschließlich den Zuspruch einer Entschädigungszahlung an den Zweitkläger. Den damit in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen ist zunächst eine Erörterung des von den Klägern erhobenen Begehrens voranzustellen.

2.1 Die Kläger, die sich in ihrem Urteilsantrag während des gesamten ersten Rechtsgangs nur als „klagende Partei“ bezeichnet hatten, beantragten in ihrem Urteilsbegehren zuletzt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihnen 20.000 EUR sA bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen zu zahlen, und machen damit einen Geldanspruch geltend. Nachdem das Erstgericht zunächst „dem Kläger“ 20.000 EUR sA zugesprochen hatte, hob das Berufungsgericht das Ersturteil zur Erörterung der erstmals in der Berufung der beklagten Partei gesondert angesprochenen Aktivlegitimation des Zweitklägers auf. Auch im zweiten Rechtsgang wird von den Klägern lediglich ausgeführt, die Zahlungen seien als gemeinsame Investition aus dem gemeinsamen Vermögen erfolgt, seien vom gemeinsam genutzten Konto erfolgt; im Innenverhältnis habe die Investition beiden zu gleichen Teilen zustehen sollen. Eine rechtliche Begründung für das gemeinsame Begehren erfolgte nur insoweit, als die Kläger unter Hinweis auf RIS Justiz RS0112670 geltend machten, auch der wirtschaftlich Berechtigte, von dem das Geld stamme, sei berechtigt.

2.2 Mit ihrer Revision, die sich nur dagegen richtet, dass sie zur Zahlung auch an den Zweitkläger verpflichtet wurde, beantragt sie, das Klagebegehren der zweitklagenden Partei abzuweisen.

Auch wenn die Beklagte zutreffend darauf hinweist, dass Geldansprüche grundsätzlich teilbar sind (vgl RIS Justiz RS0013214 [T10, T11, T13]; RS0017289), kann ihr nicht dahin gefolgt werden, dass das Klagebegehren zwingend so zu lesen wäre, dass damit jeder Kläger nur 10.000 EUR begehrt hätte. Wie sich aus dem dargestellten Vorbringen ergibt, begehren sie die 20.000 EUR eben „gemeinsam“, ohne rechtliche Erwägungen (im Hinblick auf Teil , Gesamt oder Gesamthandforderung) anzustellen. Auch im angefochtenen (der Klage großteils stattgebenden) Urteil ist nur von „gemeinsamer Aktivlegitimation“ die Rede, ohne dass dazu eine nähere rechtliche Beurteilung erfolgt wäre. Demnach kann der Entscheidungswille nur so verstanden werden, dass dieses Gericht den Klägern den gesamten Klagsbetrag „gemeinsam“ zusprechen wollte, keinesfalls aber in dem Sinn, es habe jedem Kläger nur 10.000 EUR zuerkennen wollen. Daraus folgt aber, dass infolge der Bekämpfung nur des den Zweitkläger betreffenden Teils des Berufungsurteils, der Zuspruch von 20.000 EUR sA an die Erstklägerin in Rechtskraft erwachsen ist.

3.1 In der den Kern der Revision bildenden Frage der Legitimation des Zweitklägers vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, die in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl RIS Justiz RS0112670) zur Einlagensicherung von Sparguthaben gemäß § 93 Abs 3 BWG entwickelten Grundsätze könnten auch auf Fälle der Anlegerentschädigung nach § 23b WAG 1996 angewendet werden. Dem vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen:

3.2 Die Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme vom 30. 5. 1994 (ES RL ABL Nr L 135) verpflichtet die Mitgliedstaaten, für die Errichtung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme zu sorgen oder bereits bestehende Systeme anzuerkennen, und bezweckt die Gewährleistung eines Mindestmaßes an Harmonisierung der Einlagensicherung. Sie ist nur auf Kreditinstitute im engeren Sinn anwendbar (vgl dazu Art 1 Z 4 ES RL) und klammert Wertpapierdienstleistungen ausdrücklich aus ( Kalss/Linder , Ausgewählte Fragen zur Anlegerentschädigung gemäß § 23b ff WAG, ÖBA 2006, 824 [825]). Danach (Präambel ABL Nr L 135, S 7) soll der harmonisierte Mindestsicherungsbetrag (nach Art 7 Abs 1 20.000 ECU) grundsätzlich pro Einleger und nicht pro Einlage gelten, weswegen auch Einlagen von Einlegern, die nicht als Inhaber figurieren oder die nicht die ausschließlichen Inhaber sind, zu berücksichtigen sind. Ausdrücklich wird daher bereits in den Erwägungsgründen zur Richtlinie festgehalten, dass der Schwellenwert für jeden identifizierbaren Einleger gilt.

3.3 Der österreichische Gesetzgeber hat dieser Richtlinie mit der Novelle BGBl 1996/445 Rechnung getragen und in § 93 Abs 3 vierter Satz zweiter Halbsatz BWG ausdrücklich angeordnet: „Mehrfachauszahlungen sind nur dann zulässig, wenn gesicherte Einlagen auf legitimierten Gemeinschaftskonten vorliegen oder wenn die aus einem legitimierten Konto berechtigten Einleger ihren Anspruch nachweisen“. Die vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Ansicht angeführte Rechtsprechung (RIS Justiz RS0112670) beruhte auf dieser Regelung und leitete daraus ab, dass bereits nach dem klaren Gesetzeswortlaut (§ 6 ABGB) nicht nur der in die Kontobezeichnung aufgenommene und durch Zeichnungsberechtigung gegenüber der Bank Auftretende den Anspruch auf Auszahlungen haben soll, sondern jeder „[berechtigte] Einleger“, weswegen bei entsprechendem Nachweis die Auszahlung der Einlagensicherung auch an einen bloß „wirtschaftlichen Eigentümer der Einlage“, somit an eine Person, von welcher das auf das Konto eingezahlte Geld stammt, zu erfolgen hat (7 Ob 246/99y = SZ 72/170 ua; RIS Justiz RS0112670).

3.4 Die Regelung des § 93 Abs 3 BWG über Mehrfachauszahlungen galt bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2008/136 (am 1. 10. 2008), womit der zitierte Halbsatz gestrichen wurde. Ob diese Streichung auf einem Irrtum des Gesetzgebers beruht (vgl dazu Borns in Laurer / Borns/Strobl/M. Schütz/O. Schütz , Bankwesengesetz³ §§ 93 bis 95, 16), muss hier weil auf den vorliegenden Fall, was nicht strittig ist, das mit 31. 10. 2007 außer Kraft getretene WAG 1996 anzuwenden ist nicht untersucht werden. (Seit 1. 7. 2009 ist die gestrichene Passage als § 93 Abs 4a BWG im Übrigen wieder in Kraft [BGBl I 2009/66]).

4.1 Die Richtlinie 97/9/EG über Systeme für die Entschädigung der Anleger vom 3. 3. 1997 (AE RL ABL Nr L 084) dehnte das System der Einlagensicherung für Kreditinstitute auf Wertpapierdienstleistungen aus und ist in weiten Teilen der ES RL nachgebildet. Zweck dieser Richtlinie ist es, Anleger, unter anderem auch im Fall von „Betrügereien“, zu schützen (Präambel Erwägungsgrund 3) und deren Ansprüche im Insolvenzfall zu sichern. Nach Art 4 Abs 1 AE RL ist in einem Entschädigungsfall eine Entschädigung von mindestens 20.000 EUR je Anleger zu gewähren. Die Richtlinie gewährt dabei dem einzelnen Anleger gemäß ihrem Art 13 einen durchsetzbaren Anspruch (vgl 9 Ob 50/09g = ecolex 2010/348, 950 [ Wilhelm ]; 10 Ob 50/12v = ÖBA 2013/1949, 753 = RdW 2013/459, 465; Kalss/Lindner aaO 825 f). Denjenigen in der Präambel zur ES RL vergleichbare Ausführungen zu „identifizierbaren“ Anlegern fehlen in der AE RL.

4.2 Anleger ist nach Art 1 Z 4 der AE RL eine Person, die einer Wertpapierfirma im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften Gelder oder Instrumente anvertraut hat. Als „gemeinsame Anlage“ definiert Art 1 Z 6 der Richtlinie eine Anlage, die für Rechnung von zwei oder mehreren Personen getätigt worden ist und an der zwei oder mehr Personen Rechte haben, die durch die Unterschrift von mindestens einer dieser Personen ausgeübt werden können. Art 8 AE RL regelt ua die Aufteilung der Deckung auf die einzelnen Anleger bei einer gemeinsamen Anlage.

4.3 Die Umsetzung der AE RL erfolgte mit der Novelle BGBl I 1999/63 zweispurig sowohl im BWG als auch im WAG. Im BWG wurden die einschlägigen Bestimmungen durch die Novelle 1999 zu einem Regelungskomplex mit dem Titel „Einlagensicherung und Anlegerentschädigung“ ergänzt ( Kalss/Linder aaO 826; Linder in Gruber/N. Raschauer , WAG § 75 Rz 4). Für die Anlegerentschädigung, soweit sie dem BWG unterliegt, ordnet § 93 Abs 3a BWG dazu an, dass die Sicherungseinrichtungen zu gewährleisten haben, dass bei Eintritt eines Sicherungsfalls die Forderung eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden.

4.4 Für Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat der Gesetzgeber in den §§ 23b ff WAG 1996 [nunmehr §§ 75 ff WAG 2007] ein besonderes Anlegerentschädigungs-system ergänzend zu jenem nach dem BWG etabliert, das die Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsmacht im Auftrag des Kunden im Sinne des § 1 Abs 1 Z 19 lit b BWG erfasst (vgl Kalss / Linder aaO, 828). § 23b Abs 2 WAG 1996 ordnet, gleichlautend mit § 93 Abs 3a BWG, jeweils idF BGBl I 1999/63, für den Entschädigungsfall die Auszahlung von Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, an. Mehrfachauszahlungen werden weder in § 23b Abs 2 WAG 1996 noch in § 93 Abs 3a BWG (in der maßgebenden Fassung) erwähnt.

5. Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass weder § 23b Abs 2 WAG 1996 noch § 93 Abs 3a BWG in der hier zu beurteilenden Fassung eine dem § 93 Abs 3 BWG (idF vor der Novelle BGBl I 2008/136) für die Einlagensicherung vergleichbare Regelung über Mehrfachauszahlungen enthielten. Der vom Berufungsgericht vertretenen Anwendung der Erwägungen der zu § 93 Abs 3 BWG idF vor der Novelle BGBl I 2008/136 ergangenen Rechtsprechung auch auf den Entschädigungsfall gemäß § 23b WAG 1996 liegt daher (unausgesprochen) eine Analogie zu dieser Bestimmung zugrunde.

5.1 Eine Analogie kommt nur in Betracht, wenn eine Lücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit der rechtlichen Regelung vorliegt (vgl RIS Justiz RS0098756; RS0008757). Eine Gesetzeslücke ist anzunehmen, wenn Wertungen und Zweck der konkreten gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RIS Justiz RS0008866 [T27]). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

5.2 Die unterschiedliche Regelung der Einlagensicherung gemäß § 93 Abs 3 BWG idF vor der Novelle BGBl I 2008/136 und des § 93 Abs 3a BWG sowie der Anlegersicherung des § 23b WAG 1996 idF BGBl 1999/63 beruht auf der Umsetzung der jeweiligen EU Richtlinien, wobei die Beklagte in ihrer Revision zutreffend aufzeigt, dass die den Anlegerentschädigungssystemen nach § 93 Abs 3a BWG und nach § 23b WAG 1996 zugrunde liegende Richtlinie (AE RL) keinen Hinweis darauf enthält, dass Personen schon deshalb entschädigungsberechtigt sein sollten, weil die Gelder aus deren Vermögen stammten. Vielmehr geben die Definition des „Anlegers“ als einer „Person, die einer Wertpapierfirma im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften Gelder oder Instrumente anvertraut hat“ und die Bestimmung, was als „gemeinsame Anlage“ zu verstehen ist (Art 1 Z 4 und 6 AE RL), einen deutlichen Hinweis darauf, dass die AE RL, auch im Lichte der unterschiedlichen Präambeln, im Unterschied zur ES RL darauf abstellt, welche Person gegenüber der Wertpapierfirma offen aufgetreten ist, ihr das Geld anvertraut hat und verfügungsberechtigt ist. Damit bietet auch die (gebotene: RIS Justiz RS0075866) richtlinienkonforme Auslegung der §§ 23b ff WAG 1996 im Lichte der AE RL (vgl dazu Kalss/Linder aaO 829) keine taugliche Grundlage für die Annahme einer die Analogie rechtfertigenden Gesetzeslücke, die durch die Anwendung der Grundsätze des § 93 Abs 3 BWG aF auf Fälle der Anlegerentschädigung nach § 23b ff WAG 1996 zu schließen wäre (anderer Ansicht, ohne nähere Begründung die analoge Anwendung von § 93 Abs 4a BWG idgF erwägend, Linder aaO § 75 WAG Rz 25).

5.3 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass d ie Feststellung einer Forderung gemäß §§ 23b Abs 2 und 23c Abs 4 WAG 1996 auf einer selbständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anlegerforderung durch die Entschädigungseinrichtung beruht (RIS Justiz RS0126982). D ie Prüftätigkeit der Entschädigungseinrichtung ist dabei nicht nur auf das schlichte Verlangen des Anlegers beschränkt, sondern erfasst auch dessen Legitimierung. Dazu gehört, dass der Anspruchsteller nachzuweisen hat, welche Gesellschaft überhaupt seine Vertragspartnerin war, welchen Betrag er tatsächlich investiert hat, wann und auf welches Konto er die Überweisungen vorgenommen hat und gegebenenfalls ob und in welchem Ausmaß er aus einem Fondsvermögen bereits Befriedigung erlangt hat (8 Ob 65/12k; 8 Ob 73/12m; 9 Ob 55/12x ua). Welche Nachweise zur „Legitimierung“ konkret erforderlich sind, ist dabei im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen (2 Ob 77/13g ua).

6. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass eine Anwendung des von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 93 Abs 3 BWG idF vor der Novelle BGBl I 2008/136 entwickelten Rechtssatzes, wonach für den Bereich der Einlagensicherung nicht nur der „Einleger“ berechtigt ist, sondern auch andere Personen, die ihre Identität offenlegen und nachweisen, dass ein Teil der Einlage wirtschaftlich von ihnen stammte (RIS Justiz RS0112670, insbesondere [T2]), auf die Anlegerentschädigung im Geltungsbereich des § 23b WAG 1996 mangels einer die Analogie rechtfertigenden Gesetzeslücke nicht in Betracht kommt. Daraus folgt, dass der Zweitkläger entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinen Anspruch auf Entschädigungsleistung nach dieser Gesetzesstelle hat.

7. Der Revision ist damit Folge zu geben und das Klagebegehren des Zweitklägers im noch nicht erledigten Umfang abzuweisen.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41, § 43 Abs 2 erster Fall, § 46 Abs 1 [analog] und § 50 ZPO.

8.1 Der Zweitkläger ist mit seinem Anspruch zur Gänze unterlegen und schuldet der Beklagten daher vollen Ersatz des auf ihn entfallenden Verfahrensaufwands. Die Verfahrensanteile der Kläger sind dabei als gleich hoch anzusetzen, weswegen der Zweitkläger der Beklagten die Hälfte von deren Verfahrensaufwand zu ersetzen hat. Das gilt sowohl für die Verfahrenskosten erster Instanz als auch für die Kosten der Berufung der Beklagten im ersten Rechtsgang, die weitere Verfahrenskosten bildeten.

Für die Kosten des Verfahrens vor dem Erstgericht ist aufgrund der teilweise berechtigten Einwendungen der Kläger zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihr Vorbringen aus den Schriftsätzen vom 11. 11. 2011 und 8. 10. 2012 in den jeweils nachfolgenden Tagsatzungen zur mündlichen Streitverhandlung erstatten hätte können. Für diese Schriftsätze, mit welchen jeweils eine Urkundenvorlage verbunden war, gebührt der Beklagten eine Entlohnung nach TP 1 des RATG. Die Fahrtkosten vom 8. 4. 2011 und 18. 11. 2011 waren entsprechend den Einwendungen der Kläger zu reduzieren. Hingegen beliefen sich die Fahrtkosten im Jahr 2012, soferne eine Fahrkarte in einem öffentlichen Verkehrsmittel bezogen wurde, bereits auf 2,20 EUR für eine einfache Fahrt.

Was die Kosten für die Berufungsbeantwortung der Beklagten im ersten Rechtsgang anlangt, ist zu beachten dass die Kläger mit ihrer Berufung gegen die Teilabweisung ihres Zinsenbegehrens ohne Erfolg geblieben sind. Sie schulden daher der Beklagten gemeinsam den Ersatz der auf die Berufungsbeantwortung in diesem Abschnitt entfallenden Kosten. Der Zweitkläger hat der Beklagten daher die Hälfte dieser Kosten zu ersetzen.

Im zweiten Rechtsgang hat die Beklagte für die Berufung zwar einen Streitgenossenzuschlag verzeichnet. Gegenstand ihrer Berufung war aber nur der Teilzuspruch des Erstgerichts an die Erstklägerin, sodass der Zuschlag mangels eines weiteren Gegners im Verhältnis zum Zweitkläger nicht zusteht. Demgegenüber hat sie Anspruch auf (anteiligen) Ersatz der Kosten ihrer Berufungsbeantwortung, mit der sie gegenüber dem Zweitkläger erfolgreich blieb. Ausgehend vom jeweiligen Berufungsinteresse der Kläger (siehe unten) gebühren ihr zwei Drittel der Kosten der Berufungsbeantwortung.

Mit ihrer erfolgreichen Revision bekämpfte die Beklagte nur den Zuspruch an den Zweitkläger. Wiederum ist der von ihr verzeichnete Streitgenossenzuschlag nicht zu berücksichtigen.

8.2 Die Erstklägerin ist mit ihrer Forderung (mit Ausnahme der Zinseszinsen) durchgedrungen und hat damit Anspruch auf Ersatz der auf sie entfallenden Kosten (§ 43 Abs 2 erster Fall ZPO). Da sie gemeinsam mit dem Zweitkläger durch einen Anwalt vertreten war, ist davon auszugehen, dass auf sie bei identischem Verfahrensgegenstand die Hälfte der Kosten (einschließlich des Streitgenossenzuschlags und der Pauschalgebühr) vor dem Erstgericht entfielen (vgl 1 Ob 2402/96h). Wie von der Beklagten zutreffend eingewendet hätte sie ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 8. 10. 2012 in der nächstfolgenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erstatten können. Für die darin enthaltene Urkundenvorlage gebührt nur eine Entlohnung nach TP 1 des RATG. Die Kosten der Berufungsbeantwortung der Kläger im ersten Rechtsgang sind der Erstklägerin als weitere Verfahrenskosten ebenfalls zur Hälfte zu ersetzen, wobei jedoch gemäß § 23 Abs 9 RATG nur der dreifache Einheitssatz zu veranschlagen ist, weil keine mündliche Berufungsverhandlung stattfand.

Der Berufung der Kläger im ersten Rechtsgang wurde nicht Folge gegeben, sodass die Erstklägerin der Beklagten die Hälfte der Kosten für deren Berufungsbeantwortung zu ersetzen hat, die von ihrem Ersatzanspruch abzuziehen sind.

Im zweiten Rechtsgang betrug das Berufungsinteresse der Erstklägerin 9.000 EUR. Im Verhältnis zum Zweitkläger (Interesse 20.000 EUR) ist daher davon auszugehen, dass auf sie ein Drittel dieses Verfahrensaufwands (Vertretungskosten einschließlich Streitgenossenzuschlag und Pauschalgebühr) entfallen ist, der ihr von der Beklagten zu ersetzen ist. Gemäß § 23 Abs 9 RATG ist jedoch auch hier nur der dreifache Einheitssatz heranzuziehen. Nach § 23a RATG beträgt der Erhöhungsbetrag 1,80 EUR. Die Berufung der Beklagten richtete sich in diesem Verfahrensabschnitt gegen den Zuspruch von 11.000 EUR an die Erstklägerin, weswegen ihr die Kosten der Berufungsbeantwortung auf Basis dieses Betrages ohne Streitgenossenzuschlag zu ersetzen sind. Auch hier gebührt nur der dreifache Einheitssatz.

Im Revisionsverfahren war die Erstklägerin nicht mehr Partei, auch wenn die Revisionsbeantwortung ausdrücklich auch in ihrem Namen eingebracht wurde.

II. Die Kläger haben ihre Revisionsbeantwortung entgegen § 507a Abs 3 Z 1 ZPO beim Erstgericht und nicht beim Berufungsgericht eingebracht, wo sie am 12. 1. 2013 und damit außerhalb der Frist des § 507a Abs 1 ZPO einlangte. Da die Zeit der Übersendung an das zuständige Gericht auch bei Einbringung von Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr nicht in die Frist zur Rechtsmittelbeantwortung einzurechnen ist (vgl RIS-Justiz RS0041584 [T22]), erweist sich dieser Schriftsatz als verspätet.

Rechtssätze
11