JudikaturJustiz10ObS2351/96z

10ObS2351/96z – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinz Paul und Dr.Ernst Oder (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann L*****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr.Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Mai 1996, GZ 12 Rs 80/96p-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 25.Oktober 1995, GZ 11 Cgs 14/94d-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen sowie das diesen Entscheidungen zugrundeliegende Verfahren werden insoweit, als die Klage auf die (Weiter )Gewährung eines Pflegegeldes im Differenzbetrag der Stufen 2 und 3 ab dem 1.3.1994 bis zum 30.6.1995 gerichtet ist, als nichtig aufgehoben und die Klage in diesem Umfang zurückgewiesen.

Im übrigen werden die Urteile der Vorinstanzen dahingehend abgeändert, daß sie zu lauten haben:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ab 1.3.1994 das Pflegegeld der Stufe 2 von S 3.588,--, ab 1.1.1995 mit den gesetzlichen Anpassungen, weiterzugewähren; das Mehrbegehren auf Gewährung von Pflegegeld der Stufe 3 ab 1.7.1995 wird hingegen abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 25.3.1932 geborene Kläger bezieht von der beklagten Partei seit 1.5.1985 eine Erwerbsunfähigkeitspension samt Ausgleichszulage. 1959 erlitt er bei Holzarbeiten eine Prellungsverletzung am linken Auge sowie 1973 (im Zuge einer Rauferei) eine ebensolche Verletzung auch am rechten Auge mit nachfolgender Erblindung desselben. 1974 wurde am linken Auge eine Staroperation durchgeführt; mittels einer Starkorrekturbrille besteht beim linken Auge eine gute Sehschärfe für Ferne und Nähe; das Sehvermögen links ist mit dieser Brille praktisch normal. Das Leistungskalkül hat sich aus augenfachärztlicher Sicht in den letzten zwanzig Jahren nicht verändert.

Der Kläger ist in der Lage, alle Tätigkeiten des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu verrichten; er benötigt auch keine Mobilitätshilfe. Er kann auch selbst autofahren.

Mit Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 20.12.1976 wurde ihm eine Blindenbeihilfe nach dem Salzburger BlindenbeihilfenG 1966 gewährt und in den Gründen hiezu der Kläger als "praktisch blind" qualifiziert.

Mit Schreiben vom 28.6.1993 wurde dem Kläger (nach Erhebung mittels zugesandten Fragebogens sowie augenfachärztlicher Befundung) von der beklagten Partei mitgeteilt, daß ihm zu seiner Pension ab 1.7.1993 ein Pflegegeld der Stufe 3 gebühre.

Mit Bescheid vom 27.1.1994 entzog die beklagte Partei dem Kläger gemäß § 9 Abs 3 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) dieses Pflegegeld mit Ablauf des Monates Februar 1994, da sich sein Gesundheitszustand gebessert habe und er weniger als 50 Stunden monatlich der Betreuung und Hilfe bedürfe.

In der Klage begehrte der Kläger zunächst die (Weiter )Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 2 ab 1.3.1994; später wurde dieses Begehren auf die Pflegegeldstufe 3 "modifiziert".

Das Erstgericht erkannte im Sinne des modifizierten Klagebegehrens. Es beurteilte den eingangs zusammengefaßt wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß die Leistungszuständigkeit des Landes für die zunächst gewährte Blindenbeihilfe mit Inkrafttreten des BPGG am 1.7.1993 auf den Bund übergegangen sei. Auch wenn der Kläger nicht blind (im Sinne des § 7 der Einstufungsverordnung [EinstV]) sei und keinen Pflegebedarf von mehr als 50 Stunden monatlich habe, so sei doch Voraussetzung einer Leistungsentziehung eine Änderung der Verhältnisse zur Zeit der Zuerkennung gegenüber jenen zur Zeit der Entziehung. Eine solche liege hier jedoch nicht vor, da der Zustand des Klägers unverändert geblieben sei. Die nachträgliche Erkenntnis, daß die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Anspruches schon ursprünglich nicht gegeben gewesen seien, rechtfertige die Entziehung nicht, weil hiedurch einerseits gegen die Rechtskraft des Gewährungsbescheides und andererseits gegen den Vertrauensschutz und die Rechtssicherheit verstoßen würde.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Aus § 101 iVm § 99 ASVG sowie § 9 BPGG ergebe sich, daß die Rechtskraft einer Leistungsgewährung auch dann, wenn sie ursprünglich fehlerhaft gewesen sei, nicht zu Lasten des Versicherten durchbrochen werden könne. Daß die Entziehung nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs 2 BPGG zulässig sei, gelte auch für den Übergangszeitraum bis 31.12.1996, wenn (auch ohne Rechtsanspruch) höhere Pflegegeldstufen gewährt worden seien. Sowohl die Rechtskraft der Zuerkennung der Leistung als auch der Vertrauensschutzaspekt stünden der Wahrnehmung der ursprünglichen Unrichtigkeit der Leistungsgewährung entgegen, auch wenn die Weitergewährung von Pflegegeld infolge eines fehlerhaften Zuerkennungsaktes "dem Rechtsgefühl zuwiderläuft".

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die ausschließlich auf Nichtigkeit des Verfahrens infolge Unzulässigkeit des Rechtsweges gestützte, inhaltlich allerdings auch als Rechtsrüge ausgeführte, gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige und vom Kläger nicht beantwortete Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung sowie die Verfahren erster und zweiter Instanz "aufzuheben".

Das Revisionsvorbringen läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß der zu beurteilende Sachverhalt den Zeitraum vor dem 1.7.1995 betreffe, für welchen eine Klagbarkeit nur bis zum Pflegegeld der Stufe 2 bestanden habe; darüber hinaus bestünde kein Rechtsanspruch und damit auch keine Rechtswegzulässigkeit. § 38 BPPG setze überdies voraus, daß ein Hilflosenzuschuß oder eine Pflegegeldleistung nach § 3 leg cit vor dem 1.7.1993 rechtskräftig zuerkannt gewesen sei, was hier aber nicht zutreffe. Schließlich sei Grundlage des Pflegegeldanspruches an den Kläger eine bloße Mitteilung, aber kein Bescheid gewesen, sodaß der Entziehung der Leistung nicht mit dem Argument der Rechtskraft entgegengetreten werden könne. Aus allen diesen Gründen sei die Entscheidung des Berufungsgerichtes nichtig.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof folgendes erwogen:

1.) Unstrittig ist, daß der Kläger keinen einen Pflegegeldanspruch auslösenden Pflegebedarf hat. Gegenstand des Verfahrens ist daher nicht der Ersatz aus diesem Grunde allenfalls zu Unrecht empfangener Pflegegelder (§ 11 BPGG; ebenso auch § 10 des für den Kläger zufolge seines Wohnortes unter Umständen maßgeblichen Salzburger Pflegegeldgesetzes [Sbg PGG]), sondern ausschließlich dessen Entziehung nach § 9 Abs 3 BPGG. Danach wird die Entziehung oder Neubemessung des Pflegegeldes mit dem auf die wesentliche Veränderung folgenden Monat wirksam. Die Regierungsvorlage (776 BlgNR 18. GP, 27) spricht hiezu von "Änderung in der Sach- oder Rechtslage". Beide Vorinstanzen haben eine derartige Änderung im Zustandsbild des Klägers verneint, da dieses bei ihm unverändert bereits seit 20 Jahren immer schon so bestanden hat. Gegenstand der Klage ist dabei der Zeitraum ab dem 1.3.1994.

2.) a) In seiner Stammfassung BGBl 1993/110 - § 4 Abs 4 - ordnete das neue BPGG an, daß ab 1.7.1993 ein Rechtsanspruch (nur) auf das Pflegegeld in Höhe der Stufen 1 und 2, erst ab dem 1.1.1997 auch auf das Pflegegeld in Höhe der Stufen 3 bis 7 besteht; in der Zwischenzeit ist bei Vorliegen der Voraussetzungen der Differenzbetrag zwischen der Stufe 2 und einer höheren Stufe vom zuständigen Sozialversicherungsträger oder vom Bund (Entscheidungsträger nach § 22 leg cit) als Träger von Privatrechten (dh im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung [RV 44 BlgNR 19. GP, 4] sowie als Naturalobligation [SSV-NF 8/71]) zu gewähren. Ein Rechtsanspruch auf diesen Differenzbetrag besteht nicht. Hinsichtlich eines solchen Differenzbetrages haben auch keine Bescheide, sondern lediglich Mitteilungen zu ergehen und ist der Rechtsweg ausgeschlossen. Diese Übergangsregel wurde vom Gesetzgeber (RV 776 BglNR 18. GP, 26) mit Rücksicht auf die damals noch nicht vorhandene und zufolge ihrer vierjährigen Ausbildungszeit erst bis 31.12.1996 abgeschlossene Bereitstellung zusätzlicher Richter(planstellen) gewählt.

b) Durch Art I Z 2 der am 1.7.1995 in Kraft getretenen BPGG-Novelle BGBl 1995/131 wurde dessen § 4 Abs 4 ersatzlos aufgehoben. Damit wurde die Klagemöglichkeit bei den Arbeits- und Sozialgerichten für alle Pflegegeldstufen zu einem früheren als dem zunächst vorgesehenen Zeitpunkt eingeführt, da das aus der gesetzlichen Stammfassung resultierende Rechtsschutzdefizit einen Personenkreis traf, der im besonderen Maße der öffentlichen Hilfestellung bedarf und - der hiegegen teilweise massiv erhobenen Kritik Rechnung tragend - die Rechtsstellung gerade dieser schwer pflegebedürftigen Menschen signifikant verbessert werden sollte (RV 44 BlgNR 19. GP, 4). Gleichzeitig wurde allerdings in Art II Abs 1 der Novelle normiert, daß der Rechtsweg in bezug auf das Pflegegeld in Höhe der Stufen 3 bis 7 für die Zeit vor dem 1.7.1995 weiterhin ausgeschlossen ist; wurde in der Zeit vom 1.7.1994 bis 30.6.1995 mittels Mitteilung ein Pflegegeld in Höhe der Stufen 3 bis 6 gewährt, ist nach Abs 2 leg cit der ebenfalls novellierte § 25 Abs 2 BPGG (betreffend die Zurückweisung von Wiederholungsanträgen innerhalb einer einjährigen Sperrfrist) nicht anzuwenden. Nach den Materialien (RV aaO 5) sollte durch diese Übergangsregelung des Art II Abs 1 klargestellt werden, daß ein rückwirkender Rechtsanspruch auf Pflegegeld der Stufen 3 bis 7 durch diese Regelung nicht begründet wird; die Gerichte können daher Pflegegeld der Stufen 3 bis 7 - bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen - frühestens ab dem 1.7.1995 zuerkennen (so auch Fink, Sukzessive Zuständigkeit, 245). Der Ausschuß für Arbeit- und Soziales hat dies in seinem Bericht über die Regierungsvorlage (81 BlgNR 19. GP, 2) ausdrücklich bestätigt und nochmals festgehalten.

c) Schon aus dieser Gesetzeschronologie erhellt, daß für das vom Kläger für die Zeit davor, nämlich ab dem 1.3.1994 (bis 30.6.1995) gestellte Klagebegehren (der Differenz Stufe 2 - Stufe 3) der Rechtsweg jedenfalls verschlossen ist (Fink, aaO 274 spricht insoweit durchaus treffend auch von einer "Rechtswegsperre"). Insoweit handelt es sich um eine Prozeßvoraussetzung, die gemäß § 41 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung von Amts wegen oder auf Antrag (hier im zulässig erhobenen Rechtsmittel) wahrzunehmen ist, zumal auch eine für den Obersten Gerichtshof bindende entgegenstehende Gerichtsentscheidung über diese Prozeßvoraussetzung von den Vorinstanzen nicht getroffen wurde (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 42 JN). Sie bewirkt Nichtigkeit des gesamten hievon betroffenen Verfahrens einschließlich allfälliger bereits gefällter Entscheidungen und führt insoweit zur Zurückweisung der Klage (§ 240 Abs 3, § 477 Abs 1 Z 6 ZPO; Fasching, LB2 Rz 101).

Hinsichtlich des (modifizierten) Klagebegehrens, gerichtet auf Gewährung eines Pflegegeldes im Differenzbetrag der Stufe 2 zur Stufe 3, ist daher für diesen Zeitraum nach dem Vorgesagten der Rechtsweg jedenfalls ausgeschlossen. Das dennoch darüber abgeführte Verfahren

1. und 2. Instanz war daher einschließlich der darauf entfallenden Entscheidungsteile beider Vorinstanzen nach den zitierten Gesetzesstellen als nichtig aufzuheben und die Klage in diesem Umfange zurückzuweisen.

4.) Das Klagebegehren des Klägers erstreckt sich jedoch auch über den 1.7.1995 hinaus. Insoweit enthält die als Anfechtungsgrund ausschließlich Nichtigkeit geltend machende Revision allerdings auch als Rechtsrüge zu wertende (§ 84 Abs 2 ZPO) Ausführungen, und zwar dahingehend, daß es am Vorliegen eines bekämpfungsfähigen Bescheides mangle, da Grundlage für die Gewährung des Pflegegeldes an den Kläger bloß eine Mitteilung vom 28.6.1993 bilde. Dies betrifft an sich auch den davor liegenden Zeitraum, soweit das Klagebegehren (wie ursprünglich formuliert) nur auf eine Weitergewährung in der Stufe 2 gerichtet war und ist.

Hiezu war folgendes zu erwägen:

5.) a) Nach § 38 Abs 1 BPGG war Personen, denen zum 30.6.1993 ein Hilflosenzuschuß, eine Hilflosenzulage oder ein Pflegegeld nach den im § 3 leg cit angeführten Normen rechtskräftig zuerkannt war, und die zum anspruchsberechtigten Personenkreis gemäß § 3 leg cit zählen, von Amts wegen mit Wirkung vom 1.7.1993 nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 zu gewähren; diesen Personen galt ein Pflegegeld in Höhe dieser Stufe als rechtskräftig zuerkannt. Der Kläger war zum maßgeblichen Stichtag 30.6.1993 zwar Bezieher einer Rente nach dem BSVG (und damit Angehöriger des Personenkreises nach § 3 Abs 1 Z 1 lit d BPGG), jedoch hinsichtlich der seit 1976 bezogenen Blindenbeihilfe kein Bezieher einer der sonst in Z 4 bis 7 leg cit genannten pflegebezogenen Leistungen. Die Übergangsregelung des § 38 BPGG ist daher schon aus diesen Erwägungen auf den Kläger hier nicht anzuwenden.

b) Bezüglich der vom Land Salzburg gewährten Leistung wäre beim Kläger allenfalls die landesgesetzliche Übergangsbestimmung des § 26 Abs 1 Sbg PGG LGBl 1993/99 zu beachten: Danach war Personen, denen zum 30.6.1993 entweder Pflegegeld nach dem Sbg PGG oder eine Blindenbeihilfe nach dem Salzburger BindenbeihilfenG 1966 rechtskräftig zuerkannt ist und die zum anspruchsberechtigten Personenkreis gemäß § 3 Sbg PGG zählen, von Amts wegen mit Wirkung vom 1.7.1993 nach den Vorschriften dieses (Landes )Gesetzes ein Pflegegeld zu gewähren, und zwar im Falle der Blindenbeihilfe für Hochgradig-Sehbehinderte ein solches der Stufe 2, im Falle der Blindenbeihilfe für Blinde der Stufe 4; diesen Personen gilt das Pflegegeld in der jeweiligen Höhe als rechtskräftig zuerkannt. Da der Kläger im seinerzeitigen Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung als "praktisch blind im Sinne des § 2 lit b des Salzburger BlindenbeihilfeG 1966" (LGBl 1966/114) - welches nur zwischen Vollblinden (lit a) und "praktisch Blinden" (lit b) unterschieden hat und zwischenzeitlich durch Art II des Sbg PGG mit Inkrafttreten desselben per 1.7.1993 zur Gänze außer Kraft gesetzt wurde - eingestuft wurde, hätte ihm unter Umständen ex lege ab 1.7.1993 das (Landes )Pflegegeld der Stufe 2 gebührt, sofern er zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 3 Sbg PGG gezählt hätte, was allerdings nicht der Fall ist, weil er seit 1.5.1985 Bezieher einer Erwerbsunfähigkeitspension der beklagten Partei ist. Rechtsträger hiefür wäre nach § 17 Abs 1 Sbg PGG das Land Salzburg gewesen. Tatsächlich erfolgte die Pflegegeldgewährung seither jedoch gerade nicht durch diesen Rechtsträger und auf Grund der angeführten landesgesetzlichen Bestimmung (zur Überleitung bei Beziehern einer Blindenbeihilfe speziell nach dem Sbg PGG siehe auch ausführlich Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich, 433 ff), sondern wurde ihm vielmehr Bundespflegegeld ausschließlich von der hier beklagten Partei zu- und letztlich auch wiederum aberkannt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen besteht dabei allerdings keine Norm, die pflegebezogene Leistungen nach Landesrecht auf Bundespflegegeld überleitet.

6.) Der Kläger leitet seinen behaupteten Weitergewährungsanspruch über das bescheidmäßige Entziehungsdatum 28.2.1994 hinaus nicht aus einem Bescheid, sondern aus einer (bloßen) "Mitteilung" der beklagten Partei als Entscheidungsträger ab, in welcher ihm seinerzeit das Pflegegeld trotz der aus dem Vorgesagten abzuleitenden fehlenden Rechtsgrundlage sogar als ein solches der Stufe 3 zuerkannt worden war. Nach § 4 Abs 4 letzter Satz BPGG (in der Stammfassung) hatten derartige "Mitteilungen" ausschließlich für den Differenzbetrag zwischen der Stufe 2 und einer höheren Stufe des Pflegegeldes zu ergehen, im übrigen jedoch Bescheide. Ein solcher (ausdrücklicher) Bescheid wurde von der beklagten Partei bezüglich des Pflegegeldzuspruches der Stufe 2 nicht erlassen, sondern vielmehr über die Gesamtgewährung mittels Mitteilung erkannt. Allerdings entspricht es der ständigen Rechtsprechung sowohl des Verwaltungsgerichtshofes (verstärkter Senat Slg 9458 A uam) als auch des erkennenden Senates des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 5/36 und 9/39 mwN), daß ein Bescheid immer dann anzunehmen ist, wenn der zu beurteilende Akt von einer Behörde stammt, die Bescheide erlassen darf, und wenn sich aus seinem Inhalt der Wille der Behörde ergibt, eine Verwaltungsangelegenheit gegenüber einer bestimmten Person normativ zu regeln, dh bindende Rechtsverhältnisse zu gestalten oder festzustellen. Daß also die seinerzeitige (Neu )Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 2 nicht - wie dies gemäß § 4 Abs 4 leg cit richtigerweise zu erfolgen gehabt hätte - mittels Bescheides, sondern (ebenfalls) bloß mittels Mitteilung geschehen ist, vermag insoweit nicht zu Lasten des Klägers auszuschlagen. In einem solchen Fall ist vielmehr Fink, Sukzessive Zuständigkeit 259 f beizupflichten, der - zutreffend - aus den dem ASGG immanenten Schutzgedanken einerseits sowie dem auch hier nicht zu vernachlässigenden Aspekt, daß die Unklarheit dieser Sach- und damit auch Rechtslage vom beklagten Sozialversicherungsträger selbst und allein ausgegangen ist, für eine Entscheidung "im Zweifel für den Kläger" eintritt. Ungeachtet des Umstandes, daß § 4 Abs 4 letzter Satz BPGG den dort ausdrücklich genannten "Mitteilungen" gerade keinen Bescheidcharakter zuerkennt, so hat dies nach Wortlaut und Sinngehalt dieser Bestimmung doch eindeutig nur für jene Mitteilungen zu gelten, die für den Differenzbetrag zwischen der Stufe 2 und einer höheren Stufe des Pflegegeldes, nicht aber eine solchen bis zur Stufe 2 ergangen sind. Nach Auffassung des Senates kommt daher der hier zur Beurteilung anstehenden "Mitteilung" der beklagten Partei vom 28.6.1993 zufolge dieses wie vor beschriebenen normativen Gehaltes sehr wohl und ungeachtet des Fehlens der ausdrücklichen Bezeichnung "Bescheid" Bescheidcharakter für den Pflegegeldgewährungsanspruch bis einschließlich der Stufe 2 des Pflegegeldes zu.

7.) a) In der bereits mehrfach (SSV-NF 9/52 = JBl 1996, 198 = JUS 1929) veröffentlichten Entscheidung 10 Ob S 93/95 hat der Senat ausgesprochen, daß dann, wenn einem Pensionisten, der Anspruch auf Hilflosenzuschuß hatte, ab dem Inkrafttreten des BPGG Pflegegeld in der Höhe der Stufe 2 geleistet wurde, dieses Pflegegeld entzogen werden kann, wenn nunmehr der ständige Pflegebedarf nicht mehr über 50 Stunden monatlich liegt; daß die Voraussetzungen für den seinerzeitig gewährten Hilflosenzuschuß nicht mehr vorhanden sind, ist nicht erforderlich. Diese Entscheidung ist im grundsätzlichen auch auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt übertragbar:

Unstrittig ist beim Kläger nicht einmal der für die Mindeststufe 1 erforderliche Pflegebedarf von durchschnittlich monatlich mehr als 50 Stunden (§ 4 Abs 2 BPGG) gegeben. Die Besonderheit liegt nur darin, daß diese Voraussetzung nach den maßgeblichen Feststellungen der Tatsacheninstanzen an sich schon seinerzeit (nämlich anläßlich der "Mitteilung" über die Gewährung der Pflegegeldstufe 3) nicht gegeben war. Ob ein Pflegegeld zu entziehen ist, richtet sich ausschließlich nach § 9 Abs 2 BPGG. Die Entziehung setzt den Wegfall einer Voraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld voraus (Gruber/Pallinger, BPGG Rz 3 zu § 38). Eine Voraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld fällt insbesondere dann weg (und das Pflegegeld ist somit zu entziehen), wenn der Pflegebedarf einer bisher berechtigten Person infolge einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse durchschnittlich nicht mehr als 50 Stunden monatlich beträgt (Pfeil, aaO 300).

b) Diese Voraussetzungen treffen auf den vorliegenden Fall indes nicht zu. Nach den rechtlich zu beurteilenden Feststellungen hat der Kläger zwar nur einen Pflegebedarf von unter 50 Stunden monatlich, der jedoch unverändert schon im Gewährungszeitpunkt (1.7.1993) so bestanden hat und insoweit auch weiterhin unverändert andauert. Zutreffend hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang dabei auf die in § 101 ASVG (idF der 9. Novelle BGBl 1962/13; siehe hiezu auch die Erwägungen des Gesetzgebers in der Begründung zum Initiativantrag 517 BlgNR 9. GP 65 - weitgehend abgedruckt auch in Teschner/Widlar, MGA ASVG Anm 1 zu § 101) verankerte und mit sozialpolitischer Absicht begründete Beschränkung der reformatio in peius hingewiesen (so schon Zupancic, Die rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes bei Geldleistungen, SozSi 1963, 395 [396]), da es sich hier nicht um die Behebung eines falschen Bescheides im Zusammenhang mit einer möglichen Leistungserhöhung (zugunsten des Anspruchswerbers) bzw um die Richtigstellung eines ursprünglich zu Unrecht ablehnenden Bescheides handelt. Daß dabei die nunmehr von der Entziehung erfaßte Leistung nicht bescheidmäßig, sondern mit bloßer "Mitteilung" erfolgt war, ist aus den bereits oben zu P. 6. ausführlich dargelegten Gründen bezüglich des auf die Gewährung der Pflegegeldstufe 2 gerichteten Anspruchs für den Kläger ("im Zweifel") nicht von Rechtsnachteil. Auch ein Leistungsentzug nach § 99 Abs 1 ASVG setzt - wie das Berufungsgericht ebenfalls bereits zutreffend hingewiesen hat - eine wesentliche entscheidende Veränderung in den Verhältnissen voraus, wobei für den anzustellenden Vergleich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Leistungszuerkennung mit denen im Zeitpunkt des Leistungsentzuges in Beziehung zu setzen sind; nicht gerechtfertigt ist ein Leistungsentzug hingegen, wenn nachträglich festgestellt wird, daß die Leistungsvoraussetzungen von vorneherein gefehlt haben (SSV-NF 6/17). Dieser Fall ist auch hier gegeben. Haben also die objektiven Grundlagen für eine Leistungszuerkennung keine wesentliche Änderung erfahren, so steht die Rechtskraft der Gewährungsentscheidung der Enziehung entgegen; an einer solchen Änderung fehlt es regelmäßig dann, wenn bestimmte Leistungsvoraussetzungen (hier: im Zusammenhang mit der die Pflegegeldgewährung auslösenden Blindheit des Anspruchswerbers) gar nie vorhanden waren. Hier ist - wie es der Senat in der Entscheidung 10 Ob S 20/92 formuliert hat - Rechtssicherheit vor Rechtsmäßigkeit zu reihen (SSV-NF 6/17 mit zahlreichen weiteren Hinweisen aus Judikatur und Literatur). Wer also beanspruchen kann, daß ihm eine regelmäßig gewährte Leistung nicht entzogen wird, hat damit nichts anderes als einen Anspruch auf Weitergewährung eben dieser Leistung (solange sich die Voraussetzungen nicht tatsächlich ändern; Fink, aaO 128).

8.) Daraus folgt - zusammenfassend -, daß der Revision, soweit sie sich auch gegen die Weitergewährung des Pflegegeldes (allerdings nur der Stufe 2) seit dem 1.3.1994 wendet, kein Erfolg beschieden sein kann. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren (Stufe 3) war hingegen wie aus dem Spruch ersichtlich in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen abzuweisen.

9.) Eine Kostenentscheidung (sowohl im Zusammenhang mit dem die Klagszurückweisung erledigten nichtigen Teil des Verfahrens als auch des Revisionsverfahrens) hatte zu entfallen, da sich der Kläger am Revisionsverfahren nicht beteiligte und in den Verfahren erster und zweiter Instanz keine Kosten verzeichnet hat.

Rechtssätze
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