JudikaturJustiz9Ob40/03b

9Ob40/03b – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. August 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Katja W*****, geboren am *****, über den Revisionsrekurs des Kindes, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Rechtsfürsorge, 21. Bezirk, 1210 Wien, Am Spitz 1, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Oktober 2002, GZ 44 R 410/02y 80, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Revisionsrekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in der Abweisung des Unterhaltsherabsetzungsbegehrens des Vaters für die Zeit ab 1. November 2001 als unangefochten von dieser Entscheidung unberührt bleiben, hinsichtlich des Zeitraums vom 1. 1. 2001 bis zum 31. 10. 2001 als nichtig aufgehoben.

Text

Begründung:

Am 4. 12. 2001 beantragte der Vater, die zuletzt mit S 3.600,- monatlich festgesetzten Unterhaltsbeiträge für die Zeit vom 1. 1. 2001 bis zum 30. 4. 2001 auf monatlich S 3.100, , für die Zeit vom 1. 5. 2001 bis zum 31. 10. 2001 auf monatlich S 1.700,- und ab 1. 11. 2001 auf monatlich S 3.100,- herabzusetzen.

Das Amt für Jugend und Familie sprach sich gegen diesen Antrag aus.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 22. 3. 2002, 15 S 40/02b 9, wurde über das Vermögen des Vaters das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet; dem Vater wurde das Recht zur Eigenverwaltung belassen.

Im Schuldenregulierungsverfahren meldete das Amt für Jugend und Familie den "Unterhaltsrückstand per März 2002" mit insgesamt EUR 2.200,63" an, wobei es darauf hinwies, dass "über den Herabsetzungsantrag des Unterhaltsschuldners ... noch nicht entschieden" wurde. Laut Anmeldungsverzeichnis hat der Vater in der Prüfungstagsatzung die angemeldete Forderung anerkannt.

Mit Schreiben vom 31. 5. 2002 wies das Amt für Jugend und Familie das Erstgericht auf diesen Umstand hin und fügte hinzu, dass damit die "Forderung anerkannt" und daher der "Antrag auf Herabsetzung obsolet" sei.

Mit Beschluss vom 5. 6. 2002 setzte das Erstgericht daraufhin den vom Vater zu leistenden Unterhalt für die Zeit vom 1. 1. 2001 bis zum 30. 4. 2001 auf EUR 225,29 (S 3.100, ) und für die Zeit vom 1. 5. 2001 bis zum 31. 10. 2001 auf EUR 123,54 (S 1.700, ) herab. Das Herabsetzungsbegehren des Vaters für die Zeit ab 1. 11. 2001 wies es ab. Auf das Schuldenregulierungsverfahren nahm es nur insoweit Bezug, als es dieses Verfahren als für die Unterhaltsberechnung irrelevant bezeichnete.

Einem nur gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung erhobenen Rekurs des Kindes gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluss teilweise statt: Es bestätigte die Herabsetzung des Unterhaltsbetrages für die Zeit vom 1. 1. 2001 bis 30. 4. 2001 und hob den erstgerichtlichen Beschluss hinsichtlich des Zeitraums 1. 5. 2001 bis 31. 10. 2001 auf; insofern verwies es die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Rekursgericht billigte die Ausführungen des Erstgerichtes zum Zeitraum 1. 1. 2001 bis 30. 4. 2001, erachtete aber das Verfahren für den Zeitraum vom 1. 5. 2001 bis 31. 10. 2001 als ergänzungsbedürftig. Das Anerkenntnis der Unterhaltsforderung des Vaters im Schuldenregulierungsverfahren mache eine Entscheidung nicht entbehrlich, weil der Vater darin keineswegs den Fortbestand einer Unterhaltsverpflichtung von S 3.600,- monatlich, sondern nur einen unter Hinweis auf den offenen Herabsetzungsantrag angemeldeten Unterhaltsrückstand von EUR 2.200,63 anerkannt habe. Ein schlüssiges Anerkenntnis der Berechtigung der Unterhaltsforderung von S 3.600,- monatlich könne daraus nicht abgeleitet werden.

Einen Ausspruch über die Zulässigkeit der weiteren Anfechtung seiner Entscheidung hat das Rekursgericht nicht in den Spruch seiner Entscheidung aufgenommen. In der Entscheidungsbegründung führte es allerdings aus, dass mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen den bestätigenden Teil dieses Beschlusses richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Zurückweisung (hilfsweise der Abweisung) des Unterhaltsherabsetzungsantrags abzuändern. Ua wird darin geltend gemacht, dass der Vater, um das durch die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahren unterbrochene Verfahren fortsetzen zu können, die angemeldete (titulierte) Forderung bestreiten und innerhalb der dann nach § 110 Abs 4 KO zu setzenden Frist einen Fortsetzungsantrag hätte einbringen müssen.

In Stattgebung eines entsprechenden Antrags des Kindes änderte nunmehr das Rekursgericht den in der Begründung seiner Entscheidung enthaltenen Zulassungsausspruch im Sinne der Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses ab. Die Forderungsanmeldung des Kindes im Schuldenregulierungsverfahren sei unbestimmt. Zu den Rechtsfolgen einer undeutlichen Forderungsanmeldung und von nicht der Anmeldung entsprechenden Eintragungen im Anmeldungsverzeichnis fehle es jedoch an Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Mit (unangefochten in Rechtskraft erwachsenem) Beschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 13. 12. 2002 - also nach Erlassung der angefochtenen Entscheidung - wurde das über des Vermögen des Vaters eingeleitete Schuldenregulierungsverfahren nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens gemäß § 200 Abs 4 KO aufgehoben.

Aus Anlass des - wie zu zeigen sein wird: zulässigen - Revisionsrekurses ist aufzugreifen, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen - im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang nichtig sind:

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des Verfahrens sind nur mehr Unterhaltsforderungen für die Zeit vor der Konkurseröffnung. Derartige Ansprüche (Rückstände) sind Konkursforderungen und nach Maßgabe der Bestimmungen der KO zu behandeln (RIS Justiz RS0037149; ZIK 2001, 55; EvBl 1991/64).

Ein Pflegschaftsverfahren, soweit es bis zur Konkurseröffnung geschuldeten, rückständigen Unterhalt zum Gegenstand hat, wird durch die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen unterbrochen (ZIK 2001, 55 [zum Unterhaltsherabsetzungsverfahren]; 8 Ob 527/93; 2 Ob 215/98a; Kodek , Privatkonkurs 108). Die Unterbrechung tritt ex lege ein und ist von der Fassung eines (hier unterbliebenen) Unterbrechungsbeschlusses unabhängig ( Schubert in Konecny/Schubert , KO § 7 Rz 29 mwN). Der sich auf Grund der bisherigen Unterhaltstitel ergebende Rückstand ist als Konkursforderung im Schuldenregulierungsverfahren des Unterhaltspflichtigen anzumelden (ZIK 2001, 55).

Bei Konkursforderungen, die der Anmeldung unterliegen, kann das Verfahren nur aufgenommen werden, wenn der Anspruch im Konkurs angemeldet, dort der Prüfung unterzogen und bestritten wurde ( Schubert in Konecny/Schubert , KO Rz 51 zu § 7). Dies soll sicherstellen, dass die Forderung zur Vermeidung eines unnötigen Prozessaufwandes vorerst dem außerstreitigen Prüfungsverfahren im Konkurs unterzogen wird. Dies gilt auch im Falle der Unterbrechung eines außerstreitigen Verfahrens ( Schubert in Konecny/Schubert KO Rz 19 und Rz 51 zu § 7).

Auch die Aufnahme eines gemäß § 7 Abs 1 KO unterbrochenen außerstreitigen Verfahrens bedarf eines Aufnahmeantrags und eines auf Grund eines solchen Antrags gefassten Gerichtsbeschlusses. Für das streitige Verfahren normiert dies § 165 ZPO, dessen analoge Anwendung im außerstreitigen Verfahren geboten ist, zumal das AußStrG für die hier zu beurteilende Situation keine Regelungen enthält (vgl dazu die Entscheidung 5 Ob 2228/96z, in der § 163 Abs 2 ZPO im außerstreitigen Verfahren analog angewendet wurde). Bis ein solcher Aufnahmebeschluss gefasst wird, besteht die durch die Konkurseröffnung eingetretene Unterbrechungswirkung fort. Daran ändert auch die (hier überdies erst nach Erlassung der angefochtenen Entscheidung erfolgte) Aufhebung des Konkurses nichts, weil auch in diesem Fall die Aufnahme des Verfahrens eines Parteiantrages und eines Aufnahmebeschlusses bedarf ( Schubert in Konecny/Schubert , KO § 7 Rz 50).

Im hier zu beurteilenden Verfahren haben die Vorinstanzen diese Rechtslage nicht beachtet:

Zum einen ist der zweiten Instanz beizupflichten, dass die Erklärung des Vaters im Schuldenregulierungsverfahren, die angemeldete Forderung anzuerkennen, unter den gegebenen Umständen nicht als vorbehaltlose Anerkennung der Forderung (und damit als Verzicht auf den Unterhaltsherabsetzungsantrag) gewertet werden kann. Die Anmeldung enthält den ausdrücklichen Hinweis auf das anhängige Unterhaltsherabsetzungsverfahren, sodass es näher läge, die Erklärung des unvertretenen Vaters im Sinne der Anerkennung der rechnerischen Richtigkeit des Rückstandes unter Vorbehalt des Ergebnisses des Herabsetzungsverfahrens zu interpretieren. In Wahrheit ist die Erklärung des Vaters undeutlich; sie hätte in der Prüfungstagsatzung zum Anlass genommen werden müssen, die Problematik mit dem Vater zu erörtern und ihn zu einer klaren Erklärung anzuleiten. Mangels einer solchen Klarstellung kann der Erklärung des Vaters überhaupt keine Wirkung zugebilligt werden. Welche Konsequenzen dies für das laufende Abschöpfungsverfahren hat, ist im Rahmen dieser Entscheidung nicht zu erörtern. Die Voraussetzungen für die Aufnahme des unterbrochenen Herabsetzungsverfahrens - nämlich die Bestreitung der angemeldeten Forderung - lag damit zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidungen der Vorinstanzen jedenfalls nicht vor.

Dazu kommt, dass keiner der Beteiligten einen Aufnahmeantrag gestellt hat und dass es auch an einem Fortsetzungsbeschluss des Erstgerichtes fehlt. Wenngleich es zutrifft, dass der Aufnahmebeschluss nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden muss (RIS Justiz RS0037128), fehlt es hier an jeglichem Anhaltspunkt für den Entscheidungswillen des Erstgerichtes, das unterbrochene Verfahren fortzusetzen, was insbesondere daraus ersichtlich ist, dass die Unterbrechung des Verfahrens offenkundig übersehen und gar nicht beachtet wurde.

Damit ist das Verfahren über den die Zeit vom 1. 1. 2001 bis zum 31. 10. 2001 betreffenden Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters nach wie vor unterbrochen.

Das Gericht darf während der Unterbrechung keine Gerichtshandlungen setzen, es sei denn solche, die dem durch die Unterbrechung geschaffenen Zustand Rechnung tragen ( Schubert in Konecny/Schubert KO § 7 Rz 31). Trotz eingetretener Unterbrechungswirkung unzulässigerweise ergangene Entscheidungen sind nach herrschender Auffassung nicht wirkungslos, sondern bloß anfechtbar, wobei die Rechtsprechung unter Missachtung der Unterbrechung gefällte Urteile (regelmäßig nach § 477 Abs 1 Z 4 und 5 ZPO) als nichtig qualifiziert hat ( Schubert in Konecny/Schubert Rz 32 zu § 7; vgl zuletzt 6 Ob 318/01k sowie Gitschthaler in Rechberger , ZPO² Rz 11 zu § 164, wonach dann, wenn ein Nichtigkeitsgrund iSd § 477 Abs 1 Z 4 und 5 ZPO nicht verwirklicht ist, ein bloßer Verfahrensmangel anzunehmen sei). Hier sind die Entscheidungen der Vorinstanzen - von diesen abgesehen wurde während der Unterbrechung kein Verfahren durchgeführt - schon deshalb nichtig, weil mangels wirksamer Bestreitung der Forderung im Schuldenregulierungsverfahren im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtslage im maßgebenden Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen für eine Fortsetzung des außerstreitigen Verfahrens nicht vorlagen und die dessen ungeachtet erfolgte Entscheidung im Pflegschaftsverfahren der vom Gesetzgeber zwingend angeordneten Vorschaltung des konkursrechtlichen Prüfungsverfahrens widersprochen hat. Im Falle der Unterbrechung eines streitigen Zivilverfahrens wird bis zum Abschluss des außerstreitigen Prüfungsverfahren Unzulässigkeit des (streitigen) Rechtswegs angenommen ( Schubert in Konecny/Schubert , KO § 7 Rz 51). Im Falle der Unterbrechung eines außerstreitigen Verfahrens kann zwar nicht von einer Unzulässigkeit des Rechtswegs im üblichen Sinn des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO gesprochen werden, weil es sich nicht nur beim Pflegschaftsverfahren sondern auch beim Konkursverfahren um ein außerstreitiges Verfahren handelt. Die Missachtung des zwingenden Vorrangs des konkursrechtlichen Prüfungsverfahrens vor der (erst im Falle der Bestreitung der Forderung zulässigen) Fortsetzung des nach § 7 KO unterbrochenen außerstreitigen Unterhaltsverfahren stellt jedoch einen Verfahrensstoß dar, der im Grunde und auch nach seinem Gewicht der Unzulässigkeit des Rechtswegs iSd § 477 Abs 1 Z 6 ZPO gleichzusetzen und daher ebenfalls mit Nichtigkeit bedroht ist.

In diesem Sinne erweisen sich daher die Entscheidungen der Vorinstanzen als nichtig.

Während der Unterbrechung von einer Parteien vorgenommene Prozesshandlungen sind - abgesehen von der Aufnahmehandlung - nach der auch im außerstreitigen Verfahren anwendbaren Bestimmung des § 163 Abs 2 ZPO (5 Ob 2228/96z) der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Bedeutung. Das Gericht hat solche Handlungen zurückzuweisen. Dies gilt auch für während der Unterbrechung eingebrachte Rechtsmittel, aber nur dann, wenn sie nicht der Sicherung der Unterbrechungswirkung bzw der Klärung der Frage dienen, ob eine Unterbrechung überhaupt vorliegt ( Schubert in Konecny/Schubert , KO § 7 Rz 40 mwN). Mit dem hier zu beurteilenden Rechtsmittel macht die Revisionswerberin primär geltend, dass der Vater die angemeldete Forderung im Konkurs hätte bestreiten und das vorliegende Verfahren fortsetzen müssen. Damit zielt das Rechtsmittel auf die Sicherung der Unterbrechungswirkung ab und ist daher zulässig.

Aus Anlass des somit zulässigen Rechtsmittels war aus den dargelegten Gründen die Nichtigkeit der betroffenen Teile der Entscheidungen der Vorinstanzen aufzugreifen, wobei wegen des untrennbaren Zusammenhangs (RIS Justiz RS0013296) auch jener Teil der Entscheidungen aufzuheben war, der den (vom aufhebenden Teil der Rekursentscheidung umfassten) Zeitraum vom 1. 5. 2001 bis zum 31. 10. 2001 betrifft.

Den Parteien (auch dem Vater; ZIK 2001, 55) steht es nunmehr frei, die Fortsetzung des nach wie vor durch die Konkurseröffnung unterbrochenen Verfahrens zu beantragen. Einem solchen Antrag ist jedenfalls stattzugeben, weil das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Vaters mittlerweile aufgehoben ist.

Rechtssätze
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