JudikaturJustiz7Ob149/17p

7Ob149/17p – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G***** B*****, 2. M***** B*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei M***** L*****, vertreten durch Dr. Walter Vasoll und Mag. Marion Vasoll, Rechtsanwälte in Hermagor, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 18. Mai 2017, GZ 3 R 56/17w 41, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hermagor vom 16. Februar 2017, GZ 1 C 488/14z 37, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 688,92 EUR (darin enthalten 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt. Die Begründung dieser Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Rechtsvorgänger des Beklagten hätten durch eine mehr als 30 jährige Nutzung des Steigs (Wegs) über das Grundstück der Kläger die Dienstbarkeit des Geh und Fahrrechts zu Zwecken der Almwirtschaft ersessen, wird von den Klägern nicht bemängelt.

3. Sie argumentieren jedoch, durch die Nichtausübung der Almwirtschaft zwischen 1958 (jedenfalls 1962) und 2004/2005 sei die Dienstbarkeit erloschen.

3.1 Ein Ruhen der Rechtsausübung ändert am aufrechten Bestehen der Dienstbarkeit selbst nichts (RIS Justiz RS0011688, vgl auch RS0011549). Die Dienstbarkeit kann aber nach § 1479 ABGB verjähren, wenn der Berechtigte sie 30 Jahre nicht ausübt.

3.2 Nach der gegenüber § 1479 ABGB spezielleren Norm des § 1482 Satz 1 ABGB schließt aber schon die Teilausübung eines Rechts auf fremdem Grund die Verjährung aus. Nur dann, wenn der Grund einer bloßen Teilrechtsausübung der Dienstbarkeit die Untersagung oder Hinderung durch den Eigentümer des dienenden Grundes ist, kann das Recht im nicht ausgeübten Umfang verjähren (RIS Justiz RS0104359 [T2]). Eine Teilrechtsausübung liegt vor, wenn der Berechtigte Handlungen vornimmt, zu denen er nur befugt ist, weil ihm die Dienstbarkeit zusteht. Es genügt, wenn nur ein kleiner Teil der ihm zustehenden Befugnisse ausgenützt wird (RIS Justiz RS0034136). Eine bestimmte hohe Qualität oder Intensität der Rechtsausübung ist dabei nicht erforderlich (vgl RIS Justiz RS0121871 [zur Ausübung der persönlichen Dienstbarkeit des Wohnungs-gebrauchsrechts]; auch RS0011720 [T12]). Das Recht des Fahrwegs bleibt durch die Benützung des dienenden Grundstücks zum Gehen erhalten (RIS Justiz RS0034146).

3.3 Das Berufungsgericht verneinte die Verjährung. Die von den Rechtsvorgängern des Beklagten ersessene Dienstbarkeit des Geh und Fahrrechts zu almwirtschaftlichen Zwecken sei nicht dadurch verjährt, dass die Alm im Zeitraum 1958 (Ende der Mahd) bis 2004/2005 (Wiederaufnahme der Mahd) nicht aktiv bewirtschaftet worden sei. Immerhin sei in diesem Zeitraum – wenn auch nur fallweise – unter weiterer Nutzung des Steigs Nachschau auf der Alm gehalten worden. Durch diese zwischen 1958 und 2004/2005 erfolgten Kontrollen der Alm und der darauf befindlichen Hütte, die der almwirtschaftlichen Nutzung zuzurechnen seien, sei eine Teilrechtsausübung erfolgt, die die Verjährung gehindert habe. Diese Rechtsansicht ist vor dem Hintergrund der oben dargestellten oberstgerichtlichen Judikatur vertretbar.

3.4 Die von den Klägern im Zusammenhang mit den genannten Kontrollen als rechtlich erheblich erachtete Frage eines Mindestmaßes an Publizität stellt sich nicht. Das angesprochene Publizitätserfordernis bezieht sich nur auf die Ersitzung der Dienstbarkeit (vgl RIS Justiz RS0010135).

4. Nach allgemeinen servitutsrechtlichen Grundsätzen orientiert sich der Inhalt einer ungemessenen Servitut am jeweiligen Bedürfnis des herrschenden Gutes, doch findet ein solches Recht seine Grenzen in dessen ursprünglichem Bestand und der ursprünglichen Bewirtschaftungsart (RIS Justiz RS0011691 [T11]). Eine unzulässige Erweiterung einer Wegeservitut liegt vor, wenn der Weg zu anderen Zwecken als ursprünglich vereinbart benutzt wird oder wenn sich die Belastung des dienenden Gutes erheblich erhöht (6 Ob 175/14z). Nur eine die Belastung des dienenden Gutes erheblich erschwerende Änderung der Benützungsart des herrschenden Gutes stellt eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit dar (RIS Justiz RS0016370). Auch bei einer Änderung der Bewirtschaftungsart kann nur eine dadurch verursachte Mehrbelastung des dienenden Gutes untersagt werden (RIS Justiz RS0016370 [T6]), werden Interessen des Verpflichteten doch nur im Ausmaß der Mehrbelastung beeinträchtigt. Soweit die neue Bewirtschaftungsart hingegen zu keiner erhöhten Belastung des dienenden Gutes führt, ist kein Grund erkennbar, weshalb der Verpflichtete dessen Inanspruchnahme nicht mehr dulden muss (6 Ob 175/14z).

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die vorliegende – mit dem technischen Fortschritt einhergehende – Veränderung der Ausübung der Dienstbarkeit von der ursprünglichen Nutzung des Wegs mit Pferdegespann und Schlapp auf die nunmehrige Verwendung einer motorbetriebenen Scheibtruhe stelle keine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit dar, ist nicht zu beanstanden.

5. Die Kläger haben in ihrer Berufung nicht gerügt, dass das Erstgericht ihren Einwand des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs rechtsirrig verworfen hätte. Damit ist diese selbständige Rechtsfrage aus dem Verfahren ausgeschieden und die Rüge in der Revision unzulässig (RIS Justiz RS0043480 [T22]).

6. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

7. Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Rechtssätze
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