JudikaturJustiz6Ob196/05z

6Ob196/05z – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Dezember 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** in Abwicklung, ***** vertreten durch Dr. Martin Parschalk, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K*****-OEG, ***** vertreten durch Mag. Hans Jörg Fuchs, Rechtsanwalt in Schladming, wegen Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Mai 2005, GZ 11 R 4/05x-16, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Oktober 2004, GZ 54 Cg 77/04x-7, aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der Miko Holding Gesellschaft mbH (nunmehr MH Gastro Betriebs Gesellschaft mbH) wurde am 22. 10. 2003 der Konkurs eröffnet. Diese Gesellschaft hatte der Beklagten am 16. 5. 2003 Liegenschaftsanteile verkauft.

Der klagende Verein (in Abwicklung) begehrt die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle durch den Kaufvertrag vom 16. 5. 2003 über verschiedene Liegenschaftsanteile entstandenen und entstehenden Schäden. Der Kläger habe gegen die Verkäuferin (die Gemeinschuldnerin) einen Geldanspruch von 673.789 EUR und zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bereits über einen Exekutionstitel verfügt. Der tatsächliche Wert der verkauften Liegenschaft liege um mindestens 300.000 EUR höher als der vereinbarte Kaufpreis. Bei der beklagten Käuferin und der Verkäuferin habe eine (teilweise) Personenidentität der Organe bestanden. Der Kaufvertrag sei als „Insichgeschäft" kurz vor der Konkurseröffnung zur Vereitlung von Exekutionen abgeschlossen worden. Es sei der Tatbestand der betrügerischen Krida, zumindest der grob fahrlässigen Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen zum Nachteil des Klägers verwirklicht worden (§§ 156 und 159 StGB).

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei nicht aktiv klagelegitimiert. Zur Anfechtung des Kaufvertrags sei ausschließlich der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der beklagten Partei (gemeint: der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Verkäuferin) legitimiert. Tatsächlich habe die Beklagte beim Kauf der Liegenschaftsanteile „weitaus mehr bezahlt, als diese tatsächlich wert sind", sodass keine Gläubigerbenachteiligung vorliege. Die Feststellung der Verringerung der Masse durch die Veräußerung obliege der Prüfung des Masseverwalters bzw des Konkursgerichts.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren schon aufgrund der Klagebehauptungen und ohne Feststellungen zu treffen ab. Gemäß § 27 KO könnten Rechtshandlungen, die vor Konkurseröffnung vorgenommen wurden und das Vermögen des Gemeinschuldners betreffen, nach den Bestimmungen der KO angefochten werden. Gemäß § 37 Abs 1 KO werde das Anfechtungsrecht vom Masseverwalter ausgeübt. Diesem stehe ein Anfechtungsmonopol zu. Was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Gemeinschuldners entzogen und daraus veräußert worden sei, müsse zur Konkursmasse geleistet werden. Hier behaupte der Kläger, Konkursgläubiger der Verkäuferin zu sein. Nach dem Klagevorbringen mache der Kläger den Anfechtungstatbestand des § 28 Z 1 KO geltend. Der Kläger gründe seinen Anspruch zwar nicht ausdrücklich auf ein Anfechtungsrecht. Es gehe aber nicht an, dass er durch die Behauptung eines Sachverhalts, der völlig eindeutig einem der Anfechtungstatbestände der KO zu unterstellen sei, mit der Geltendmachung eines allgemeinen Schadenersatzanspruches die KO „unterlaufe" und dass er damit „an der Masse vorbei direkt an sich und zu Lasten anderer Konkursgläubiger Ersatzansprüche lukrieren möchte". Mit dem Hinweis auf die §§ 156 und 159 StGB werde die Benachteiligungsabsicht des § 28 Z 1 KO releviert.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers statt und hob das angefochtene Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Der Kläger mache einen schadenersatzrechtlichen Feststellungsanspruch geltend. Die Anfechtbarkeit nach den §§ 27 ff KO setze nicht widerrechtliche Handlungen (nach der Deliktstheorie) voraus. Die schadenersatzrechtlichen Regeln würden für das Anfechtungsrecht nicht gelten. Eine Haftung könne insbesondere wegen Konkursverschleppung bestehen oder dann, wenn der Anfechtungsgegner bewusst an einer Täuschung der Gläubiger durch den Schuldner über die Vermögenslage mitwirke. Vorsätzliches Handeln zum Zwecke der Benachteiligung eines Gläubigers löse Schadenersatzpflichten aus. Nach herrschender Ansicht sei der Schadenersatzanspruch von den geschädigten Gläubigern geltend zu machen und nicht vom Masseverwalter. Der Kläger habe einen Vermögensschaden behauptet, der in der Verringerung der Masse und der Vereitlung der Befriedigung der Konkursforderungen des Klägers liege. Er habe sich ausdrücklich auf deliktisches Handeln der Beklagten berufen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass ein Gläubiger keinen durchsetzbaren Anspruch auf Anfechtung eines nachteiligen Rechtsgeschäfts durch den Masseverwalter habe. Der Masseverwalter könne grundsätzlich nur Rechte des Gemeinschuldners geltend machen, nicht aber Rechte der Gläubiger. Während eine Anfechtung nach der Anfechtungsordnung auf Unwirksamerklärung des angefochtenen Rechtsgeschäfts gerichtet sei, begehre der Kläger hier die Feststellung der Haftung für aus dem Kaufvertrag resultierende Schäden. Es handle sich daher nicht um identische Klagebegehren. Der vom Kläger behauptete Sachverhalt sei mit den Parteien zu erörtern und nach allfälliger Ergänzung der Behauptungen und Beweisanbote seien die notwendigen Tatsachenfeststellungen zu treffen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur relevanten Frage, ob einem Gläubiger gegenüber einem Dritten wegen eines Insichgeschäfts mit dem Gemeinschuldner ein direkter Anspruch zustehe, vom Obersten Gerichtshof noch nicht Stellung genommen worden sei. Mit ihrem Rekurs beantragt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Der Kläger beantragt, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Aktivlegitimation des Gläubigers eines Gemeinschuldners hängt nicht davon ab, ob die Grundlage des auf Deliktsrecht gestützten Schadenersatzanspruchs aus einem Insichgeschäft besteht. Mit der Behauptung eines solchen legt der Kläger lediglich einen den Vorsatz bzw die Fahrlässigkeit der Beklagten betreffenden Sachverhalt zur Begründung der vorgeworfenen Delikte dar. Die Rechtsansichten des Berufungsgerichts zur Aktivlegitimation des Einzelgläubigers im Konkurs stehen im Einklang mit der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung:

Der Kläger wirft der Beklagten die Mitwirkung an betrügerischer Krida oder zumindest grob fahrlässiger Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen durch die Gemeinschuldnerin (§§ 156 bzw 159 StGB iVm § 12 StGB) und Vollstreckungsvereitelung (§ 162 StGB) vor. Der Oberste Gerichtshof bejaht in ständiger Rechtsprechung auch während eines anhängigen Konkurses das Klagerecht von Gesellschaftsgläubigern (Altgläubigern und Neugläubigern) auf Schadenersatz, wenn der Anspruch auf Delikte des Organs der Gemeinschuldnerin gestützt wird. Die Kridabestimmungen des StGB sind Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger. Vom Schutzzweck der Normen werden sämtliche Gläubiger einer Gesellschaft mbH erfasst, sowohl Altgläubiger, deren Forderungen im Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit bereits bestanden und die durch die Eingehung neuer Verbindlichkeiten geschädigt werden, als auch Neugläubiger, die durch die Begründung der Verbindlichkeit im Stadium der Zahlungsunfähigkeit insoweit geschädigt werden, als sie keine Gegenleistung erhalten. Ihnen gegenüber haftet der Geschäftsführer unmittelbar nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen (RIS-Justiz RS0023866). Die Gläubiger einer Gesellschaft mbH, die für ihre Forderungen im Vermögen der Gesellschaft keine oder keine zureichende Deckung gefunden haben, können den oder die Geschäftsführer der Gesellschaft nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen (§§ 1293 ff ABGB) auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen, den ihnen die organschaftlichen Vertreter durch schuldhafte Verletzung eines gerade oder auch zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger erlassenen Gesetzes zugefügt haben (RS0023887). Die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers setzt nicht die strafgerichtliche Verurteilung voraus (RS0059566). Geklagt ist hier zwar eine OEG, die eine Gesellschaft, auf die die Vorschriften des HGB über die OHG und die KG anzuwenden sind (§ 4 Abs 1 EGG), die also passiv klagelegitimiert ist. Sie ist zwar wie eine juristische Person nicht selbst deliktsfähig und daher auch nicht als Mittäter am Delikt ihres Organs aufzufassen (§ 12 StGB), dies ändert aber nichts an ihrer zivilrechtlichen Mithaftung nach der von der Lehre entwickelten und in der Rechtsprechung ständig vertretenen sog. Repräsentantenhaftung (RIS-Justiz RS0009113; Aicher in Rummel ABGB³ Rz 26 zu § 26). Es wurde schon ausgesprochen, dass nicht nur juristische Personen für Delikte ihrer Organe und leitenden Angestellten haften, sondern auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts (2 Ob 2398/96b = SZ 70/138 mwN), umso mehr also auch eine parteifähige OEG. Die erwähnten Grundsätze zur Geschäftsführerhaftung müssen daher für die Gesellschaft ebenso gelten wie der weitere, in ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung vertretene Grundsatz, dass auf Delikt beruhende Schadenersatzansprüche von Gesellschaftsgläubigern gegen Organe der Gesellschaft kein Bestandteil des Vermögens der Gesellschaft sind und daher nicht vom Masseverwalter der Gesellschaft geltend gemacht werden können (RS0049450, insbesondere SZ 60/151, SZ 63/124, 1 Ob 228/99g, SZ 74/167, SZ 2002/26 und zuletzt 8 Ob 259/02z). Mit dieser Rechtsprechung folgt der Oberste Gerichtshof entgegen einem Teil der Lehre und der deutschen Praxis (zur allerdings nicht vollständig gleichen Rechtslage) den Auffassungen von Reich-Rohrwig (GmbH-Recht 142 ff; Das österreichische GmbH-Recht I² Rz 2/471) und Dellinger (Vorstands- und Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall [1991] 240, 242), wonach selbst Altgläubiger ihre Schäden gegen das Organ, auch den sogenannten Quotenschaden, selbständig einklagen können (zu letzterem gegenteilig und mwN Karsten Schmidt, Insolvenzverschleppungshaftung - Haftungsrechtsprechung zwischen Gesellschafts-, Insolvenz- und Zivilrecht, JBl 2000, 477 ff). Ohne näheres Eingehen auf das komplexe Thema der Verfolgungskonkurrenz von Masseverwalter und Einzelgläubiger führt die Rekurswerberin für ihren Standpunkt nur das vom Erstgericht herangezogene Argument des Anfechtungsmonopols des Masseverwalters nach § 37 Abs 1 KO (RS0064536) ins Treffen. Dabei übersieht sie die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen des Anfechtungsrechts und des Schadenersatzrechts. Der Masseverwalter strebt mit seinem Anfechtungsanspruch im Interesse der Gesamtgläubigerschaft den Wegfall des angefochtenen Rechtsgeschäfts an. Bei entsprechendem Erfolg wird die Masse aufgefüllt und der Erlös an die Gläubiger ausgekehrt. Mit seinem Schadenersatzanspruch verfolgt der Einzelgläubiger ein auf Deliktsrecht gestütztes Individualrecht. Das für ihn nachteilige Rechtsgeschäft bleibt unangefochten. Der Nachteil wird aber über den Schadenersatz ausgeglichen. Schon die unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen und Rechtsschutzziele sprechen für die Richtigkeit der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung, die die Klagebefugnis des Gesellschaftsgläubigers, wenn er sich auf Schadenersatzrecht beruft, bejaht und diejenige des Masseverwalters verneint. Dies muss hier insbesondere für den auf den Tatbestand der Vollstreckungsvereitelung gestützten Anspruch gelten, mit dem der Kläger von der Beklagten ganz offensichtlich auch den den Quotenschaden übersteigenden Schaden ersetzt haben will, also so gestellt werden möchte, wie er bei erfolgreicher Exekutionsführung stünde. Da die Rekurswerberin ausschließlich mit dem Anfechtungsmonopol des Masseverwalters argumentiert, zu Unrecht den vom Kläger verfolgten Schadenersatzanspruch aufgrund des behaupteten Sachverhalts mit Anfechtungsansprüchen gleichsetzt und der Behauptung des Klägers, dass vor Ermittlung des Quotenschadens im Konkursverfahren eine Leistungsklage noch nicht möglich sei und daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung bestehe, nichts entgegensetzt, bedarf es über die gegebene Begründung hinaus keiner weiteren Erörterung (§ 510 Abs 3 letzter Satz iVm § 528a ZPO). Der Ausspruch über die Kosten der Rekursbeantwortung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO (8 Ob 8/04s, 8 Ob 78/04k uva).

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