JudikaturJustiz6Ob17/21z

6Ob17/21z – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Hon. Prof. Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Salzborn Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, wider die beklagte Partei Mag. M***** D*****, vertreten durch Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Ing. C*****, vertreten durch Hornek Hubacek Lichtenstrasser Epler Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 80.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. November 2020, GZ 14 R 91/20k 37, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Revisionswerberin bezieht sich auf die Normen §§ 8a, 8b und 10a RAO zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie zum Schutz treuhändig anvertrauter Gelder. Sie legt aber nicht nachvollziehbar dar, inwieweit sich aus der gebotenen Anwendung dieser (präsumtiv) umgangenen Normen auf das vorliegende Treuhandverhältnis (allgemein zu den Rechtsfolgen eines Umgehungsgeschäfts RS0045196; RS0016469; RS0038675 [T7 und T8]; RS0018181 [T1 und T2]; RS0113579) eine Pflichtverletzung des Beklagten ableiten lässt, die gerade den in Rede stehenden Vermögensschaden der Klägerin herbeigeführt hat.

[2] 2. Die Revisionswerberin meint, es existiere keine Judikatur dazu, ob ein Rechtsanwalt für eine unklare Treuhandschaftsregelun g, die sich in einem von ihm errichteten Optionsvertrag findet, hafte.

[3] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Haftung des beklagten Rechtsanwalts scheitere schon daran, dass Verfasser der Optionsverträge – nach dem Verständnis eines redlichen Erklärungsempfängers – nicht der Beklagte im eigenen Namen gewesen sei, vielmehr sei er namens der Rechtsanwälte GmbH tätig geworden.

[4] Dieser Rechtsansicht hält die Klägerin im gesamten Rechtsmittelvortrag keine rechtlichen Argumente entgegen. Somit wird eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt (vgl 6 Ob 113/20s mwN).

[5] 3. Die Klägerin bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision weiter vor, eine unrichtige rechtliche Beurteilung sei dem Berufungsgericht auch insoweit unterlaufen, als es unberücksichtigt gelassen habe, dass der Beklagte gemäß § 21d Abs 2 RAO (als Gesellschafter einer Rechtsanwälte-Gesellschaft) für all seine Handlungen und Unterlassungen, die er sich in Verletzung seiner Berufspflichten zuschulden kommen lasse, persönlich einzustehen habe. Diese Norm solle eine „Flucht“ von Rechtsanwälten in die Haftungsbefreiung der GmbH verhindern.

[6] Die Rechtsfrage ist jedoch im Gesetz so eindeutig – gegenteilig zur Ansicht der Revisionswerberin – gelöst, dass nur eine Auslegungsmöglichkeit ernstlich in Betracht zu ziehen ist und Zweifel nicht entstehen können (RS0042656 [T8]). Aus den einschlägigen Gesetzesmaterialien geht unzweifelhaft hervor, dass der Gesetzgeber mit der Ermöglichung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in der Rechtsform der GmbH (BGBl I 1999/71) die persönliche Haftung des für eine Rechtsanwalts-GmbH einschreitenden Rechtsanwalts gerade nicht implementieren wollte (vgl ErlRV 1638 BlgNR 20. GP 12: „[…] andererseits muss im Hinblick auf den Ausschluss der persönlichen Haftung der Gesellschafter in der GmbH den berechtigten Rechtsschutzinteressen der Mandanten durch eine entsprechend hohe gesetzliche Berufshaftpflichtversicherung Rechnung getragen werden, wodurch sich ein systemwidriger Haftungsdurchgriff in Form der sogenannten 'Handelndenhaftung' sowie Sondervorschriften betreffend das Mindestkapital erübrigen“ ). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher nicht vor.

[7] 4. Weiter releviert die Revisionswerberin, zur Frage einer einseitigen Rechtsanwalts-Treuhandschaft, insbesondere zwischen Treuhänder und Treuhandbegünstigten bei entgeltlichen Verträgen, existiere keine oberstgerichtliche Judikatur.

[8] Damit spricht die Rechtsmittelwerberin in Wahrheit nur – nicht näher konkretisierte – Fragen der Vertragsgestaltung und Vertragsauslegung im Einzelfall an, was nach ständiger Rechtsprechung keine erheblichen Rechtsfragen aufwirft (RS0044358; RS0042936; RS0112106). Wieso mit Blick auf das im österreichischen Schuldrecht vorherrschende, auf dem allgemeinen Grundsatz der Vertragsfreiheit zurückgehende Prinzip der Gestaltungs- und Inhaltsfreiheit (vgl RS0013938) nicht auch ein Treuhandverhältnis mit dem Empfänger des Optionsgeldes als Treugeber vereinbart werden kann, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar.

[9] 5. Weitere erhebliche Rechtsfragen seien folgende:

[10] 5.1. Es existiere keine Judikatur zum Thema, inwieweit das Faktum, dass eine Erklärung, die von einem mit Berufspflichten belasteten Rechtsanwalt kommt, den Empfängerhorizont beeinflussen dürfe, ja müsse.

[11] Diese Frage ist unverständlich.

[12] 5.2. Es existiere keine Judikatur zum Thema, ob die Unklarheitenregelung des § 915 2. Satz ABGB auf § 863 ABGB anzuwenden ist.

[13] Diese Frage ist in der Rechtsprechung bereits mehrfach beantwortet worden: Bei Fehlen der Konkludenz des Verhaltens im Sinne der Bestimmung des §

863 ABGB darf die Unklarheitenregel des §

915 zweiter Fall ABGB nicht herangezogen werden (SZ 48/103; 2 Ob 311/02b mwN).

[14] 6. Soweit die Revisionswerberin moniert, es bestehe kein Neuerungsverbot für die rechtliche Beurteilung, ist zum darunter erstatteten diesbezüglichen Rechtsmittelvorbringen auf die Ausführungen in den Punkten 2. und 3. zu verweisen.

[15] 7. Soweit die Revisionswerberin schließlich auf § 3 DHG rekurriert, ist ihr zu entgegnen, dass diese Norm die deliktische Haftung eines Dienstnehmers gegenüber einem Dritten und damit zusammenhängende Fragen regelt. Die Klägerin macht hier bloße Vermögensschäden geltend, die aber im Rahmen der deliktischen Haftung grundsätzlich nicht ersatzfähig sind (vgl etwa RS0022462 [T5] ua). Dass ein Fall vorläge, in dem dennoch für bloße Vermögensschäden gehaftet würde (RS0022813 [T1, T4]; RS0022462 [T5]), hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht.

Rechtssätze
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