JudikaturJustiz25Os8/14k

25Os8/14k – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. August 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 5. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Mag. Dorn sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weitere Richter in der Disziplinarsache gegen Dr. Siegfried R*****, Rechtsanwalt in V*****, über die Beschwerde des genannten Disziplinarbeschuldigten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 25. Februar 2013, GZ D 19/08 81, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 OGH Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 3. September 2009, GZ D 19/08 33, wurde Dr. Siegfried R***** schuldig erkannt, sowohl seine Berufspflichten verletzt als auch Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigt zu haben (§ 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt), weil er (zu ergänzen: am 18. April 2006 in Klagenfurt; ON 33 S 4) im Zuge der Vertretung der Gertrude P***** als Klägerin im Verfahren 25 Cg ***** des Landesgerichts Klagenfurt gegen die Verlassenschaft nach der am 9. Dezember 2003 verstorbenen Antonia L***** wegen Schenkungspflichtteilsansprüchen mit der tatsachenwidrigen Behauptung eines schenkungsweisen Verzichts auf Ausgedingeleistungen bewusst falsche Behauptungen aufgestellt hat, obwohl aufgrund des von ihm als Klagevertreter betriebenen Verfahrens 22 Cg ***** des Landesgerichts Klagenfurt rechtskräftig feststand, dass der Verzicht gegen Übergabe von Teilen der Liegenschaft EZ 40 GB ***** K***** erfolgt war. Hiefür wurde über Dr. R***** nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße verhängt.

In seinem auf Wiederaufnahme des Verfahrens zielenden Antrag vom 27. Mai 2010 brachte der Beschwerdeführer vor, dass die genannte Liegenschaft nicht Gegenstand des Nachlassvermögens nach Antonia L***** gewesen sei. Wäre ihm dieser Umstand bereits bei Einbringung der Klage zu 25 Cg ***** des Landesgerichts Klagenfurt bekannt gewesen, hätte er das inkriminierte dann nicht notwendige oder zweckmäßige, auf einem Rechts und Tatsachenirrtum beruhende Vorbringen nicht erstattet, weshalb ein „Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 8 StGB“ vorliege. Als neue Beweismittel nannte er die Akten 25 Cg ***** und 21 Cg ***** sowie 22 Cg ***** jeweils des Landesgerichts Klagenfurt.

Mit dem angefochtenen verfehlt als Erkenntnis bezeichneten (s § 357 Abs 2 vierter Satz StPO iVm § 77 Abs 1 DSt) und gemeinsam mit einem im zweiten Rechtsgang erfolgten, unbekämpft gebliebenen Freispruch von einem weiteren Disziplinarvergehen ausgefertigten (vgl Danek , WK StPO § 270 Rz 50) Beschluss wies der Disziplinarrat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 357 Abs 2 fünfter Satz StPO iVm § 77 Abs 1 DSt) den Wiederaufnahmeantrag mit der Begründung ab, dass der Beschwerdeführer zugegeben habe, im Verfahren AZ 25 Cg ***** des Landesgerichts Klagenfurt tatsachenwidrige Behauptungen im Hinblick auf die Schenkung der Liegenschaft EZ 40 GB ***** K***** aufgestellt zu haben, woran auch der Umstand nichts ändere, dass diese Liegenschaft nicht Gegenstand des Nachlassvermögens nach Antonia L***** sei (ON 81 S 2, 5 ff).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete als Berufung bezeichnete Beschwerde des Wiederaufnahmewerbers schlägt fehl.

Gemäß § 353 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 1 DSt kann der rechtskräftig Verurteilte die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens verlangen, wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seinen Freispruch zu begründen. Das (im Strafverfahren alternativ mögliche) Wiederaufnahmeziel einer Verurteilung bloß wegen einer unter ein milderes „Strafgesetz“ fallenden Handlung ist im Verfahren nach dem DSt hingegen nicht anwendbar, weil § 16 DSt für die (beiden) in § 1 Abs 1 DSt normierten Disziplinarvergehen einen einheitlichen Strafsatz vorsieht.

Weil das Motiv für die Erstattung eines bewusst tatsachenwidrigen Vorbringens in einem Gerichtsverfahren weder die Schuld- noch die Subsumtionsfrage des als disziplinär beurteilten Prozessverhaltens berührt (RIS Justiz RS0088761 [T10]), bezieht sich das der Sache nach auf die Behauptung eines Motivirrtums beschränkte Vorbringen des Wiederaufnahmewerbers auf keine entscheidenden Tatsachen. Den von ihm genannten Beweisen kommt daher nicht die Eignung zu, seinen Freispruch zu begründen.

Im Übrigen sind die Akten 25 Cg ***** und 21 Cg ***** jeweils des Landesgerichts Klagenfurt auch keine neuen Beweismittel. Denn neu iSd § 353 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 1 DSt sind nur solche, die nicht bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz zur (verwertbaren) Kenntnis des Disziplinarrats gelangt sind (vgl Lewisch , WK StPO § 353 Rz 24, 30, 45; RIS Justiz RS0101229), während die genannten Akten jedoch in der Verhandlung vom 3. September 2009 durch Verlesung vorgekommen sind (ON 31 S 6; vgl auch die Beweiswürdigung im Erkenntnis vom 3. September 2009, ON 33 S 4 vierter und fünfter Absatz).

Auch die aus isoliert hervorgehobenen Feststellungen des gemeinsam mit dem angefochtenen Beschluss ausgefertigten (freisprechenden) Erkenntnisses (ON 81 S 3 letzter Absatz) abgeleiteten Widersprüche liegen nicht vor, weil den weiteren Konstatierungen (ON 81 S 3 fünfter und sechster Absatz) zufolge die Zeugin P***** über Unterlagen aus dem Akt 22 Cg ***** des Landesgerichts Klagenfurt verfügte und mit dem Beschwerdeführer das Vorbringen im Verfahren 25 Cg ***** des Landesgerichts Klagenfurt besprach. Daraus folgt, dass der Verfahrensausgang zu 22 Cg ***** des Landesgerichts Klagenfurt Gegenstand dieser Besprechungen war und der Beschwerdeführer in Kenntnis davon abweichendes Prozessvorbringen erstattete, wobei weder ein Auftrag der Klientin hiezu noch die Absicht, ihr dadurch Vorteile zu verschaffen, die Tatbestandsmäßigkeit des inkriminierten Verhaltens beseitigen (vgl RIS Justiz RS0036733; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 9 RAO Rz 9).

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur vorbringt, die in seiner Abwesenheit erfolgte Durchführung der Verhandlung am 25. Februar 2013 über den Wiederaufnahmeantrag habe „gegen § 35 DSt und auch gegen die StPO“ verstoßen, weil er über den Verhandlungsgegenstand nicht informiert worden sei und sein Nichterscheinen ausreichend entschuldigt habe, übersieht er zunächst, dass das Unterbleiben einer (nur ausnahmsweise durchzuführenden [§ 357 Abs 2 vierter und fünfter Satz StPO iVm § 77 Abs 1 DSt]) mündlichen Verhandlung über einen Wiederaufnahmeantrag lediglich in den Fällen einen Verfahrensfehler darstellt, in denen sich die Tatsachen, durch die der Antrag begründet wird, und ihre Eignung, eine Änderung der rechtskräftigen Entscheidung herbeizuführen, nur durch eine unmittelbare Beweisaufnahme klären lassen (vgl Lewisch , WK-StPO § 357 Rz 23). Weil diese Voraussetzungen hier nicht gegeben waren und es daher der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gar nicht bedurft hätte, lag kein Verstoß gegen das Gebot, dem Wiederaufnahmewerber Gelegenheit zur Teilnahme zu geben (§ 357 Abs 2 sechster Satz vorletzter Fall StPO iVm § 77 Abs 1 DSt), vor. § 35 DSt wiederum bezieht sich ausschließlich auf Disziplinarverhandlungen iSd §§ 32 und 36 DSt (zur Berufungsverhandlung s § 51 Abs 4 DSt).

Im Übrigen wurde das Recht auf angemessenes rechtliches Gehör (§ 357 Abs 2 dritter Satz und sechster Satz letzter Fall StPO iVm § 77 Abs 1 DSt) nunmehr jedenfalls gewahrt, weil es dem Wiederaufnahmewerber unbenommen blieb, im Rahmen des keinem Neuerungsverbot unterliegenden (§ 89 Abs 2b StPO iVm § 77 Abs 3 DSt; RIS Justiz RS0089977) Beschwerdeverfahrens zu Beweisaufnahmen des Disziplinarrats Stellung zu beziehen.

Welche Anhaltspunkte sich aus dem (allein als neues Beweismittel angebotenen) Akt 22 Cg ***** des Landesgerichts Klagenfurt dafür ergeben sollen, dass das zur Verurteilung führende Prozessvorbringen nicht tatsachenwidrig gewesen sei, legt der Beschwerdeführer in der (dies erstmals in den Raum stellenden) Äußerung gemäß § 24 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt weder schlüssig dar, noch ist es offensichtlich (vgl Lewisch , WK StPO § 353 Rz 68; RIS Justiz RS0099446, RS0118444).

Der Behauptung des Beschwerdeführers zuwider schließlich blieben seine mit Schriftsatz vom 7. Mai 2012 gestellten Beweisanträge nicht unerledigt (s ON 79 S 4).

Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

Bemerkt wird, dass der Disziplinarrat einen Kostenersatzausspruch nach § 390a Abs 2 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt unterließ. Einem amtswegigen Nachholen durch das Beschwerdegericht (RIS-Justiz RS0129437) steht vorliegend das Verschlechterungsverbot des § 89 Abs 2b letzter Satz StPO iVm § 77 Abs 3 DSt entgegen.

Rechtssätze
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