JudikaturJustiz1Ob160/18p

1Ob160/18p – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. September 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** G*****, vertreten durch die Steiner Anderwald Rechtsanwälte OG, Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei DI B***** B*****, vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen Feststellung, Duldung und 414,35 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 7. Juni 2018, GZ 3 R 87/18f 15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 12. März 2018, GZ 1 C 724/17a 11, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1987 Eigentümer des Grundstücks 77/1 einer näher bezeichneten Liegenschaft, der Beklagte (zusammen mit seiner Schwester) Miteigentümer der Grundstücke 74 und 75 einer benachbarten Liegenschaft. Auf dem Grundstück 75 befindet sich ein (die Quelle II fassender) Sammelbehälter, aus dem eine Wasserleitung zum Grundstück 77/1 des Klägers führt. Die Wasserleitung hatte schon der Rechtsvorgänger des Klägers hergestellt.

Dem Kläger steht ein Leitungsrecht über die Grundstücke 74 und 75 sowie ein Wasserbezugsrecht aus der Quelle II auf dem Grundstück 75 im Ausmaß von 500 Litern pro Tag zu.

1993 errichtete der Vater und Rechtsvorgänger des Beklagten auf dem Grundstück 74 einen Forstweg. Um den unterirdischen Verlauf der Wasserleitung unterhalb des neuen Weges gewährleisten zu können, musste sie verlängert werden. Dazu wurde ein Teilstück zwischen zwei Metallmuffen oberhalb und unterhalb der neuen, durch den Bau des Weges entstandenen Böschungskanten eingesetzt. Das dabei benötigte Schlauchteilstück samt den beiden Muffen kaufte die Mutter (und Rechtsvorgängerin) des Beklagten.

Ca 90 m südwestlich des Quell Sammelbehälters auf dem Grundstück 75 und ca 4 m oberhalb des Forstweges auf dem Grundstück 74 installierte der Beklagte im Mai 2012, ohne den Kläger vorher darüber zu informieren, eine Wasseruhr mit elektronischem Impulszähler an jenem Teilstück der Wasserleitung, das sein Vater im Jahr 1993 erneuert hatte. Die Wasseruhr ist in die Wasserleitung zwischen zwei Metallmuffen eingeschraubt. Durch die Installation der Wasseruhr wird der Kläger in der Ausübung des ihm zustehenden Wasserbezugs nicht beeinträchtigt. Auch in der Vergangenheit wurde er in seinem Wasserbezug weder durch den Beklagten noch dessen Rechtsvorgänger beeinträchtigt.

Über die vom Kläger aus der Quelle des Grundstücks 75 tatsächlich bezogene (bzw daraus abgeleitete) Wassermenge herrscht zwischen den Parteien Streit.

Mit rechtskräftigem Urteil des Erstgerichts vom 28. 1. 2008 wurde der nunmehrige Kläger gegenüber dem Beklagten und der weiteren Miteigentümerin schuldig erkannt, es sofort zu unterlassen, aus der auf dem Grundstück 75 entspringenden Quelle mehr als 500 Liter Wasser täglich zu beziehen. Aufgrund dieses Urteils war beim Erstgericht 2014 das Exekutionsverfahren anhängig; eine dagegen eingebrachte Impugnationsklage des Klägers wurde rechtskräftig abgewiesen.

Der Kläger brachte keine Messeinrichtung an irgendeiner Stelle der Wasserleitung an, um seinen täglichen Wasserverbrauch zu messen. Er trifft keine tauglichen Vorkehrungen, um nicht mehr als 500 Liter Wasser pro Tag aus der Quelle II zu entnehmen bzw abzuleiten. Er installierte auch kein geeignetes Drosselsystem, um den Wasserverbrauch steuern zu können.

Der Kläger begehrt gegenüber dem Beklagten „als Eigentümer“ die Feststellung, dass er Eigentümer des ca 10 m langen Teilstücks der über das Grundstück 74 führenden Wasserleitung sei, in dem sich die Messeinrichtung befindet (1.), die Duldung der Entfernung der an der Wasserleitung angebrachten Messeinrichtung (2.) und die Zahlung der Entfernungskosten von 414,35 EUR (3.). Er sei Eigentümer der Wasserleitung und beziehe nicht mehr als 500 Liter Wasser pro Tag.

Der Beklagte wendete ein, er „anerkenne“, dass der Kläger überwiegend Eigentümer des Wasserleitungsschlauchs über das Grundstück 74 sei, jedoch nicht jenes Teilstücks, das von seinem Vater im Bereich des Weges 1993 verlegt worden sei und innerhalb dessen sich die Messanlage befindet. Der Kläger beziehe laufend mehr Wasser als erlaubt. Die Klagsführung sei schikanös.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Wasserleitungen stünden im Eigentum dessen, dem das Eigentum an der Versorgungsanlage (Quellbehälter) zukommt. Die Quelle II stehe im Miteigentum des Beklagten und seiner Schwester. Wasserbenutzungsanlage sei die Fassung dieser Quelle mittels eines Sammelbehälters. Die Leitungen seien als Zubehör zur Quelle anzusehen und teilten deren rechtliches Schicksal, sodass der Beklagte und seine Schwester je zur Hälfte auch Eigentümer des Leitungsnetzes seien. Dem Kläger komme lediglich das Nutzungsrecht an der Quelle und der Leitungen sowie die damit einhergehenden Befugnisse gemäß § 497 ABGB zu. Damit sei die Feststellung seines Eigentumsrechts nicht berechtigt. Selbst wenn man aber von seinem Eigentum an der Wasserleitung ausgehe, habe der Beklagte einen Rechtfertigungsgrund zur Störung durch Anbringung der Messeinrichtung, um den Wasserbezug des Klägers kontrollieren zu können. Der Beklagte sei hinsichtlich des Feststellungsbegehrens auch nicht passiv legitimiert, weil er und die weitere Miteigentümerin des Grundstücks 74 bei der Eigentumsfreiheitsklage notwendige Streitgenossen seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an und führte ergänzend aus, dass das Leitungsnetz grundsätzlich als Bestandteil (bzw Zubehör) zur betreffenden Hauptanlage im Eigentum des an dieser Anlage Berechtigten stehe. Der streitgegenständliche Teil der Wasserleitung (das 10 m lange Teilstück, in dem die Messeinrichtung angebracht ist) stehe nicht im Eigentum des Klägers, sondern im (Mit )Eigentum des Beklagten, der seinerseits „Eigentümer“ der Quelle II – des Quellbehälters als Hauptanlage – auf dem Grundstück 75 sei. Dass der Kläger Eigentümer dieses Leitungsteilstücks mit der Messanlage sei, habe der Beklagte nicht anerkannt. Damit bestünden weder die Begehren auf Feststellung des Eigentums am Schlauchstück mit der Messanlage noch auf Duldung der Entfernung und auch nicht auf Zahlung der Entfernungskosten zu Recht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands „sowohl beim Feststellungs- als auch beim Duldungsbegehren sowie insgesamt“ 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil – ohne ein konkretes Zitat zu nennen – die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage des Eigentums an einer zu einer Versorgungseinrichtung gehörigen (über fremden Grund führenden) Leitung „uneinheitlich“ sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene, vom Beklagten beantwortete Revision, ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Die Klage auf Feststellung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft oder an Teilen derselben muss gegen alle Miteigentümer erhoben werden (6 Ob 823/81 = RIS Justiz RS0035410; RS0012676). Die vom Kläger allein gegen den Beklagten als Miteigentümer erhobene Klage auf Feststellung seines Eigentumsrechts an einem 10 m langen Teilstück einer unterirdisch verlaufenden Wasserleitung in dem im Miteigentum stehenden Grundstück 74 ist schon infolge unterlassener Beteiligung der weiteren Miteigentümerin nicht berechtigt.

Gemäß § 14 ZPO liegt eine einheitliche Streitpartei dann vor, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschriften auf sämtliche Streitgenossen erstreckt. Das ist dann der Fall, wenn für sämtliche Streitgenossen aus der Einheitlichkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts ein allen Streitgenossen gemeinsames Begehren abgeleitet wird, oder wenn die Kläger nur gemeinschaftlich über den strittigen Anspruch verfügen können, oder wenn das wie bei vollständiger Identität des Streitgegenstands allen Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnisse der Natur nach nur gegen alle oder für alle festgestellt werden kann (RIS Justiz RS0035409). Eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinn des § 14 ZPO liegt im Zweifel dann vor (und führt zur Klagsabweisung), wenn wegen Nichterfassung aller Beteiligter die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen besteht. Sie besteht immer dort, wo auch die positive Erledigung einer Einzelklage nicht zu einem von weiteren Erfolgen unabhängigen endgültigen Erfolg führen könnte (RIS Justiz RS0035479 [T6]). Eine einheitliche Streitpartei ist daher dann gegeben, wenn die Gemeinschaftlichkeit der rechtserzeugenden Tatsachen zwangsläufig zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muss (RIS Justiz RS0035496; 6 Ob 823/81 mwN = JBl 1982, 435).

Der Kläger strebt mit der vorliegenden Klage aus einem für alle Miteigentümer der Nachbarliegenschaft einheitlichen Sachverhalt die Feststellung seines Eigentumsrechts an der Wasserleitung in einer bestimmten Länge an. Eine solche Feststellung nur dem beklagten Miteigentümer gegenüber würde jedoch die Rechtslage noch nicht mit bindender Wirkung für die weitere Miteigentümerin – die Schwester des Beklagten – klären. Es wäre demnach durchaus möglich, dass im nachfolgenden Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der weiteren Miteigentümerin die Frage des Alleineigentums des Klägers anders entschieden würde und danach zwischen beiden Urteilen ein unlösbarer Widerspruch bestünde. Damit liegt eine einheitliche Streitpartei im Sinn des § 14 ZPO vor. Ist aber in einem solchen Fall ein Miteigentümer am Verfahren nicht beteiligt, ist das Feststellungsbegehren abzuweisen.

2. Beim Duldungsbegehren – Duldung der Entfernung der Messeinrichtung – handelt es sich um ein Klagebegehren nach § 523 ABGB. Mit der – maßgeblich angestrebten – Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria) wendet er sich gegen einen vermeintlich unberechtigten Eingriff des Beklagten in sein behauptetes Eigentumsrecht an der Wasserleitung.

Auch für das Begehren auf Duldung der Entfernung gilt (wie für ein Begehren auf Wiederherstellung des früheren Zustands) im Ergebnis, dass dieses gegen sämtliche Miteigentümer der Liegenschaft, von der die Störung ausgeht, als notwendige Streitgenossen (§ 14 ZPO) zu erheben ist. Die Eigentumsfreiheitsklage muss grundsätzlich gegen sämtliche Miteigentümer der „störenden“ Liegenschaft gerichtet werden, erstreckt sich doch in der Regel die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses notwendigerweise auf sämtliche Miteigentümer und wäre bei isolierter Entscheidung die Gefahr unlösbarer Verwicklungen gegeben (6 Ob 188/15p [Punkt 2.2.3.] mwN = wobl 2016/108, 365 [grundsätzlich zustimmend Klicka ] = RIS Justiz RS0012106 [T29, T30] = RS0101793 [T19]).

Hier beruht die behauptetermaßen in das Eigentumsrecht des Klägers eingreifende Handlung auf dem – beide Miteigentümer des dienenden Guts belastenden – Servitutsverhältnis und ist damit ein Eingriff, der im Sinn der dargelegten Judikatur sämtlichen Miteigentümern zuzurechnen ist.

Zudem ist eine notwendige Streitgenossenschaft bei Miteigentümern gerade dann anzunehmen, wenn der geltend gemachte Anspruch eine Verfügung über die Sache erfordert (RIS Justiz RS0035468). Die vom Kläger nur vom Beklagten verlangte Duldung der Entfernung der an der Wasserleitung angebrachten Messeinrichtung umfasst Tätigkeiten auf dem Grundstück 74, das auch im Miteigentum von dessen Schwester steht. Diese wurde nicht geklagt. Die beabsichtigte Beseitigung der Wasseruhr erfordert neben dem Betreten der Liegenschaft auch Grabungsarbeiten und damit einen erheblichen Eingriff in das Gemeinschaftsgut; diesbezüglich „stellen“ mehrere Miteigentümer gemäß § 828 Abs 1 ABGB „nur eine Person vor“, was prozessual zu einer notwendigen Streitgenossenschaft führt (vgl B. Schneider in EvBl 2014/72, 508 [Anmerkung zu 10 Ob 47/13d]). Da das Begehren auf Duldung der Entfernung nicht auch gegen die weitere Miteigentümerin erhoben wurde, wurde auch dieses demnach im Ergebnis zutreffend abgewiesen, ohne dass die Frage des Eigentums an der Leitung beantwortet werden müsste.

3. Der Kläger verlangt vom Beklagten weiters die Bezahlung der Kosten für die Entfernung der Messvorrichtung. Er begehrt, offenbar gestützt auf Schadenersatz, die Zahlung eines Vorschusses für die durchzuführenden Ausbauarbeiten der Messvorrichtung. Die Durchführung dieser Arbeiten käme erst dann in Betracht, wenn er mit seinem Duldungsbegehren durchdringt. Das ist jedenfalls derzeit – wie vorstehend dargelegt – nicht der Fall, sodass er über keinen Titel verfügt, der ihn berechtigte, die Entfernung der Wasseruhr auf dem im Miteigentum des Beklagten stehenden Grundstück vorzunehmen. Damit steht aber nicht fest, ob diese Kosten jemals anfallen.

Nach § 406 erster Satz ZPO ist die Verurteilung zu einer Leistung nur zulässig, wenn die Fälligkeit zur Zeit der Urteilsschöpfung bereits eingetreten ist. Der Kläger begehrt den Kostenersatz erkennbar vorschussweise (vgl dazu RIS Justiz RS0030571; RS0031088; RS0108906). Der Oberste Gerichtshof hat – der Ansicht von Reischauer (in Rummel ³ § 1333 ABGB Rz 8) folgend – bereits ausgesprochen, dass der Vorschuss, der dem Geschädigten den Einsatz eigenen Kapitals oder eine Kreditaufnahme ersparen soll, frühestens zu jener Zeit fällig werde, zu der der Gläubiger die Beträge zwecks Schadensbehebung benötigt. Das ergebe sich aus der Natur der Sache (vgl § 1418 erster Satz ABGB). Der benötigte Betrag müsse allerdings eine angemessene Zeit vor dessen Einsatz zur Verfügung stehen (2 Ob 48/14v = ZVR 2015/47, 100 [ Ch. Huber ] = RIS Justiz RS0030571 [T7, T8]; RS0031088 [T9, T10, T11]; RS0108906 [T10, T12]). Demnach ist ein allfälliger Anspruch auf Ersatz der Entfernungskosten, die erst anfallen können, wenn die Berechtigung des Klägers zur Durchführung der Arbeiten auf der Liegenschaft des Beklagten feststeht, jedenfalls noch nicht fällig.

4. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO.

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