JudikaturJustiz1Ob16/93

1Ob16/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. August 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herta R*****, vertreten durch Dr.Richard Wandl, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Feststellung (Streitwert 70.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgerichtes vom 15. Februar 1993, GZ R 925/92-7, womit das Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Scheibbs vom 21.Oktober 1992, GZ 1 C 1334/92-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren des Inhalts,

1.) es werde festgestellt, daß die klagende Partei bzw ihre Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger spätestens im Jahre 1932 durch Ersitzung Eigentümerin der Grundstücke Nr 34/1 der KG E***** sowie Nr 650 = 1149/4 = Trennstück Nr 30 der KG S***** geworden seien,

2.) die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Kosten des Verfahrens zu Handen des Klagsanwaltes binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.019,20 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 3.624 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt gegenüber der beklagten Republik Österreich die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung. Dazu trägt sie im wesentlichen vor, daß sich die beiden Grundstücke in der Natur als Teil des alten, aufgelassenen Flußbettes der K***** (folgend nur Altgerinne) darstellten. Bereits 1932 sei der Flußlauf in ein anderes Flußbett verlegt worden. Damals seien die Rechtsvorgänger der Klägerin a) grundbücherliche Eigentümer mehrerer Liegenschaften im Bereich der Gemeinden S***** und E***** sowie b) außerbücherliche Eigentümer von Teilen des Altgerinnes und damit auch der beiden nun klagsgegenständlichen Grundstücke geworden. Diese seien von den Rechtsvorgängern der Klägerin mit großem finanziellen und manuellen Aufwand kultiviert und eigentümlich genutzt worden. Bis zur Einleitung eines Liegenschaftsteilungs-Verfahrens - erkennbar nach § 15 Z 2 LTG ("frei gewordenes Gewässerbett") - sei jedoch aufgrund der Tatsache, daß es sich beim Altgerinne um ein öffentliches Wassergut handle, die beklagte Partei als Eigentümerin eingetragen gewesen. Tatsächlich hätten die Rechtsvorgänger der Klägerin aber bereits spätestens 1932 durch 40jährigen Ersitzungsbesitz außerbücherliches Eigentum an diesen Grundstücken erworben. Im Zuge des Liegenschaftsteilungs-Verfahrens sei das Altgerinne den Gemeinden S***** und E***** zugeschrieben worden, die in Anerkennung der faktischen Verhältnisse vom Altgerinne einen Teil an die Klägerin übertragen und sich nur den hier gegenständlichen Teil behalten hätten. Ebenso sei das grundbücherlich der Klägerin gehörige Grundstück Nr 680/2 im Ausmaß von 2.664 m2 im Zuge des Liegenschaftsteilungs-Verfahrens der Gemeinde S***** zugeschrieben worden. Erst "im Zuge der Ergebnisse" dieses Liegenschafts-Verfahrens sei der Klägerin klar geworden, daß sie bisher nicht bücherliche Eigentümerin von Grundstücken des Altgerinnes gewesen sei. Das Landesgericht St.Pölten habe (mit Beschluß vom 29.Juni 1989, AZ R 259/89) dem Rekurs der Klägerin gegen die Übertragung des Grundstückes Nr 680/2 an die Marktgemeinde S***** Folge gegeben, sodaß sie nach wie vor Eigentümerin dieses Grundstückes sei. Die beiden Gemeinden seien keinesfalls bereit, die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücksteile an die Klägerin rückzuübertragen, jeweils mit der rechtlichen Argumentation, es sei "keinerlei Anlaß dafür geboten, anzunehmen", daß die Klägerin tatsächlich (außerbücherliche) Eigentümerin (dieser Liegenschaften) des Altgerinnes geworden sei. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, weil sie mit einem klagsstattgebenden Urteil die Wiederaufnahme des Liegenschaftsteilungs-Verfahrens erreichen und damit wieder Eigentum an den genannten Grundstücken erlangen könne.

Dieser Klage legte die Klägerin Pläne sowie zwei Niederschriften des Amtes der NÖ Landesregierung, Abteilung B/7-Vermessung, bei. Aus der Niederschrift der Verhandlung vom 10.Oktober 1990, Beilage D, deren Gegenstand die Schaffung eines Grundstückes im Bereich des Brunnens mit dem Grundstück Nr 680/2 KG S***** und Nr 34/1 KG E***** in das Eigentum der Gemeinde S***** war, findet sich folgender Passus: "...

Von der Abteilung III/1 wurde mit Zahl ... folgender Sachverhalt

mitgeteilt: Ob eine Ersitzung des Altgerinnes der ... in der KG

S***** und KG E***** stattgefunden hat oder nicht hätten ordentliche Gerichte zu entscheiden. Im gegenständlichen Fall müßte daher eine Ersitzungsklage gegen die Republik Österreich eingebracht werden. Mit Schreiben vom 13.8.1990 wurde von der Kanzlei Dr.W***** von einer derzeitigen Klagseinbringung abgesehen und ersucht, für eine einvernehmliche Einigung eine neuerliche Verhandlung am Gemeindeamt S***** anzuberaumen. ..." Nach Auffassung der Abteilung III/1 sei die Übertragung der hier gegenständlichen Grundstücke sowie des Grundstückes Nr 680/2 an die Gemeinde S***** zum Schutz eines Brunnens erfolgt. Da die Übertragung des Grundstückes Nr 680/2 an die Marktgemeinde S***** aufgrund der Rekursentscheidung des Landesgerichtes St.Pölten ... nicht zustande gekommen sei, seien auch die beiden gegenständlichen Grundstücke für den Schutz des Brunnens sinnlos, weil sie vom Brunnen zu weit entfernt seien.

Das Erstgericht erließ das klagsstattgebende Versäumungsurteil nach §§ 442, 396 ZPO. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand 50.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht ging die zweite Instanz im wesentlichen davon aus, es ergebe sich aus der mit der Klage vorgelegten Niederschrift des Amtes der NÖ Landesregierung, an der auch der Bürgermeister der Gemeinde S***** mitgewirkt habe, daß eine Feststellungsklage gegen die beklagte Partei vom Amt der NÖ Landesregierung zur Bereinigung dieser Angelegenheit vorgeschlagen worden sei. Weiters ergebe sich daraus, daß die Klägerin bei positiver Erledigung der Feststellungsklage damit rechnen könne, daß die gegenständlichen Grundstücke von der Gemeinde rückübertragen würden. Zwar sei im außerstreitigen Verfahren eine Wiederaufnahme nicht vorgesehen und wäre auch eine Leistungsklage gegen die Gemeinde möglich, doch erscheine die Feststellungsklage gegen die Republik Österreich im Hinblick auf den Inhalt der erwähnten Niederschrift das am meisten wirtschaftliche Mittel zu sein, um den Standpunkt der Klägerin durchzusetzen. Daher sei das Feststellungsurteil für die Klägerin doch von erheblicher rechtlich-praktischer Bedeutung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 396 (hier iVm § 442 Abs 1) ZPO ist bei der Erlassung eines Versäumungsurteiles das auf den Gegenstand des Rechtsstreites bezügliche tatsächliche Vorbringen der erschienenen Partei, soweit dasselbe nicht durch die vorliegenden Beweise widerlegt wird, für wahr zu halten und auf dieser Grundlage auf Antrag der erschienenen Partei über das Klagebegehren zu erkennen. Das Gericht muß bei der ihm nach § 396 ZPO obliegenden Schlüssigkeitsprüfung selbständig beurteilen, ob die nach der angeführten Gesetzesstelle für wahr zu haltenden Tatsachenbehauptungen des Klägers ausreichen, um das Klagebegehren als berechtigt zu erkennen. Soll das auf Antrag des erschienenen Klägers zu fällende Versäumungsurteil dem Klagebegehren stattgeben, dann muß schon die Klage alle für das Begehren notwendigen rechtserzeugenden Tatsachen enthalten. Ist das Vorbringen und damit in der Folge auch die Sachgrundlage gemäß § 396 ZPO unvollständig, dann ist das Klagebegehren mangels Schlüssigkeit abzuweisen (SZ 57/69; Fasching III 621 f; vgl dazu auch Rechberger,

Das Unschlüssigkeitsurteil im Versäumnisfall in JBl 1974, 562 ff, 571). Dies gilt nicht nur für Leistungs-, sondern auch für Feststellungsklagen. Bei diesen kann das Gericht ein klagsstattgebendes Versäumungsurteil erst dann fällen, wenn das in allen Instanzen von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse - als Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruches (SZ 54/126) - nach § 228 ZPO vorliegt. Das Fehlen eines solchen Interesses muß zur Klagsabweisung führen.

Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung kann nur dort als vorhanden angenommen werden, wo das Feststellungsurteil für den Kläger von rechtlich-praktischer Bedeutung ist und er auf einem anderen Weg als der Feststellungsklage rechtlich außerstande wäre, einen ihm zustehenden Anspruch zum Durchbruch zu verhelfen oder einen ihm drohenden Nachteil zu begegnen. Wenn auch im allgemeinen durch die begehrte Feststellung des Eigentumsrechtes die Rechtsverhältnisse zwischen den Parteien insoweit jedenfalls klargestellt und künftige Streitigkeiten verhindert werden (8 Ob 550/92 ua), fehlt der Klägerin hier das Interesse an der begehrten Feststellung. In der Entscheidung SZ 47/144 wurde ausgesprochen, der Eigentumserwerb kraft Verbücherung des Anmeldebogens nach §§ 15 ff LTG sei vom tatsächlichen Eigentum des bücherlichen Vormannes unabhängig und der frühere außerbücherliche Eigentümer, der sein Recht in den Grundeinlösungsverhandlungen nicht geltend gemacht habe, könne weder Löschungsklage noch ein Wiederherstellungsbegehren erheben, sondern sei - verfassungskonform - auf die Geldersatzansprüche nach § 20 LTG verwiesen. Wenn aber der Eigentumserwerb der beiden Gemeinden vom Eigentum der hier beklagten bücherlichen Voreigentümerin unabhängig war, bringt der Klägerin (als behaupteter außerbücherlicher Voreigentümerin) auch ein klagsstattgebendes Feststellungsurteil gegen die beklagte Partei keine Verbesserung ihrer rechtlichen Situation für einen allfälligen Rechtsstreit gegen die beiden Gemeinden. Daß die Klägerin Ansprüche nach § 20 LTG stellen will, hat sie nicht behauptet.

Das Klagevorbringen, nach Klärung der Ersitzungsfrage (gegenüber der beklagten Partei) werde eine Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Liegenschaftsteilungs-Verfahrens unter Wahrung der Rechte der Klägerin erfolgen, ist deshalb unschlüssig, weil weder im Grundbuchs- noch im Außerstreitverfahren (§ 32 LTG) die Vorschriften über die Wiederaufnahmsklage analog anzuwenden sind (für das Verfahren außer Streitsachen EFSlg 46.978; RZ 1982/41 = EFSlg 44.426; EFSlg 37.159 mwN; NZ 1983, 105 ua). Ob das Amt der NÖ Landesregierung keine Feststellungsklage gegen die beklagte Partei "vorgeschlagen", sondern nur ihre Rechtsauffassung vorgetragen hat, ist unerheblich. Eine Urkunde ist auf die Schlüssigkeit des Parteivorbringens nur dann von Einfluß, wenn ihr Inhalt damit in unlösbarem Widerspruch steht (SZ 64/188). Die Urkunde kann einem Tatsachenvorbringen somit nur die Wahrheitsfiktion nach § 396 ZPO nehmen, nicht aber fehlendes Vorbringen ersetzen (MietSlg 40/32 ua). Die Ansicht der zweiten Instanz, die Klägerin könne bei positivem Ausgang der vorliegenden Feststellungsklage damit rechnen, daß die Grundstücke von den beiden Gemeinden der Klägerin - gemeint freiwillig aufgrund einer gütlichen Einigung mit den Gemeinden - übertragen werden, findet im Klagsvorbringen keine Deckung. Im Gegenteil hat die Klägerin dazu vorgebracht (S 5 der Klage unten), daß der Standpunkt der beiden Gemeinden jeweils ergeben habe, daß diese keinesfalls bereit seien, die in ihrem Eigentum stehenden Grunstücksteile an die Klägerin rückzuübertragen. Daher ist für wahr zu halten, daß die maßgeblichen Organe der beiden Gemeinden keine Absicht haben, Grundstücke an die Klägerin zu übertragen. Ein für wahr zu haltendes Vorbringen, die beiden Gemeinden würden beim Vorliegen eines Feststellungsurteiles gegen die beklagte Partei von ihrem Rechtsstandpunkt abgehen, fehlt.

Es fehlt somit der Klägerin das Feststellungsinteresse. Auf die Frage, ob die Klägerin eine Leistungsklage gegen die beiden Gemeinden erheben könnte, kommt es nicht mehr an.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
11