JudikaturJustiz1Ob151/01i

1Ob151/01i – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. September 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Zechner und Dr. Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Albert M*****, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dr. Wolfgang M*****, vertreten durch Moringer Moser, Rechtsanwälte OEG in Linz, und 2.) Dr. Gerhard W*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 150.000 S sA und Feststellung (Streitwert 50.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2001, GZ 12 R 182/00y 18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. Juli 2000, GZ 29 Cg 43/99b 13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit je 10.890 S (darin je 1.815 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 343 Abs 2 Z 4 lit b ASVG erlischt das Vertragsverhältnis zwischen dem Vertragsarzt und dem Träger der Krankenversicherung ohne Kündigung im Falle der rechtskräftigen Verurteilung des Vertragsarztes wegen einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen gerichtlich strafbaren Handlung. Diese Rechtsfolge der Verurteilung muss bei Anwendung des hier maßgeblichen § 44 Abs 2 zweiter und dritter Satz StGB idF BGBl 1987/605 - die Änderung des § 44 Abs 2 StGB durch das StrafrechtsänderungsG 1996 BGBl 1996/762 trat gemäß dessen Art XI erst mit 1. März 1997 in Kraft - nicht in jedem Fall eintreten. Wurde danach eine andere Nebenstrafe ausgesprochen, so war sie bedingt nachzusehen, wenn die Hauptstrafe bedingt nachgesehen wurde und die selbstständige Vollstreckung der Nebenstrafe entbehrlich schien. Entsprechendes galt für die Rechtsfolgen der Verurteilung.

Der klagende, in Wien niedergelassene Facharzt für Zahn- und Kieferheilkunde, der einen Einzelvertrag mit der Wiener Gebietskrankenkasse hatte, wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Jänner 1996 - das auch Teilfreisprüche enthielt - wegen der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB und des versuchten schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt und deren Vollzug für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Dem lag zugrunde, dass er am 2. Dezember 1994 einen fremden Pkw insofern beschädigte, als er einen Reifen entlüftete, wodurch dieser von der Felge zerschnitten wurde, dass er am 27. Februar 1995 ein verfälschtes Beweismittel, nämlich einen zur Verbesserung zurückgestellten Widerspruch gegen ein Versäumungsurteil, dem er nachträglich einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung der Berufung angefügt hatte, als Beilage zu einem Antrag in einem näher genannten Verfahren eines Bezirksgerichts gebrauchte, um so den Beweiswert der Verbindung seines Widerspruchs und des Eingangsvermerks des Bezirksgerichts dahin zu verändern, dass auch der Verfahrenshilfeantrag als innerhalb der Berufungsfrist eingelangt angesehen werde, und schließlich am 19. Juni 1995 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, den für ein näher genanntes Zwangsversteigerungsverfahren zuständigen Richter sowie die Organe einer näher genannten Gläubigerin durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung eines verfälschten Beweismittels, indem er dem Gericht unter Vorgabe der Zahlung der betreffenden Forderung die Kopie eines Einzahlungsbelegs, dessen anderslautende Widmung von ihm abgedeckt worden war, vorlegte, zur Einstellung der Exekution zu verleiten versuchte. Bei der Strafbemessung erachtete das Strafgericht als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, das Geständnis zum Faktum Sachbeschädigung sowie den Umstand, dass es teilweise beim Betrugsfaktum beim Versuch geblieben war, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer Vergehen. Der Oberste Gerichtshof wies mit Beschluss vom 3. September 1996 die Nichtigkeitsbeschwerde des nunmehrigen Klägers zurück und leitete die Akten zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Wien zu, das mit Urteil vom 18. November 1996 der Berufung nicht Folge gab. Ein Antrag gemäß § 44 Abs 2 StGB war im Strafverfahren nicht gestellt worden; diese Bestimmung ist auch in den Strafurteilen beider Instanzen nicht erwähnt. Im Strafverfahren war der Kläger zunächst vom erstbeklagten Rechtsanwalt - dem die Bestimmung des § 44 Abs 2 StGB iVm § 343 Abs 2 Z 4 lit b ASVG nicht bekannt war - rechtsfreundlich vertreten. Nachdem der Erstbeklagte nach Verfassung des Rechtsmittels dem Kläger das Vollmachtverhältnis gekündigt hatte, wurde der zweitbeklagte Rechtsanwalt als Amtsverteidiger gemäß § 41 Abs 3 StPO für die Berufungsverhandlung bestellt. Auch die den Zweitbeklagten in der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Wien am 18. November 1996 substituierende, näher genannte Rechtsanwältin relevierte § 44 Abs 2 StGB nicht.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 1998 stellte der Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger gegenüber dem Kläger aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung das Erlöschen des Einzelkassenvertrags ab Rechtskraft des Strafurteils 18. November 1996 gemäß § 343 Abs 2 ASVG fest. Die Landesschiedskommission für Wien wies mit Bescheid vom 18. November 1997 den Antrag des nunmehrigen Klägers, das Erlöschen seines Einzelvertrags aufzuheben, wegen fehlender Zuständigkeit zurück. Die Bundesschiedskommission bestätigte mit Bescheid vom 26. August 1998 diese Entscheidung.

Der Kläger machte nun gegenüber seinen beiden vormaligen Verteidigern, deren Unterlassungen schuldhaft rechtswidrig gewesen seien, den Verlust von Kassenpatienten als Vermögensschaden geltend und begehrte von jenen aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung von 150.000 S sA und die Feststellung, dass sie ihm zur ungeteilten Hand für sämtliche Folgen der mangelnden Relevierung des § 44 Abs 2 StGB im Strafverfahren hafteten.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab, die erste Instanz auf Grund der Feststellung, hätte der Erstbeklagte die Möglichkeit der bedingten Nachsicht der Rechtsfolgen im Strafverfahren erwähnt, so wäre diese von den Strafgerichten beider Instanzen nicht gewährt worden - in der Beweiswürdigung freilich von einem nicht erbrachten Beweis ausgehend - , die zweite Instanz aus der Erwägung, der Kläger habe überwiegende Gründe für die Annahme, dass der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln der Beklagten (Relevierung des § 44 Abs 2 StGB) nicht eingetreten wäre, nicht bewiesen. Die Rechtsmeinung der Richter des Vorprozesses sei irrelevant, weshalb deren vom Kläger beantragte Einvernahme nicht erforderlich gewesen sei.

Die von der zweiten Instanz wegen des Fehlens von Rsp zur Frage, ob zur Nachvollziehung des hypothetischen Verfahrensausgangs die Entscheidungsorgane des Vorverfahrens zu vernehmen seien, zugelassene Revision des Klägers ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Der Kläger macht den beklagten Rechtsanwälten, dem Zweitbeklagten als Amtsverteidiger (§ 41 Abs 3 StPO, § 10 Abs 3 RAO), den Vorwurf, keinen Antrag auf Nachsicht der Rechtsfolgen iSd § 44 Abs 2 StGB gestellt zu haben, behauptet somit eine Unterlassung, und leitet daraus seine auf § 1299 ABGB gestützten Schadenersatzansprüche ab.

Eine Unterlassung ist für den konkreten Schadenserfolg dann ursächlich, wenn die Vornahme einer bestimmten Handlung den Eintritt des schädigenden Erfolgs verhindert hätte und diese Handlung auch möglich gewesen wäre. Die Kausalität ist demnach zu verneinen, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre (SZ 56/181 = JBl 1984, 554 mwN; SZ 59/93; 1 Ob 6/97g = SZ 70/95 u.a.; RIS Justiz RS0022913; Feil/Hajek, Die Berufshaftung der Rechtsanwälte und Notare Rz 57). Die Beweislast dafür, dass der Schaden bei gebotenem Verhalten nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten auch im Fall der Anwendbarkeit des § 1298 ABGB (stRsp, zuletzt 1 Ob 116/01t mwN u.v.a.; RIS Justiz RS0022900, RS0022686).

Diese Grundsätze gelten auch bei Beurteilung des Verhaltens eines Rechtsanwalts, der pflichtwidrig eine Prozesshandlung unterlässt (2 Ob 224/97y, 6 Ob 242/00g; vgl. auch F. Graf, Anwaltshaftung 144). Anders als bei ärztlichen Behandlungsfehlern, bei denen der Oberste Gerichtshof von diesem Grundsatz ausnahmsweise abgegangen ist (SZ 63/90 u.a.), ist dem Geschädigten bei Verletzung einer Aufklärungs- und Erkundungspflicht - oder einer sonstigen Pflicht - des Rechtsanwalts der Nachweis der Kausalität des Verhaltens des Schädigers für den eingetretenen Schaden durchaus zuzumuten (6 Ob 2174/96s = RdW 1997, 451 = JBl 1997, 522; 6 Ob 292/00k = NZ 2001, 378 u.a.; RIS Justiz RS0106890). An einen für die Haftungsbegründung erforderlichen Kausalitätsbeweis bei Unterlassungen dürfen freilich keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden (RIS Justiz RS0022900), sodass ein sehr hoher Grad der Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhangs genügt (7 Ob 677/89 = JBl 1990, 458 = VersR 1991, 207; 6 Ob 292/00k = RdW 2001, 401; RIS Justiz RS0022825; F. Graf aaO 144 f; Feil/Hajek aaO Rz 57). Den Kläger traf somit im vorliegenden Fall die Behauptungs und Beweislast dafür, dass der Schaden, hätten die Beklagten einen Antrag nach § 44 Abs 2 StGB (ungeachtet der den Strafgerichten auferlegten Pflicht zur amtwegigen Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen) gestellt, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (5 Ob 533/88, 6 Ob 292/00k u.a.; RIS Justiz RS0022700).

Hängt der Erfolg der Schadenersatzklage gegen den Rechtsanwalt deshalb davon ab, ob dem Kläger durch den Anwaltsfehler ein Schaden entstanden ist, so muss das Gericht den mutmaßlichen Verlauf und Ausgang des Vorprozesses unter der Voraussetzung ermitteln, dass sich der Anwalt richtig verhalten hätte. Zu fragen ist, wie der Mandant bei pflichtgemäßem Anwaltsverhalten gestellt wäre. Bestand die Pflichtverletzung des Anwalts in einem positiven Tun, so ist zu prüfen, wie sich das Vermögen des Verletzten ohne die pflichtwidrige Handlung entwickelt hätte; liegt eine pflichtwidrige Unterlassung vor, so muss untersucht werden, "wie die Dinge bei pflichtgemäßem positiven Tun gelaufen wären (Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars6, Rz I 222 mwN). Bei diesem sogenannten hypothetischen Inzidentprozess hat das mit dem Schadenersatzbegehren befasste Gericht (im Folgenden nur Regressgericht) bei einer behaupteten Unterlassung (unterlassene Beratung, unterlassene Erhebung eines Rechtsmittels, unterlassene Stellung eines Antrags u.a.) den Vorprozess hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte (vgl. 1 Ob 620/87 = NZ 1988, 200 mwN u.a.; F. Graf aaO 142, 147 mwN in FN 27; Harrer in Schwimann2 § 1300 ABGB Rz 14 mwN; Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht Rz 484). Dasselbe muss auch gelten, wenn - wie hier - nur zu einem Teilaspekt des Verfahrensausgangs ein bestimmter Antrag nicht gestellt wurde.

b) Damit stellt sich die Frage, wie und mit welchen Mitteln sich das Regressgericht seine Überzeugung vom mutmaßlichen Verlauf des nicht oder jedenfalls so nicht geführten Vorprozesses - der auch ein Strafprozess gewesen sein kann (Braun, Zur schadenersatzrechtlichen Problematik des hypothetischen Inzidentprozesses bei Regressklagen gegen den Anwalt in ZZP 96 [1983], 89 ff, 91) - verschafft. Denkbar sind zwei Ansätze zur Ermittlung der hypothetischen Entscheidung: Das Regressgericht prüft, wie das Gericht des Vorprozesses entschieden hätte oder wie richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre (F. Graf aaO 141 ff; Braun aaO 92 ff). Der erkennende Senat vertritt dazu in Übereinstimmung mit der deutschen stRsp die Auffassung, dass der Einfluss, den Überlegungen verschiedenster Art auf die Entscheidung der hypothetisch mit der Sache befassten Stellen nehmen können, zu unberechenbar ist, als dass sich in dem späteren Schadenersatzprozess mit der nötigen Sicherheit feststellen ließe, wie das Gericht im Vorprozess wirklich entschieden hätte (BGHZ 79, 223 mwN; VersR 1985, 146, 190 u.a., vgl SZ 66/97), und dass der Geschädigte nur das, worauf er rechtmäßig Anspruch hat (NJW 1986, 1924) erhalten und nicht durch eine hypothetische Fehlentscheidung begünstigt werden soll:

Bei der Beurteilung des hypothetischen Verfahrensausgangs des Vorprozesses hat das Regressgericht, das mit dem gegen den Prozessbevollmächtigten wegen behaupteter Unterlassungen erhobenen Schadenersatzanspruch befasst ist, nicht darauf abzustellen, wie das Gericht des Vorprozesses, wären die beanstandeten Unterlassungen unterblieben, seinerzeit entschieden hätte, sondern darauf, wie nach seiner Auffassung der Vorprozess - oder auch nur eine Teilfrage desselben - richtigerweise hätte entschieden werden müssen (Fenzl/Völkl/Völkl, Die Haftung der rechtsberatenden Berufe im Spiegel der Rechtsprechung in ÖJZ 1989, 513 ff, 518; Vollkommer aaO Rz 484; Rinsche aaO I 224 mwN zur deutschen Rsp; aA F. Graf aaO 145 ff), wobei sich das Regressgericht bei seiner Beurteilung am Handeln eines pflichtgemäß handelnden Richters zu orientieren hat. Von dieser zutreffenden Rechtsansicht sind die Vorinstanzen ausgegangen.

Materiellrechtlich wird dem Richter vom Gesetz bei der Strafzumessung - einschließlich der bedingten Nachsicht von den Rechtsfolgen der Verurteilung - ein weitgehendes, freilich gebundenes Ermessen eingeräumt. Beim hypothetischen Nachvollzug gerichtlicher Ermessensentscheidungen geht die deutsche Rsp von der Überlegung aus, dass es im Rahmen des Ermessens mehrere Entscheidungen gebe, die mit dem sachlichen Recht vereinbar sind, und es nicht darauf ankommen könne, wie das Regressgericht selbst entscheiden würde, würde dieses doch damit eigene Ermessenserwägungen anstellen (Braun aaO 97). Daher komme es in diesem Bereich darauf an, wie das seinerzeit zuständige Gericht sein Ermessen tatsächlich ausgeübt hätte (Braun aaO 97; Rinsche aaO I 228); dies sei gegebenenfalls gemäß § 287 dZPO (vgl. § 273 ZPO) festzustellen (BGHZ 79, 223). Ob diese Auffassung richtig ist, muss hier aus folgenden Erwägungen nicht entschieden werden:

Jedenfalls dann, wenn im Vorprozess nicht Einzelrichter, sondern Senate die Entscheidungen zu treffen hatten, kann auch beim hypothetischen Nachvollzug von Ermessensentscheidungen der Vorprozess nicht im Rahmen des Regressprozesses durch Vernehmung der damaligen Senatsmitglieder "nachgespielt" werden. Schon allein die Tatsache, dass gerade im Senatsprozess die Summe der Einzelmeinungen der beteiligten Richter nicht unbedingt einen Schluss auf die zu erwartende Ermessensentscheidung zulässt (Braun aaO 110; Graf aaO 147 FN 24), steht einer Befragung der entscheidenden Senatsmitglieder im Vorprozess entgegen; der Oberste Gerichtshof hat in einem Fall, in dem die Frage, ob eine Beratung durch die Geschworenen nachzustellen sei, zur Beurteilung anstand, ausgesprochen, ein solches Unterfangen sei schon wegen der Unwiederholbarkeit eines derart komplizierten Vorgangs, nicht zuletzt aber auch wegen des zusätzlichen Wissens der Beteiligten, wodurch deren Abstimmungsverhalten verfälscht werde, ausgeschlossen (SZ 66/97). Aber auch das Beratungsgeheimnis wäre dafür ein rechtliches Hindernis. Bei der Einsichtnahme in Strafakten ist den Bestimmungen der StPO (§ 45 Abs 2, § 82) und des § 170 Abs 3 Geo gemeinsam, dass grundsätzlich einer Partei (bzw. einem Beschuldigten, Verurteilten oder dessen Verteidiger) Akteneinsicht zu gewähren ist, ausgenommen in die Protokolle über Beratungen (1 Nd 30/94 mwN). Den Beratungsprotokollen sind alle mit ihnen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden, die Willensbildung des Senats betreffenden Anträge, Stellungnahmen und Äußerungen von Senatsmitgliedern gleichzuhalten (EvBl 1963/142; 12 Os 94, 95/89 = SSt 60/61; 1 Nd 30/94 u.a.); solche sind also ebenfalls von der Akteneinsicht ausgenommen. Dies gilt selbst für das Amtshaftungsverfahren, wiewohl nach § 13 AHG weder das Organ noch die als Zeugen oder Sachverständigen zu vernehmenden Personen zur Wahrung des Amtsgeheimnisses verpflichtet sind (1 Nd 30/94). Das fehlende Recht, in Beratungsprotokolle Einsicht zu nehmen, kann aber nicht dadurch ersetzt werden, dass die beteiligten Senatsmitglieder über eine Frage, die Gegenstand der Beratung war oder zumindest gewesen sein könnte, im Regressverfahren befragt werden. Im vorliegenden Fall resultiert der behauptete Vermögensschaden aus einer Unterlassung der beklagten Rechtsanwälte in einem Strafverfahren, in dem die Frage der bedingten Rechtsfolgennachsicht vom Schöffensenat bzw. vom Berufungssenat, somit von Senaten, von Amts wegen zu prüfen war. Eine an Mitglieder der beiden Senate gestellte Frage, ob sie bei einem Antrag der Verteidiger in der Frage der bedingten Rechtsfolgenachsicht für den nunmehrigen Kläger anders entschieden hätten, als sie tatsächlich entschieden haben, greift somit unmittelbar in das Beratungsgeheimnis ein.

Entgegen F. Graf (aaO 147 und FN 24), der u.a. das Beratungsgeheimnis bewusst ausklammert, ist beim hypothetischen Nachvollzug gerichtlicher Ermessensentscheidungen die Vernehmung der im Vorprozess zuständigen Richter, jedenfalls dann, wenn - wie hier - Senate entschieden , als Eingriff in das Beratungsgeheimnis, von dem sie von ihren Vorgesetzten nicht entbunden werden können, in analoger Anwendung des § 320 Z 3 ZPO nicht zulässig. Es handelt sich dabei um ein von Amts wegen zu beachtendes Beweisaufnahmeverbot.

Damit erweist sich aber in casu die von der Erstrichterin unterlassene Einvernahme des Vorsitzenden des Schöffensenats und der Richter des Berufungssenats beim Oberlandesgericht Wien und die Verneinung eines daraus abgeleiteten Verfahrensmangels durch das Berufungsgericht im vorliegenden Verfahren als zutreffend und ist deshalb kein zweitinstanzlicher Verfahrensmangel. Denn das Berufungsgericht unterließ im vorliegenden Fall nicht etwa infolge unzutreffender Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften (Zulässigkeit des Zeugenbeweises) die Erledigung der in der Berufung erhobenen Mängelrüge des Klägers (Kodek in Rechberger2, § 503 ZPO Rz 3 mwN).

c) Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist dem Kläger der ihm obliegende Kausalitätsbeweis, dass bei Erhebung eines Antrags der Beklagten nach § 44 Abs 2 StGB die Rechtsfolgen bedingt nachgesehen worden wären, nicht gelungen. Diese Tatsachenfeststellung kann vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden. Die behauptete Abweichung von der höchstgerichtlichen Rsp zur Anwendung des § 44 Abs 2 StGB und der Hinweis auf die Entscheidung 8 ObA 2160/96x erweisen sich damit als bedeutungslos.

Der Revision kann kein Erfolg beschieden sein, ohne dass es noch darauf ankäme, ob eine Haftung des Zweitbeklagten schon deshalb ausscheidet, weil er im Strafverfahren für die Berufungsverhandlung eine Rechtsanwältin (gemäß § 14 RAO) substituierte.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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