Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Dr. Alexander Amann LL.M. (UCLA), Rechtsanwalt in GamprinBendern, Liechtenstein (§ 5 Abs 3 EIRAG), gegen die beklagte Partei V* AG, *, Deutschland, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 3.200 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 8.200 EUR), infolge der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 15. Mai 2024, GZ 21 R 133/24s 26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 22. November 2022, GZ 31 C 440/23f 22, bestätigt wurde, nach schriftlichem Anerkenntnis des Klagebegehrens durch die beklagte Partei beschlossen (I.) und zu Recht erkannt (II.):
I.
1. Das Verfahren wird fortgesetzt .
2.Das Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs nach Art 267 AEUV vom 27. Februar 2025 zu 8 Ob 99/24b (C 182/25 [ TS gegen Volkswagen ] des Gerichtshofs der Europäischen Union) wird zurückgezogen .
3.Der Antrag der beklagten Partei auf „Erlassung eines Anerkenntnisurteiles im Sinne des § 395 ZPO außerhalb einer mündlichen Verhandlung“ wird zurückgewiesen .
4. Der Antrag der beklagten Partei, das Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu C182/25 „wegen der erfolgten Verfahrenserledigung nach § 90a Abs 2 GOG und zur Wahrung der Verfahrensökonomie raschestmöglich zurückzuziehen“, wird zurückgewiesen .
II.
1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 3.200 EUR samt 4 % Zinsen pa seit dem 18. Juni 2020 binnen 14 Tagen zu zahlen.
2. Es wird mit Wirkung zwischen der klagenden und der beklagten Partei festgestellt, dass die beklagte Partei für alle nachteiligen Folgen der Fahrzeugmanipulation haftet, welche der klagenden Partei aus dem am 18. Juni 2020 abgeschlossenen Vertrag über den Erwerb des manipulierten Fahrzeugs * entstehen werden.
3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 11.236,16 EUR (darin keine USt und 5.037 EUR Gerichts- und Sachverständigengebühren) bestimmten Kosten des gesamten Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung und Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger erwarb am 18. 6. 2020 von einem Kraftfahrzeughändler in Österreich um insgesamt 13.800 EUR einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten und im August 2015 erstmals zum Verkehr zugelassenen Personenkraftwagen (Klagsfahrzeug), in dem ein von der Beklagten hergestellter 1,6 l Dieselmotor des Typs EA288 mit einer Leistung von 81 kW (110 PS) verbaut ist. Das Fahrzeug fällt unstrittig in den Anwendungsbereich der VO 715/2007/EG über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007). Zur Emissionskontrolle ist im Klagsfahrzeug ein Abgasrückführungs (AGR )System verbaut, das aus einem AGR Ventil und einem AGR Kühler besteht; zusätzlich kommt ein Stickoxidspeicherkatalysator samt Dieselpartikelfilter zum Einsatz.
[2] Der Kläger begehrt von der Beklagten – gestützt auf deliktischen Schadenersatz, Verstoß gegen als Schutzgesetze anzusehende Bestimmungen der RL 2007/46/EG sowie der VO 715/2007/EG und arglistige Täuschung bzw Betrug – den Minderwert des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Klagsfahrzeugs in Höhe von 3.200 EUR samt Zinsen sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten.
[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
[4] Mit seiner von der Beklagten beantworteten Revision begehrte der Kläger, dem Klagebegehren stattzugeben.
[5] Mit Beschluss vom 27. 2. 2025 legte der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Reihe von klärungsbedürftigen Fragen zur Auslegung der RL 2007/46/EG sowie der VO 715/2007/EG zur Vorabentscheidungvor und setzte das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus (RS0135307 [T1]; vgl auch RS0135300).
[6] Noch vor Vorliegen der Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 15. 10. 2025, das Klagebegehren zur Gänze und unbedingt anzuerkennen; dies verband sie mit den aus dem Spruchpunkt I.3. und I.4. ersichtlichen Anträgen.
[7] Der Kläger stellte mit Schriftsatz vom 6. 11. 2025 den Antrag auf Fällung eines Anerkenntnisurteils.
Zu I.:
[8] 1.Nach der Lehre stellen Sachdispositionen wie unter anderem Anerkenntnis- oder Verzichtserklärungen zwar während einer Unterbrechung des Verfahrens unwirksame Prozesshandlungen dar. Die hier erfolgte Unterbrechung (Aussetzung) nach § 90a GOG soll aber nur sicherstellen, dass der Vorabentscheidung nicht vorgegriffen wird. Demgemäß lässt § 90a Abs 1 GOG diesem Zweck nicht widersprechende Handlungen des Gerichts – und damit auch der Parteien – während der Unterbrechung zu. Die Abgabe eines Anerkenntnisses, der Antrag auf und die Fällung eines Anerkenntnisurteils sind solche zulässigen Handlungen, weil damit nicht der Zweck der Vorabentscheidung vereitelt, sondern der Prozess aus davon unabhängigen Gründen erledigt wird (8 Ob 67/25y Rz 8 mwN).
[9]Aufgrund des von der Beklagten zulässigerweise erklärten Anerkenntnisses (vgl 8 Ob 67/25y Rz 9 f; RS0119634) sind die Voraussetzungen für die Prozessbeendigung gegeben. Dies führt dazu, dass das an den EuGH gerichtete Vorabentscheidungsersuchen zurückzuziehen ist (§ 90a Abs 2 GOG; 3 Ob 65/25t Rz 12 mwN). Die Aussetzung des Verfahrens im Sinne des § 90a Abs 2 GOG ist damit obsolet geworden und das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof fortzusetzen.
[10] 2.Ohne Antrag darf ein Anerkenntnisurteil nicht ergehen; zur Stellung eines Antrags berechtigt (wenn auch nicht verpflichtet) ist nach § 395 ZPO nur der Kläger (vgl RS0040816). Ein Antrag der Beklagten auf Fällung eines Anerkenntnisurteils ist vom Gesetz nicht vorgesehen und daher zurückzuweisen.
[11] 3.Eine Partei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen Anspruch, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH durch das Gericht zu beantragen; ein darauf gerichteter Antrag ist zurückzuweisen (RS0058452). Nichts Anderes gilt für die Zurückziehung eines Vorabentscheidungsersuchens zufolge der – ebenfalls nur vom vorlegenden Gericht zu beurteilenden – Frage, ob die Voraussetzungen eines Ersuchens an den EuGH weggefallen sind. Auch der diesbezügliche Antrag der Beklagten ist zurückzuweisen.
Zu II.:
[12] 1. Das klagsstattgebende Urteil stützt sich auf das Anerkenntnis durch die Beklagte.
[13] 2.Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO, für das erstinstanzliche Verfahren in Verbindung mit § 54 Abs 1a ZPO und für das Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit § 50 ZPO.
[14] Die Einwendungen der Beklagten (ON 20) gegen das erstinstanzliche Kostenverzeichnis des Klägers sind stichhältig:
[15]Die Voraussetzungen für einen doppelten Einheitssatz zur Klage nach § 23 Abs 6 RATG liegen nicht vor. Kosten für den Überweisungsantrag nach § 230a ZPO (ON 6) nach Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des primär angerufenen Gerichts sind nicht zu ersetzen; dasselbe gilt auch für die ergänzende „Mitteilung“ ON 3, zumal ausreichende Angaben zur Zuständigkeit bereits mit der Klage zu erstatten gewesen wären. Der Schriftsatz ON 18 mit Einwendungen gegen von der Beklagten an den Sachverständigen gerichtete Fragen waren nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, zumal bereits zuvor eine Tagsatzung anberaumt worden war, in der Erstattung und Erörterung des Sachverständigengutachtens vorgesehen war.
[16]Beim nach § 23a RATG für im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte Schriftsätze gebührenden Honorarzuschlag handelt es sich nicht um Barauslagenersatz (RS0126594 [T2]).
[17] Der Kläger hat für die Leistungen seines in Liechtenstein ansässigen Rechtsanwalts keine Umsatzsteuer verzeichnet.
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