JudikaturOGH

8Ob67/25y – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann-Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* S*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH, wegen 4.860 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 25. September 2023, GZ 6 R 105/23t 23, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Schärding vom 14. Juni 2023, GZ 2 C 587/22i-18, nicht Folge gegeben wurde, nach schriftlichem Anerkenntnis des Klagebegehrens in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. 1. Das Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs vom 26. 8. 2024 (C-609/24 des Gerichtshofs der Europäischen Union) wird zurückgezogen.

2. Das Verfahren wird fortgesetzt.

II. 1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 4.860 EUR samt 4 % Zinsen pa seit 31. 8. 2018 binnen 14 Tagen zu zahlen.

2. Es wird mit Wirkung zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei festgestellt, dass die beklagte Partei für jeden Schaden haftet, welcher der klagenden Partei aus dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung im Motortyp EA288 des VW Passat Kombi 3C, Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN): * zukünftig entsteht.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 253,10 EUR (darin 42,18 EUR USt) bestimmten Kosten des Antrags auf Fällung eines Anerkenntnisurteils zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger erwarb am 31. 8. 2018 bei einem KFZ-Händler einen PKW VW Passat Kombi 3C um den Kaufpreis von 16.200 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem Motor vom Typ EA288 ausgestattet, der nach der Abgasnorm Euro 6b typisiert ist. Der Motor des Fahrzeugs verfügt über eine „Precon“ (Vorkonditionierung).

[2] Der Kläger begehrte 4.860 EUR sA an Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

[4] Dagegen erhob der Kläger eine von der Beklagten beantwortete Revision, mit der er die Stattgebung des Klagebegehrens anstrebte .

[5]Mit Beschluss vom 26. 8. 2024 legte der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art 267 AEUV drei Fragen zur Vorabentscheidung vor und setzte das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung darüber aus(8 Ob 14/24b).

[6] Die Beklagte anerkannte das Klagebegehren mit dem an den Obersten Gerichtshof gerichteten Schriftsatz vom 15. 4. 2025.

[7] Der Kläger beantragte mit gleichfalls an den Obersten Gerichtshof gerichtetem Schriftsatz die Fällung eines Anerkenntnisurteils.

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Nach der Lehre stellen Sachdispositionen wie unter anderem Anerkenntnis- oder Verzichtserklärungen zwar während einer Unterbrechung des Verfahrens iSd § 163 Abs 2 ZPO unwirksame Prozesshandlungen dar ( Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 163 Rz 3; Fink in Fasching/Konecny ZPG 3§ 163 ZPO Rz 31). Die hier erfolgte Unterbrechung (Aussetzung) nach § 90a GOG soll aber nur sicherstellen, dass der Vorabentscheidung nicht vorgegriffen wird. Demgemäß lässt § 90a Abs 1 GOG diesem Zweck nicht widersprechende Handlungen des Gerichts – und damit auch der Parteien – auch während der Unterbrechung zu(4 Ob 118/98a = RS0110001; Melzer in Kodek/Oberhammer, ZPOON § 167 ZPO Rz 6; Gitschthaler aaO § 167 Rz 2). Die Abgabe eines Anerkenntnisses, der Antrag auf und die Fällung eines Anerkenntnisurteils sind solche zulässigen Handlungen, weil damit nicht der Zweck der Vorabentscheidung vereitelt, sondern der Prozess aus davon unabhängigen Gründen erledigt wird (so im Ergebnis auch 8 Ob 107/19x ).

[9]2. Das Vorabentscheidungsersuchen ist zurückzuziehen und das Verfahren fortzusetzen, weil eine Entscheidung über die im Vorabentscheidungsersuchen gestellten Fragen infolge des Anerkenntnisses nicht mehr erforderlich ist (§ 90a Abs 2 GOG).

[10]3.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist auch in dritter Instanz ein (eindeutiges, unbedingtes, somit vorbehaltloses) Anerkenntnis des Klageanspruchs durch die beklagte Partei und die Fällung eines Anerkenntnisurteils nach § 395 ZPO über Antrag der klagenden Partei zulässig (RS0119634).

[11] 3.2. Dass die Beklagte vollständige Zahlung (Kapital, Zinsen und Kosten) geleistet hat, steht dem Anerkenntnis urteil (auch) über das Zahlungsbegehren nichtentgegen. Da die Zahlung nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolgte (RS0001416 [insb T11]; vgl 2 Ob 68/16p Pkt 2.), führt dasnur dazu, dass der Beklagten gegen eine allfällige Exekutionsführung die Klage nach § 35 EO offen stünde (vgl RS0000723).

[12]3.3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Da sich der Kläger im Schriftsatz vom 9. 4. 2025 ausdrücklich auf die vollständige Zahlung der Kosten bezogen hat, ist die Verzeichnung bloß der Kosten der Schriftsätze vom 9. 4. 2025 und 9. 5. 2025 dahin zu verstehen, dass er nur mehr diese Kosten begehrt. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war jedoch nur ein einziger Antrag auf Erlassung eines Anerkenntnisurteils erforderlich, sodass nur der richtigerweise nach TP 2 RAT verzeichnete, nach dem prozessualen Anerkenntnis erstattete Schriftsatz vom 9. 5. 2025 zu honorieren ist.