JudikaturJustiz7Ob110/00b

7Ob110/00b – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** Verband, vertreten durch den Präsidenten Dr. Norbert M***** vertreten durch Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in Schärding, gegen die beklagte Partei Daniel P*****, vertreten durch Dr. Christoph Schneider, Dr. Thomas Zelger, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Unterlassung (Streitwert S 300.000) und Herausgabe (Streitwert S 50.000), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 16. März 2000, GZ 2 R 55/00f-12, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. Jänner 2000, GZ 40 Cg 189/99a-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.020,-- (darin enthalten S 2.670,-- an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Statuten des hier klagenden Bundesverbandes enthalten zur Frage der Mitgliedschaft im § 5 folgende Regelung:

"§ 5 Mitglieder des Ö*****

Abs 1: Dem Ö***** gehören ordentliche, außerordentliche und Ehrenmitglieder an, die die Statuten des Ö***** anzuerkennen haben.

Abs 2: Ordentliche Mitglieder sind die einzelnen Landesverbände sowie in den Landesverbänden organisierten Vereine und sofern kein Landesverband besteht, einzelne Vereine.

Abs 3: Als außerordentliche Mitglieder können Einzelpersonen und Interessenvereinigungen vom Bundesausschuss ("BA") des Ö***** aufgenommen werden.

Abs 4: Als außerordentliche Mitglieder können Personen, die sich hervorragende Verdienste um den Ö***** erworben haben, vom BA des Ö***** ernannt werden.

Ferner bestimmen sie im § 24 zur Frage des Verbandsschiedsgerichtes

Nachstehendes: "§ 24 Das Verbandsgericht

Abs 1: Das Verbandsgericht setzt sich aus dem Vorsitzenden des Verbandsgerichtes und je 2 Vertretern der Streitparteien zusammen.

Abs 2: Der Vorsitzende des Verbandgerichtes wird von der GV auf die Dauer von 3 Jahren gewählt.

Abs 3: Das Verbandsgericht fällt seine Entscheidung mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

Abs 4: Die Entscheidung des Verbandgerichtes ist endgültig.

Abs 5: Das Verbandsgericht entscheidet in allen Streitigkeiten die sich aus dem Verbandsverhältnis ergeben.

Abs 6: Wenn der Vorsitzende des Verbandsgerichtes Streitpartei ist, wählen die Vertreter der Streitparteien einen Vorsitzenden mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet unter den Vorgeschlagenen das Los."

Die Statuten des Tiroler Landesverbandes wiederum haben zur Frage der Mitgliedschaft im § 4 nachstehende Bestimmung:

"§ 4

Arten der Verbandsmitgliedschaft

1) die Mitglieder des Verbandes gliedern sich in ordentliche, außerordentliche und Ehrenmitglieder.

2) Ordentliche Verbandsmitglieder sind die einzelnen Vereine.

3) Als außerordentliche Verbandsmitglieder können durch Vorstandsbeschluß Einzelpersonen aufgenommen werden, die sich nicht in den Vereinen befinden.

4) Personen, welche sich um den Verband und dessen Zweck hervorragene Verdienste erworben haben, können über Antrag des Vorstandes oder eines Vereinsvorstandes durch einstimmigen Beschluß des Vorstandes zu Ehrenpräsidenten bzw Ehrenmitgliedern des Ö***** ernannt werden. Vorschläge für Ernennungen sind 4 Wochen vor der Vorstandssitzung schriftlich beim Vorstand einzubringen. Die Wahl kann erst nach vertraulicher Sitzung erfolgen.

Ehrenpräsident bzw Ehrenmitglieder sind berechtigt, an den Sitzungen der Vollversammlung ohne Sitz und Stimme teilzunehmen."

Sie bestimmen ferner im § 17 zur Frage des Schiedsgerichtes Nachstehendes:

"§ 17

Das Schiedsgericht

1) In allen Streitigkeiten aus dem Verbandsverhältnis entscheidet das Schiedsgericht des Tiroler ***** Verbandes.

2) Das Verbandsgericht setzt sich aus jeweils zwei Vertretern der Streitparteien zusammen, die nicht Mitglieder des Vorstandes oder Kontrollorgane sind. Der Vorsitzende des Schiedsgerichtes wird von der Vollversammlung für die Dauer von drei Jahren gewählt.

3) Die Entscheidungen des Verbandsgerichtes sind vereinsintern endgültig."

Der Beklagte selbst ist Vereinsmitglied des Vereines in W*****, der wieder Mitglied des Landesvereines ist.

Der klagende Bundesverband begehrt vom Beklagten einerseits die Unterlassung jeglicher Verwendung von Verbandspapier von Verbandsstampiglien des Bundesverbandes weiters die Unterlassung der Anmaßung von rechtsgeschäftlich verbindlichen Tätigkeiten die nur dem Bundesverband zustehen sowie die Unterlassung der Bezeichnung als "Dep.sec.General" und andererseits die Herausgabe der in seinem Besitz befindlichen Unterlagen, insbesondere Verbandspapier und Verbandsstampiglien. Der klagende Bundesverband stützt sein Begehren darauf, dass der Beklagte durch seine Beitrittserklärung die Statuten wohl des Landesverbandes als auch des Bundesverbandes anerkannt habe und dementsprechend verpflichtet sei, die Interessen des Bundesverbandes nach Kräften zu fördern und alles zu unterlassen, wodurch das Ansehen und der Zweck des Verbandes Abbruch leiden könnte. Der Beklagte habe jedoch beim Weltverband Zertifikate für abgeschlossene Prüfungen bestellt und zu diesem Zweck das offizielle Verbandspapier verwendet, sich als "dep.sec.General" bezeichnet und den Verbandsstempel benützt. Dazu sei er jedoch auf Grund seiner Stellung im Verband nicht befugt. Er habe damit aber dem Verband der entsprechend § 16 der Statuten in den laufenden Geschäften vom Vorstand vertreten werde, Schaden zugefügt. Er sei wiederholt aufgefordert worden, derartige Verhaltensweisen zu unterlassen. Er sei dem jedoch nicht nachgekommen, sodass auch Wiederholungsgefahr bestehe. Da sich der Beklagte Rechte angemaßt habe, die das Recht des Vereins auf ordnungsgemäße Ausübung der Vereinsfunktionen beeinträchtige, sei die Anrufung der ordentlichen Gerichte ohne Ausschöpfung des Instanzenzuges zulässig, wozu noch komme, dass der Beklagte auch den Beschluss eines Verbandsgerichtes nicht akzeptieren würde. Auch seien die entsprechenden Bestimmungen in den Bundesstatuten bzw den Landestatuten nicht als ausreichende Schiedsklauseln zu betrachten. Sie stellten kein Hindernis für die Anrufung der ordentlichen Gerichte dar.

Der Beklagte erhob die Einrede der "Unzuständigkeit" und wandte zusammengefasst ein, dass entsprechend § 24 Abs 5 der Statuten das Verbandsgericht in allen Streitigkeiten, die sich aus dem Verbandsverhältnis ergeben, zu entscheiden habe. Die klagende Partei habe jedoch das Verbandsgericht nicht angerufen und daher den Instanzenzug innerhalb des Verbandes nicht ausgeschöpft. Deshalb sei die Zuständigkeit der Zivilgerichte nicht gegeben. Die Behauptung der klagenden Partei, dass der Beklagte die Entscheidung der Vereinsinstanzen nicht akzeptieren würde, stelle eine reine Schutzbehauptung dar. Im Übrigen erstattete der Beklagte in der Sache selbst verschiedene Einwendungen insbesondere dahin, dass er das Vereinspapier nur über das Ersuchen anderer und im Hinblick auf seine frühere Tätigkeit als Generalsekretär vorübergehend verwendet habe und dieses ohnehin nicht mehr besitze oder zu verwenden beabsichtige, sodass es auch an einer Wiederholungsgefahr mangle.

Das Erstgericht gab der Einrede des Beklagten statt, indem es sich für sachlich unzuständig erklärte und die Klage zurückwies. Es führte dabei rechtlich aus, dass entsprechend § 599 Abs 2 ZPO bei Entscheidungen von Vereinsgerichten der Zugang zu den ordentlichen Gerichten im Bereich der privatrechtlichen Ansprüche möglich sei. Ein "echtes" Schiedsgericht im Sinne der §§ 577 ff ZPO setzte die Unterfertigung einer schriftlichen Schiedsklausel voraus, was hier nicht erfolgt sei. Auch wenn also hier nur ein Vereinsgericht im Sinne des § 599 Abs 2 ZPO vorliege, könnten die ordentlichen Gerichte nur dann angerufen werden, wenn davor der vereinsinterne Instanzenzug ausgeschöpft wurde. Da dies nicht der Fall sei liege eine sachliche Unzuständigkeit des angerufenen ordentlichen Gerichtes vor.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs der klagenden Partei Folge und hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf. Es folgerte dabei rechtlich, dass es zwar zutreffe, dass grundsätzlich bei Vereinsschiedsgerichten nach § 599 Abs 2 ZPO nur die Anrufung dieser vereinsinternen Instanzen Voraussetzung für die Anrufung der ordentlichen Gerichte sei, dass dies aber dann nicht zutreffe, wenn sich ein Streit nicht nur auf die innere Autonomie des Vereines, sondern auf die nach außen und innen wirkenden Strukturen und die Organisation des Vereines erstrecke. Dies sei jedoch zu bejahen, da dem Beklagten vorgeworfen werde, im Rechtsverkehr mit außerhalb des klagenden Vereines stehenden Personen unbefugt das Geschäftspapier und die Stampiglie des klagenden Vereines benützt und sich eine ihm nicht zukommende Stellung im Verein angemaßt zu haben. Dass die Aussicht bestehe, dass die vereinsinterne Schlichtung durch das Vereinsgericht zu einer Streitbeilegung führe, habe der Beklagte, der sein zugestandenes Verhalten offenbar als rechtmäßig erachte, nicht näher dargelegt. Es bestehe ein berechtigtes Interesse des klagenden Vereines, ein allfälliges Fehlverhalten des Beklagten rasch abzustellen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursrecht als zulässig, da eine Rechtsprechung zu der Abgrenzung der Ausnahmefälle bei Anrufung des Vereinsgerichtes nicht vorliege.

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Voranzustellen ist, dass nach im Wesentlichen übereinstimmender Rechtsprechung und Lehre die Rechtsbeziehungen zwischen Vereinen und ihren Mitgliedern grundsätzlich privatrechtlicher Natur sind und Streitigkeiten daraus im ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden können (vgl RIS-Justiz RS0038953; RIS-Justiz RS0045147; RIS-Justiz RS0034824; RS0045578 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen; zuletzt aber auch etwa JBl 1998, 258 = RZ 1999/4 mzwN). Wie auch bei vielen anderen Privatrechtsverhältnissen kann auch hinsichtlich dieser Rechtsverhältnisse eine Schiedsgerichtsvereinbarung im Sinne des § 577 ZPO geschlossen werden, bei deren Vorliegen dann der Geltendmachung vor den ordentlichen Gerichten zwar nicht das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegensteht, wohl aber jenes der prorogablen sachlichen Unzuständigkeit (vgl Mayr in Rechberger ZPO2 § 42 JN Rz 9 mzwN).

Allein in der Beitrittserklärung zu einem Verein liegt jedoch regelmäßig keine derartige Schiedsgerichtsvereinbarung im Sinne des § 577 ZPO (vgl etwa Rechberger/Frauenberger Der Verein als Richter, ecolex 1994, 7).

Sind doch von den "echten" Schiedsgerichten iSd § 577 ZPO zu unterscheiden die sogenannten Vereinsgerichte im Sinne des § 4 Abs 2 lit j Vereinsgesetz, auf die nach § 599 Abs 2 ZPO die Regelungen über die Schiedsgerichte im Sinne der §§ 577 ff ZPO nicht zur Anwendung kommen. Es handelt sich dabei um keine Schiedsgerichte im Sinne der zuletzt genannten Bestimmungen. Durch sie wird die Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges grundsätzlich nicht ausgeschlossen (vgl RIS-Justiz RS0045143; RIS-Justiz RS0045138; RIS-Justiz RS0045572 jeweils mit weiteren Nachweisen; SZ 59/81 = GesRZ 1986, 155; EvBl 1986/132; Rechberger/Frauenberger Der Verein als Richter ecolex 1994, 5 uva). Die Rechtsprechung geht aber auch davon aus, dass die Anrufung der ordentlichen Gerichte also zwar durch die im Vereinsgesetz zwingend vorgesehene Einrichtung der Vereinsgerichte nicht gehindert ist, aber für eine klagsstattgebende Entscheidung davor der verbandsinterne Instanzenzug vor diesen Vereinsgerichten auszuschöpfen ist, da nicht "voreilig" in die Selbstverwaltung eines Vereines "eingegriffen werden dürfe" (vgl zuletzt OGH JBl 1998, 258 = RZ 1999/4 mzwN und unter Hinweis auf die teilweise gegen diese Rechtsprechung opponierende Lehre; vgl auch zuletzt Ballon in Fasching2 § 1 JN Rz 160 f). Im Ergebnis geht es dabei doch darum, dass dem Verein auch intern durch die Schaffung entsprechender, im Vereinsgesetz ja zwingend vorgeschriebener Organe die Möglichkeit geboten wird, die Rechtmäßigkeit seiner Willensbildung abzusichern und damit auch allenfalls kostenintensive gerichtliche Streitverfahren zu vermeiden.

Von diesem Erfordernis der internen Überprüfung der Willensbildung des Vereines hat der Oberste Gerichtshof nur dann, wenn die Beschlüsse und Entscheidungen des Vereines sich allesamt auf die nach außen und innen wirkende Struktur und Organisation des Vereines erstrecken (vgl JBl 1998, 258 = RZ 1999/4) oder das vorgesehene Vereinsgericht schon infolge der "nicht paritätischen" Besetzung zu der Entscheidung ungeeignet ist (vgl OGH 31. 1. 1986, 9 Ob 501/96; zur allgemeinen Ausnahme bei Unzumutbarkeit JBl 1994, 833; SZ 42/163), oder wenn ohnehin bereits durch ein satzungsmäßig zuständiges Organ die Unzuständigkeit eines anderen ausgesprochen wurde (vgl JBl 1995, 496), abgesehen. Im Wesentlichen handelt es sich also dabei um Fälle, bei denen von der internen Überprüfung durch ein eigenes Organ des Vereines eine Verbesserung der Entscheidungsfindung im Verein nicht erwartet werden kann. Dafür liegen hier aber keine Anhaltspunkte vor. Weder handelt es sich um eine grundsätzliche Frage der Vereinsstruktur, noch wurde eine ungeeignete Organisation des Vereinsgerichtes behauptet.

Ausgehend davon, dass die klagende Partei sich auf einen Anspruch aus dem Vereinsverhältnis stützt, hat sie also vorweg die vereinsinternen Schlichtungsinstanzen zu befassen.

Dies ist jedoch nicht mit der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des ordentlichen Gerichtes geltend zu machen, sondern mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Da die Vereinsgerichte ganz allgemein nicht als Schiedsgerichte nach §§ 577 ff ZPO anzusehen sind, ist unabhängig von der Frage, inwieweit die konkrete Auseinandersetzung in die "Zuständigkeit" dieses Vereinsgerichtes fällt, die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit, die sich nur auf "echte" Schiedsgerichte im Sinne der §§ 577 ff ZPO beziehen kann, verfehlt. Hat hier doch auch dann, wenn der vereinsinterne Instanzenzug vor dem Vereinsgericht nicht ausgeschöpft wurde, keine Zurückweisung einer vor den ordentlichen Gerichten eingebrachten Klage, sondern nur eine Abweisung stattzufinden (vgl dazu JBl 1994, 833 mwN).

Insgesamt war daher dem Rekurs des Beklagten im Ergebnis nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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