JudikaturJustiz6Ob339/00x

6Ob339/00x – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Juni 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Eva R*****, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des Ferdinand R*****, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Anfechtung von Zahlungen und

724.278 S, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2000, GZ 3 R 57/00z-12, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. Februar 2000, GZ 30 Cg 24/99b-8, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil einschließlich der unangefochtenen und bestätigten Teile insgesamt lautet:

Die vom Gemeinschuldner an die Beklagte geleisteten Zahlungen von 24.191 S (21. 8. 1997), 57.667 S (22. 9. 1997), 75.499 S (20. 10. 1997) und 277.222 S (18. 12. 1997) sind gegenüber den Konkursgläubigern unwirksam.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin 434.579 S samt 4 % Zinsen

aus 24.191 S vom 21. 8. 1997 bis 21. 9. 1997,

aus 106.858 S vom 22. 9. 1997 bis 1. 10. 1997,

aus 116.214 S vom 2. 10. 1997 bis 12. 10. 1997,

aus 124.214 S vom 13. 10. 1997 bis 16. 10. 1997,

aus 132.214 S vom 17. 10. 1997 bis 19. 10. 1997,

aus 207.713 S vom 20. 10. 1997 bis 27. 10. 1997,

aus 215.713 S vom 28. 10. 1997 bis 3. 11. 1997,

aus 223.713 S vom 4. 11. 1997 bis 9. 11. 1997,

aus 231.713 S vom 10. 11. 1997 bis 18. 11. 1997,

aus 239.713 S vom 19. 11. 1997 bis 23. 11. 1997,

aus 246.713 S vom 24. 11. 1997 bis 17. 12. 1997

und aus 434.579 S seit 18. 12. 1997 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren, auch die geleisteten Zahlungen von 31.326 S (21. 8. 1997), 120.513 S (22. 9. 1997) und 137.860 S (20. 10. 1997) gegenüber den Konkursgläubigern für unwirksam zu erklären und die Beklagte schuldig zu erkennen, der Klägerin weitere 289.699 S samt 4 %igen anteiligen Zinsen binnen 14 Tagen zu zahlen, wird abgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin 30.281,14 S (darin enthalten 3.540,24 S USt und 9.039,40 S Barauslagen) an Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten insgesamt 29.067 S (darin 15.900 S Barauslagen) an Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen des Ferdinand R*****, der ein Elektroinstallationsunternehmen betrieb, wurde am 19. 2. 1998 das Konkursverfahren eröffnet. Die objektive Zahlungsunfähigkeit trat Anfang August 1997 ein. In den letzten 6 Monaten vor Konkurseröffnung zahlte der nunmehrige Gemeinschuldner folgende Beträge an das zuständige Finanzamt:

1.) 21. 08. 1997 55.517 S

2.) 22. 09. 1997 178.180 S

3.) 20. 10. 1997 213.359 S

4.) 18. 12. 1997 277.222 S

5.) 29. 09. 1997 25.000 S

6.) 02. 10. 1997 9.356 S

7.) 13. 10. 1997 8.000 S

8.) 17. 10. 1997 8.000 S

9.) 28. 10. 1997 8.000 S

10.) 04. 11. 1997 8.000 S

11.) 10. 11. 1997 8.000 S

12.) 18. 11. 1997 8.000 S

13.) 24. 11. 1997 7.000 S

14.) 18. 12. 1997 2.500 S

Gesamt: 816.134 S.

Die zu 1.) bis 3.) angeführten Zahlungen schlüsseln sich wie folgt auf:

ad 1.) Fälligkeit 18. 08. 1997

Lohnsteuer 7/97 177.019 S

Dienstgeberbeitrag 7/97 121.586 S

Zuschlag 14.320 S

USt-Gutschrift -257.408 S

Saldo 55.517 S

ad 2.) Fälligkeit 15. 09. 1997

Lohnsteuer 8/97 153.055 S

Dienstgeberbeitrag 8/97 65.477 S

Zuschlag 7.712 S

USt-Gutschrift -48.054 S

Saldo 178.190 S

ad 3.) Fälligkeit 15. 10. 1997

Lohnsteuer 9/97 137.860 S

Dienstgeberbeitrag 9/97 57.945 S

Zuschlag 6.825 S

Umsatzsteuer 10.729 S

Saldo 213.359 S

Bei der zu Punkt 4.) angeführten Zahlung handelte es sich um eine am 15. 12. 1997 fällig gewesene Umsatzsteuersonderzahlung.

Ab Beginn des Jahres 1997 kam es zu persönlichen Vorsprachen des Gemeinschuldners bei der Einbringungsstelle des zuständigen Finanzamtes, wobei er von seinen Zahlungsproblemen, seinen Außenständen und seinen Sorgen erzählte. Ein am 25. 3. 1997 gestelltes Ratenersuchen wurde abgelehnt, weil er die geforderten Sicherheiten nicht erbrachte. Im August 1997 kam es zu einer Ratenvereinbarung, wonach er die Rückstände in Raten von 35.000 S sowie die laufend fällig werdenden Abgaben begleichen sollte. Er zahlte in der Folge etwa einmal pro Woche 8.000 S, wobei es auch vorkam, dass er beim Finanzamt anrief und ersuchte, das Geld einige Tage später bringen zu dürfen. Anlässlich einer 1997 durchgeführten Umsatzsteuerbetriebsprüfung stellte sich heraus, dass der Gemeinschuldner Zahlungseingänge von 30 bis 40 Mio S als Anzahlung bewertete und daher nicht der Umsatzsteuer unterzogen hatte. Bei der Schlussbesprechung am 14. 10. 1997 teilte er mit, dass er, wenn er die vorgeschriebene Summe zahlen müsse, zusperren müsse. Er wolle nicht in Konkurs gehen, weil er so gute Arbeiter habe und sein Unternehmen der Tochter übergeben wolle. Er beglich die Finanzamtschulden deshalb vorzugsweise, weil er vor Exekutionen und einem Konkursantrag Angst hatte. Er hatte auch Verbindlichkeiten bei anderen Gläubigern in Millionenhöhe.

Die Klägerin begehrte, mit der am 17. 2. 1999 eingebrachten Klage, die angeführten Zahlungen des Gemeinschuldners für unwirksam zu erklären und die Beklagte zur Rückzahlung von (zunächst) 816.134 S samt gestaffelten 4 % Zinsen jeweils ab Zahltag zu verpflichten. Da die Beklagte am 30. 3. 1999 91.856 S an die Klägerin zahlte, womit die zu Punkt 5.) bis 14.) angeführten Beträge (ohne Zinsen) zurückerstattet wurden, schränkte die Klägerin ihr Rückzahlungsbegehren auf insgesamt 724.278 S samt gestaffelten Zinsen (auch aus jenen Beträgen, die zurückerstattet wurden) ein. Sie stützte ihr Begehren auf jeden vom Vorbringen gedeckten Anfechtungstatbestand, insbesondere auf § 28 Z 1 und 2 sowie § 31 Abs 1 Z 2 KO. Dem zuständigen Finanzamt sei die finanzielle Lage und die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners im maßgebenden Zeitraum bekannt gewesen. Es sei vom Gemeinschuldner bereits im Juli 1997 davon informiert worden, dass er den zur Zahlung der Umsatzsteuer notwendigen Betrag nicht mehr aufbringen könne. Zudem habe es in der zweiten Jahreshälfte 1997 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Der Gemeinschuldner habe die Zahlungen an die Beklagte geleistet, um die Konkursantragstellung hinauszuschieben. Durch diese Verzögerung sei der Befriedigungsfonds der Gläubiger geschmälert worden. Bei Abgabenleistungen fehle es an einem für ein Zug-um-Zug-Geschäft essentiellen Austausch von Leistungen. Es fehle auch an der zur Verneinung einer Anfechtung unerlässlichen Einheit zwischen einem dem Anspruch begründenden und zur Befriedigung führenden Rechtsgeschäft. Es liege ein nachteiliges Rechtsgeschäft vor.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Zahlungsunfähigkeit sei im Zeitpunkt der Zahlungen für das Finanzamt nicht erkennbar gewesen. Die Beklagte sei nicht Konkursgläubigerin der Lohnsteuer. Steuerschuldner sei der Dienstnehmer, der gegenüber dem Dienstgeber Anspruch auf den Bruttolohn inklusive Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben habe. Werde der Bruttolohn pünktlich beglichen, werde wirtschaftlich betrachtet Geld und Arbeit nach dem Zug-um-Zug-Prinzip ausgetauscht. Ein für die Gläubiger nachteiliges Rechtsgeschäft liege nicht vor. Ähnlich verhalte es sich mit der Umsatzsteuer.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass das Finanzamt seit der Schlussbesprechung am 14. 10. 1997 von der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners Kenntnis gehabt habe, aber bereits spätestens ab August 1997 hievon Kenntnis hätte haben müssen. Die Beklagte wäre auf Grund der festgestellten Indizien zu entsprechenden Nachforschungen verpflichtet gewesen. Ab Anfang Oktober 1997 habe der Gemeinschuldner in Begünstigungsabsicht gehandelt, wovon das Finanzamt bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis gehabt haben müsse, sodass insoweit auch der Anfechtungstatbestand des § 30 Abs 1 Z 3 KO vorliege. Bei der Zahlung von Steuerverbindlichkeiten komme es zu keinem Zusammentreffen und sofortigen Austausch von Leistung und Gegenleistung. Es liege kein Zug-um-Zug-Geschäft vor.

Soweit der Anfechtungsklage betreffend die Zahlung der Umsatzsteuer am 18. 12. 1997 in Höhe von 277.222 S stattgegeben wurde, erwuchs dieses Urteil in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtenen, die eingangs unter Punkt 1.) bis 3.) angeführten Zahlungen betreffenden Teile des Urteiles einschließlich den ebenfalls bekämpften Zinsenzuspruch vor Klagstag und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Die Beklagte werde gemäß § 78 Abs 1 EStG mit der Lohnzahlung Gläubiger der Lohnabgaben. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes seien die Lohnzahlungen pünktlich erbracht worden. Es liege zwar kein nachteiliges Rechtsgeschäft im Sinn des § 31 Abs 1 Z 2 KO, zweiter Fall vor, weil die Deckungshandlung in Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung auf Grund eines bestehenden Arbeitsverhältnisses, das als solches nicht als nachteiliges Rechtsgeschäft angefochten sei, erfolgt sei. Es verbleibe nur die Möglichkeit der Anfechtung der Zahlung nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO, der Rechtshandlungen, sohin auch Zahlungen, nicht aber den Abschluss von Rechtsgeschäften voraussetze. Es treffe zu, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Bruttolohn inklusive Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben habe. Er verfüge jedoch über keinen direkten Zahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Auszahlung dieser Beträge. Die Lohnsteuer sei vielmehr auf Grund des gesetzliches Auftrages direkt vom Arbeitgeber einzubehalten und abzuführen (§ 78 EStG, § 240 Abs 1 BAO). Wenngleich der Arbeitnehmer Abgabenpflichtiger sei, sei der Arbeitgeber insoweit Abgabenschuldner. Ähnlich wie bei Sozialversicherungsleistungen schulde der Arbeitgeber des unselbständig Erwerbstätigen allein die Abfuhr der Lohnsteuer, die er zur Gänze einzubehalten und abzuführen habe. Der Dienstnehmer sei im Verzugsfall wohl berechtigt, das Bruttoentgelt einzuklagen. Allerdings sei der Arbeitgeber bei Unterliegen im Rechtsstreit nur verpflichtet, den Nettolohn auszuzahlen. Der Arbeitnehmer habe daher keinen direkten Auszahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, während umgekehrt der Abgabengläubiger nicht direkt Zahlung vom unselbständig erwerbstätigen Arbeitnehmer begehren könne. Damit fehle es aber, wie schon in der Entscheidung 4 R 17/91 (= EvBl 1992/203) des Oberlandesgerichtes Innsbruck ausgesprochen worden sei - wie bei den Sozialversicherungsbeiträgen - an einem wesensnotwendigen Leistungsaustausch zwischen Gläubiger und Schuldner.

Das Erstgericht habe auch zutreffend die fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Zahlungen vom 21. 8. und 22. 9. 1997 bejaht. Auf Grund der Vorsprachen des Gemeinschuldners und der negativen Unternehmensentwicklung sowie dessen weiteren Steuerschulden, die das Finanzamt laut Anmeldungsverzeichnis in der Höhe von insgesamt 17,018.508 S angemeldet habe, hätten die Beklagte zumindest Nachforschungspflichten getroffen, wozu noch komme, dass eine entsprechende Abklärung im Zuge der ohnehin durchgeführten Betriebsprüfung möglich gewesen wäre. Da die Beklagte im Zeitpunkt der Zahlung vom 20. 10. 1997 auch damit rechnen habe müsse, dass diese Zahlung erfolgt sei, um exekutive Schritte und Konkursanträge zu verhindern, liege insoweit auch der Anfechtungstatbestand nach § 30 Abs 1 Z 3 KO vor. Die Anfechtungsgegnerin sei als unredliche Besitzerin zu behandeln, sodass sie gemäß § 335 ABGB auch die gesetzlichen Zinsen, die für den gesamten Zeitraum der unberechtigten Innehabung zustünden, zu ersetzen habe.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob die Abfuhr von Lohnsteuer als Lohnbestandteil im Anfechtungsrecht als Zug-um-Zug-Geschäft zu behandeln sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig und teilweise auch berechtigt.

Die Revision vertritt die Auffassung, dass die angefochtenen Zahlungen der Lohnabgaben gleich dem Arbeitslohn in einem Zug-um-Zugverhältnis zur geleisteten Arbeit der im gemeinschuldnerischen Unternehmen tätigen Arbeitnehmer stünden. Schuldner der Lohnsteuer sei nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer, dem ein Anspruch auf den Bruttolohn (somit den Nettolohn zuzüglich lohnabhängiger Abgaben) zustehe. Der Arbeitgeber zahle mit der in § 82 EStG vorgesehen Abfuhr der von ihm einbehaltenen Abgaben eine fremde Schuld im Sinn des § 1358 ABGB. Bei Abfuhr der Umsatzsteuer sei der Gemeinschuldner nur Zahlstelle. Eine Anfechtung sei nicht befriedigungstauglich.

Dieser Argumentation ist, soweit sie die Lohnsteuer betrifft, im Grundsätzlichen beizupflichten.

Wie der Senat jüngst in seiner Entscheidung 6 Ob 37/01m, in der ua ebenfalls vom späteren Gemeinschuldner in der Krise beglichene Lohnabgaben Gegenstand der Anfechtung waren, zu der auch hier zur Beurteilung anstehende Frage ausgeführt hat, dienen die Anfechtungstatbestände der §§ 30 und 31 KO dem Schutz des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gläubiger (par conditio creditorum): Der Anfechtungserfolg soll die Konkursmasse so stellen, als ob der Konkurs schon bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (der relevanten Überschuldung) eröffnet worden wäre. Dementsprechend soll ein Gläubiger jene Zahlung (oder Sicherstellung), die er von seinem Schuldner nach Eintritt der Insolvenzvoraussetzungen (aber noch vor Einleitung des gesetzlichen Verfahrens, das die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherstellen soll) erlangt hat, wieder in den der Befriedigung aller Gläubiger dienenden Fonds (die Konkursmasse) der Schuldnerin zurückstellen (vgl P. Doralt, Zur Gläubigeranfechtung wegen mittelbar nachteiliger Rechtsgeschäfte, ÖBA 1995, 113; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung2, Rz 224 und 266). Unter diesem Gesichtspunkt sprechen gute Gründe dafür, die Anfechtung von Abgabenzahlungen (unter anderem) davon abhängig zu machen, dass der spätere Gemeinschuldner selbst Steuerschuldner ist. Nur unter dieser Voraussetzung kommt nämlich der Grundsatz der par conditio creditorum zum Tragen.

Steuerschuldner der Lohnsteuer ist nach §§ 78 und 83 EStG der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist zum "Einbehalten" (§ 78 EStG) und zur "Abfuhr" (§ 79 EStG) der Lohnsteuer verpflichtet und haftet für die Einbehaltung und Abfuhr (§ 82 EStG). Ein auf diesen Haftungstatbestand gegründetes Abgabenschuldverhältnis entsteht aber erst dann, wenn der Haftungstatbestand (Nichtabfuhr bei Fälligkeit) verwirklicht und die Haftung des Arbeitgebers bescheidmäßig geltend gemacht wird (§ 7 BAO iVm § 224 Abs 1 BAO). Erst unter dieser Voraussetzung erfüllt der Arbeitgeber eine eigene Schuld gegenüber dem Gläubiger Finanzamt und wäre demnach - sollte er im Zeitpunkt der Zahlung zahlungsunfähig oder relevant überschuldet sein - zur quotenmäßigen Befriedigung aller Gläubiger verpflichtet. In diesem Sinn hat auch der Verwaltungsgerichtshof schon zu erkennen gegeben, dass eine Anfechtbarkeit von Lohnsteuerzahlungen im Hinblick auf § 83 Abs 1 EStG nicht in Betracht kommt (ARD 5149/14/2000).

Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass die Zahlung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge im Fall des Konkurses des Arbeitgebers gemäß §§ 30, 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO anfechtbar sei

(SZ 59/228; 6 Ob 532/94; 4 Ob 1534/95 = ZIK 1995, 153 = RZ 1996/10; 1

Ob 337/97k = ZIK 1998, 97 ((kritisch Bartos in ZIK 1998, 79)); 10 Ob

8/00z) steht dieser Ansicht nicht entgegen. § 58 Abs 2 ASVG bestimmt nämlich im Gegensatz zu § 83 Abs 1 EStG als Steuerschuldner auch hinsichtlich der auf den Versicherten entfallenden Sozialversicherungsleistungen den Dienstgeber. Diese Bestimmung war zentrales Argument der hiezu grundlegenden Entscheidung 8 Ob 593/86 (SZ 59/228). Im Übrigen betont auch diese Entscheidung, dass die Deckung des Gläubigeranspruches, soll sie anfechtbar sein, auf Kosten der Masse gehen müsse und dass es Ziel des Anfechtungsanspruches sei, die Konkursmasse in den Zustand zu versetzen, in dem sie sich befunden hätte, wäre die Rechtshandlung nicht vorgenommen worden. Die Konkurswirkungen sollten bestimmungsgemäß nicht auf andere Rechtskreise als jene des Gemeinschuldners übergreifen. Anders als das Schuldverhältnis aus Sozialversicherungsbeiträgen besteht aber das Abgabenschuldverhältnis zwischen dem Abgabengläubiger und dem Arbeitnehmer, sodass die zitierte Entscheidung auf Lohnsteuerzahlungen des späteren Gemeinschuldners in der Krise nicht übertragbar ist. Auch die in den Folgeentscheidungen zu den Sozialversicherungsbeiträgen dargelegten Gründe gegen das Vorliegen einer anfechtungsfesten Zug-um-Zugleistung (nämlich dass diese Beiträge mit den damit finanzierten öffentlich-rechtlichen Leistungen nicht in einem für Zug-um-Zug-Geschäfte essentiellen Leistungsaustausch stünden, weil einem Versicherten die Leistungen aus der öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung unabhängig von der Leistung der Sozialversicherungsbeiträge durch den Dienstgeber zu erbringen seien), sind auf die Lohnsteuer als Teil des Arbeitsentgeltes des Arbeitnehmers und zugleich Lohnsteuerschuldners nicht übertragbar.

Bei Dauerschuldverhältnissen, insbesondere auch bei Arbeitsentgelten, nimmt die Rechtsprechung - entgegen einem Teil der Lehre - bei einem entsprechend engen zeitlichen Zusammenhang der Leistung auch noch bei Zahlungen auf die vorangehende Periode eine phasenverschobene Zug-um-Zug-Verknüpfung an, die eine Anfechtung nach §§ 30, 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO ausschließt (vgl die Zusammenfassung des Meinungsstandes in 6 Ob 300/00m = ZIK 2001, 59). Dieser Auffassung tritt die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung zwar bei, meint aber, dass dies nur für die Nettolohnauszahlungen gelte. Die in der Krise erfolgten Zahlungen des Gemeinschuldners an seinen Arbeitnehmer wurden im vorliegenden Fall auch gar nicht angefochten. Aus den §§ 83 Abs 1 und 78 Abs 3 EStG, der für die partielle Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers die anteilige Kürzung der einzubehaltende Lohnsteuer entsprechend dem gegenüber dem vereinbarten Arbeitslohn tatsächlich ausbezahlten niedrigeren Betrag vorsieht, lässt sich ableiten, dass die Lohnsteuer das rechtliche Schicksal der Lohnzahlung teilt. Entscheidend ist, dass die Lohnsteuer bloß eine besondere Erhebungsform der Einkommenssteuer, und zwar für Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit ist, die nicht - wie bei Einkünften eines Selbständigen - im Wege der Veranlagung, sondern durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben wird. Sie dient (lediglich) der Vereinfachung und gleichzeitig auch der Sicherung der Steuereinhebung. Die Lohnsteuer deckt sich daher grundsätzlich mit der auf die nichtselbständige Tätigkeit entfallenden Einkommenssteuer (vgl W. Doralt, Kommentar zum Einkommenssteuerrecht, Band II Tz 1, 2 zu § 47 EStG). Dementsprechend ist, wie § 83 Abs 1 EStG ausdrücklich normiert, der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber Lohnsteuerschuldner, auch wenn der Arbeitnehmer von der Abgabenbehörde grundsätzlich nicht für die auf den Arbeitslohn entfallende Lohnsteuer in Anspruch genommen werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zahlt daher auch der Arbeitgeber mit der Abfuhr der vom Arbeitnehmer einbehaltenen Lohnsteuer eine fremde Schuld, auch wenn er dafür persönlich nach § 82 EStG haftet (RIS-Justiz RS0030848). Diese Aspekte lässt die vom Berufungsgericht zur Begründung seiner der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck 4 R 17/91 folgenden Ansicht außer Acht, in der die Anfechtbarkeit von Lohnsteuerzahlungen des Arbeitgebers mit dem Argument bejaht wurde, dass es an der zur Verneinung einer Anfechtbarkeit unerlässlichen Einheit zwischen anspruchsbegründendem und zur Befriedigung führenden Rechtsgeschäft fehle.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist daher die Anfechtbarkeit von Lohnsteuerzahlungen nach §§ 30, 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO zu verneinen.

Anderes gilt jedoch für den vom Gemeinschuldner jeweils gleichzeitig mit der Lohnsteuer abgeführten "Dienstgeberbeitrag" und den "Zuschlag". Bei diesen Positionen handelt es sich zwar um sogenannte Lohnnebenkosten, die mit der Arbeitsleistung des jeweiligen Dienstgebers nicht unmittelbar zusammenhängen. Durch den Dienstgeberbeitrag werden die Mittel des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen, Sektion A (die den Aufwand an Familienbeihilfen zu tragen hat) aufgebracht (§ 39 Familienlastenausgleichsgesetz). Er ist vom Dienstgeber zu leisten (§ 41 Abs 1 FamLAG) und von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils im ersten Kalendermonat an die Dienstnehmer gewährt worden sind (§ 41 Abs 3 FamLAG). Der Dienstgeberbeitrag ist - wie die Lohnsteuer - für jeden Monat bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Monates an das Finanzamt zu entrichten (§ 43 Abs 1). Ungeachtet dessen, dass dieser Beitrag demnach gemeinsam mit der Lohnsteuer abzuführen ist und dass gemäß § 43 Abs 2 auch die Bestimmungen über den Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer) sinngemäß anzuwenden sind, handelt es sich hiebei um eine Abgabe, die der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer zu tragen hat.

Auch der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, der als neue Kammerumlage mit der 6. Handelskammergesetznovelle BGBl Nr 570/1979 eingeführt wurde, schuldet der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer. Der Zuschlag ist von solchen Arbeitgebern zu leisten, die Mitglieder der Wirtschaftskammer sind und ist ebenfalls von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, von der auch der Dienstgeberbeitrag zu entrichten ist. Der Zuschlag ist ebenfalls monatlich zu berechnen und bis spätestens 15. des Folgemonates an das Finanzamt abzuführen (§ 57 Abs 4 Handelskammergesetz 1946; jetzt § 122 Abs 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1998).

Demnach handelt es sich bei beiden Abgaben um Schulden des Dienstgebers, die nicht der Abgeltung der konkreten Arbeitsleistung des Arbeitsnehmers dienen und bei denen auch sonst der für das Zug-um-Zug-Geschäft essentielle Leistungsaustausch fehlt, wobei hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages auf die sinngemäß auch hier zutreffenden Erwägungen der Rechtsprechung zu den Sozialversicherungsbeiträgen verwiesen werden kann (vgl zu öffentlichen Abgaben im Allgemeinen SZ 68/53; König aaO Rz 225).

Die Ansicht der Vorinstanzen, dass die subjektive Anfechtungsvoraussetzung der zumindest fahrlässigen Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit hinsichtlich der beiden noch strittigen, zeitlich früheren Zahlungen und hinsichtlich der letzten Zahlung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit (§ 31 Abs 1 Z 2 KO) sowie zusätzlich der Begünstigungsabsicht (§ 30 Abs 1 Z 3 KO) vorliegen, wird in der Revision nicht mehr bekämpft, sodass sich Erörterungen hiezu erübrigen. Dies gilt auch für den Zinsenzuspruch des Erstgerichtes für die vor Klageeinbringung liegenden Zeiträume, der zwar noch Gegenstand der Rechtsrüge in der Berufung der Beklagten war, gegen dessen Bestätigung die Revision aber nichts mehr vorbringt, obgleich die Anfechtungserklärung und der Revisionsantrag auch den Zinsenzuspruch umfasst. Weiters enthält die Revision keine inhaltlichen Ausführungen, soweit die Anfechtung formell auch die am 20. 10. 1997 abgeführte Umsatzsteuer von 10.729 S, die im Gesamtbetrag von 213.359 S enthalten ist, betrifft. Da sich die Revision inhaltlich ausschließlich gegen die Klagestattgebung hinsichtlich der Lohnabgaben wendet, ist sie insoweit, als die Vorinstanzen der Klage (auch) hinsichtlich dieses Umsatzsteuerbetrages sowie der Zinsen stattgegeben hat, nicht zulässig ausgeführt.

Demnach ist zusammenfassend von der Berechtigung der Anfechtung, soweit sie die noch strittigen, den den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag betreffenden Teil der geleisteten Zahlungen des nunmehrigen Gemeinschuldners betrifft, sowie von der rechtskräftigen Klagestattgebung hinsichtlich sämtlicher Umsatzsteuerzahlungen sowie des Zinsenzuspruches aus allen zuerkannten Beträgen auszugehen, während das Begehren betreffend die Abfuhr der Lohnsteuer entgegen der Ansicht der Vorinstanzen unberechtigt ist. Die auf die Lohnsteuerabfuhr entfallenden Teilbeträge des Klagebegehrens sind daher in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen abzuweisen.

Bei der Berechnung, welche Teile der Klage auf Grund der dargestellten Rechtslage abzuweisen sind, ist zu berücksichtigen, dass der nunmehrige Gemeinschuldner jeweils von der Summe seiner zeitlich zusammenfallenden Abgabenpflicht hinsichtlich Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag bei seinen Zahlungen am 21. 8. und 22. 9. 1997 Umsatzsteuergutschriften in Abzug brachte. Bei der Umsatzsteuer wie auch bei den Lohnabgaben handelt es sich um sogenannte Selbstbemessungsabgaben, die im Gegensatz zu den Veranlagungsabgaben nicht bescheidmäßig festgelegt werden, sondern vom Abgabenschuldner selbst zu bemessen und zu einem bestimmten, sich aus dem Gesetz selbst ergebenden Fälligkeitstag einzuzahlen sind (Kofler/Kristen, Insolvenz und Steuern2, 9). Mangels (gemäß § 214 Abs 4 lit a BAO grundsätzlich möglicher) Schuldnerbestimmung, wie der vorgenommene Abzug wegen bereits erbrachter Umsatzsteuerzahlungen auf die jeweils gleichzeitig fälligen und abgeführten Beträge für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu verrechnen sei, und mangels einer gesetzlichen Widmungsregelung betreffend die Anrechenbarkeit derartiger Steuerguthaben bei Gleichrangigkeit dieser Lohnabgaben (vgl § 224 BAO) kommt nur eine verhältnismäßige Aufteilung der Forderung, mit der aufgerechnet wurde, in Betracht (vgl Reischauer in Rummel II2, Rz 26, 28 und 38 zu § 1416 ABGB, E. d. VwGH 94/08/0081; 95/14/0008; 94/13/0030). Die dementsprechende Berechnung ergibt für die Zahlung vom 21. 8. 1997 in Höhe von 55.517 S, dass vom Gesamtvolumen für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag von 312.925 S ein Anteil von 56,6 % auf die Lohnsteuer (177.019 S) entfällt und dementsprechend 56,6 % von der abgezogenen Umsatzsteuergutschrift von 257.408 S von der auf die Lohnsteuer entfallenden Zahlung abzuziehen sind. Dies ergibt einen Betrag von 31.326 S, während entsprechend dieser Rechnung auf den Dienstgeberbeitrag ein Teilbetrag von 21.712 S und auf den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag ein Teilbetrag von 2.479 S entfällt. Für die Zahlung vom 22. 9. 1997 ergibt sich ein auf die Lohnsteuer entfallender Prozentsatz des insgesamt beglichenen Betrages von 67,7 %, woraus sich ein anfechtungsfester, die Lohnsteuerabfuhr betreffender Betrag von 120.523 S ergibt. Der Anfechtung unterliegen hingegen die Teilbeträge von 51.589 S (Dienstgeberbeitrag) und 6.078 S (Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag). Hinsichtlich der ebenfalls noch strittigen Zahlung vom 20. 10. 1997 in Höhe von insgesamt 213.359 S erfolgte kein Teilabzug für eine Steuergutschrift. Anfechtungsfest ist insoweit die darin enthaltene Lohnsteuerabfuhr von 137.860 S, während der Dienstgeberbeitrag von

57.145 S, der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag von 6.825 S und die Abfuhr der Umsatzsteuer von 10.729 S der Anfechtung unterliegt. Dazu kommt noch der bereits von den Vorinstanzen rechtskräftig als anfechtbar erkannte Betrag von 277.222 S (vom 18. 12. 1997) und die ebenfalls bereits rechtskräftig zuerkannten gestaffelten Zinsen, wobei aber bei dieser Staffelung nunmehr auf die abgewiesenen Teilbeträge Rücksicht zu nehmen war. Das Begehren von Zinsen für die Zeit "von 22. 9. 1997 bis 19. 9. 1997" (ON 3) ist unschlüssig, weshalb ein derartiger Zuspruch ebensowenig in Betracht kommt wie eine Abweisung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 (1) und 50 ZPO. Bis zur Einschränkung des Klagebegehrens infolge Teilzahlung der Beklagten, die als Obsiegen der Klägerin zu werten ist, ist von einem Obsiegen der Klägerin zu etwa 2/3 (526.435 S von 816.134 S) auszugehen, sodass ihr für diese Prozessphase (Klageschriftsatz) 1/3 der Vertretungskosten und 2/3 der von ihr entrichteten Pauschalgebühr zuzuerkennen sind. In der zweiten Prozessphase (Schriftsatz ON 3 bis Schluss der Verhandlung in erster Instanz) obsiegte die Klägerin zu etwa 3/5 (434.579 S von 724.278 S), sodass ihr insoweit 1/5 der Vertretungskosten zustehen.

Im Berufungs- und Revisionsverfahren waren nur mehr 447.056 S strittig. In dieser dritten Prozessphase hat die Beklagte zu etwa 2/3 obsiegt (Abweisung von 289.699 S). Daher hat ihr die Klägerin 1/3 der nach dem Rechtsanwaltstarif zustehenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sowie 2/3 der von der Beklagten für das Berufungs- und das Revisionsverfahren beglichenen Pauschalgebühren zu ersetzen.

Rechtssätze
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