JudikaturJustiz6Ob191/05i

6Ob191/05i – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Oktober 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Stadt Innsbruck, vertreten durch die Bürgermeisterin Hilde Z*****, diese vertreten durch Dr. Christian Waldhart, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Peter P*****, und 2. S*****gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr. Bernhard Hämmerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 4. Mai 2005, GZ 4 R 116/05w 25, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 12. Jänner 2005, GZ 16 C 2145/03z 19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat den beklagten Parteien die mit 549,34 EUR (darin 91,56 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Stadtgemeinde ist Eigentümerin der „Hofgasse" in der Altstadt von Innsbruck. Bei der Grundfläche handelt es sich um öffentliches Gut.

Der Erstbeklagte betreibt seit 1975 in der Hofgasse ein Souvenirgeschäft. Schon seit 1983 stellte er vor seinem Geschäft einen Warenverkaufsständer mit einem Sockelmaß von 65 x 65 cm auf. Mit Bescheid der Magistratsabteilung II Amt für Straßen und Verkehrsrecht vom 28. 11. 2002 wurde dem Erstbeklagten die verwaltungsrechtliche Bewilligung zur Aufstellung eines Warenständers im Höchstausmaß von 0,5 m² für den Zeitraum vom 28. 11. 2002 bis 27. 11. 2004 mit der Auflage bewilligt, dass das Einvernehmen mit dem Grundeigentümer herzustellen sei.

Die Zweitbeklagte betreibt seit ca drei Jahren in der Hofgasse ebenfalls ein Souvenirgeschäft und präsentiert ihre Waren auf einem Warenständer und auch an der Fassade des Hauses Hofgasse 2. Mit Bescheid des Stadtmagistrats vom 4. 2. 2002 wurde die verwaltungsrechtliche Bewilligung zur Aufstellung eines Warenständers im Höchstausmaß von 0,5 m² erteilt, mit Bescheid vom 4. 6. 2002 wurde der Zeitraum 4. 6. 2002 bis 3. 6. 2004 festgelegt. Auch der Zweitbeklagten wurde die Auflage erteilt, das Einvernehmen mit dem Grundeigentümer herzustellen. In den beiden angeführten Bescheiden ist folgende Zustimmungserklärung der Klägerin als „Grundeigentümerin oder Dienstbarkeitsberechtigten bzw als Straßenverwalter gemäß § 5 Tiroler Straßengesetz" enthalten: „1. Diese Zustimmung erfolgt nur gegen jederzeit möglichen Widerruf und gilt auch für eine eventuelle Verlängerung des vorliegenden Bescheides nach den Bestimmungen der StVO.

2. Im Falle des Widerrufes hat der Bewilligungswerber den Bewilligungsgegenstand vom städtischen Grund (ersatzlos) zum angesetzten Termin zu entfernen, ohne dass ihm Ersatzansprüche, welcher Art auch immer, zustehen.

...

6. Für diese prekaristische Grundbenützungsgestattung bzw Zustimmung als Dienstbarkeitsberechtigte ist ein jährlicher Anerkennungszins in Höhe von EUR 36,34 zu bezahlen (zusätzlich EUR 2,18 Verwaltungskostenbeitrag jährlich)".

Die Beklagten bezahlten den Anerkennungszins in der vorgeschriebenen Höhe.

In der Hofgasse präsentieren weitere Gewerbetreibende ihre Waren auf Verkaufsständern vor ihren Geschäften. Diese Gewerbetreibenden haben genauso wie die beiden Beklagten immer wieder und regelmäßig die grundsätzlich eingeräumte Fläche von 0,5 m² für die Aufstellung eines Werbeständers überschritten. Der Erstbeklagte stellte mehrfach einen zweiten Warenständer ohne Bewilligung auf, auch die Zweitbeklagte hat schon einmal einen zweiten Warenständer aufgestellt und einmal die genehmigte Fläche überschritten.

Die Klägerin war bestrebt, das Erscheinungsbild der Altstadt zu verbessern. Bis zur endgültigen Umsetzung wurde eine Übergangslösung vereinbart, wonach die Händler zwei genehmigungsfähige Warenständer aufstellen dürften, wenn sie andererseits sämtliche Waren von den Fassaden entfernten.

Mit Schreiben vom 23. 10. 2003 widerrief die Innsbrucker I*****gesellschaft mbH unter Bezugnahme auf eine Informationsveranstaltung vom 27. 5. 2003 wegen erfolgter Regelverstöße mit sofortiger Wirkung das Prekarium gegenüber den beiden Beklagten. Die Beklagten präsentierten weiterhin ihre Waren vor ihren Geschäften auf einem Warenständer.

Die Klägerin begehrt mit ihren am 18. 11. 2003 beim Erstgericht eingelangten Klagen von beiden Beklagten jeweils die Unterlassung der Aufstellung von Werbe bzw Warenständern. Die Beklagten hätten sich nicht an die Bewilligungsbestimmungen gehalten, sodass die Zustimmung widerrufen worden sei. Bei der Zustimmung der Grundeigentümerin handle es sich um keinen Mietvertrag mit den Beklagten, sondern um ein Prekarium. Der Widerruf sei jederzeit und ohne Grund möglich. Hier hätten die Beklagten auch laufend Vertragsverletzungen begangen. Alle Gewerbetreibenden in der Stadt seien von der Klägerin gleich behandelt worden.

In der Tagsatzung vom 5. 4. 2004 stellte die Klägerin das Eventualbegehren, die Beklagten hätten es zu unterlassen, auf dem Grundstück der Klägerin Werbe bzw Warenständer aufzustellen, sofern dadurch mehr als ½ m² Grundfläche verwendet werde.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klagebegehren und brachten im Wesentlichen vor, dass sie mit der Klägerin dem MRG unterliegende Mietverträge abgeschlossen hätten, weil nicht ein Anerkennungszins, sondern ein erhebliches Mietentgelt bezahlt werde. Die Zustimmung der Klägerin sei für die Dauer der straßenverkehrsbehördlichen Bewilligung erteilt worden. Eine rechtswirksame Kündigung liege nicht vor. Die Klägerin sei an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden und müsse alle Gewerbetreibenden gleich behandeln. Die Klage bedeute eine Disziplinierungsmaßnahme gegen einige der Gewerbetreibenden. Die Klägerin unterliege als Monopolist dem Kontrahierungszwang. Ein Widerruf der Zustimmung setze sachliche Gründe voraus.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab, gab dem Eventualbegehren aber statt. Über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte es noch fest, dass in Bezug auf die Warenpräsentation der Beklagten auf ihren Warenständern im Vergleich zu den anderen Geschäften in der Hofgasse kein Unterschied festgestellt werden könne.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die Klägerin auch im Rahmen ihrer privatrechtlichen Tätigkeit dem Gleichheitsgrundsatz Genüge zu tun habe. Die Klägerin sei als Straßenverwalterin Monopolistin. Sie treffe ein Kontrahierungszwang. Gravierende und wiederholte Vertragsverletzungen könnten zum Anlass genommen werden, die Aufrechterhaltung des Vertragszustandes zu verweigern. Die Klägerin dürfe aber nicht willkürlich einzelne Vertragspartner bestrafen. Eine generelle Untersagung der Aufstellung von Verkaufsständern sei daher unzulässig. Die Klägerin könne von den Beklagten aber verlangen, sich an die bescheidmäßigen Auflagen zu halten. Dem Eventualbegehren sei stattzugeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Auf eine unterschiedliche Behandlung der Gewerbetreibenden in der Hofgasse komme es ebensowenig an wie auf die von der Klägerin gewünschte ergänzende Feststellung, dass sie alle Prekarien widerrufen habe, bei denen sich Gewerbetreibende vertragswidrig verhalten hätten. Feststellungen zur Gleichbehandlung aller Gewerbetreibender seien entbehrlich, weil es keinen Anspruch auf „Gleichbehandlung im Unrecht" gebe. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht ferner aus, dass nach § 2 des Tiroler Straßengesetzes ein Sondergebrauch jede nicht unter den Gemeingebrauch fallende Benützung einer Straße sei. Die Beklagten nutzten die Straße durch Aufstellen von Verkaufsständern im Rahmen eines Sondergebrauchs. Hiefür sei die schriftliche Zustimmung des Straßenverwalters (§ 5 Abs 1 Tiroler Straßengesetz) erforderlich. Der Straßenverwalter sei derjenige, dem als Träger von Privatrechten der Bau, die Erhaltung und die Verwaltung einer Straße obliege (§ 2 Abs 7 leg cit). Die Zustimmung dürfe nur erteilt werden, wenn der beabsichtigte Sondergebrauch die Schutzinteressen der Straße nicht beeinträchtige und dürfe nur unter Beschränkungen erteilt werden, soweit die Schutzinteressen der Straße dies erforderten. Die Zustimmung dürfe weiters nur befristet oder unbefristet auf jederzeitigen Widerruf erteilt werden (§ 5 Abs 2 Tiroler Straßengesetz). Die Beklagten verfügten über zeitlich befristete straßenverkehrsbehördliche Genehmigungen im Sinne des § 82 StVO einerseits sowie über eine unbefristete privatrechtliche Zustimmungserklärung der Klägerin als Grundeigentümerin zum Sondergebrauch andererseits. Die entgeltliche Gebrauchsüberlassung durch Einräumung privatrechtlich gestalteter Sonderbenützungsrechte von Straßengrund sei keine Gebrauchsüberlassung im Sinne des § 1090 ABGB, sondern die Gestattung, das öffentliche Gut unter Ausschluss des Gemeingebrauchs zu benützen. Die Zustimmung zur Sonderbenützung werde in Form eines Gestattungsvertrags erteilt, der in bestimmten Belangen, insbesondere hinsichtlich der Beendigungsgründe des Dauerrechtsverhältnisses seine besondere Ausgestaltung durch das Straßenrecht erfahre. Es liege ein Innominatvertrag vor. Die Beendigung des Gestattungsvertrags regle § 5 Abs 3 Tiroler Straßengesetz. Der Straßenverwalter habe die Zustimmung zum Sondergebrauch unter Setzung einer angemessenen Frist ganz oder teilweise zu widerrufen, a) soweit dies die Schutzinteressen der Straße erforderten oder b) wenn es wegen einer baulichen Änderung der Straße erforderlich sei. Die Klägerin unterliege als Eigentümerin des öffentlichen Guts dem Kontrahierungszwang. Dieser bestehe überall dort, wo faktische Übermacht eines Beteiligten ihm die Möglichkeit der „Fremdbestimmung" über andere gebe, insbesondere bei Innehabung einer Monopolstellung. Eine solche komme der Straßenverwaltung zu. Der Monopolist müsse, wenn ihm ein Vertragsabschluss zumutbar sei, einen guten sachlichen Grund für die Verweigerung des Vertragsabschlusses haben. Dies gelte auch für den Widerruf der Bewilligung einer Sondernutzung. Die Klägerin dürfe ihre Zustimmung nur aus den im § 5 Abs 3 lit a und b Tiroler Straßengesetz genannten Gründen widerrufen. Sie behaupte zwar rechtsirrig das Vorliegen eines Prekariums, habe sich aber bei ihrem Widerruf auch auf mehrfache Vertragsverletzungen der Beklagten berufen. Ein wichtiger Grund für den Widerruf liege vor, wenn durch die Vertragsverletzung Interessen der Straße nach § 2 Abs 9 Tiroler Straßengesetz verletzt würden, etwa das Interesse der Wahrung des Straßenbildes. Wenn die Klägerin somit gegen Vertragsverletzer vorgehe, könnten sich diese nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Hier sei entscheidend, ob die ursprüngliche privatrechtliche Gestattung wirksam widerrufen worden sei. Gemäß § 5 Abs 3 Tiroler Straßengesetz dürfe der Straßenverwalter die Zustimmung zum Sondergebrauch nur unter Setzung einer angemessenen Frist widerrufen. Da der Innominatvertrag ausschließlich durch das Tiroler Straßengesetz determiniert werde, könne sich die Klägerin nicht auf einen anderen, im Gesetz nicht angeführten wichtigen Grund stützen. Zumindest sei eine Fristsetzung für den Widerruf erforderlich. Die Klägerin habe sich darauf gestützt, keine Frist einhalten zu müssen. Es sei nicht festgestellt worden, dass den Beklagten eine angemessene Frist eingeräumt worden sei. Eine anlässlich einer Bürgerversammlung erfolgte Klarstellung sei einer Fristsetzung nicht gleichzusetzen. Es sei auch nicht vorgebracht und festgestellt worden, dass die Beklagten bei der Bürgerversammlung anwesend gewesen wären.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zu den Fragen, ob neben den Widerrufsgründen des Tiroler Straßengesetzes auch sonstige wichtige Gründe zur Auflösung des Dauerschuldverhältnisses führen können und ob die Fristsetzung eine Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Widerruf der Zustimmung zum Sondergebrauch darstelle, liege keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass ihrem Hauptbegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

I. Die Aufstellung von Werbeträgern auf Straßen und anderem öffentlichen Gut steht nicht schon aufgrund des Gemeingebrauchs zu. Sie bedarf einer privatrechtlichen Bewilligung des Grundeigentümers (1 Ob 578, 579/79 = SZ 52/62). Die über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung ist ein Eingriff in das Eigentumsrecht, den der Grundeigentümer gegen Entgelt oder unentgeltlich mit einem dem Privatrecht unterliegenden Gestattungsvertrag erlauben kann (6 Ob 280/98i = SZ 72/14 mwN). Mit der festgestellten Zustimmungserklärung der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Grundeigentümerin wurde in diesem Sinn ein Gestattungsvertrag abgeschlossen.

Es ist der Revisionswerberin in ihrer Argumentation zu folgen, dass für die Sondernutzung (den Sondergebrauch) an einer öffentlichen Straße oder an einem anderen öffentlichen Gut klar voneinander zu unterscheidende Voraussetzungen gegeben sein müssen, nämlich die behördliche Bewilligung des Straßenverwalters unter den im § 5 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl 1989/13 idgF normierten Voraussetzungen und (kumulativ) die Zustimmung des Eigentümers des Straßengrundes:

Für den Fall, dass der Straßengrund nicht im Eigentum der Gebietskörperschaft steht, ist die Unterscheidung geradezu selbstverständlich, bedeutete doch eine Sondernutzung nur auf Grund der Zustimmung der Straßenverwaltung und ohne Zustimmung des Grundeigentümers einen Enteignungsfall. Die Zustimmung des Grundeigentümers ist aber auch im Fall der hier gegebenen Personalunion (die Gemeinde einerseits als Straßenverwaltung und Trägerin der sogenannten Straßenbaulast und andererseits in ihrer Eigenschaft als Grundeigentümerin) zu verlangen. Das Tiroler Straßengesetz unterscheidet selbst und völlig unmissverständlich zwischen diesen beiden Eigenschaften, sieht doch § 5 neben der in den Abs 1 und 2 angeführten behördlichen Zustimmung des Straßenverwalters im Abs 6, wenn der Straßengrund im Eigentum der Gemeinde steht, in den dort genannten Fällen ausdrücklich deren Gestattungspflicht vor, und zwar nach lit c „gegen ein angemessenes Entgelt" und „befristet oder unbefristet auf jederzeitigen Widerruf". Es ist daher der Revisionswerberin zuzustimmen, dass das mit dem Gestattungsvertrag begründete Dauerschuldverhältnis - bei dem es sich nach Auffassung der Klägerin um ein Prekarium handeln soll nicht schon deshalb unwiderruflich ist, weil unstrittig kein Widerrufsgrund nach § 5 Abs 3 des Tiroler Straßengesetzes (Schutzinteressen der Straße oder wegen einer baulichen Änderung der Straße) vorliegt. In diesem Sinne anerkannte der Oberste Gerichtshof in der präjudiziellen Vorentscheidung 3 Ob 521/88 (auch dort ging es um Warenständer in der Hofgasse in Innsbruck mit derselben Klägerin), dass bei der Entscheidung der Gemeinde über den Sondergebrauch die Interessen aller Bürger an der Stadtbild und Denkmalpflege zu berücksichtigen seien und dass diese Interessen gegen einen Kontrahierungszwang sprechen könnten. Wenn solche Gründe zur Verweigerung der Sondernutzung herangezogen werden können, liegt es auf der Hand, dass diese Gründe auch einen Widerrufsgrund darstellen können und dass die im § 5 Abs 3 des Tiroler Straßengesetzes angeführten Umstände nur für den Straßenverwalter, nicht aber für den Grundeigentümer maßgebliche und taxativ aufgezählte Widerrufsgründe sind.

II. Zur Qualifikation des Gestattungsvertrags:

Hat sich der Eigentümer der Sache trotz der Entgeltlichkeit des Verhältnisses das Recht vorbehalten, die Rückgabe nach seinem Gutdünken zu verlangen, dann liegt mangels der Voraussetzungen der Überlassung der Sache auf eine gewisse Zeit ein Bestandvertrag nicht vor (so schon 1 Ob 614/57 = JBl 1958, 363). Es handelt sich vielmehr um einen Innominatvertrag (2 Ob 3/98z = SZ 71/53), also einen im Rahmen der Privatautonomie geschlossenen und zulässigen Vertrag, der keinem gesetzlichen Vertragstypus entspricht (Rummel in Rummel ABGB³ Rz 21 zu § 859). Gegen diese Beurteilung führt die Klägerin die vereinbarte jederzeitige Widerruflichkeit der Gestattung ins Treffen. Für den Widerruf bedürfe es keiner Fristsetzung (eine solche sei aber ohnehin erfolgt) und auch keines Widerrufsgrundes (ein solcher läge aber wegen vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten auch vor). Dazu ist Folgendes auszuführen:

Das wesentliche Element der Bittleihe (Prekarium) ist die jederzeitige Widerruflichkeit durch den Verleiher. Dieser kann die entlehnte Sache nach Willkür zurückfordern (§ 974 ABGB). Daneben ist die Unentgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung wesentlich. Ein bloß geringfügiges Entgelt, das gegenüber dem Wert der Benützung nicht ins Gewicht fällt, schließt ein Prekarium nicht aus (Schubert in Rummel ABGB³ Rz 2 zu § 974 mwN). Auf den Einwand, hier sei bloß ein geringfügiger Anerkennungszins zu zahlen, kommt die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr zurück, sodass es schon fraglich erscheint, ob nicht das festgestellte jährliche Entgelt von immerhin 36 EUR bei dem geringen Ausmaß der Sondernutzung von nur ½ m² Straßenfläche (Gehsteig) nicht mehr als geringfügig anzusehen wäre. Für diese Beurteilung spricht jedenfalls der Gesetzeswortlaut des § 5 Abs 6 lit c des Tiroler Straßengesetzes, wonach die Gebietskörperschaften (Land und Gemeinden) die Benützung des Straßengrundes in den dort genannten Fällen gegen „ein angemessenes Entgelt" zu gestatten haben. Es liegt nahe, dass sich die Klägerin bei ihrer Zustimmungserklärung und dem geforderten Entgelt an dieser Gesetzesformulierung orientierte (also ein angemessenes Entgelt verlangte), genauso, wie sie dies beim Vorbehalt des jederzeit möglichen Widerrufs machte. Letzterer ist im Lichte der oberstgerichtlichen Judikatur zum Kontrahierungszwang von Gebietskörperschaften auch bei Gestattungsverträgen dahin auszulegen, dass die Vereinbarung über den Widerruf um den Halbsatz zu ergänzen ist: „...Wenn ein wichtiger Widerrufsgrund vorliegt." Nach der ständigen Judikatur seit der Entscheidung 1 Ob 227/71 = SZ 44/138 besteht ein Kontrahierungszwang überall dort, wo faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität ihm die Möglichkeit der „Fremdbestimmung" über andere gibt, also insbesondere bei Innehabung einer Monopolstellung. Der Straßenverwaltung kommt eine solche Monopolstellung zu. Monopolist muss, wenn ihm ein Vertragsabschluss zumutbar ist, einen guten (sachlichen) Grund für die Verweigerung eines Vertragsabschlusses haben (RIS Justiz RS0016745). Der Kontrahierungszwang besteht nicht nur für lebenswichtige Güter wie beispielsweise auf dem Gebiet der Stromversorgung, er wurde auch schon für den völlig vergleichbaren Fall eines Gestattungsvertrags über die Aufstellung eines Warenständers auf öffentlichem Gut bejaht (siehe die schon zitierte Entscheidung 3 Ob 521/88). Daraus ist abzuleiten, dass es sich bei der Vereinbarung über den jederzeitigen Widerruf nicht um einen unbegründeten Widerruf im Sinne des gesetzlichen Prekariums gemäß § 974 ABGB handeln kann, weil es geradezu sinnwidrig wäre, dass die Klägerin jederzeit und grundlos das Schuldverhältnis zur Auflösung bringen könnte, andererseits aber verpflichtet wäre, über Verlangen sofort wieder einen neuen Gestattungsvertrag abzuschließen. Dies erkennt die Revisionswerberin offenbar auch selbst, wenn sie im Anschluss an die Behauptung eines frist und grundlosen Widerrufsrechts bemerkt, dass die Beklagten „dann gegebenenfalls lediglich das Recht (hätten), auf Abschluss eines Vertrags zu klagen".

Zum Kontrahierungszwang der Gemeinde ist schließlich noch ergänzend auszuführen, dass sich dieser auch aus dem für Gebietskörperschaften geltenden Gebot der Gleichbehandlung ableiten lässt. Der Monopolist darf ohne sachliche Begründung Interessenten nicht verschieden behandeln (4 Ob 538, 539/91).

III. Entgegen den Revisionsausführungen liegt hier kein ausreichend wichtiger Grund zur Auflösung des mit dem Gestattungsvertrag, einem Innominatkontrakt begründeten Dauerschuldverhältnisses vor:

Wohl steht fest, dass die Beklagten in unzulässiger Rechtsanmaßung ihr Benutzungsrecht ausgeweitet haben. Vertragsverletzungen rechtfertigen jedoch nicht generell die Auflösung des Dauerschuldverhältnisses. Der Auflösungsgrund liegt vor, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses dem einen Teil unter Berücksichtigung der Eigenart des Schuldverhältnisses, des gesamten Verhaltens der Vertragspartner und der Interessen beider Vertragsteile nicht zugemutet werden kann (RIS Justiz RS0018842). Auch die Bewilligung einer Sondernutzung aufgrund eines Gestattungsvertrags kann nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen widerrufen werden, insbesondere dann, wenn es um die wirtschaftliche Existenz des Sonderbenützungsberechtigten geht (1 Ob 544/89 = SZ 62/34). Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist hier ein Widerrufsgrund (Auflösungsgrund) schon deshalb zu verneinen, weil dem österreichischen Recht außerhalb der gesetzlichen Verwirkungstatbestände ein allgemeiner Verwirkungstatbestand fremd ist (RS0014221; 6 Ob 48/99y) und künftige Vertragsverletzungen von der Klägerin leicht und ohne besondere Aufwendungen durch Erwirkung eines Unterlassungstitels verhindert werden können. Besondere Gründe dafür, dass der Klägerin die fortgesetzte Gestattung der Sondernutzung im Ausmaß der Verwendung von ½ m² öffentlichen Guts nicht zumutbar wäre, führt die Revisionswerberin auch gar nicht ins Treffen. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist daher ein wichtiger Grund für den Widerruf der Gestattung zu verneinen und die Abweisung des Hauptbegehrens der Klägerin zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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