JudikaturJustiz6Ob17/04z

6Ob17/04z – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. März 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** in Frankreich verstorbenen Ernest Robert M*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Söhne Jean Claude M*****, und Francois M*****, beide vertreten durch Dr. Alfred Richter, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. November 2003, GZ 42 R 634/03a 80, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 18. April 2003, GZ 16 A 195/97t 69, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am 25. 10. 1994 in Frankreich verstorbene Erblasser war französischer Staatsbürger. Seine Witwe, eine österreichische und französische Staatsbürgerin, verstarb am 2. 5. 1995. Der Erblasser hinterließ drei Söhne aus seiner geschiedenen ersten Ehe. Der Nachlass der Witwe wurde einer Stiftung, die ihren Sitz in Liechtenstein hat, mit der rechtskräftigen Einantwortungsurkunde vom 24. 11. 1995 eingeantwortet. Der Erblasser hatte mit der in französischer Sprache abgefassten, eigenhändig geschriebenen letztwilligen Verfügung vom 2. 1. 1993 seine Ehegattin zur Universalerbin ("Légataire universelle") eingesetzt.

Die anwaltlich vertretene Stiftung und ihr Rechtsvertreter (dieser auch im eigenen Namen "als Testamentsvollstrecker und Verwalter des Nachlasses nach der Witwe des Erblassers") beantragten am 25. 11. 1997 die Eröffnung des Nachlassverfahrens unter Hinweis auf den letzten Wohnsitz des Erblassers in Österreich und eine dadurch gegebene österreichische Abhandlungsgerichtsbarkeit gemäß § 23 Abs 3 AußStrG. Der Erblasser habe über bewegliches Vermögen in Frankreich verfügt. Die Witwe habe den französischen Notar mit den nötigen Vorkehrungen beauftragt. Bis zu ihrem Ableben sei weder ein Inventar errichtet noch eine Erbserklärung der Söhne eingeholt worden. Erst auf Betreiben der antragstellenden Stiftung sei am 12. 6. 1995 ein notarielles Inventar errichtet worden. Danach sei nur mehr ein Entwurf für eine Liquidation des französischen Nachlasses verfasst worden. Zum beweglichen Nachlassvermögen in Frankreich gehöre ein Besitz mit mehreren Gebäuden (sic!). Die Eheleute seien 1992 nach Wien übersiedelt. Nach der Einantwortung der Stiftung in den Nachlass der Witwe hätten zwei Söhne des Erblassers mit der Behauptung, die zweite Ehe ihres Vaters unterliege nach dem bei der Eheschließung geltenden französischen Recht der gesetzlichen Gütergemeinschaft, am 14. 5. 1996 gegen die Stiftung beim Gericht in Grasse (Frankreich) eine Klage mit folgendem Begehren eingebracht:

a) Feststellung, dass die Ehegatten seit ihrer Eheschließung in Wien am 25. 7. 1957 bis zum 2. 12. 1992 dem französischen gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft unterlegen seien, demzufolge sich die Gütergemeinschaft auf das gesamte österreichische und französische Vermögen mit Ausnahme ererbter oder schenkungsweise erworbener Liegenschaften erstrecke;

b) Beauftragung eines Notars, eine Abrechnung sowie die Liquidation und Teilung des Gemeinschaftsvermögens per 2. 12. 1992;

c) Bewilligung einer Versteigerung des Besitzes in Grasse.

Wenn die Behauptungen der Söhne zuträfen, hätte der Erblasser in Österreich über erhebliches Miteigentum verfügt. Jedenfalls sei über das in Frankreich gelegene Vermögen des Erblassers abzuhandeln, das dort noch nicht abgehandelt worden sei.

Im Zuge des Verfahrens wurde eine Todfallsaufnahme errichtet und ein Schätzungsgutachten zum Wert der Fahrnisse eingeholt (ON 16).

Am 10. 4. 2000 gab die antragstellende Stiftung eine bedingte Erbserklärung unter Berufung auf das eigenhändige Testament vom 2. 1. 1993 ab (ON 20). Die beiden erblasserischen Söhne (Antragsgegner) gaben am 11. 4. 2000 aufgrund des Gesetzes bedingte Erbserklärungen ab (ON 22).

Dieses Testament hat folgenden ins Deutsche übersetzten Wortlaut:

"Ich, der unterfertigte Robert M*****, geboren in St. Germain en Laye am 31. Mai 1895, erkläre hiermit, als meine Universalerbin meine Ehegattin, Frau Elisabeth M***** einzusetzen.

Geschehen in Wien, am 2. Jänner 1993

(unleserliche Unterschrift eh)".

Das Erstgericht nahm mit Beschluss vom 14. 8. 2001 die bedingten Erbserklärungen der Stiftung und der beiden Söhne zu Gericht an und stellte es den Parteien frei, binnen drei Wochen sich darüber zu äußern, wer als Kläger aufzutreten habe (ON 46).

Die Stiftung beantragte, den Söhnen (als Träger des schwächeren Erbrechtstitels) die Klägerrolle zuzuweisen.

Die beiden Söhne behaupteten, dass der Erblasser in Österreich weder einen Wohnsitz noch eine Niederlassung besessen habe und erhoben die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit. Wegen der Unzuständigkeit des Gerichts und der Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens werde eine Äußerung nach § 125 AußStrG vorbehalten.

Das Erstgericht wies den Antrag, die Unzuständigkeit und die Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens auszusprechen, ab, wies den Söhnen die Klägerrolle gemäß § 125 AußStrG zu und bestimmte eine Frist von zwei Monaten für die Klageeinbringung (ON 54).

Das Rekursgericht hob mit Beschluss vom 20. 8. 2002, 42 R 284/02d, über Rekurs der Söhne diesen Beschluss zur Verfahrensergänzung auf. Es erachtete ergänzende Feststellungen über den letzten ordentlichen Wohnsitz des Erblassers für erforderlich. Es sei auch noch klarzustellen, ob "der Transmittent bloß die Ausfolgung oder die Abhandlung begehrt" (ON 60). Der Rechtsvertreter der Stiftung gab über Aufforderung des Erstgerichts am 20. 11. 2002 ua bekannt, dass im Antrag auf Eröffnung des Nachlassverfahrens auf § 23 Abs 3 AußStrG verwiesen worden sei. Es werde kein Antrag auf Eröffnung eines Ausfolgungsverfahrens gestellt. Zur Frage des Wohnsitzes des Erblassers wurde in diesem Schriftsatz ausgeführt, dass die Ehegatten definitiv im Frühsommer 1992 nach Österreich übersiedelt seien. Im Haus in Frankreich seien nur wenige Gegenstände aufgefunden und inventarisiert worden. Dieses Haus sei nur mehr für einen kurzfristigen Aufenthalt eingerichtet geblieben. Wien sei der gemeinschaftliche und faktische Mittelpunkt in der Absicht gewesen, hier zu bleiben und nicht mehr in Frankreich zu leben.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang den Antrag der erblasserischen Söhne, die Unzuständigkeit und Nichtigkeit des Verfahrens auszusprechen, neuerlich ab und wies ihnen unter Setzung einer Frist von zwei Monaten für die Klageeinbringung die Klägerrolle zu. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es noch folgende Feststellungen (ON 69):

Der Erblasser habe zunächst in Frankreich gewohnt. Im Frühjahr 1992 sei er nach Österreich in eine Wohnung in Wien gezogen. Diese Wohnung sei bereits 1983 eingerichtet worden. Seit dem Umzug im Frühjahr 1992 habe er sich durchgehend bis Sommer 1994 in Wien aufgehalten. Seit 24. 6. 1992 sei er in Wien auch polizeilich gemeldet gewesen. Der Grund für die Übersiedlung sei der Umstand gewesen, dass der Erblasser in Frankreich in ärztlicher Behandlung gestanden, von den französischen Ärzten aber aufgegeben worden sei. Auf Betreiben seiner nachverstorbenen Frau sei er im Mai 1992 nach Wien transportiert und hier erfolgreich operiert worden. Daraufhin hätte er sich mit seiner Frau entschlossen, ständig in Wien zu bleiben und die Stadt zum neuen Lebensmittelpunkt zu machen. Der Großteil der Fahrnisse aus dem Haus in Frankreich sei nach Wien gebracht worden. Um ihm das beschwerliche Stiegensteigen zu ersparen, sei im Haus in Wien sogar ein eigener Lift eingebaut worden. Im Sommer 1994 habe er mit seiner Frau auf deren Anregung eine letzte Reise zu seiner ehemaligen Wohnung in Frankreich gemacht, wo er schließlich am 25. 10. 1994 verstorben sei. Der Erblasser habe in Österreich bewegliches Nachlassvermögen hinterlassen. Es könne nicht festgestellt werden, ob sich hier auch unbewegliches Nachlassvermögen befinde.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass der Erblasser in Österreich seinen letzten Wohnsitz gehabt habe, sodass mangels entgegenstehender Staatsverträge mit Frankreich der inländische bewegliche Nachlass gemäß § 23 Abs 3 AußStrG vom österreichischen Gericht abzuhandeln sei. Die verfahrensrechtliche Frage des Wohnsitzes sei nach der lex fori zu beurteilen. Der Wohnsitz einer Person werde nach § 66 Abs 1 JN dadurch bestimmt, dass sich eine Person an einem Ort in der Absicht niederlasse, hier bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Am Wohnsitz in Österreich ändere der Umstand nichts, dass der Erblasser die letzten Wochen seines Lebens in Frankreich verbracht habe und dort auch verstorben sei. Die Reise nach Frankreich habe nur der seelischen Aufrichtung und nicht der Verlegung seines Wohnsitzes nach Frankreich gedient. Ob er neben dem festgestellten Wohnsitz in Österreich auch einen weiteren Wohnsitz in Frankreich gehabt habe, könne dahingestellt bleiben. Wenn im Urteil des französischen Landesgerichtes Grasse vom 7. 11. 2000, im französischen Notariatsakt vom 26. 1. 1996 und auch in der Erbschaftserklärung des dritten Sohnes ein Wohnsitz in Grasse erwähnt werde, beweise dies noch nicht, dass der Erblasser dort tatsächlich seinen Wohnsitz gehabt habe. Das Gericht habe alle Erbserklärungen zu Gericht anzunehmen, müsse aber bei widersprechenden Erbserklärungen die Parteirollen verteilen. Dazu sei keine Äußerung der erblasserischen Söhne bei Gericht eingelangt. Die Berufung zum Erbrecht aufgrund des Gesetzes stelle den schwächeren Titel gegenüber der Berufung aufgrund eines Testaments dar.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der erblasserischen Söhne nicht Folge. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und teilte die Auffassung des Erstgerichtes, dass der Erblasser zuletzt seinen Wohnsitz in Wien gehabt habe. Die Vernehmung sämtlicher Parteien zu diesem Thema sei im außerstreitigen Verfahren nicht erforderlich. Eine letztwillige Verfügung, die ihrem Inhalt nach die Auslegung als Testament zulasse, sei so lange als Testament zu behandeln, als nicht von demjenigen, der die Testamentseigenschaft bestreite, bewiesen werde, dass der Erblasser bei der Errichtung der Urkunde keine Erbseinsetzung gewollt habe. Ob eine Erbseinsetzung oder ein Vermächtnis vorliege, sei im Streitfall im Rechtsweg zu klären. Die Formulierung in der letztwilligen Verfügung spreche für eine Universalsukzession, sodass den Söhnen als gesetzlichen Erben die Klägerrolle zuzuweisen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Söhne, die Unzuständigkeit der österreichischen Gerichte auszusprechen und das Verfahren für nichtig zu erklären, hilfsweise die Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung.

Vorweg ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung mit dem Rekurs gemäß § 9 Abs 4 AußStrG nicht nur die Entscheidung über die Vorstellung, sondern auch der dieser zu Grunde gelegene, mit der Vorstellung angefochtene Beschluss bekämpft werden kann, und zwar binnen 14 Tagen ab Zustellung des Beschlusses über die Vorstellung (SZ 26/9; JBl 1953, 663; EvBl 1957, 422; 7 Ob 535/93; zuletzt 9 Ob 32/03a). Der von den erblasserischen Söhnen erhobene Rekurs gegen die Abweisung der Vorstellung war daher auch insoweit rechtzeitig, als er sich inhaltlich gegen den erstgerichtlichen Beschluss vom 18. 4. 2003 gerichtet hat.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels einschlägiger Judikatur zulässig, aber nicht berechtigt.

I. Die Revisionsrekurswerber stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, dass der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nicht in Österreich, sondern in Frankreich gehabt habe, relevieren dazu eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens wegen der unterbliebenen Vernehmung ihrer Personen zu diesem Thema und wegen fehlender Übersetzungen von Originalurkunden. Sie wiederholen ihren Einwand der Unzuständigkeit des österreichischen Abhandlungsgerichtes und der daraus folgenden Nichtigkeit des Verfahrens. Dem ist entgegen zu halten:

1. Da die Vorinstanzen das Vorliegen des Prozesshindernisses der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit verneint haben, kann dieser Einwand nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung in dritter Instanz nicht neuerlich geltend gemacht werden (SZ 70/45; 9 ObA 130/98b).

2. Die gerügten Verfahrensmängel können vom Obersten Gerichtshof gleichfalls nicht mehr behandelt werden, weil sie das Rekursgericht schon behandelt und ihr Vorliegen verneint hat, sodass darüber eine abschließende und auch im außerstreitigen Verfahren bindende Vorentscheidung vorliegt (RIS Justiz RS0007232).

3. Insoweit der Revisionsrekurs die Beweiswürdigung der Vorinstanzen unter Hinweis auf die Tätigkeit des Notars im französischen Abhandlungsverfahren und einen von diesem errichteten "Acte authentique de notoriete" angreift, wird kein zulässiger Revisionsrekursgrund releviert. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsachen , sondern Rechtsinstanz. Die Beweiswürdigung der Vorinstanzen unterliegt keiner weiteren Anfechtung. Auf die Beurteilung des Begriffs "letzter Wohnsitz" wird noch einzugehen sein.

II. Zur kollisionsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts:

1. Gemäß § 28 Abs 1 IPRG ist die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt des Todes zu beurteilen, hier also aufgrund der französischen Staatsbürgerschaft des Erblassers nach dem französischen Erbrecht. Allerdings bestimmt § 28 Abs 2 IPRG, dass für den Fall der Durchführung einer Verlassenschaftsabhandlung in Österreich (hier nach § 23 Abs 3 AußStrG über den in Österreich befindlichen beweglichen Nachlass) der Erbschaftserwerb und die Haftung für Nachlassschulden nach österreichischem Recht zu beurteilen sind.

2. Der Begriff "Erbschaftserwerb" ist weit auszulegen. Darunter ist jedoch nur der sachenrechtliche Erwerbsakt durch die Einantwortung samt deren Voraussetzungen wie etwa das Erfordernis von Erbserklärungen und die Verteilung der Parteirollen für einen allfälligen Erbrechtsprozess zwischen mehreren Erbansprechern aufgrund widerstreitender Erbserklärungen zu verstehen (1 Ob 176/01s = JBl 2002, 331). Unter den Begriff Erbschaftserwerb fällt auch der Erwerb durch Vermächtnisnehmer (RIS Justiz RS0106391), nicht aber der Erwerbstitel selbst (1 Ob 176/01s; 4 Ob 522/91 = JBl 1992, 460 mwN). Für die Frage, wer als Erbe berufen ist, ist wegen der Verweisung des § 28 Abs 1 IPRG zunächst das französische Erbrecht maßgeblich.

III. 1. Das französische materielle Erbrecht regelt die gesetzliche Rechtsnachfolge dahin, dass das Eigentum an den Nachlassbestandteilen im Wege eines gesetzlichen Besitzerwerbs ("saisine") ipso iure auf die im Gesetz bestimmten Familienangehörigen (vorrangig an die Deszendenten als Pflichterben) in einer bestimmten Quote übergeht. Letztwillig kann nur über die verbleibende Restquote in Form von Legaten (Universallegaten) verfügt werden. Die zur gesetzlichen Erbfolge zum Erwerb der "saisine" berufenen ordentlichen Erben sind die legitimierten und natürlichen Verwandten sowie der überlebende Ehegatte (Ferid/Sonnenberger, Das französische Zivilrecht III2 5 B 2 ff), Letzterer aber nur subsidiär gegenüber dem Verwandtenerbrecht (Ferid/Sonnenberger aaO 5 B 23). Letztwillig kann nur mit Vermächtnissen verfügt werden, auch wenn sich diese auf den Gesamtnachlass erstrecken ("légataire universel"). Wenn keine Pflichterben vorhanden sind, wird der Universallegatar wie ein Erbe behandelt (Universalrechtsnachfolger). Sind aber ordentliche Erben vorhanden, schließen sie den "Testamentserben" aus (Ferid/Sonnenberger aaO 5 A 64). Nach französischem Erbrecht hätten daher die Söhne gegenüber der Witwe den Vorrang und den stärkeren Berufungsgrund.

2. Dem französischen Recht ist das Institut eines ruhenden Nachlasses mit eigener Parteifähigkeit nicht bekannt. Es verzichtet aber trotz des angeführten gesetzlichen Besitzerwerbs der Erben im Allgemeinen nicht auf ein Nachlassverfahren (6 Ob 632/89 mit ausführlicher Darstellung des französischen materiellen Erbrechts), in dem der Notar gewisse nachlassgerichtliche Funktionen auszuüben hat (1 Ob 524/92).

IV. Zum französischen Kollisionsrecht:

1. Das österreichische IPRG ist vom Grundsatz der Gesamtverweisung beherrscht. Die Verweisung auf eine fremde Rechtsordnung (hier nach § 28 Abs 1 IPRG) umfasst auch deren Verweisungsnormen (§ 5 Abs 1 IPRG). Wenn die fremde Rechtsordnung rückverweist, sind die österreichischen Sachnormen anzuwenden (SZ 66/179).

2. Im französischen internationalen Erbrecht werden Mobilien und Immobilien verschieden behandelt. Für Grundstücke gilt die lex rei sitae. Bei Mobilien wird an den letzten Wohnsitz des Erblassers angeknüpft. Dadurch kann es zu einer Aufspaltung des Nachlasses kommen, wenn der Erblasser in Frankreich seinen letzten Wohnsitz nicht hatte. Für französische Erblasser mit Wohnsitz im Ausland kommt es nach der ständigen Gerichtspraxis in Frankreich zu einer Rückverweisung (Ferid/Firsching/Dorner/Hausmann, Internationales Erbrecht Frankreich Grdz C I Rz 5; 6 Ob 632/89). Die von der Rechtsprechung geprägte, seit der Entscheidung Cass. Civ vom 19. 6. 1939 praktizierte Anknüpfung an den Erblasserwohnsitz gilt sowohl für die gesetzliche als auch für die gewillkürte Erbfolge (Ferid/Sonnenberger aaO 1 B 244 f). Stünde also im Sinne der getroffenen Feststellungen fest, dass der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Österreich hatte, wäre das österreichische Erbrecht für die Frage, wer als Erbe berufen ist und welchem Erbrechtstitel das stärkere Gewicht zukommt, maßgeblich. Damit stellt sich die entscheidende Frage, nach welchem Recht der Begriff "Wohnsitz" auszulegen ist.

V. Der Anknüpfungsbegriff "Wohnsitz" ist nach französischem Recht auszulegen:

1. Wenn das französische Kollisionsrecht eine Rückverweisung unter gewissen von ihm formulierten Voraussetzungen ausspricht, ist es naheliegend, diese Voraussetzungen nach dem Rechtsverständnis des rückverweisenden Heimatrechts zu prüfen, weil diesem die Abgrenzung der Reichweite der Verweisung zusteht (Ferid/Firsching/Dorner/Hausmann aaO Rz 9). Die vom fremden Kollisionsrecht verwendeten Anknüpfungsbegriffe sind bei der Prüfung von Rück und Weiterverweisungen ausschließlich nach diesem Kollisionsrecht zu qualifizieren (6 Ob 632/89).

2. Das französische Recht geht vom Grundsatz der Einheit des Wohnsitzes aus. Es gibt keinen doppelten Wohnsitz (Ferid/Sonnenberger aaO 1 D 179). Art 102 Abs 1 Code Civile (CC) definiert den zivilrechtlichen Wohnsitz ("domicile") in auslegungsbedürftiger Form nur als den Ort, wo der Betreffende sein "principal etablissement" hat. Daneben kennt das französische Recht aber auch den im Prozessrecht maßgeblichen tatsächlichen Aufenthaltsort ("residence") und den (zwingenden) gesetzlichen Wohnsitz (beispielsweise den vom "domicile" der Eltern abgeleiteten Wohnsitz der Kinder: de dépendance). Für die Anknüpfung im internationalen französischen Erbrecht ist das "domicile" maßgeblich (Ferid/Sonnenberger aaO 1 D 191). Für die Feststellung, wo eine Person, die sich an mehreren Orten niedergelassen hat, ihr "domicile" hat, prüfen die französischen Gerichte die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere auch die vom Betroffenen geäußerten Absichten (Ferid/Sonnenberger aaO 1 D 179). Dass es auch auf den subjektiven Willen ankommt, ergibt sich schon aus dem freien Wahlrecht, seinen Wohnsitz bestimmen zu können, sofern dem nicht ein vom Gesetz bestimmter Wohnsitz entgegensteht. Das "domicile" setzt also eine tatsächliche Wohnungsnahme und ein entsprechendes subjektives Element voraus. Dies geht schon aus der Bestimmung des Art 103 CC über den Wechsel des Wohnsitzes hervor. Die Änderung des tatsächlichen Wohnungsortes muss mit der Absicht verbunden sein, am neuen Ort das "domicile" zu begründen ("fixer son principal etablissement"). Daraus und aus der Bestimmung des Art 106 CC (über einen zeitweiligen oder widerruflichen Wohnortwechsel aus öffentlich rechtlichen Gründen, beispielsweise Militärdienst) ist ein Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes abzuleiten, soferne nicht ein gegenteiliger Wille nachgewiesen ist (Ferid/Sonnenberger aaO 1 D 187). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass auch die Auslegung nach französischem Recht zur Beurteilung des festgestellten Sachverhalts dahin führt, dass der Erblasser sein "domicile" in Wien nicht aufgegeben und in Frankreich keinen Wohnsitz begründet hat. Damit sind aber die Erbrechtstitel und ihr für die Verteilung der Parteirollen maßgebliches Verhältnis zueinander nach dem materiellen österreichischen Erbrecht zu beurteilen, soferne dem nicht bilaterale Nachlassabkommen oder europarechtliche Bestimmungen entgegenstehen.

VI. Die Revisionsrekurswerber sprechen kursorisch das Abkommen vom 15. 7. 1966 zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden auf dem Gebiet des Zivil und Handelsrechtes (BGBl 1967/288) an und wollen aus der Tätigkeit des französischen Notars offenbar eine Bindungswirkung für die österreichische Abhandlung ableiten. Aus den vorgelegten öffentlichen Urkunden ergäbe sich, "dass ein gleicher auf dem selben Rechtsanspruch gestützter Antrag zwischen den selben Parteien schon in Frankreich anhängig ist". Damit relevieren sie im Ergebnis das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit. Dazu ist auszuführen:

1. Das zitierte bilaterale Abkommen vom 15. 7. 1966 (abgedruckt in Duchek/Schütz/Tarko, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtsachen2 718 ff) ist durch die Bestimmungen des Lugano Übereinkommens (LGVÜ), des Brüsseler Gerichtsstands und Vollstreckungsübereinkommens (EuGVÜ) und der nun geltenden Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 (EuGVVO) nicht überholt, weil diese Übereinkommen jeweils das Gebiet des Erbrechts von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen haben bzw ausnehmen. Unter den von den Vertragsstaaten jeweils anzuerkennenden Entscheidungen versteht Art 2 des Abkommens vom 15. 7. 1966 jede im streitigen Verfahren oder im Verfahren außer Streitsachen gefällte Entscheidung, wie sie auch bezeichnet sein mag. Art 3 schränkt die Anerkennungspflicht auf die Entscheidungen von zuständigen Titelgerichten ein. Art 9 normiert: Die Gerichte des Entscheidungsstaates sind für Nachlassangelegenheiten betreffend bewegliches Vermögen zuständig, wenn der Erblasser Angehöriger dieses Staates war oder auf dessen Gebiet seinen letzten Wohnsitz hatte. Nach Art 14 Abs 1 haben die Gerichte der Vertragsstaaten nach den Vorschriften ihres innerstaatlichen Rechts einen Antrag entweder zurückzuweisen oder die Entscheidung aufzuschieben, wenn ein gleicher, auf den selben Rechtsanspruch gestützter Antrag zwischen den selben Parteien schon vor einem Gericht des anderen Staates anhängig ist und darüber eine gemäß dem Abkommen anzuerkennende Entscheidung gefällt werden kann. Nach Abs 2 können die Gerichte bei Dringlichkeit aber vorläufige oder sichernde Maßnahmen auch dann setzen, wenn im Ausland schon ein Verfahren über den selben Rechtsanspruch anhängig ist.

2. Nach den zitierten Vertragsbestimmungen setzt also die Annahme eines Prozesshindernisses (Streitanhängigkeit oder Rechtskraft einer französischen Gerichtsentscheidung) die Identität des Streitgegenstandes und der Parteien im Sinne der dazu in ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Grundsätze (RIS Justiz RS0039473) voraus. Prozessvoraussetzungen sind auch wenn materiellrechtlich das ausländische Recht anzuwenden wäre nach inländischem Verfahrensrecht zu prüfen (7 Ob 112/00x). In der zitierten Entscheidung waren zwei in der Schweiz bzw in Österreich anhängige Zivilprozesse zu prüfen. Im österreichischen Verfahren begehrte der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit eines in der Schweiz errichteten Erbvertrages im Verhältnis zu einem zu seinen Gunsten errichteten Testaments, im Schweizer Verfahren war das Klagebegehren auf die Aufhebung dieses Testaments, die Wiederherstellung der Anwartschaft "laut Erbvertrag" und auf die Feststellung gerichtet, dass dem Gegner kein Erbrecht zustehe. In die Verlassenschaft fiel eine in Österreich gelegene Liegenschaft. Die Prozessparteien gaben in Österreich widersprechende bedingte Erbserklärungen ab. Das Abhandlungsgericht verteilte die Parteirollen gemäß § 125 AußStrG. Diese Entscheidung wurde angefochten und die Verteilung der Parteirollen erst mit dem Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 28. 1. 1999, 6 Ob 251/98z (EvBl 1999/131, 565), rechtskräftig (der Zivilprozess in der Schweiz war schon vor dieser oberstgerichtlichen Entscheidung am 26. 3. 1998 anhängig gemacht worden). Die Entscheidung 7 Ob 112/00x bejahte das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit im Hinblick auf das mit der Schweiz geschlossene Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, BGB 1962/125 (dieses Abkommen ist vergleichbar mit dem hier zu beurteilenden Abkommen mit Frankreich) und erblickte in der Entscheidung 6 Ob 251/98z keinen Widerspruch dazu, weil die Frage der Streitanhängigkeit "von der abhandlungsrechtlichen Beurteilung des inländischen Liegenschaftsvermögens vor dem österreichischen Verlassenschaftsgericht ... strikt zu trennen" sei. In diese Richtung verwies die zu 6 Ob 251/98z gegebene Begründung: "Durch diese Entscheidung über die Parteirollenverteilung wird dem Prozessverfahren, in welchem der Streit der Erbansprecher endgültig zu klären ist, weder in Ansehung der bei der Auslegung zu berücksichtigenden Tatsachengrundlage noch in Ansehung der rechtlichen Beurteilung vorgegriffen".

3. Als Zwischenergebnis ist festzustellen, dass die vergleichbaren Abkommen Österreichs mit der Schweiz und mit Frankreich für den Fall der Identität des Streitgegenstandes und der Parteien eine Prozesssperre für das später angerufene Gericht anordnen. Damit ist aber für die Revisionsrekurswerber hier im Ergebnis nichts gewonnen:

4. Der Hinweis auf die Abhandlungstätigkeit des französischen Notars ist schon deshalb nicht zielführend, weil seine Funktion wie ausgeführt sich von der Gerichtstätigkeit im österreichischen Abhandlungsverfahren so grundlegend unterscheidet, dass schon deshalb eine Identität mit dem hier durchzuführenden Verfahren über widerstreitende Erbserklärungen nicht vorliegt. Die völlig unterschiedliche Gestaltung des materiellen und formellen Erbrechts mit dem österreichischen Spezifikum einer Verlassenschaft mit Rechtspersönlichkeit und der Rechtsnachfolge durch Gerichtsentscheidung gegenüber dem Eintritt der Erben ex lege nach französischem Recht lassen klar den unterschiedlichen Entscheidungsgegenstand erkennen. Das österreichische Abhandlungsrecht ist darüber hinaus vom bloß vorläufigen Charakter der Entscheidungen nach dem AußStrG geprägt. Im Bestreitungsfall und bei Vorliegen widersprechender Erbserklärungen ergeht keine Sachentscheidung über die Rechsnachfolge, es werden ausschließlich die Parteirollen für einen erst anhängig zu machenden Erbrechtsprozess festgelegt (§§ 125 ff AußStrG). Selbst die gerichtliche Einantwortung, womit dem Erbansprecher der Nachlass rechtlich übertragen wird, ist keine endgültige Entscheidung. Gegen den eingeantworteten Erben kann die Erbschaftsklage nach § 823 ABGB eingebracht werden. Selbst wenn es daher in Frankreich einen Prozess mit dem von den Rekurswerbern angestrebten umfassenden Ziel anhängig sein sollte, dass festgestellt werde, dass der Antragstellerin (Stiftung) keinerlei Rechte am Vermögen des Erblassers zustünden und dass sie verpflichtet sei, das gesamte also auch das in Österreich befindliche bewegliche Vermögen - herauszugeben, läge die erforderliche Identität des Streitgegenstandes nicht vor. Die Entscheidung des österreichischen Abhandlungsgerichtes ist eine bloß vorläufige und die Rechte der Erbansprecher sichernde Maßnahme im Sinne des Art 14 Abs 2 des zitierten Abkommens mit Frankreich, die nicht zuletzt hier auch auf Antrag der erblasserischen Söhne selbst zu treffen war, die sich widersprüchlich einerseits auf einen stärkeren Erbrechtstitel berufen (sodass ihnen die Beklagtenrolle zuzuweisen wäre), andererseits aber damit argumentieren, dass das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit vorliege, ihr Antrag also zurückzuweisen wäre. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass den Revisionsrekurswerbern durch die angefochtene Zuteilung der Klägerrolle jedenfalls jede wirtschaftliche Beschwer fehlt, könnten sie doch entsprechend ihrem Rechtsstandpunkt über die fehlende inländische Gerichtsbarkeit auf eine Klageeinbringung in Österreich verzichten und ihre Ansprüche in dem in Frankreich anhängigen Verfahren durchsetzen.

VII. Zum Einwand, dass die antragstellende Stiftung die vom Rekursgericht im ersten Rechtsgang aufgetragene Präzisierung ihres Antrages (ob die Ausfolgung oder die Abhandlung begehrt werde) nicht wirksam vorgenommen habe, weil der einschreitende Rechtsanwalt zum Zeitpunkt seiner Klarstellung (am 20. 11. 2002, ON 63) schon emeritierter Rechtsanwalt gewesen sei und er als Verwaltungsrat für die Stiftung nicht einzelvertretungsbefugt gewesen sei:

Diese Frage kann hier auf sich beruhen, weil es einer "Präzisierung" des Antrages gar nicht bedurfte. Das angestrebte Verfahrensziel (die Abhandlungspflege) geht aus dem Antrag vom 25. 11. 1997 zweifelsfrei hervor. Im Antrag wurde auf die österreichische Abhandlungsgerichtbarkeit nach § 23 Abs 2 und 3 AußStrG verwiesen und die Absicht erklärt, die Abhandlung schriftlich pflegen zu wollen; der Akt möge dem Gerichtskommissär übersandt werden. Die gesamte weitere Verfahrensführung der antragstellenden Stiftung ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie die Durchführung der Abhandlung mit dem Ziel der Einantwortung anstrebt.

VIII. Nach den dargelegten Erwägungen sind die Berufungsgründe (Titel) der Erbansprecher nach österreichischem Recht zu beurteilen. Da sich die Antragstellerin auf eine letztwillige Verfügung über den gesamten Nachlass zu ihren Gunsten berufen kann, kommt diesem Erbrechtstitel gegenüber dem auf die gesetzliche Erbfolge gestützten Titel der Söhne des Erblassers grundsätzlich der Vorrang zu (§ 126 Abs 2 AußStrG). Die Revisionsrekurswerber haben sich zu diesem Thema im Verfahren erster Instanz trotz Aufforderung des Gerichtes nicht geäußert und sich die Äußerung bis zur rechtskräftigen Erledigung ihrer Einwendungen gegen die Zuständigkeit des österreichischen Gerichtes und die inländische Gerichtsbarkeit vorbehalten. Ein solcher Vorbehalt, der nur zu einer Verfahrensverzögerung infolge Teilung des Prozessstoffes in verschiedene Teilbereiche führte, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Da es bei der Verteilung der Parteirollen auf die höhere Wahrscheinlichkeit des Erbrechtes ankommt (RIS Justiz RS0008066) und es im vorliegenden Fall vorwiegend um Rechtsfragen geht, hätten die Rekurswerber auch noch im Revisionsrekurs Gelegenheit gehabt, ihren Rechtsstandpunkt darzulegen. Mangels weiterer Revisionsrekursausführungen zur Gewichtung der Erbrechtstitel hat es daher bei der grundsätzlichen Regel zu verbleiben, dass dem Testamentserben gegenüber dem gesetzlichen Erben nur dann die Klägerrolle zuzuweisen ist, wenn gegen seinen Titel aufgrund der äußeren Form Bedenken bestehen (6 Ob 122/02p mwN). Solche liegen hier aber nicht vor.

Rechtssätze
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