JudikaturJustiz5Ob173/02f

5Ob173/02f – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. September 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1.) Aloisia Waltraud K*****, vertreten durch Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwalt in Graz, 2.) Immobilien M***** GmbH, *****, 3.) Wohnungseigentümergemeinschaft *****, 4.) Fa. M*****Co KG, *****, 5.) Thomas M*****, 6.) Dipl.-Ing. Thomas L*****, 7.) Petra L*****, 8.) Alois L*****, und 9.) Theresia L*****, zweit- bis neuntbeklagten Parteien vertreten durch Dr. Helmut Thomich, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 167.000,-- s. A. und Feststellung (Streitwert S 20.000,--), über die Revisionen der erstbeklagten Partei sowie der zweit- und drittbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 22. Februar 2001, GZ 6 R 241/00h-28, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 27. September 2000, GZ 12 Cg 5/99g-21, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Als unangefochten bleibt die Abweisung des Klagebegehrens gegen die viert- bis neuntbeklagte Partei samt den dazugehörigen Kostenentscheidungen bestehen (Pkt 3 und 4 sowie der an Punkt 4 anschließende Absatz des berufungsgerichtlichen Urteilsspruchs). Der Revision der zweit- und drittbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Das gegen sie ergangene Berufungsurteil wird insoweit als Teilurteil bestätigt, als sie zur ungeteilten Hand schuldig erkannt wurden, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 167.000,-- samt 4 % Zinsen seit 20. Jänner 1999 zu zahlen, und festgestellt wurde, dass sie der klagenden Partei zur ungeteilten Hand für alle künftigen Schadenersatzansprüche auf Grund des Sturzes vom 5. Jänner 1996 vor dem Haus P***** haften.

Hingegen wird der Revision der erstbeklagten Partei Folge gegeben. Das sie betreffende Berufungsurteil wird unter Einschluss der gegen die erst- bis drittbeklagte Partei ergangenen Kostenentscheidungen aufgehoben und die Rechtssache insoweit an das Prozessgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind in Ansehung des Rechtsstreits zwischen der klagenden und der erstbeklagten Partei als weitere Verfahrenskosten zu behandeln; im Übrigen wird die Entscheidung über die Verfahrenskosten dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 5. 1. 1996 kam die Klägerin um ca 11 Uhr 30 auf dem nicht ausreichend bestreuten Gehsteig vor dem Haus ***** auf einer dünn mit Schnee bedeckten Eisplatte zu Sturz und zog sich dabei multiple Verletzungen zu. Die Unfallstelle befand sich etwa einen halben Meter von der Hauswand entfernt.

Die Klägerin hat aus diesem Unfallereignis gegen die beklagten Parteien (und weitere Personen, gegen die das Klagebegehren mittlerweile zurückgezogen wurde) einen der Höhe nach nicht mehr strittigen Schadenersatzanspruch von S 167.000,-- s. A. geltend gemacht und dazu noch die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für zukünftige Schadenersatzansprüche begehrt. Soweit sich das Klagebegehren gegen die viert- bis neuntbeklagte Partei, die Mit- und Wohnungseigentümer des Hauses, richtete, wurde es rechtskräftig abgewiesen. Stattgegeben haben beide Vorinstanzen jedoch dem Klagebegehren gegen die erst- bis drittbeklagte Partei. Es handelt sich bei diesen Personen um die Wohnungseigentümergemeinschaft (Drittbeklagte), die Verwalterin der Liegenschaft (Zweitbeklagte) und die Inhaberin jenes Reinigungsunternehmens, der die Hausverwalterin gemäß § 93 Abs 5 StVO den „Winterdienst" (darunter die Schneeräumung und Bestreuung des fraglichen Gehsteigs) übertragen hatte (Erstbeklagte). Sie wurden solidarisch zum Schadenersatz an die Klägerin verpflichtet. Auf das jeweilige Prozessvorbringen der Parteien wird, soweit es im Revisionsverfahren noch relevant ist, zweckmäßiger Weise bei Behandlung der Rechtsmittel einzugehen sein.

Vorangestellt seien nur die Feststellungen über den Unfallhergang und die haftungsbegründenden Umstände, von denen die Vorinstanzen ausgegangen sind:

Die Klägerin befand sich zur Unfallszeit auf dem Weg zur nahegelegenen (offenbar nicht im verfahrensgegenständlichen Haus untergebrachten) Gebietskrankenkasse. Sie trug winterfestes Schuhwerk mit einer rutschfesten Kreppsohle und bewegte sich mit normaler Gehgeschwindigkeit. Es herrschten Temperaturen von etwas unter 0° C bei sehr leichtem Schneefall, wobei der Schnee auf der Straße taute und auf den Gehsteigen in der Umgebung des Unfallbereichs liegen blieb.

Die Zweitbeklagte ist seit 1979 Verwalterin des Hauses *****. In dieser Eigenschaft schloss sie mit dem Reinigungsunternehmer Walter K***** eine Vereinbarung über die Reinigung des Hauses sowie die Schneeräumung und Bestreuung des öffentlichen Gutes gemäß § 93 StVO. In diesen Vertrag ist die Erstbeklagte, die Ehefrau des Walter K***** (die seit der Pensionierung des Walter K***** Inhaberin des Reinigungsunternehmens ist) am 1. 4. 1995 eingetreten. Der „Winterdienst" wurde durch die Fa K***** in der Form durchgeführt, dass die Schneeräumung und die Bestreuung des Gehsteiges vor dem Haus im Zuge des wöchentlichen Reinigungsdienstes erfolgten; bei Schneefall und bei Glatteisgefahr wurden zusätzliche „Extratouren" eingeschoben.

Vor dem streitgegenständlichen Unfall wurde der Gehsteig beim Haus ***** zuletzt am 1. 1. 1996 durch Wolfgang S*****, einen Mitarbeiter der Fa K*****, geräumt und bestreut; eine Nachstreuung erfolgte am 3. 1. 1996 durch Gerhard R***** (einen weiteren Mitarbeiter der Erstbeklagten) im Zuge der Hausreinigung. Am 5. 1. 1996 wurde keine Bestreuung des Gehsteigs vorgenommen.

Im Winter 1995/1996 (und zwar vor dem streitgegenständlichen Unfall) hatten Gerhard R***** und Wolfgang S***** festgestellt, dass es im Bereich der Hauseingangstür des Hauses ***** vermehrt zu Eisbildung kam. Es handelte sich dabei um eine längliche Eisfläche, die ca 20 cm von der Hauswand entfernt begann, ca 15 cm breit und 60 bis 100 cm lang war. Ursache der Eisbildung war die Schadhaftigkeit (Löchrigkeit) der Dachrinne, die vom Gehsteig aus leicht erkennbar war. Darauf wurde Elfriede P***** (mit der die Mitarbeiter der Erstbeklagten wegen der Hausreinigung in Kontakt standen und die diese für die Hauseigentümerin hielten, zumal sie auch Anweisungen über die Durchführung der Hausreinigung und des Winterdienstes gab) im Dezember 1995, ca eine Woche nach Feststellung des Schadens durch die Mitarbeiter der Erstbeklagten, aufmerksam gemacht. Wolfgang S***** sagte Elfriede P***** auch, dass sich im Eingangsbereich des Hofes ein Sack mit Streugut befindet, mit dem im Bedarfsfall nachgestreut werden könne. Die Erstbeklagte selbst wurde von ihren Mitarbeitern nicht über die schadhafte Dachrinne des Hauses ***** informiert.

Die Zweitbeklagte erfuhr vom klagsgegenständlichen Unfall erst am 2. 12. 1998 durch ein Schreiben des Klagevertreters; von der Schadhaftigkeit der Dachrinne erfuhr sie durch ein Fax der Erstbeklagten vom 30. 12. 1996. Eigene Wahrnehmungen über die Schadhaftigkeit der Dachrinne hatte die Zweitbeklagte zuvor nicht gemacht.

Basierend auf diesen Feststellungen begründete das Erstgericht die Schadenersatzpflicht der Erstbeklagten im Wesentlichen damit, dass sie die ihr gemäß § 93 Abs 5 StVO übernommene Streupflicht nicht ausreichend erfüllt habe; die Zweit- und Drittbeklagte hätten dafür einzustehen, den leicht erkennbaren Mangel der Dachrinne nicht behoben zu haben.

Das Berufungsgericht bestätigte in Ansehung der erst- bis drittbeklagten Partei diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Die Erstbeklagte habe den Winterdienst gemäß § 93 Abs 5 StVO vertraglich übernommen. Sie sei dadurch in jeder, insbesondere auch in zivilrechtlicher Hinsicht an die Stelle des (primär verkehrssicherungspflichtigen) Eigentümers getreten (RIS-Justiz RS0023328; vgl SZ 51/80), sodass die Höhe ihres Entgelts nicht relevant sei; der Umfang ihrer Verpflichtungen hänge nämlich nicht von der Höhe des Entgelts, sondern vielmehr von den Witterungsverhältnissen und der Gefahrenlage ab.

§ 93 StVO normiere ausdrücklich, dass Gehsteige von Schnee und Glatteis zu säubern und zu bestreuen sind, sodass für die Verpflichtung zur Entschärfung der Gefahrenlage nicht wesentlich sei, aus welchem Grund Glatteis auftritt. Durch die Übernahme der Verpflichtungen nach § 93 StVO habe es die Erstbeklagte auch übernommen, die bekannten Gefahrenquellen zu beseitigen, wobei sie insbesondere aufgrund der am 1. und 2. 1. 1996 herrschenden, wenn auch nur geringen (+ 1° bzw + 0,5° Celsius) Temperaturen (so die Auskunft des Institutes für Meteorologie und Geophysik) damit rechnen musste, dass sich auf den Dächern Schmelzwasser bildet und dieses zufolge der defekten Dachrinne zu einer Eisbildung im Bereich des Gehsteiges führen werde. Aufgrund des abgeschlossenen Wartungsvertrages hafte sie gemäß § 1313a ABGB für das Verhalten ihrer Mitarbeiter, sodass bei den gegebenen Umständen, insbesondere bei Kenntnis der Gefahrenquelle (löchrigen Dachrinne), das Unterlassen der Beseitigung der Eisplatte bzw der Kontrolle des Gehsteiges für mehr als 2 Tage - womit jedenfalls die Streupflicht nicht überspannt werde - als fahrlässig zu werten sei. Die Klägerin habe geeignetes Schuhwerk getragen und sei aufgrund der Witterungsverhältnisse auch beim Begehen des Gehsteiges nicht zur besonderen Sorgfalt verpflichtet gewesen. Weil die Eisplatte mit einer (geringen) Schneeschicht bedeckt war, sei diese für die Klägerin nicht zu erkennen gewesen, sodass ihr eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten nicht vorzuwerfen sei.

Der Anspruchsverzicht der Klägerin gegenüber der Miteigentümerin Elfrieda P***** schade nicht; da sich die Anteile der einzelnen Beklagten an der Beschädigung nicht bestimmen ließen, hafte die Erstbeklagte zur ungeteilten Hand mit den sonstigen Ersatzpflichtigen.

Was die Zweitbeklagte betreffe, so habe diese vorgebracht, dass die Überwachungspflichten des Hausverwalters nicht überspannt werden dürften. Damit habe sie zugestanden, grundsätzlich zur Kontrolle des Bestandobjektes bzw der allgemeinen Teile des Hauses verpflichtet zu sein. Der von den Miteigentümern einer Liegenschaft bestimmte gemeinsame Verwalter sei befugt und verpflichtet, im Rahmen der ordentlichen Verwaltung alle Maßnahmen, die zur Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Gutes dienen, zu besorgen (vgl Würth in Rummel2 Rz 4 zu § 17 WEG). Er sei dabei an (ordnungsgemäß beschlossene und nicht gesetzwidrige) Weisungen der Mehrheit sowie an die Vorschriften des WEG gebunden. Er sei direkter Stellvertreter aller Wohnungseigentümer. Es entstehe daher die Verpflichtung, alles was eine Hausverwaltung erfordert und was gewöhnlich damit verbunden ist, zu veranlassen (vgl Strasser in Rummel2 Rz 9 zu §§ 1027 bis 1033 ABGB).

Der Besitzer eines Werkes hafte, wenn das Schadensereignis die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat. Erforderlich seien jene Schutzvorkehrungen und Kontrollmaßnahmen, die vernünftigerweise nach der Verkehrsauffassung erwartet werden können. Dabei sei ein objektiver Maßstab anzulegen. Es sei zu prüfen, welche Schutzvorkehrungen und Kontrollen ein sorgfältiger Eigentümer getroffen hätte. Zu dessen Pflichten zähle es, bei erkennbaren Gebrechen alsbald für eine Behebung des Mangels Sorge zu tragen. Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen den Schadenseintritt richte sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl SZ 59/121; ecolex 1997, 842; 6 Ob 155/97s; l Ob 277/97k, l Ob 16/98d). Da die Schadhaftigkeit (Löchrigkeit) der Dachrinne des Hauses vom Gehsteig aus leicht erkennbar war und als gerichtsbekannt davon auszugehen sei, dass die Durchrostung einer Dachrinne mit Löcherbildung einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, sei eine Fahrlässigkeit der Zweitbeklagten darin zu erblicken, den erforderlichen Kontrollen des Hauszustandes nicht nachgekommen zu sein.

Dafür hafte auch die drittbeklagte Partei.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft sei im Rahmen ihrer Quasi-Rechtspersönlichkeit zwar nicht selbst deliktsfähig; sie habe aber für Schadenersatzansprüche einzustehen, die ihre Repräsentanten in der Verwaltung der gemeinschaftlichen Liegenschaftsteile der Wohnungseigentumsanlage schuldhaft und rechtswidrig verursachen. Die Passivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Durchsetzung deliktischer Ansprüche gegen sie könne daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die Veranlassung des erforderlichen Winterdienstes gehöre ebenso zur Verwaltung der Wohnungseigentumsliegenschaft wie die Behebung jedenfalls leicht erkennbarer Baumängel. Sie und nicht die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft (gegen die das Klagebegehren abgewiesen wurde) treffe daher die Sachlegitimation; sie hafte für Schäden aus Handlungen oder Unterlassungen ihres einzigen Organs, nämlich des Wohnungseigentumsverwalters, und ihrer Repräsentanten wie Hausbesorger oder "Gehilfen" im Sinne des § 1319a ABGB (WoBl 2000, 59 mwN).

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des

Entscheidungsgegenstandes S 52.000,--, nicht jedoch S 260.000,--

übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Letzteres wurde

damit begründet, dass der Oberste Gerichtshof die Deliktshaftung (der

Wohnungseigentümergemeinschaft) nach § 13c Abs 1 WEG zwar in vier

Judikaten bejaht (WoBl 1994, 55 mit Anm Call = EWR 11/17/35 = SZ

67/40 = ImmZ 1994, 490; WoBl 1997, 95 mit Anm Niedermayr = EWR

11/13c/5 = MietSlg 48.167 = ImmZ 1996, 379 mit Anm Meinhart = immolex

1997/16; JusExtra OGH Z 2.868; WoBl 2000, 59), in der Entscheidung WoBl 1998, 202 (ablehnend Call) = SZ 70/159 = Meinhart, ImmZ 1998, 89, jedoch abgelehnt habe, sodass in diesem Punkt noch nicht von einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ausgegangen werden könne.

Alle drei zum Schadenersatz verurteilten Parteien haben das in zweiter Instanz ergangene Urteil mit Revision angefochten. Sie streben mit unterschiedlichen Begründungen primär die kostenpflichtige Abweisung des gegen sie gerichteten Klagebegehrens an und haben hilfsweise Aufhebungsanträge gestellt. Diesen Begehren ist die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung entgegengetreten; sie erachtet die Revisionen ungeachtet des gegenteiligen Ausspruchs des Berufungsgerichtes als unzulässig und im Übrigen auch als unberechtigt, sodass ihnen jedenfalls nicht Folge zu geben sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittel sind zulässig; berechtigt, und zwar iSd gestellten Aufhebungsbegehrens, ist jedoch nur die Revision der Erstbeklagten. Zweckmäßiger Weise ist vorerst auf das Rechtsmittel der zweit- und drittbeklagten Partei einzugehen.

Soweit die Rechtsmittelwerber ihre Schadenersatzpflicht mit dem Argument in Frage stellen, die sich aus § 93 StVO ergebende Verkehrssicherungspflicht gemäß Abs 5 leg cit rechtswirksam auf die Erstbeklagte übertragen zu haben (vor allem tut dies die Drittbeklagte), ist ihnen entgegen zu halten, dass sie nicht für die Verletzung dieser besonderen Verkehrssicherungspflicht, sondern dafür haftbar gemacht wurden, durch die Vernachlässigung ihrer Erhaltungspflicht - die mangelnde Reparatur der löchrigen Dachrinne - eine Mitursache für den Schaden der Klägerin gesetzt zu haben. Ihre Unterlassung habe zur Glatteisbildung auf dem Gehsteig und letztlich zum Unfall der Klägerin geführt.

Zur Darlegung der Pflichtwidrigkeit dieses Verhaltens hat sich die Klägerin insbesondere auf § 39 Abs 1 des stmk Baugesetzes (LGBl 59/1995 idgF) berufen, der normiert, dass der Eigentümer (eines Hauses) dafür zu sorgen hat, dass die baulichen Anlagen in einem der Baubewilligung, der Baufreistellungserklärung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden. Das sei als Schutznorm zur Verhinderung von Schäden durch Baumängel zu verstehen, auch von Schäden, wie sie die Klägerin erlitten hat, da zur Ableitung des Dachwassers eine funktionierende Dachrinne vorhanden sein müsse. Aus dieser Vorschrift ergibt sich jedenfalls - wie noch auszuführen sein wird - eine Erhaltungspflicht des Hauseigentümers auch hinsichtlich der Dachrinnen. Wird diese Pflicht verletzt, so hat der pflichtwidrig Handelnde für dadurch verursachte gesundheitliche Schäden - wie sie hier die Klägerin geltend macht - Ersatz zu leisten, weil die körperliche Unversehrtheit zu den absolut geschützten Rechtsgütern gehört (vgl die den gegenständlichen Fall betreffende Entscheidung 2 Ob 64/98w = WoBl 1999, 186/88). Die Rechtsmittelwerber meinen nun, eine solche Pflichtwidrigkeit sei ihnen nicht vorzuwerfen, weil es sich bei einer löchrigen Dachrinne um kein „Baugebrechen im Sinne des Wortes" handle und ihnen der geringfügige Mangel weder aufgefallen sei noch auffallen musste. Mit dem ersten der beiden Argumente wollen die Rechtsmittelwerber offenbar sagen, die in § 39 Abs 1 stmk BauG (oder in anderen Vorschriften) normierte Erhaltungspflicht des Hauseigentümers erstrecke sich nicht auf Dachrinnen. Sie stellen aber gar nicht in Abrede, dass für das verfahrensgegenständliche Haus - in der Innenstadt von Graz - Dachrinnen vorgeschrieben waren. Damit gehören sie aber unzweifelhaft zu jenen in § 39 Abs 1 stmk BauG erwähnten baulichen Anlagen, die der Hauseigentümer in einem der Baubewilligung und den Bauvorschriften entsprechenden Zustand zu erhalten hat. Dass davon auch die ordnungsgemäße Funktion baulicher Anlagen erfasst ist, versteht sich von selbst.

Was die Erkennbarkeit der Schäden der Dachrinne betrifft, gehen die Rechtsmittelwerber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die Schäden waren „vom Gehsteig aus leicht erkennbar". Schon das reicht aus, um den Vorwurf eines Verschuldens zu begründen, ohne Argumente der Beweislastverschiebung bei Verletzung einer Schutznorm bemühen zu müssen.

Zu erörtern bleibt, ob auch die Zweit- und Drittbeklagte, die ja nicht Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Hauses sind, für die Verletzung der Erhaltungspflicht haftbar gemacht werden können. Hinsichtlich der Zweitbeklagten - der Verwalterin - wurde dazu im vorliegenden Revisionsrekurs (wie in der Berufung an die zweite Instanz) kein besonderes Gegenargument ausgeführt. Offensichtlich meint sie selbst, ihre Ersatzpflicht nur mit den bereits nicht als stichhältig erkannten Argumenten - Überbindung der Streupflicht auf die Erstbeklagte, löchrige Dachrinnen seien kein Baugebrechen, der konkrete Schaden sei nicht oder nur schwer erkennbar gewesen - abwehren zu können. Es genügt daher der Hinweis, dass auch der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage einem Dritten (also einer nicht zur Wohnungseigentümergemeinschaft gehörigen oder ihr vertraglich verbundenen Person) wegen deliktischen Verhaltens ersatzpflichtig werden kann (Fenyves, Die Haftung des Immobilienverwalters, WoBl 1992, 213 [III lit d]). Nach der einschlägigen Judikatur zur Deliktshaftung des Gehilfen genügt hiefür die Verletzung einer Verhaltensvorschrift, wie sie sich etwa aus dem erteilten Auftrag ergeben kann (WoBl 1999, 186/88 mwN 2 Ob 18/98f).

Dass aber die Überwachung des Erhaltungszustands eines Hauses (hier: einer Wohnungseigentumsanlage) und die Setzung geeigneter Maßnahmen zur Behebung bestehender Mängel zum Aufgabenkreis eines Haus- bzw Wohnungseigentumsverwalters gehört, hat schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt. Für den Wohnungseigentumsverwalter ergibt sich diese Verpflichtung insbesondere aus § 17 Abs 2 WEG 1975 (vgl jetzt § 20 Abs 1 WEG 2002).

Die Schadenersatzpflicht der Drittbeklagten wird in der vorliegenden Revision mit dem Argument bestritten, „ein Vorfall wie der gegenständliche lasse sich nicht dem Begriff der Verwaltung iSd § 13c WEG unterstellen"; außerdem scheide eine Haftung nach § 1313a oder 1315 ABGB aus (letzteres wurde offenbar nicht nur auf die Erstbeklagte, sondern auch auf die Zweitbeklagte bezogen). Auch dem ist nicht zu folgen.

Ansatzpunkt der Haftung der Drittbeklagten für die Schäden der Klägerin ist die Verletzung von Erhaltungspflichten des Eigentümers. Dass es sich bei allen Maßnahmen der Erhaltung eines im Wohnungseigentum stehenden Hauses um eine Verwaltungsagende handelt, ergibt sich unmissverständlich aus § 14 WEG 1975 (jetzt §§ 28, 29 WEG 2002). Es wurde auch schon mehrfach ausgesprochen, dass dies die damit zusammenhängende deliktische Schadenersatzpflicht einschließt (zu den bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen siehe noch WoBl 2001/185 mit Anm Call; so schon Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft, 289). Da die Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 13c Abs 1 WEG 1975 (jetzt § 18 Abs 1 WEG 2002) in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft grundsätzlich an Stelle der Mit- und Wohnungseigentümer geklagt werden kann (die an sich als Hauseigentümer die Erhaltungspflicht nach § 39 Abs 1 stmk BauG träfe), ergibt sich schon daraus ihre Passivlegitimation. Normadressat der gesetzlichen Erhaltungspflicht ist seit dem 3. WÄG, mit dem 13c in das WEG 1975 eingefügt wurde, die Wohnungseigentümergemeinschaft. In diesen Belangen kommt ihr Rechtspersönlichkeit zu (vgl jetzt § 18 WEG 2002, insbesondere dessen Überschrift) sodass es nur logisch ist, sie als juristische Person für das Handeln ihres Organs einstehen zu lassen. Begreift man den bestellten Verwalter nicht als ihr Organ (was die seit 1. 7. 2002 geltende Regelung des § 18 Abs 2 Z 1 lit a WEG 2002 noch deutlicher nahelegt als die in § 17 Abs 2 WEG enthaltene Vertretungsregelung), führen die Grundsätze der Repräsentantenhaftung dazu, ihr das Handeln des Verwalters zuzurechnen (Löcker aaO 288 f; jüngst 5 Ob 291/01g mwN). Zutreffend ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Drittbeklagte zumindest die Repräsentantenhaftung für die Zweitbeklagte trifft. Auf die in §§ 1313a, 1315 ABGB geregelte Dritthaftung muss gar nicht zurückgegriffen werden. Die Revision der zweit- und drittbeklagten Partei erweist sich daher als nicht berechtigt.

Anderes gilt für die Revision der Erstbeklagten.

Auch ihre Rechtsmittelausführungen sind zwar über weite Strecken nicht stichhältig; in einem Punkt zeigen sie jedoch eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf, die eine Verfahrensergänzung bedingt.

Unzutreffend ist zunächst das Argument der Erstbeklagten, sie könne nicht für eine Verletzung der (vom Hauseigentümer übernommenen) Streupflicht haftbar gemacht werden, weil sich diese Streupflicht auf den vereisten Bereich des Gehsteigs bzw den Fall einer Vereisung im Gefolge eines Schadens der Dachrinne gar nicht erstreckt habe. Dem ist entgegen zu halten, dass sie durch die rechtsgeschäftliche Übernahme der in § 93 Abs 1 StVO normierten Verkehrssicherungspflicht „an die Stelle" des primär verkehrssicherungspflichtigen Liegenschaftseigentümers (Anrainers) getreten ist, also dessen Pflichten voll zu erfüllen hatte (vgl RIS-Justiz RS0023328). Nach der unmissverständlichen Anordnung des § 93 Abs 1 StVO hatte sie demnach den ganzen Gehsteig (in dessen voller Breite) zu räumen bzw zu bestreuen (vgl 2 Ob 11/95). Dass sich der Unfall nahe der Hauswand unter der schadhaften Dachrinne ereignete, befreit sie daher nicht von ihrer Haftung. Ein Mitverschulden oder gar ein die Kausalität der Pflichtwidrigkeit der Erstbeklagten in Frage stellendes Verhalten der Klägerin ist in deren Wegroute - unter dem Dachvorsprung des Hauses ***** - nicht zu erkennen. Es ist auch belanglos, dass eine schuldhafte Verletzung von Erhaltungspflichten des Hauseigentümers - die löchrige Dachrinne - Mitursache für die Vereisung des Gehsteigs und damit des Sturzes der Klägerin war, weil der Verkehrssicherungspflichtige nicht dadurch von seiner Pflicht befreit wird, dass ein anderer die Gefahr herbeiführte oder vergrößerte (vgl RIS-Justiz RS0023578). Und voll zu billigen ist schließlich auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass die Höhe der Entlohnung der Erstbeklagten keinen Einfluss auf den Umfang ihrer Verkehrssicherungspflicht hatte, weil sie - wie erwähnt - gemäß § 93 Abs 5 zweiter Satz StVO hinsichtlich Art und Umfang ihrer Verkehrsicherungspflicht an die Stelle des Liegenschaftseigentümers getreten war.

Zu den umfangreichen Argumenten der Erstbeklagten über eine vermeintliche Überspannung ihrer Verkehrssicherungspflicht ist - soweit sie nicht ohnehin mit den bereits als unzutreffend erkannten Hinweisen auf ein Mitverschulden der Zweit- und Drittbeklagten, die angeblich eigene Sorglosigkeit der Klägerin und das geringe Entgelt für den Winterdienst korrelieren - lediglich zu bemerken, dass der nach § 93 Abs 1 StVO Verkehrssicherungspflichtige schon für leichte Fahrlässigkeit haftet (RIS-Justiz RS0030023), dass sich der Unfall im innerstädtischen Bereich nahe der stark frequentierten Gebietskrankenkasse ereignete, dass Mitarbeiter der Erstbeklagten eine schadhafte Dachrinne als Ursache für eine verstärkte Eisbildung ausgemacht hatten und dass es unter diesen Umständen keineswegs eine Überspannung der Verkehrssicherungspflicht bedeutet, bei Temperaturen um 0° für eine häufige Kontrolle der Gehsteige bzw häufige Streumaßnahmen zu sorgen. Im Übrigen kann auch hier auf die zutreffenden Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.

Dennoch haftet den Entscheidungen der Vorinstanzen ein von der Erstbeklagten aufgezeigter Fehler an.

Die Beklagte hat das Klagebegehren in ihrem Prozessvorbringen ua deshalb bestritten, weil sie sich bei Erfüllung der vom Eigentümer des Hauses ***** übernommenen Räum- und Streupflicht „langjähriger, verlässlicher Mitarbeiter bediente", und diese durch ihren Ehemann auch „stichprobenartig" kontrollierte (AS 11). Dazu wurden auch Beweise aufgenommen (die nach der derzeitigen Aktenlage eine ausreichende Kontrolle in Frage stellen - siehe etwa AS 20) aber keine Feststellungen getroffen. Die Vorinstanzen hielten sie für entbehrlich, weil sie annahmen, die Erstbeklagte habe ohnehin gemäß § 1313a ABGB für Nachlässigkeiten ihrer Mitarbeiter einzustehen. Nunmehr macht die Erstbeklagte in ihrer Revision geltend, die Annahme einer Erfüllungsgehilfenhaftung nach § 1313a ABGB widerspreche der Judikatur.

Das ist tatsächlich der Fall.

Bei der in § 93 Abs 1 StVO normierten Säuberungs- und Streupflicht des Liegenschaftseigentümers (Anrainers) handelt es sich um eine gegenüber der Allgemeinheit bestehende (gesetzliche) Obliegenheit zur Verkehrssicherung (RIS-Justiz RS0021318). Für das Verschulden eines Gehilfen wird demnach nicht nach § 1313a ABGB, sondern lediglich im Rahmen des § 1315 ABGB gehaftet (ZVR 1988/101 mwN). Das gilt nicht nur für den primär Verkehrssicherungspflichtigen, sondern auch für denjenigen, der gemäß § 93 Abs 5 StVO - durch vertragliche Übernahme der Pflicht - an dessen Stelle getreten ist (ZVR 1988/101; WoBl 1999, 186/88).

Die Verkennung dieser Rechtslage hat dazu geführt, dass die Entscheidungsgrundlagen nicht ausreichen; es werden Feststellungen über den Einwand der Erstbeklagten zu treffen sein, sich tüchtiger Gehilfen bedient und diese auch überwacht zu haben. Zu bedenken wird allerdings sein, dass neben der Haftung nach § 1315 ABGB (für die sich in der derzeitigen Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte finden) auch eine Haftung der Beklagten für das bereits angesprochene Organisations- und Überwachungsverschulden und dazu noch die Repräsentantenhaftung in Frage kommt (WoBl 1999, 186/88). Letztere könnte bei mangelhaften Kontrollen des Ehemanns der Erstbeklagten zum Tragen kommen. Die Repräsentantenhaftung wurde zwar bisher nur für juristische Personen in Betracht gezogen; es ist aber kein Grund erkennbar, sie unter gleichen Wertungsaspekten auch auf natürliche Personen anzuwenden, die in ihrem Unternehmen Leitungsfunktionen von anderen Personen wahrnehmen lassen (vgl Harrer in Schwimann2, Rz 20 zu § 1315 ABGB).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 und 2 ZPO.

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