JudikaturJustiz3Ob119/16w

3Ob119/16w – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. August 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Biedermann Belihart Rechtsanwälte OG in Wien, wider die verpflichtete Partei Dr. T*****, vertreten durch Mag. Mehmet Munar, Rechtsanwalt in Wien, wegen 26.812,64 GBP sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. August 2015, GZ 46 R 168/15v 29, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei wird, soweit er die Bestätigung der Exekutionsbewilligung bekämpft, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen; im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs gemäß (§ 78 EO iVm) § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erklärte im zweiten Rechtsgang mit Beschluss vom 19. März 2015 auf Antrag der Betreibenden wider den Verpflichteten das Versäumungsurteil eines Londoner Gerichts vom 9. November 1999 für Österreich für vollstreckbar und bewilligte die Fahrnis und Forderungsexekution nach § 294a EO zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 26.812,64 GBP samt der Kosten von 402,75 GBP und der mit 4.308,84 EUR bestimmten Kosten des Exekutionsantrags.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Verpflichteten nicht Folge und sprach unter Hinweis darauf, dass die betriebene Forderung umgerechnet den Betrag von 30.000 EUR übersteige, aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Sowohl gegen die Vollstreckbarerklärung als auch gegen die Exekutionsbewilligung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Verpflichteten mit dem Antrag auf (gemeint) Abänderung im Sinn einer Antragsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Das Rechtsmittel ist zum Teil jedenfalls unzulässig und im Übrigen zurückzuweisen, weil der Verpflichtete keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt (§ 78 EO iVm §§ 528a und 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurswerber übergeht bei der Bekämpfung der Bestätigung der Exekutionsbewilligung, dass die Ausnahmebestimmung des § 84 Abs 4 EO nur für Entscheidungen über die Erteilung oder Versagung einer Vollstreckbarerklärung gilt (RIS Justiz RS0116242 [T1]; dies jedenfalls wenn, wie hier, die Anträge übereinstimmend bewilligt wurden: RIS Justiz RS0114023 [T3]). Da die Ausnahmeregelung nach § 84 Abs 4 EO nur auf abweisende Entscheidungen über den Exekutionsantrag auszudehnen ist, bleibt es bei bewilligenden Entscheidungen in zwei Instanzen bei der Unanfechtbarkeit wegen Vollbestätigung gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (3 Ob 208/15g mwN); insofern ist der Revisionsrekurs als absolut unzulässig zurückzuweisen.

2. Die Rechtsmittelausführungen unter dem Titel Verfahrensmangel/Aktenwidrigkeit stellen ihrem Inhalt nach eine Beweisrüge gegen die Feststellungen des Erstgerichts dar, wonach der Verpflichtete die Klage am 19. Oktober 1999 zugestellt erhielt und dies bestätigte. Da der Oberste Gerichtshof auch im Rekursverfahren nicht als Tatsachen , sondern nur als Rechtsinstanz entscheidet (RIS Justiz RS0044032; RS0002399), ist darauf nicht weiter einzugehen.

3. Eine der beiden aufgeworfenen, angeblich erheblichen Rechtsfragen erblickt der Rechtsmittelwerber in der Beurteilung, „ob für den Verpflichteten, um sich im Titelverfahren beteiligen zu können, der Zeitraum maßgebend ist, der ihm nach österreichischem Recht zustehen würde“.

Damit übersieht er, dass diese Frage nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt ist: Für die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung iSd (hier unstrittig anwendbaren) Art 27 Nr 2 LGVÜ 1988 ist das Recht des Staates maßgebend, in dem die Entscheidung, deren Vollstreckbarerklärung begehrt wird, erging, also jenes des Titelstaates (RIS Justiz RS0114024; RS0114250 [T1]; RS0114251 [T4]).

4. Die zweite erhebliche Rechtsfrage soll darin bestehen, ob kurze Fristen ausländischer Rechtsordnungen, um sich auf ein Verfahren einzulassen, dem ordre public der österreichischen Rechtsordnung widersprechen „und somit den entsprechenden im Ausstellungsland vollstreckbaren Titeln in Österreich die Vollstreckbarkeit zu versagen“ sei. Dazu wird ausgeführt, der Verpflichtete habe zu wenig Zeit gehabt, sich zu verteidigen, weil zwischen Zustellung der Klage und Erlass des Versäumungsurteils ein Zeitraum von nur 21 Tagen gelegen sei. Nach österreichischem Recht hätte der Verpflichtete vier Wochen Zeit haben müssen, um auf die Klage reagieren zu können.

Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Verpflichtete damit erstmals den Versagungsgrund nach Art 27 Nr 1 LGVÜ 1988 (Widerspruch gegen den ordre public des Anerkennungsstaates) geltend macht oder ob er damit auch den Versagungsgrund nach Art 27 Nr 2 LGVÜ 1988 (Rechtzeitigkeit der Zustellung) anspricht. In beiden Fällen wird damit nämlich keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weil dieses Vorbringen gegen die Eventualmaxime des § 84 Abs 2 Z 2 EO verstößt (RIS Justiz RS0120291).

4.1. Der erstgenannte selbständige Versagungsgrund blieb im Rekurs gegen die Vollstreckbarerklärung im ersten Rechtsgang, in dem der Verpflichtete nur geltend machte, es sei ihm der verfahrenseinleitende Schriftsatz überhaupt nicht zugestellt worden, nämlich ungenannt.

4.2. Auch eine nicht rechtzeitige Zustellung wurde im ersten Rechtsmittel des Verpflichteten nicht behauptet. Da aber nach Art 27 Nr 2 LGVÜ 1988 die Rechtzeitigkeit und die Ordnungsgemäßheit der Zustellung selbständige Versagungsgründe bildeten, kann die angeblich fehlende Rechtzeitigkeit im zweiten Rechtsgang nicht mehr geltend gemacht werden ( Slonina in Angst/Oberhammer EO³ § 84 Rz 19, 22 mwN).

5. Das Rekursgericht hat zu dem Einwand, das Versäumungsurteil sei nach der Rechtslage im Titelstaat nicht mehr vollstreckbar, Stellung genommen und ist begründet zum Ergebnis gelangt, dass eine Überprüfung in diese Richtung und die Einholung eines Rechtsgutachtens nicht zu erfolgen habe.

Dagegen wendet der Revisionsrekurs neben der Zitierung eines Teils des Rekursvorbringens nur ein, das Rekursgericht habe nur auf das LGVÜ Bezug genommen, jedoch § 84b EO außer Acht gelassen, der die Beachtung ausländischen Rechts normiere. Diese Norm ist aber für das vorliegende Verfahren zur Vollstreckbarerklärung nicht einschlägig: Regelt sie doch nur die Wirkung der bereits rechtskräftigen Vollstreckbarerklärung auf den ausländischen Exekutionstitel. Da im Übrigen jede Auseinandersetzung mit der auf Bestimmungen des LGVÜ 1988 gestützten Begründung des Rekursgerichts unterblieb und eine solche auch nicht in der bloßen Wiederholung von Rekursausführungen erblickt werden kann (RIS Justiz RS0043603), ist dem Obersten Gerichtshof eine nähere Überprüfung dieser rechtlichen Beurteilung im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses verwehrt (vgl 8 Ob 36/16a).

6. Der erstmals im Rekurs im zweiten Rechtsgang erhobene und im Revisionsrekurs wiederholte Einwand, nach dem Recht des Titelstaates sei ein rechtswidrig (weil nach Ablauf der Vollstreckbarkeit ohne Bewilligung) eingeleiteter Exekutionsversuch strafbar, ist als Geltendmachung des Versagungsgrundes nach Art 27 Nr 1 LGVÜ 1988 zu qualifizieren. Da dieser Versagungsgrund nicht zum Gegenstand des Rekurses gegen die Vollstreckbarerklärung im ersten Rechtsgang gemacht worden war, verstieß der Verpflichtete auch mit dem Vortrag dieses Einwands erst im zweiten Rechtsgang gegen die Eventualmaxime des § 84 Abs 2 Z 2 EO (RIS Justiz RS0120291), sodass dieser Einwand ebenfalls unbeachtet bleiben muss.

7. Der Verpflichtete machte im Rekurs im zweiten Rechtsgang geltend, das Erstgericht habe entgegen seiner Ankündigung zur Dauer der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils nach dem Recht des Titelstaates eine Anfrage an das Bundesministerium für Justiz zu stellen, eine solche Anfrage nicht eingeholt, ihm so die Möglichkeit genommen, die Einholung eines Rechtsgutachtens dazu zu beantragen und damit gegen die Manduktionspflicht verstoßen. Das Rekursgericht verneinte den geltend gemachten Verfahrensmangel, weil es die Einholung eines Rechtsgutachtens für nicht notwendig erachtete.

Im Revisionsrekurs wird die Verhinderung der Einholung eines Rechtsgutachtens nunmehr als Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO geltend gemacht. Allerdings begründet ein Verstoß gegen die richterliche Anleitungspflicht keine Nichtigkeit (RIS Justiz RS0037335; vgl auch RS0037325), sondern einen Verfahrensmangel (RIS Justiz RS0037095; RS0048529), der hier jedoch bereits von der zweiten Instanz verneint wurde und deshalb in dritter Instanz nicht mehr gerügt werden kann (RIS Justiz RS0042963).

Rechtssätze
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