JudikaturJustiz2Ob29/20h

2Ob29/20h – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. November 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Dengg und andere Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, gegen die beklagte Partei W*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Alexandra Knapp, Rechtsanwältin in Salzburg, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 48.843,66 EUR sA, über die Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. November 2019, GZ 6 R 133/19z 27, mit welchem das Zwischenurteil des Landesgerichts Salzburg vom 4. Juli 2019, GZ 10 Cg 13/18x 15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die beklagte Versicherungsgesellschaft haftet nach § 26 KHVG für die Folgen eines Verkehrsunfalls vom 6. Dezember 2017, bei dem ein von der Klägerin genutzter Lkw mit Spezialausstattung (Schwerlastkupplung) so schwer beschädigt wurde, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden eintrat. Der bei der Nebenintervenientin haftpflichtversicherte Lkw stand im Eigentum einer Leasinggesellschaft (in der Folge: Leasinggeberin), die ihn mit Leasingvertrag einer mit der Klägerin wirtschaftlich verbundenen Gesellschaft (in der Folge: Leasingnehmerin) überlassen hatte. Nach dem Vertrag trug die Leasingnehmerin neben den Reparatur-, Versicherungs- und Wartungskosten auch die Gefahr eines Totalschadens. In diesem Fall endete der Vertrag, die Leasingnehmerin hatte das Leasingobjekt zurückzustellen und der Leasinggeberin das „Erfüllungsinteresse iSv § 921 ABGB“ zu leisten. Dieses war wie folgt definiert: „Leasingentgelte bis zum – gegebenenfalls kalkulatorischen – Vertragsende, jeweils gegebenenfalls zuzüglich eines vereinbarten Restwerts und abzüglich eines Verwertungserlöses und/oder einer Versicherungsleistung.“

[2] Die Leasingnehmerin hatte den Lkw der operativ tätigen Klägerin gegen ein monatliches Entgelt zum Gebrauch überlassen, wobei die Klägerin auch die laufenden Kosten trug. Es gab zwischen ihr und der Leasingnehmerin keine Vereinbarung für den Fall eines Totalschadens, die Klägerin hatte aber nach dem Unfall kein Entgelt mehr zu zahlen. Die Leasingnehmerin kaufte den Lkw „schlussendlich durch Bezahlen der restlichen Leasingraten und des Restwerts aus der [Leasinggeberin] heraus“ und verwertete das Wrack.

[3] Aufgrund des Unfalls konnte die Klägerin keine Aufträge annehmen, für die ein Lkw mit Schwerlastkupplung benötigt wurde. Noch im Dezember 2017 kaufte die Leasingnehmerin ein Ersatzfahrzeug, das aber – auch aufgrund „der erforderlichen Nacharbeiten zur Montage des Aufbaus und zusätzlicher Ausstattungen“ – erst im Juni 2018 an die Klägerin ausgeliefert wurde.

[4] Die Klägerin begehrt von der Beklagten 48.843,66 EUR. Es sei trotz intensiver Bemühungen nicht möglich gewesen, bis Juni 2018 ein Ersatzfahrzeug zu kaufen oder zu mieten. Aus diesem Grund habe die Klägerin einen (näher aufgeschlüsselten) Verdienstentgang in Höhe des Klagebetrags erlitten. Sie sei „wirtschaftliche Eigentümerin“ des Lkw gewesen, weil sie ihn auf eigene Kosten zur Güterbeförderung und Erdbewegung eingesetzt habe und der wirtschaftliche Nutzen und Vorteil ausschließlich ihr zugekommen sei. Mit dem Leasingvertrag sei das Risiko der Beschädigung und des Untergangs des Fahrzeugs von der Eigentümerin auf die Leasingnehmerin überwälzt worden, diese wiederum habe dieses Risiko auf die Klägerin überwälzt. Die Leasinggeberin habe ihre Schadenersatzansprüche der Klägerin abgetreten.

[5] Die Beklagte wendet ein, dass die Klägerin als mittelbar geschädigte Dritte keinen Anspruch auf Schadenersatz habe. Die Grundsätze der Drittschadensliquidation seien nicht anwendbar, weil die Klägerin den Ersatz eines eigenen Vermögensnachteils und nicht eines vertraglich auf sie überwälzten Schadens des Eigentümers oder der Leasingnehmerin begehre. Aus demselben Grund könne sie sich für den geltend gemachten Schaden auch nicht auf eine Zession durch die Leasingnehmerin stützen. Im Übrigen hätte die Klägerin schon früher ein Ersatzfahrzeug beschaffen oder Dienstleistungen anderer Unternehmen zur Minderung des Schadens in Anspruch nehmen können.

[6] Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, dass der Anspruch der Klägerin dem Grunde nach zu Recht bestehe. Zwar sei die Klägerin nicht unmittelbar geschädigt. Allerdings sei das Risiko des Nutzungsausfalls durch den Leasingvertrag von der Leasinggeberin auf die Leasingnehmerin überwälzt worden. Auf dieser Grundlage hätte die Leasingnehmerin nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Mietwagenkosten begehren können. Dasselbe müsse auch für einen Verdienstentgang des Leasingnehmers gelten. Dass sich aufgrund des weiteren Mietvertrags zwischen der Leasingnehmerin und der Klägerin eine weitere Schadensüberwälzung ergeben habe, könne an der Ersatzpflicht der Beklagten nichts ändern.

[7] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu.

[8] Ein Verdienstentgang wegen Unbrauchbarkeit einer beschädigten Sache trete typischerweise beim Eigentümer ein. Werde er aufgrund eines Rechtsverhältnisses auf einen Dritten überwälzt, könne das den Schädiger nicht entlasten. Vielmehr sei der Schaden nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation zu ersetzen. Daran ändere sich nichts, wenn der Schaden aufgrund eines weiteren Rechtsverhältnisses auf einen Vierten verlagert werde. Es werde auch in diesem Fall kein Schaden in die Betrachtung einbezogen, der nicht ohnehin normalerweise beim unmittelbar Geschädigten eintrete und daher zu ersetzen wäre. Sollte man die Grundsätze der Drittschadensliquidation nicht für anwendbar halten, könne die Klägerin einen eigenen Schaden geltend machen. Denn die rechtmäßige Sachinhabung aufgrund eines schuldrechtlichen Verhältnisses genieße nach § 372 ABGB schadenersatzrechtlichen Schutz. Das müsse auch für die Klägerin gelten. Damit bestehe der Anspruch der Klägerin dem Grunde nach zu Recht. Die Frage einer allfälligen Verletzung der Schadenminderungspflicht betreffe die Höhe des Anspruchs und sei daher im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht zu prüfen.

[9] Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit eines Verdienstentgangschadens des Leasingnehmers oder Mieters bei Beschädigung der geleasten oder gemieteten Sache fehle.

[10] In ihren Revisionen vertreten die Beklagte und die erst im Berufungsverfahren beigetretene Nebenintervenientin weiterhin die Auffassung, dass die Klägerin einen nicht ersatzfähigen mittelbaren Schaden geltend mache. Es liege kein Fall der Schadensverlagerung vor. Ein allfälliger Verdienstentgang der Leasinggeberin läge im Entgang der Leasingraten, jener der Klägerin liege demgegenüber in entgangenen Dienstleistungsumsätzen. Es werde daher nicht ein Schaden verlagert, sondern die Klägerin mache einen eigenen, gerade nicht „typischerweise“ beim unmittelbar Geschädigten eintretenden Schaden geltend. Das gelte umso mehr, als die Klägerin nicht Vertragspartnerin der Leasinggeberin sei, sondern den Lkw aufgrund eines weiteren Vertrags genutzt habe. Auch § 372 ABGB könne nicht zur Begründung des Anspruchs herangezogen werden. Die Anwendung dieser Bestimmung setze nämlich voraus, dass der Bestandnehmer anstelle des Eigentümers einen Schaden erleide. Das sei hier nicht der Fall, vielmehr drohe eine Kumulierung von Ansprüchen, da auch die Leasingnehmerin den Ausfall des von der Klägerin zu zahlenden Mietzinses geltend machen könne.

[11] Die Klägerin verweist in der Revisionsbeantwortung auf die ihrer Ansicht nach zutreffende Beurteilung durch das Berufungsgericht. Der Schädiger dürfe nicht dadurch entlastet werden, dass der Nutzungsausfall aufgrund der vertraglichen Gestaltung nicht beim Eigentümer, sondern bei einem Dritten eintrete. Nähme man nicht ohnehin eine bloße Schadensverlagerung an, bestehe jedenfalls ein Anspruch aufgrund des Eingriffs in das mietvertraglich begründete Gebrauchsrecht.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig , sie sind aber nicht berechtigt .

[13] 1. Die Rechtsordnung weist dem Eigentümer nicht nur die Substanz, sondern auch die Nutzung der ihm gehörenden Sache zu (§ 354 ABGB). Wäre die Klägerin Eigentümerin des Lkw gewesen, so hätte sie daher nicht nur Ersatz für den Sachschaden im engeren Sinn, sondern nach ständiger Rechtsprechung auch Verdienstentgang bis zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs begehren können (RS0030624, zuletzt etwa 2 Ob 19/12a SZ 2012/119). Insofern liegt, anders als beim bloßen Entgang einer Gebrauchsmöglichkeit, die als ideeller Schaden qualifiziert wird (RS0010069), ein grundsätzlich ersatzfähiger Vermögensschaden vor, der in Abgrenzung zum Substanzschaden als Nutzungsausfallschaden bezeichnet werden kann.

[14] 2. Im vorliegenden Fall war die Klägerin allerdings nur Mieterin des Lkw, wobei sie ihr Recht zudem nicht unmittelbar vom Eigentümer, sondern von einer Leasingnehmerin ableitete. Zu prüfen ist daher, ob dieser Umstand zu einer Entlastung des Schädigers – hier seines Haftpflichtversicherers – führen kann. Das Berufungsgericht hat das mit einer Alternativbegründung verneint: Entweder liege eine bloße Schadensverlagerung vor, sodass der Verdienstentgang nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation zu ersetzen sei, oder es bestehe ein originärer Anspruch der Klägerin wegen der Beeinträchtigung der ihr mietvertraglich eingeräumten Nutzungsmöglichkeit. Zum besseren Verständnis der Problematik ist zunächst zu prüfen, welche Ansprüche bestünden, wenn der Leasingnehmer das Fahrzeug in einem eigenen Betrieb genutzt und daher durch den Totalschaden einen eigenen Verdienstentgang erlitten hätte (unten 3. und 4.). Erst darauf aufbauend kann geklärt werden, ob die Weitergabe der Nutzung an die Klägerin zu einer anderen Beurteilung führt (unten 5.).

[15] 3. Zu Schadenersatzansprüchen des Leasingnehmers:

[16] 3.1. Die Rechtsprechung begründet Ansprüche des Leasingnehmers bisher überwiegend mit dem Gedanken der Schadensverlagerung.

[17] (a) Ursprünglich hatte der Oberste Gerichtshof den Leasingnehmer bei Beschädigung des Leasingobjekts nur als mittelbar Geschädigten angesehen und ihm daher – nach allgemeinen Grundsätzen (RS0022638, RS0021473) – eigene Ansprüche verwehrt (RS0019382). Eine erfolgreiche Klage setzte nach dieser Rechtsprechung die Abtretung oder Einlösung der dem Leasinggeber zustehenden Schadenersatzforderung voraus (2 Ob 53/90 mwN). Davon ging der Oberste Gerichtshof jedoch mit der zu Mietwagenkosten des Leasingnehmers ergangenen Entscheidung 2 Ob 17/92 SZ 65/83 ab. Mietwagenkosten seien typische Folge der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs, die im konkreten Fall aufgrund des Leasingvertrags nicht der Eigentümer, sondern der Leasingnehmer zu tragen habe. Es liege daher eine bloße Schadensverlagerung vor, die zu einem Anspruch des Leasingnehmers führe. Bei diesen Mietwagenkosten handelte es sich zweifellos nicht um einen Substanz , sondern um einen Nutzungsausfallschaden.

[18] (b) Die Entscheidung 2 Ob 17/92 wurde im Schrifttum im Ergebnis gebilligt, in der Begründung jedoch angezweifelt. Vor allem Iro (Ersatz der Mietwagenkosten beim Kfz Leasing, RdW 1992, 330) und Fischer-Czermak (Zum Schadenersatzanspruch des Leasingnehmers, ecolex 1992, 776) wiesen darauf hin, dass ein originärer Anspruch des Leasingnehmers wegen der Verletzung seines analog § 372 ABGB geschützten Gebrauchsrechts (7 Ob 654/89 [verst Senat] SZ 62/204 = wobl 1990/21 [zust Apathy ] = JBl 1990, 447 [abl Spielbüchler ]) vorzuziehen gewesen wäre. Denn eine Schadensverlagerung im eigentlichen Sinn liege nicht vor, weil der Leasinggeber ohne die besonderen Gefahrtragungsregeln im Leasingvertrag die Mietwagenkosten gerade nicht aufgewendet hätte; dies deswegen, weil er ja – wie ein Vermieter – im Fall der Beschädigung durch einen Dritten gerade nicht zum Zurverfügungstellen eines Ersatzobjekts verpflichtet gewesen wäre ( Fischer-Czermak aaO).

[19] (c) Nicht ganz klar war die Begründung einer kurz darauf ergangenen Entscheidung zum Anspruch eines Leasingnehmers, dem ein Dritter das zur Weitervermietung bestimmte Leasingobjekt rechtswidrig entzogen hatte (2 Ob 553/92). Der Leasingnehmer hatte entgangenen Mietzins für die Restlaufzeit des Leasingvertrags begehrt und zudem (offenbar zur Sicherheit) vorgebracht, dass das Leasingobjekt auch einen Wert in Höhe des Klagebetrags gehabt habe. Der Oberste Gerichtshof bejahte den Anspruch auf entgangenen Mietzins. Dabei billigte er einerseits die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach der Anspruch wegen des Eingriffs in ein nach § 372 ABGB geschütztes Nutzungsrecht zustand; andererseits stützte er sich aber auch – unter Hinweis auf 2 Ob 17/92 – auf den Topos der Schadensverlagerung. Weitere Entscheidungen zu einem bloßen Nutzungsausfallschaden gibt es – anders als sich aus den Gleichstellungen zu dem aufgrund von 2 Ob 17/92 gebildeten Rechtssatz RS0020815 zu ergeben scheint – seither nicht.

[20] (d) In einer Folgeentscheidung bejahte der Oberste Gerichtshof auch Ansprüche des Leasingnehmers wegen Beschädigung der Sache (2 Ob 33/95 JBl 1996, 114 [krit Lukas ]). Dabei ließ er ausdrücklich offen, ob die oben dargestellte Kritik an der Begründung von 2 Ob 17/92 zutreffe. Denn bei einem Substanzschaden komme von vornherein nur eine Lösung im Weg der Drittschadensliquidation in Betracht (ähnlich auch – obiter – 6 Ob 217/09v [Drittschadensliquidation „jedenfalls“ beim Substanzschaden]; 2 Ob 238/07z [„klassischer Anwendungsfall“ der Drittschadensliquidation]; 1 Ob 220/18m [mit Einschränkung auf bereits bezahlte Reparaturkosten]).

[21] (e) Differenzierend entschied der Oberste Gerichtshof demgegenüber im Fall eines Totalschadens (2 Ob 26/93 JBl 1994, 121). Dieser Schaden hatte – wie hier – zur Auflösung des Leasingvertrags und zur Verpflichtung des Leasingnehmers geführt, einen Ablösebetrag zu zahlen, der sich aus den offenen Leasingraten und dem Restwert ergab. Der Leasingnehmer hatte von der Kaskoversicherung bereits den Zeitwert des Fahrzeugs erhalten und machte nun die Differenz zum (höheren) Ablösebetrag geltend. Der Oberste Gerichtshof ließ wiederum ausdrücklich offen, ob dem Leasingnehmer ein originärer Anspruch wegen Verletzung seines nach § 372 ABGB geschützten Gebrauchsrechts zustehen könnte. Allerdings habe sich mit dem Untergang des Fahrzeugs nur das vertraglich übernommene Risiko des Leasingnehmers verwirklicht. Ein Schaden sei ihm nur soweit entstanden, als ihm „das Äquivalent, das bei normaler Vertragsabwicklung vom Leasinggeber zu erbringen gewesen wäre“, entzogen worden sei. Den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs habe er aber ohnehin schon ersetzt erhalten. Jenen (Zins-)Schaden, der sich aus der Verpflichtung zur sofortigen Zahlung des Ablösebetrags ergebe, habe der Kläger nicht geltend gemacht.

[22] (f) Zuletzt verneinte der Oberste Gerichtshof – im Ergebnis übereinstimmend mit 2 Ob 26/93 – einen Anspruch des Leasingnehmers auf frustrierte Leasingraten (4 Ob 49/19p ZFR 2019, 571 [ Petermair ]). Frustrierte Leasingraten seien keine typischen Schadensfolgen, die im Allgemeinen den Eigentümer eines Fahrzeugs träfen; sie seien auch nicht durch die Beschädigung des Fahrzeugs verursacht. Dass der Kläger nach seinem Vorbringen „in Erfüllung seiner Schadensminderungspflicht“ nur die Leasingraten und nicht die Kosten der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs eingeklagt habe, sei für die Beurteilung des Anspruchs auf Ersatz der Leasingraten unerheblich.

[23] 3.2. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass zwar die Mehrzahl der die Haftung bejahenden Entscheidungen mit einer Schadensverlagerung begründet wurde. Allerdings ließ es der Oberste Gerichtshof ausdrücklich offen, ob beim bloßen Nutzungsausfallschaden nicht auch ein originärer Anspruch des nach § 372 ABGB geschützten Leasingnehmers vorliegen könnte (2 Ob 26/93; 2 Ob 33/95), und in einem Fall schloss er sich dieser Auffassung – wenngleich nicht mit letzter Klarheit – wohl auch an (2 Ob 553/92). Für den Fall des Totalschadens besteht jedenfalls kein Anspruch auf Ersatz der „frustrierten“ Leasingraten (2 Ob 26/93; vgl auch 4 Ob 49/19p); der Entscheidung 2 Ob 26/93 lässt sich aber wohl entnehmen, dass der Leasingnehmer Wertersatz begehren kann, wenn er nach dem Vertrag das Risiko des Untergangs zu tragen hat, also dem Leasinggeber das Erfüllungsinteresse leisten muss.

[24] 3.3. Die Lehre bietet ebenfalls kein einheitliches Bild.

[25] (a) Bloße Schadensverlagerung nehmen etwa Huber (Der Nutzungsausfallschaden des Leasingnehmers, VersR 1993, 1329), Wagner (in Schwimann/Kodek , ABGB 4 vor § 1293 Rz 36), Danzl (in KBB 6 § 1323 Rz 9) und G. Kodek (in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.03 § 1295 Rz 36) an, wobei diese Autoren (abgesehen von Huber ) im Wesentlichen auf die Begründung der Rechtsprechung verweisen. Aufgrund einer näheren Untersuchung teilt Fischer-Czermak diese Auffassung für Reparaturkosten, wenn der Leasingvertrag insofern tatsächlich eine Risikoverlagerung vorsehe ( Fischer-Czermak, Schadenersatz nach Verkehrsunfällen mit Leasingfahrzeugen, ZVR 1997, 38 [bei FN 45]). Bei Mietwagenkosten oder Gewinnentgang wegen Nutzungsausfall trete demgegenüber keine Schadensverlagerung ein; hier könne ein Anspruch nur durch Annahme eines Eingriffs in das nach § 372 ABGB geschützte Gebrauchsrecht begründet werden (ZVR 1997, 38 [bei FN 34, 41]).

[26] (b) Grundsätzlich für einen originären Anspruch des Leasingnehmers wegen Eingriff in sein nach § 372 ABGB geschütztes Gebrauchsrecht sprechen sich demgegenüber ua Iro (RdW 1992, 330), Reischauer (in Rummel , ABGB 3 § 1332 Rz 22 f), Kozio l (Haftpflichtrecht I 3 Rz D/4/19) und vor allem Apathy (Der Schutz des Mieters gegenüber Dritten, FS 200 Jahre ABGB [2011] 799 [812 f]; ders , Zur Aktivlegitimation bei Beschädigung von Miet- und Leasingobjekten, in FS Danzl [2017] 17 ff) aus. Apathy bejaht allerdings – wie Reischauer (aaO) – auch Ansprüche des Leasinggebers, wobei jedenfalls beim Anspruch auf Naturalrestitution sowie auf Reparaturkostenvorschuss eine Gesamtgläubigerschaft von Leasinggeber und Leasingnehmer bestehen soll (FS Danzl 22 f). Gleiches nimmt er zunächst auch beim Totalschaden an (FS Danzl 22 f), wobei er aber in weiterer Folge doch einen alleinigen Anspruch des Leasinggebers erwägt (FS Danzl 25): Dieser habe ein Sicherungsinteresse als Eigentümer, sodass jedenfalls ihm der Wiederbeschaffungswert ersetzt werden müsse; der Leasingnehmer werde ohnehin im Ausmaß der Zahlung des Schädigers an den Leasinggeber von seiner Verpflichtung aus dem Leasingvertrag befreit.

[27] 4. Hätte der Leasingnehmer den Lkw im konkreten Fall in einem eigenen Unternehmen genutzt, so ergäben sich auf dieser Grundlage folgende Ansprüche:

[28] 4.1. Zum einen wurde das Risiko des Untergangs der Substanz durch den Leasingvertrag auf den Leasingnehmer verlagert . Er hat dem Leasinggeber (Eigentümer) das Erfüllungsinteresse zu leisten, sodass diesem durch den Eingriff in sein Eigentumsrecht kein rechnerischer Schaden entsteht. Statt dessen verliert der Leasingnehmer mit dem Wert des Lkw (abzüglich des Wrackwerts) das „Äquivalent“ seiner dem Leasinggeber zu erbringenden Leistungen (2 Ob 26/93). Dieser Schaden ist schon deswegen zu ersetzen, weil der Schädiger nicht dadurch begünstigt werden darf, dass der Vermögensnachteil nicht beim Eigentümer, sondern beim Leasingnehmer eintritt. Die Frage, ob dies mit dem (hier nahe liegenden) Argument der Schadensverlagerung oder doch – wie von Apathy und Reischauer vertreten – mit dem Eingriff in das nach § 372 ABGB geschützte Gebrauchsrecht zu begründen ist (vgl zum Bestandvertrag aber RS0020699), kann dahin stehen. Soweit Apathy zuletzt aufgrund des „Sicherungsinteresses“ des Leasinggebers einen Anspruch des Leasingnehmers überhaupt verneint (FS Danzl 25), ist ihm entgegenzuhalten, dass dieses Interesse bei Insolvenz des Leasingnehmers auch durch eine (Ersatz-)Aussonderung eines grundsätzlich dem Leasingnehmer zustehenden Schadenersatzanspruchs (analog § 44 Abs 2 IO) gewahrt werden könnte.

[29] 4.2. Darüber hinaus hätte der Leasingnehmer Anspruch auf den Verdienstentgang bis zur Beschaffung eines Ersatz-Lkw.

[30] (a) Zwar könnte dieser Anspruch tatsächlich nicht mit dem Argument der bloßen Schadensverlagerung begründet werden. Denn anders als beim Substanzschaden handelte es sich dabei nicht um einen „real“ beim Eigentümer eingetretenen Schaden, den aufgrund vertraglicher Regelung der Leasingnehmer zu tragen hätte. An der Annahme eines eigenen Schadens des Leasingnehmers führte daher kein Weg vorbei. Insofern ist der Kritik (oben 3.1.b. und 3.3.b.) an der Begründung der Entscheidung 2 Ob 17/92, die mit Mietwagenkosten ebenfalls einen beim Leasingnehmer eingetretenen Nutzungsausfallschaden betraf, zuzustimmen.

[31] (b) Allerdings bewirkte der Leasingvertrag, dass die Nutzungen der Sache dem Leasingnehmer zugewiesen waren. Diese Zuweisung führt nach nunmehr ständiger Rechtsprechung – ausgehend von der Entscheidung 7 Ob 654/89 [verst Senat] – beim Bestandnehmer zu einem originären , von jenem des Eigentümers unabhängigen Anspruch auf Schadenersatz (1 Ob 19/90 JBl 1991, 247 [ Rummel ]; 1 Ob 615/94 SZ 67/212; RS0037057; vgl dazu nur Reischauer in Rummel 3 § 1332 Rz 22; Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 372 Rz 9 ff; Kozio l, Haftpflichtrecht II 3 Rz A/2/166 ff). Es gibt keinen Grund, einen Leasingnehmer , dem ebenfalls die Nutzungen der Sache zugewiesen sind, anders zu behandeln.

[32] (c) Unabhängig von der Begründung dieser Rechtsprechung mit einer analogen Anwendung von § 372 ABGB (grundlegend Apathy, Publizianische Klage [1981] 41 ff, 71 ff; kritisch insofern ua Holzner in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.04 § 372 Rz 3; Kerschner/Wagner in Klang³ § 364 Rz 251 f; G. Kodek in Klang³ § 372 Rz 39 ff und Rz 54; ders , Die heutige Bedeutung der actio Publiciana, in FS 200 Jahre ABGB [2011] 1139 ff) lässt sich die Anspruchsberechtigung jedenfalls in Bezug auf den Nutzungsausfallschaden auch aus genuin schadenersatzrechtlichen Erwägungen ableiten: Der Vermögensschaden wegen Entfall der Nutzung ist Folge der Beschädigung der Substanz; am Ersatzanspruch des Eigentümers bestünde daher kein Zweifel (oben 1). Es ist kein Grund erkennbar, warum es den Schädiger entlasten sollte, wenn die Nutzung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Eigentümer einem anderen zugewiesen ist und auf andere Weise als beim Eigentümer erfolgt. Entscheidend ist vielmehr, dass keine Doppelliquidation erfolgt und dass die verletzten Interessen des Mieters im sachlichen Schutzbereich des Verbots von Eigentumsbeeinträchtigungen liegen (vgl F. Bydlinski , Der negatorische Schutz des Mieters gegen Dritte und das Rechtssystem, in FS Wesener [1992] 81 [95]). Das trifft jedenfalls beim Nutzungsausfall zu ( F. Bydlinski , FS Wesener 97).

[33] Im Übrigen kann es auch keinen tragfähigen Unterschied begründen, ob (a) ein Schaden, der beim Eigentümer durch Verletzung seines Eigentums eingetreten ist, aufgrund einer Vereinbarung auf einen Dritten verlagert wird, oder ob (b) eine Vereinbarung dazu führt, dass einzelne aus dem Eigentum folgende Rechte (hier auf Nutzung der Sache) einem Dritten übertragen und erst dort beeinträchtigt werden. Der Schädiger muss immer mit einem Nutzungsausfallschaden rechnen; bei wem er eintritt, ist für ihn unerheblich.

[34] (d) Auf dieser Grundlage war es folgerichtig, dass der Oberste Gerichtshof in einer älteren Entscheidung bei Beschädigung einer unter Eigentumsvorbehalt stehenden Sache, die betrieblich genutzt wurde, den Verdienstentgangsanspruch des Vorbehaltskäufers bejahte (2 Ob 289/69 ZVR 1970/235). Die Begründung war ebenso einfach wie im Kern zutreffend: Der Nutzungsausfall wirke sich wirtschaftlich – zu ergänzen: wegen der ihm vertraglich zugewiesenen Nutzungen – im Vermögen des Vorbehaltskäufers aus.

[35] 4.3. Hätte der Leasingnehmer selbst den Lkw in einem eigenen Betrieb genutzt, bestünde daher am Grund des hier geltend gemachten Anspruchs kein Zweifel. Daran könnte nichts ändern, dass der Leasingvertrag vereinbarungsgemäß durch den Eintritt des Totalschadens erlosch. Denn im Zeitpunkt der Schädigung waren die Nutzungen noch dem Leasingnehmer zugewiesen; die Schädigung hätte daher in ein noch bestehendes Recht des Leasingnehmers eingegriffen. Dass aufgrund des Totalschadens nicht nur faktisch die Nutzungsmöglichkeit entfiel, sondern formal auch das Nutzungsrecht erlosch, folgte allein aus dem haftungsbegründenden Verhalten des Schädigers und könnte ihn daher nicht entlasten. Die Gefahr einer Doppelliquidation bestünde nicht, da der Leasinggeber wegen des Anspruchs auf Ersatz des Erfüllungsinteresses jedenfalls keinen eigenen Nutzungsausfallschaden geltend machen könnte.

[36] 4.4. Offen wäre daher nur mehr die Berechnung des Verdienstentgangs (vgl 2 Ob 188/01p mwN) und eine allfällige Verletzung der Schadensminderungspflicht durch Verzögerungen bei der Anschaffung des Ersatzfahrzeugs. Beides beträfe aber die Höhe des Anspruchs (RS0040783; 4 Ob 96/20a) und wäre daher im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

[37] 5. Die Weitervermietung ändert nichts an der Ersatzfähigkeit des nun bei der Klägerin eingetretenen Nutzungsausfallschadens.

[38] 5.1. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass zwischen der Leasingnehmerin und der Klägerin ein konkludent geschlossener Mietvertrag bestand. Die Stellung der Klägerin ähnelte daher jener einer Unterbestandnehmerin. Insofern hat zwar die ältere Rechtsprechung die Anwendbarkeit von § 372 ABGB verneint (RS0011017). Die letzte diesbezügliche Entscheidung (6 Ob 569/89) erging jedoch vor jener des verstärkten Senats, mit der die Aktivlegitimation des Bestandnehmers für Unterlassungsklagen abschließend geklärt wurde (7 Ob 654/89). Seither hat der Oberste Gerichtshof die Frage, ob auch Unterbestandnehmer nach § 372 ABGB geschützt sind, zweimal offen gelassen (4 Ob 168/02p; 7 Ob 71/14p).

[39] 5.2. Jedenfalls beim Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens ist kein Grund erkennbar, den Unterbestandnehmer anders zu behandeln als den Hauptbestandnehmer. Wieder kann der Umstand, dass die Nutzungen der Sache einem anderen als dem Eigentümer zugewiesen sind, den Schädiger nicht entlasten; auch der Vermögensschaden des Unterbestandnehmers steht im sachlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Eigentumsverletzung.

[40] 5.3. Dass die Klägerin aufgrund des Totalschadens keinen Mietzins mehr zahlen musste, ändert daran nichts. Denn dabei handelt es sich um einen schädigungsbedingten Vorteil, der bei der Ermittlung des Verdienstentgangs zu berücksichtigen sein wird (vgl Koziol , Haftpflichtrecht II 3 Rz A/2/171). Aus demselben Grund besteht auch keine Gefahr einer Doppelliquidation: Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Leasingnehmerin für denselben Zeitraum einen Anspruch auf Ersatz des ihr entgangenen Mietzinses hätte, führte das wegen des insofern bei der Klägerin anzurechnenden Vorteils zu keiner zusätzlichen Belastung der Beklagten.

[41] 6. Aus diesen Gründen ist das Zwischenurteil zum Grund des Anspruchs zu bestätigen. Die Höhe des Verdienstentgangs und die allfällige Verletzung einer Schadensminderungspflicht sind im fortgesetzten Verfahren zu klären.

[42] 7. Die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Wer für für die Beschädigung einer geleasten oder gemieteten Sache haftet, die in einem Unternehmen genutzt wurde, hat auch den durch die Beschädigung verursachten Verdienstentgang des Unternehmens zu ersetzen. Das gilt auch dann, wenn die Nutzung aufgrund eines Unterbestandverhältnisses erfolgte. Der allfällige Wegfall der Verpflichtung zur Zahlung von Mietzins oder Leasingentgelt ist als Vorteil anzurechnen.

[43] 8. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 393 Abs 4 iVm 52 Abs 4 ZPO (RS0035896).

Rechtssätze
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