JudikaturJustiz1Ob94/16d

1Ob94/16d – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Mai 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der S***** M*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 2. März 2016, GZ 20 R 23/16f 33, mit dem der Rekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 23. Dezember 2015, GZ 1 P 178/15w 25, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht stellte das Verfahren, in dem die Voraussetzungen des Vorliegens der Bestellung eines Sachwalters für die Betroffene geprüft wurden, wegen Unzuständigkeit mit der Begründung ein, es habe sich im Laufe des Verfahrens herausgestellt, dass der zuvor angenommene gewöhnliche Aufenthalt der Betroffenen nicht mehr in seinem Sprengel, sondern schon seit längerem in der Slowakei gelegen sei.

Das Rekursgericht wies den von der Betroffenen erhobenen und als „Berufung gegen Bescheid“ bezeichneten Rekurs mangels Beschwer zurück. Zur darin ausgeführten Bemängelung der Betroffenen, die Richterin sei als Familienrichterin nicht für sie zuständig, sie selbst sei „psychisch in Ordnung“ und gesund, führte das Rekursgericht aus, die Betroffene habe ohnehin die Zuständigkeit des Erstgerichts bestritten; wenn in Österreich das Sachwalterschaftsverfahren wegen Unzuständigkeit eingestellt worden und kein Sachwalterschaftsverfahren anhängig sei, liege weder formelle noch materielle Beschwer der Betroffenen vor, zumal durch die Einstellung des Verfahrens nicht in deren Rechte eingegriffen werde. Sollte das verständigte slowakische Gericht ein Sachwalterschaftsverfahren oder Pflegschaftsverfahren einleiten, müsse die Rechtsmittelwerberin ohnehin beim zuständigen Gericht in der Slowakei ein Rechtsmittel erheben.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich der als „Berufung zum Bescheid“ betitelte außerordentliche Revisionsrekurs, der (wiederum mangels Beschwer) unzulässig ist.

Das Vorliegen von Beschwer ist auch im Verfahren außer Streitsachen Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zu Grunde liegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht; materielle Beschwer liegt vor, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werden ( Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 45 Rz 50, RIS Justiz RS0041868 [insbes T19]; RS0006641). Auch wenn die angefochtene Entscheidung dem vom Rechtsmittelwerber in der Vorinstanz gestellten Antrag (Rekurs) widerspricht, ist, wenn die Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung nicht beeinträchtigt wird, sein Rechtsmittel dennoch als unzulässig (RIS Justiz RS0006598) zurückzuweisen (RIS Justiz RS0006641; RS0006880, zum Verfahren außer Streitsachen s [T26]).

Die Betroffene wendet sich in ihrem Rechtsmittel zwar gegen Verfahren, die vor dem Bezirksgericht Neusiedl am See geführt werden. Dabei handelt es sich jedoch nicht um das gegenständliche Sachwalterschaftsverfahren (mit den darin gefällten Entscheidungen des Erstgerichts oder Rekursgerichts), sondern um jene Verfahren (ein streitiges Verfahren und ein Exekutionsverfahren), die zur Überprüfung, ob die dort als Partei auftretende Betroffene zur Führung dieser Verfahren ausreichend geschäftsfähig sei, unterbrochen worden waren. Sie bringt inhaltlich vor, das Erstgericht (als Pflegschaftsgericht) könne keine Entscheidungen treffen, da es für „Familienrecht“ nicht aber für „Streit oder Strafrecht“ zuständig sei. Die Betroffene wendet sich damit inhaltlich (erneut) nicht gegen die Einstellung des Sachwalterschaftsverfahrens durch das Erstgericht oder die Zurückweisung ihres Rekurses gegen diese Entscheidung und zeigt daher eine Beeinträchtigung ihrer Rechtsstellung nicht auf.

Die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens zur Nachholung der Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Notars ist in diesem Fall entbehrlich, könnte doch das Rechtsmittel auch durch eine fachkundige Vertretung der Partei und Einbringung des Rechtsmittels im Elektronischen Rechtsverkehr nicht zulässig werden (RIS Justiz RS0005946; RS0120029; RS0128266 [T12]).

Rechtssätze
7
  • RS0128266OGH Rechtssatz

    03. März 2022·3 Entscheidungen

    Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag 1. 5. 2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die auf dem Postweg und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Die bisherige Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit 1. 5. 2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV‑Teilnehmer/innen in Hinkunft den elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden. Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll ‑ als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) ‑ zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen.