JudikaturJustiz1Ob255/99b

1Ob255/99b – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Januar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 4. Dezember 1996 verstorbenen Anna B***** infolge Revisionsrekurses der erbl. Tochter Martina H*****, vertreten durch Dr. Berd Brunner, Rechtsanwalt in Tulln, gegen den Beschluss des Landesgerichts St.Pölten als Rekursgericht vom 26. Juli 1999, GZ 7 R 113/99v 50, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Tulln vom 18. Februar 1999, GZ 1 A 627/96g 46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung des erbl. Witwers Josef B***** und der beiden erbl. Söhne Thomas und Martin B***** wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am 4. Dezember 1996 verstorbene Erblasserin wendete in ihrer mit "Testament" überschriebenen letztwilligen Verfügung vom 26. März 1970 ihrer (damals noch minderjährigen) Tochter, der Rechtsmittelwerberin, eine bestimmte Liegenschaft mit einem darauf errichteten Einfamilienhaus zu, ohne weitere Vermögensbestandteile darin zu nennen; ihrer Mutter räumte die Erblasserin ein Wohnrecht an diesem Haus ein.

Erst nach Errichtung dieser letztwilligen Verfügung schloss die Erblasserin die Ehe, ohne aber in der Folge ihren Ehegatten bzw die beiden der Ehe entstammenden, nun bereits volljährigen Söhne letztwillig zu bedenken. Sie übertrug allerdings die Hälfte der in ihrer letztwilligen Verfügung erwähnten Liegenschaft ins Eigentum ihres Ehegatten.

Mit Einantwortungsurkunde vom 25. August 1998 wurde der Nachlass auf Grund des Gesetzes dem erbl. Witwer zu einem Drittel sowie den beiden erbl. Söhnen (auf Grund von unbedingten Erbserklärungen) und der erbl. Tochter (auf Grund deren bedingten Erbserklärung) je zu zwei Neunteln eingeantwortet; die Einantwortungsurkunde ist in Rechtskraft erwachsen.

Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht den Antrag der Tochter der Erblasserin auf Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäß § 178 AuStrG zur Verbücherung des Legats vom 26. März 1970 betreffend die noch zum Nachlass gehörige Hälfte der erwähnten Liegenschaft ab und verwies sie mit ihrem Anspruch auf den Rechtsweg.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil "die Rechtsfolgen einer Anwendung des § 777 ABGB auf die Aussetzung eines Legats (Unwirksamkeit) weder in der Lehre noch in der Rechtsprechung ausreichend geklärt" seien. In rechtlicher Hinsicht meinte die zweite Instanz, da die letztwillige Verfügung der Erblasserin keine Erbseinsetzung enthalte, sei sie gemäß § 535 ABGB als Kodizill zu beurteilen; die Zuwendung an die Tochter sei, wie sich aus § 690 ABGB ergebe, demnach als Legat zu werten. Soweit das Gesetz nichts anderes vorsehe, seien auf Kodizille die Vorschriften des Testamentsrechts, insbesondere jene über die Gültigkeitserfordernisse und die Auslegung, anzuwenden. Daher könnten auf die hier zu beurteilende letztwillige Verfügung auch die Vorschriften über die irrtümliche Übergehung von Noterben (§§ 777 f ABGB) angewendet werden. Hier sei der Irrtum der Erblasserin darin zu erblicken, dass sie die Geburt ihrer beiden Söhne nicht habe voraussehen können. Habe der Erblasser zwei oder mehrere Kinder irrtümlich übergangen und sei bereits ein Kind vorhanden, so sei auch auf solche Fälle § 777 ABGB anzuwenden. Die letztwillige Verfügung könne dadurch von den erbl. Söhnen inhaltlich begründet bestritten werden, was im Ergebnis die Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses zur Folge habe. Zu diesem Ergebnis gelange man auch dann, wenn man die letztwillige Verfügung was auf Grund der Auslegungsregel in § 655 letzter Halbsatz ABGB durchaus möglich sei als Tetament beurteilen würde, weil in diesem Fall die testamentsrechtlichen Vorschriften ohnehin zur Anwendung kämen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Tochter der Erblasserin ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 178 AußStrG ist denjenigen, welchen in die öffentlichen Bücher eingetragene unbewegliche Güter oder auf diesen haftende Forderungen aus einer Verlassenschaft nicht als Erben, sondern als Vermächtnisnehmer oder durch eine während der Abhandlung an sie erfolgte Veräußerung zufallen, vom Abhandlungsgericht auf ihr Ansuchen die Bestätigung zu erteilen, dass sie in den öffentlichen Büchern als Eigentümer eingetragen werden können. Die Amtsbestätigung soll dem Vermächtnisnehmer der nicht wie der Erbe das Eigentumsrecht an der vermachten Sache schon mit dem Eintritt der Rechtskraft der Einantwortungsurkunde erwirbt den Erwerb seines Eigentums durch Eintragung im Grundbuch ermöglichen.

Nach der Rechtsprechung kann auch die Zuwendung des einzigen Gegenstands oder aller oder doch wenigstens der wesentlichsten (wertvollsten) Teile des Vermögens ohne Erwähnung des restlichen Vermögens an eine oder quotenmäßig an mehrere Personen als Erbseinsetzung gedeutet werden (JBl 1989, 307; NZ 1989, 266 uva); dabei kommt es auf den Umfang des Vermögens im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung an (NZ 1994, 229 ua). Im Abhandlungsverfahren ist im Zweifel auch dann von einem Testament auszugehen, wenn in der letztwilligen Verfügung nur bestimmte Sachen erwähnt werden (NZ 1994, 229; SZ 35/92 ua; Eccher in Schwimann, ABGB2 § 535 Rz 5). Würde man die letztwillige Verfügung vom 26. März 1970 deshalb als Testament beurteilen, so wäre die Tochter der Erblasserin schon auf Grund dieser Verfügung zur Alleinerbin berufen. In diesem Fall müsste ihr Antrag auf Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG schon deshalb abgewiesen werden, weil sie als Erbin auf eine solche keinen Rechtsanspruch hätte.

Selbst wenn man aber die Auffassung der zweiten Instanz teilte, dass die letztwillige Verfügung vom 26. März 1970 mangels Erbseinsetzung und wegen der Zuwendung einer einzelnen Sache trotz ihrer Bezeichnung als "Testament" im Sinne des § 553 ABGB ein Kodizill und demgemäß die dort verfügte Zuwendung ein Legat sei, wäre für den Standpunkt der erbl. Tochter nichts gewonnen:

Vor Ausstellung der vom Legatar beantragten Amtsbestätigung ist der Erbe zu hören, doch ist deren Ausstellung von seiner Zustimmung nicht abhängig (Eccher aaO § 684 Rz 8 mwN). Der Vermächtnisnehmer ist jedoch dann auf den Rechtsweg zu verweisen, wenn die Gültigkeit des Legats ernstlich bestritten, wenn auch nicht gerade bescheinigt wird oder sonst hinreichende Gründe etwa für eine Legatsreduktion bzw Sicherstellung gemäss § 692 ABGB vorliegen (JBl 1989, 105; SZ 50/56 uva); die Bestreitung bloß aus übertriebener Ängstlichkeit, aus "Frivolität" oder aufs Geratewohl reicht indes nicht aus (Eccher aaO § 685 Rz 8). Besteht deshalb ein Streit über die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung oder deren Inhalt bzw den Umfang der Zuwendung (EFSlg 79.774; JBl 1960, 642 ua), so ist der Anspruch auf die vermachte Sache vom Legatar mittels Vermächtnisklage (vgl EFSlg 82.978f ua; zuletzt wieder ZfRV 1999, 149), gegebenenfalls auch mittels Feststellungs oder Klage auf Abgabe einer Willenserklärung (Zustimmung zur Ausstellung der Amtsbestätigung - SZ 60/241; EFSlg 44.770) durchzusetzen, wenn die letztwillige Verfügung oder wenigstens die Vermächtnisanordnung bestritten wird (Welser in Rummel, ABGB2 § 647 Rz 8 mwN; Eccher aaO § 684 Rz 4).

Im vorliegenden Fall traten die übrigen nach dem Gesetz berufenen Erben (der Witwer und die beiden Söhne der Erblasserin) dem Antrag der erbl. Tochter auf Ausstellung der Amtsbestätigung zur Verbücherung des ihr nach ihren Behauptungen ausgesetzten Legats nicht etwa aus dem Grund entgegen, dass sie die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung an sich bestritten. Sie brachten vielmehr unter Berufung auf § 778 ABGB vor, die beiden Söhne der Erblasserin seien Noterben, und die Erblasserin habe bei Verfassung ihres "Testaments" nicht vorhersehen können, dass sie später noch (weitere) erb bzw pflichtteilsberechtigte Kinder haben werde. Die letztwillige Verfügung sei daher entkräftet, sodass allein die gesetzliche Erbfolge bestimmend sei.

Die §§ 776 ff ABGB regeln die Folgen der Übergehung (Präterition) von Kindern des Testators in dessen letztwilliger Verfügung; § 778 zweiter Fall ABGB erwähnt darüber hinaus als Übergehung iwS auch den Fall der "Nachgeburt", also des späteren Hinzukommens eines Kindes, für das keine "Vorsehung" getroffen ist (Agnation); dieser Agnationsfall ist auch in den §§ 776 und 777 ABGB mitzudenken (Eccher aaO Vorbem. zu §§ 776 ff Rz 2; vgl auch Koziol/Welser, Grundriß10 II 323 f).

War dem Erblasser das Dasein des Kindes bekannt, wird absichtliche Übergehung vermutet, sodass dieses Kind auf den Pflichtteil beschränkt ist; auch dieser entfällt, wenn der Erbe einen Erbungsgrund nachweist (§ 782 ABGB). Gelingt dieser Beweis nicht (grundlose Übergehung), so können Aszendenten oder der Ehegatte nur den Pflichtteil verlangen (§ 781 ABGB), sofern sie nicht die letztwillige Verfügung wegen Irrtums anfechten (Eccher aaO § 781 Rz 1 und Koziol/Welser aaO 324 jeweils unter Berufung auf Kralik in JBl 1973, 550); dagegen können übergangene Kinder, weisen sie nach, dass sie unabsichtlich (irrtümlich) übergangen wurden, die Rechte nach den §§ 777 f ABGB in Anspruch nehmen (Eccher aaO Vorbem. zu §§ 776 ff Rz 5). Die §§ 777 und 778 ABGB beruhen auf der Erwägung, dass der Erblasser seine irrtümlich übergangenen Kinder in der Regel seinen übrigen Kindern nicht nachsetzen wollte, sodass nur die absichtliche Übergehung dem nicht bedachten Kind schaden soll (SZ 58/141 uva); diesem widerleglich vermuteten Willen des Erblassers soll damit zum Durchbruch verholfen werden. Die §§ 777 f ABGB sind deshalb gegenüber den §§ 570 ff ABGB spezielle Irrtumsregeln mit Beweiserleichterungen für den Übergangenen (Eccher aaO § 778 Rz 4 mwN).

Die beiden Söhne der Erblasserin haben sich zwar zu Unrecht auf § 778 ABGB (arg. "einzigen Noterben" [erster Fall] bzw "erst .... einen Noterben [zweiter Fall]) berufen, ihr sonstiges Vorbringen (ON 45) läßt aber noch mit ausreichender Deutlichkeit erkennen, dass sie sich bei ihrem Verlangen nach Antragsabweisung in Wahrheit auf die Rechte des übergangenen Kindes nach § 777 ABGB stützen. Danach muss sich der Übergangene, kann aus den Umständen erwiesen werden, dass die Übergehung eines von mehreren Kindern nur daher rühre, dass dem Erblasser dessen Dasein unbekannt war, nicht mit dem Pflichtteil begnügen, sondern kann jenen Erbteil verlangen, der dem am mindestens begünstigten Noterben zufällt. Hat der Erblasser zwei (wie hier) oder mehrere Noterben irrtümlich übergangen, so ist § 778 ABGB nur anzuwenden, wenn keine weiteren Kinder mehr vorhanden sind, sonst § 777 ABGB (Koziol/Welser aaO 324).

Die in den §§ 777 f ABGB verankerten Rechte (Verlangen nach einem Erbteil bzw Entkräftung der letztwilligen Verfügung) können vom benachteiligten Kind mittels Klage oder Einrede zur Anfechtung oder Korrektur des letzten Willens geltend gemacht werden (vgl dazu Kralik in JBl 1973, 546). Ansprüche des übergangenen Noterben nach den §§ 777 f ABGB verjähren § 1487 ABGB zufolge in drei Jahren; die Verjährungsfrist wird durch die Testamentskundmachung in Gang gesetzt (SZ 45/130 ua; Welser aaO §§ 776, 777 Rz 10; Eccher aaO § 778 Rz 8).

Der erkennende Senat teilt die Auffassung des Gerichts zweiter Instanz, dass da auf Kodizille die Bestimmungen des Testamentsrechts, namentlich auch über die Gültigkeitserfordernisse und die Auslegung, anzuwenden sind gerade auch auf eine letztwillige Verfügung dieser Art, wie sie hier zu beurteilen ist, in welcher also der Erblasser über den wesentlichen (wertvollsten) Teil seines gesamten Vermögens verfügte und den Rest unerwähnt ließ, die §§ 776 ff ABGB zur Anwendung gelangen; die Problematik der §§ 713 f ABGB, die ausnahmsweise eine differenzierte Behandlung von Testament und Kodizill vorsehen, steht hier nicht an (vgl Koziol/Welser aaO 316).

Führen letztwillig übergangene Kinder in der Äußerung zum Antrag nach § 178 AuStrG zur Begründung ihres Begehrens nach dessen Abweisung einen Sachverhalt ins Treffen, der der Sache nach der Geltendmachung von Rechten im Sinne des § 777 ABGB zu unterstellen ist, so bestreiten sie damit "ernstlich" die Wirksamkeit dieser letztwilligen Verfügung bzw des darin ausgesetzten Legats wenigstens dessen Umfang nach, kann ein solches Vorbringen in diesem Zusammenhang doch nicht anders behandelt werden, als Gründe einer Legatsreduktion oder Sicherstellung nach § 692 AußStrG (vgl die Nachweise bei Eccher aaO § 684 Rz 8).

Die Vorinstanzen haben somit die erbl. Tochter mit ihrem Antrag auf Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäss § 178 AußStrG zu Recht auf den Rechtsweg verwiesen.

Die Revisionsrekursbeantwortung des erbl. Witwers und der erbl. Söhne ist zurückzuweisen, weil im Abhandlungsverfahren das Rechtsmittel nicht zweiseitig ausgestaltet ist.

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