JudikaturJustiz1Ob104/23k

1Ob104/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N* H*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei L* GesmbH, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Vertragsaufhebung und 13.117,64 EUR sA, über die „außerordentliche“ Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. März 2023, GZ 7 R 51/19b 34, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 14. März 2019, GZ 4 Cg 55/18x 24, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt vom beklagten Autohandelsunternehmen die Aufhebung des Kaufvertrags über ein bestimmtes Fahrzeug und die Zahlung von 13.117,64 EUR sA Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs. Hilfsweise begehrt sie die Zahlung von 6.000 EUR, in eventu die Feststellung, dass die Beklagte für jeden Schaden hafte, der ihr aus dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung entstehe.

[2] Das Erstgericht hob den Kaufvertrag auf und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 6.200 EUR sA. Das Mehrbegehren von 6.917,64 EUR sA sowie die beiden Eventualbegehren wies es ab. Die Abweisung des Zahlungsbegehrens von 1.254,73 EUR sA sowie der beiden Eventualbegehren erwuchs mangels Anfechtung der Klägerin in Rechtskraft.

[3] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin Folge, jener der Beklagten nicht und verpflichtete diese zu einer weiteren Zahlung von 5.662,91 EUR sA (insgesamt 11.862,91 EUR sA). Es erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

[4] Die gegen dieses Urteil erhobene „außerordentliche“ Revision der Beklagten legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof unmittelbar zur Entscheidung vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der geltenden Rechtslage:

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. In einem Verfahren über einen Rechtsgestaltungsausspruch auf Aufhebung eines Kaufvertrags und über das damit verbundene Leistungsbegehren auf Rückzahlung des Kaufpreises bestimmt sich der Streitwert allein nach dem Leistungsbegehren (RS0018806 [T2]). Der Wert des Entscheidungsgegenstands des Hauptbegehrens, das allein Gegenstand des Berufungsverfahrens war, übersteigt damit zwar 5.000, nicht jedoch 30.000 EUR.

[6] 2. Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand zwar 5.000, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht (wie hier) die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen ist auch eine außerordentliche Revision nicht zulässig. Eine Partei kann dann nur gemäß § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach Zustellung des Berufungsurteils den Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Ein solcher Antrag muss die Gründe anführen, warum die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Das ordentliche Rechtsmittel ist mit demselben Schriftsatz auszuführen.

[7] 3. Der Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO wäre beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und dem Berufungsgericht zur Entscheidung vorzulegen (§ 507b Abs 2 ZPO). Diese Vorgangsweise ist auch dann einzuhalten, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliche“ Revision bezeichnet ist (vgl RS0109623). Ob der Schriftsatz der Beklagten den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RS0109501 [T12]; RS0109623 [T5]).

Rechtssätze
9
  • RS0109501OGH Rechtssatz

    27. Juni 2023·3 Entscheidungen

    Hat der Rechtsmittelwerber das Rechtsmittel gegen das vom Berufungsgericht nach dem 31. Dezember 1997 gefasste Urteil rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum er entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte, fehlt der Revision jedoch die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht gestellt werde, ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen; denn im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese erkennbar (gleich den Revisionsausführungen zur Sache) an den Obersten Gerichtshof gerichtet seien, dann hat es einen, mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen. Fehlt nämlich einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis im Sinne des § 84 Abs 3 ZPO, dann ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Das gilt nach § 474 Abs 2 zweiter Satz ZPO auch für das Fehlen des Rechtsmittelantrags.