JudikaturJustiz13Os85/18a

13Os85/18a – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. November 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der OKontr. Ponath als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mouhamed S***** wegen Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 1. Februar 2018, GZ 613 Hv 2/17v 135, ferner über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf bedingter Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden werden der Wahrspruch der Geschworenen, der im Übrigen unberührt bleibt, zur Hauptfrage 5 und zu den Eventualfragen 28, 31 und 34 sowie das darauf beruhende Urteil im Schuldspruch IV und V, demnach auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche, sowie demzufolge auch der gleichzeitig ergangene Beschluss auf Widerruf bedingter Entlassung aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang an das Geschworenengericht des Landesgerichts für Strafsachen Wien zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung mit dem Auftrag verwiesen, die unberührt gebliebenen Teile des Wahrspruchs der Entscheidung mit zugrunde zu legen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf die Aufhebung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mouhamed S***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen eines Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB (IV), „der“ Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (I und III), eines Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB (II) und mehrerer Vergehen der schweren Körperverletzung nach „§§ 83 Abs 1, 84 Abs 2“ StGB (V) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****

(I) am 13. Oktober 2016 eine fremde Sache, nämlich einen Putzkübel des Unternehmens „Kl*****“, beschädigt, indem er gegen diesen trat;

(II) am 15. Oktober 2016

(A) einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Verbringung in eine gesicherte Zelle, zu hindern versucht, indem er mehrmals mit der Faust gegen das Gesicht und den Hinterkopf des GInsp. K***** schlug;

(B) GInsp. K*****, somit einen Beamten während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben, durch das zu II A beschriebene Verhalten vorsätzlich am Körper in Gestalt von Schwellungen am Hals und im Bereich des Jochbeins verletzt;

(III) am 16. Oktober 2016 Anstaltsgut, „insbesondere“ einen Fernseher und ein Radio, (somit fremde bewegliche Sachen) beschädigt, indem er Ersteren aus der Verankerung riss und beide Gegenstände zu Boden warf;

(IV) am 16. Oktober 2016 versucht, an einer fremden Sache, nämlich „an der Haftzelle A/E 14“ der Justizanstalt W*****, ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst zu verursachen, indem er mit einem Feuerzeug ein Leintuch in Brand setzte und seine Mithäftlinge Nabi N*****, Wahid G***** und Miragha Gh***** durch Positionieren vor dem Feuer und bedrohliches Vorhalten zweier Speisemesser am Löschen des Feuers hinderte, wobei das Entstehen einer Feuersbrunst durch Ausbreitung des Brandes auf die gesamte Haftzelle und auf weitere Teile des Anstaltsgebäudes nur durch Einschreiten der Justizwache sowie der Betriebsfeuerwehr verhindert werden konnte;

(V) durch das zu IV beschriebene Verhalten folgende Häftlinge vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten herbeigeführt, wobei er die Körperverletzungen auf eine Weise beging, mit der Lebensgefahr verbunden war, und zwar

(1) Nabi N*****, der durch den Brand „eine Rauchgasvergiftung, Verbrennungen ersten Grades im Bereich beider Ohren sowie ein Inhalationstrauma, somit eine an sich schwere Körperverletzung“, erlitt;

(2) Wahid G*****, der durch den Brand „eine Rauchgasvergiftung, eine schwere posttraumatische psychoabtrose Störung sowie kleine Abschürfungen am rechten Handgelenk, somit eine an sich schwere Körperverletzung“, erlitt;

(3) Miragha Gh*****, der durch den Brand „ein massives Inhalationstrauma sowie großflächige Verbrennungen zweiten bis dritten Grades, somit eine an sich schwere Körperverletzung mit mehr als 24-tägiger Gesundheitsschädigung“, erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wenden sich die jeweils auf § 345 Abs 1 Z 12 StPO gestützten – gleichgerichteten – Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft.

In Bezug auf die von den Schuldsprüchen IV und V erfasste Tat bejahten die Geschworenen die (nach dem Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB gestellte) Hauptfrage 5 . Die (jeweils nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB gestellten) Hauptfragen 6 (betreffend N*****), 7 (betreffend G*****) und 8 (betreffend Gh*****) hingegen verneinten sie. Ebenso verneinten sie die jeweils (nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB zu beantwortenden) nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB gestellten Eventualfragen 27 (betreffend N*****), 30 (betreffend G*****) und 33 (betreffend Gh*****). Zusätzlich bejahten sie die (jeweils nach „dem“ Verbrechen der schweren Körperverletzung nach „§ 84 Abs 4 und 5 Z 1 StGB“ gestellten) Eventualfragen 28 (betreffend N*****), 31 (betreffend G*****) und 34 (betreffend Gh*****), obwohl diese – nach der Fragestellung an die Geschworenen – jeweils nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage 5 ( und der jeweiligen Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB sowie der jeweiligen Eventualfrage nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB) zu beantworten gewesen wären.

Indem die Geschworenen die – infolge Bejahung der Hauptfrage 5 – jeweils gegenstandslosen Eventualfragen 28, 31 und 34 (ebenfalls) bejahten, haben sie jene Hauptfrage und diese Eventualfragen in einander ausschließender Weise beantwortet (eine Verbesserung des – solcherart mangelhaften – Wahrspruchs [§ 332 Abs 4 StPO] wurde den Geschworenen nicht aufgetragen; vgl RIS Justiz RS0121340, RS0123182). Darin liegt ein Widerspruch in der Bedeutung des § 345 Abs 1 Z 9 StPO (EvBl 1978/119; Ratz , WK StPO § 345 Rz 70; Fabrizy , StPO 13 § 345 Rz 15a), den beide – zum Vorteil des Angeklagten ausgeführten – Nichtigkeitsbeschwerden (wenngleich nominell verfehlt aus Z 12) deutlich und bestimmt aufzeigen.

Dies führte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des Wahrspruchs der Geschworenen sowie des angefochtenen Urteils (und des zugleich damit ergangenen Beschlusses) wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e iVm § 344 zweiter Satz StPO).

Da der Nichtigkeitsgrund nur den Wahrspruch zur Hauptfrage 5 und zu den Eventualfragen 28, 31 und 34, nicht aber den – auf dieselbe Tat bezogenen – Wahrspruch zu den Hauptfragen 6, 7 und 8 und zu den Eventualfragen 27, 30 und 33 betrifft, hatte der Wahrspruch, soweit er die Fragen nach den Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB verneint, unberührt zu bleiben (§ 349 Abs 2 StPO; Fabrizy , StPO 13 § 349 Rz 1). Gleiches gilt für die (unbekämpften) Schuldsprüche I, II und III (samt dem diesen zugrunde liegenden Wahrspruch).

Im Umfang der Aufhebung war die Sache an das Geschworenengericht des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu verweisen (§ 349 Abs 1 StPO).

Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang sei hinzugefügt:

1. Zum (bestandskräftigen) Schuldspruch I und III:

Der verfehlte (§ 29 StGB; Ratz in WK 2 StGB § 29 Rz 5) Schuldspruch wegen mehrerer Vergehen (statt bloß eines Vergehens) der Sachbeschädigung nach § 125 StGB hat sich in concreto nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt, aus welchem Grund der darin gelegene Rechtsfehler von Amts wegen nicht aufzugreifen war ( Ratz , WK StPO § 290 Rz 22 ff). Im zweiten Rechtsgang ist das Geschworenengericht – aufgrund der hier getroffenen Klarstellung – insoweit nicht an den Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz gebunden (RIS Justiz RS0129614 [T1]).

2. Zum (bestandskräftigen) Schuldspruch II:

Nach dem Wahrspruch der Geschworenen (die insoweit die Hauptfragen 2 und 3 bejahten) wäre die Subsumtion der vom Schuldspruch II umfassten Tat – nicht nur als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB (II A), sondern (damit echt ideal konkurrierend – Danek/Mann in WK 2 StGB § 269 Rz 87; RIS Justiz RS0092945 [T1]) auch – als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (II B) geboten gewesen. Der im Unterbleiben dieser (zusätzlichen) rechtlichen Unterstellung gelegene Subsumtionsfehler (Z 12), den die Staatsanwaltschaft nicht zum Nachteil des Angeklagten geltend machte, hat jedoch – als zu dessen Vorteil gereichend – unter dem Aspekt amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz iVm § 344 zweiter Satz StPO) auf sich zu beruhen.

3. Zum (aufgehobenen) Schuldspruch V:

Unter Zugrundelegung des Wahrspruchs zu den Eventualfragen 28, 31 und 34 wäre die von den Schuldsprüchen IV und V erfasste Tat nicht mehreren Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB, sondern mehreren Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB zu subsumieren gewesen. Eine jeweils zusätzliche rechtliche Unterstellung nach § 84 Abs 4 StGB hätte – abgesehen vom Erfordernis gesonderter Fragestellung (RIS Justiz RS0100788; Lässig , WK StPO § 314 Rz 1; zur echten Konkurrenz der in Rede stehenden strafbaren Handlungen vgl 13 Os 111/18z) – konkreter, eine Beurteilung der jeweiligen Folge (Verletzung am Körper oder Gesundheitsschädigung) als schwer (§ 84 Abs 1 StGB) tragender Konstatierungen im Wahrspruch bedurft (vgl Burgstaller/Fabrizy in WK 2 StGB § 84 Rz 18 ff), welcher Anforderung (jedenfalls) die zu V1 (betreffend N*****) und die zu V2 (betreffend G*****) geschaffene Tatsachenbasis übrigens nicht genügt hätte. Schon angesichts der Aufhebung (auch) der betreffenden Teile des Wahrspruchs und des Urteils ist auf den angesprochenen, von der Staatsanwaltschaft – mit Blick auf die rechtliche Zielrichtung ihres sonstigen Vorbringens (dazu 4.) – (ohnedies) nicht deutlich und bestimmt zum Nachteil des Angeklagten geltend gemachten Subsumtionsfehler (Z 12) nicht weiter einzugehen. Unabhängig davon steht das – auf den Sanktionenbereich beschränkte (RIS Justiz RS0098900) – Verschlechterungsverbot (§ 293 Abs 3 iVm § 344 zweiter Satz StPO) einem insoweit rechtsrichtigen Schuldspruch im zweiten Rechtsgang nicht entgegen.

4. Zur Konkurrenz der Tatbestände des § 169 Abs 1 StGB und des § 84 StGB:

Infolge der Aufhebung obsolet ist die (übereinstimmende) Argumentation der Beschwerdeführer (Z 12), vorsätzliche schwere Körperverletzungen, die nicht die Qualifikation des § 169 Abs 3 StGB begründen, würden „vom Unrechtsgehalt der Tat nach § 169 Abs 1“ „konsumiert“. Für den zweiten Rechtsgang sei dazu festgehalten, dass – wie schon die Generalprokuratur zutreffend ausführte – entgegen dieser Beschwerdeauffassung vorsätzliche schwere Körperverletzungen nach § 84 StGB dann, wenn sie die Qualifikation des § 169 Abs 3 (erster Fall) StGB nicht begründen, bei tateinheitlichem Zusammentreffen mit dem (Grund-)Tatbestand des § 169 Abs 1 StGB echt konkurrieren:

Spezialität scheidet aus, weil weder § 169 Abs 1 StGB sämtliche Merkmale eines der Tatbestände des § 84 StGB enthält noch umgekehrt.

Subsidiarität ist gegeben, wenn die scheinbar zusammentreffenden strafbaren Handlungen erkennen lassen, dass eine davon nur begründet sein soll, wenn nicht eine andere begründet ist. Im Fall einer gesetzlichen Subsidiaritätsklausel liegt ausdrückliche, sonst stillschweigende Subsidiarität vor ( Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 36). Dabei ist Erstere als Normalform anzusehen, weil bei Subsidiarität aufgrund der gleichen begriffslogischen Lage auch Idealkonkurrenz in Frage kommt ( Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 37). Ordnet der Gesetzgeber – wie hier – Subsidiarität nicht ausdrücklich an, bedarf es demnach einer zweifelsfreien Begründung für die Annahme, es solle ausnahmsweise Verdrängung infolge stillschweigender Subsidiarität stattfinden (RIS Justiz RS0113812). Anhaltspunkte für eine solche Begründung sind hier nicht ersichtlich. Zu diesem Ergebnis führt auch die Gesetzessystematik. Während § 84 StGB im 1. Abschnitt des StGB (strafbare Handlungen gegen Leib und Leben) angesiedelt ist, findet sich § 169 Abs 1 StGB – als gemeingefährliche strafbare Handlung – im 7. Abschnitt des StGB. Nach dem (für die stillschweigende Subsidiarität maßgebenden) abstrakten Verhältnis der in Rede stehenden strafbaren Handlungen zueinander ergibt sich somit auch unter diesem Aspekt keineswegs die Verdrängung der einen durch die andere (vgl 14 Os 172/11t, EvBl 2012/163, 1094 [verst Senat]; RIS Justiz RS0128225; Burgstaller , Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393 [398]; Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 36).

Das Scheinkonkurrenzverhältnis der Konsumtion lässt sich (anders als jenes der Subsidiarität) nicht allein durch das abstrakte Verhältnis der jeweiligen strafbaren Handlungen zueinander erklären, sondern erfordert zusätzlich die Berücksichtigung der konkreten Umstände des Tatgeschehens. Konsumtion setzt also ein kriminologisches Naheverhältnis voraus, von dem angenommen werden kann, der Gesetzgeber habe es bei der Aufstellung der Strafsätze berücksichtigt ( Burgstaller , JBl 1978, 393 [459]; Eder-Rieder SbgK § 28 Rz 56; Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 57). Von den insoweit zu unterscheidenden Fallgruppen der straflosen Vortat, der straflosen Nachtat und der typischen Begleittat ist im gegebenen Zusammenhang nur das Vorliegen Letzterer zu prüfen. Von einer typischen Begleittat ist auszugehen, wenn die Verwirklichung einer bestimmten strafbaren Handlung regelmäßig mit der Erfüllung einer anderen verbunden ist und diese im Verhältnis zu jener einen wesentlich geringeren Unwertgehalt aufweist (14 Os 76/08w, SSt 2008/47; RIS Justiz RS0124022; Burgstaller , JBl 1978, 393 [459 f]; Ratz in WK 2 Vor §§ 28 bis 31 Rz 58). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor; dass § 169 StGB (in Abs 3 erster Fall) für schwere Körperverletzungen (§ 84 Abs 1 StGB) einer größeren Zahl von Menschen eine Erfolgsqualifikation normiert, ändert daran nichts (für Konsumtion auch schwerer Körperverletzungen durch den Grundtatbestand des § 169 Abs 1 StGB dagegen Flora SbgK § 169 Rz 114 und Murschetz in WK 2 StGB § 169 Rz 15 unter Abstützung auf Judikatur zur [scheinbaren Ideal ]Konkurrenz des – hier nicht in Rede stehenden – § 88 Abs 1 StGB mit § 169 Abs 1 StGB [12 Os 85/76, SSt 47/48; 13 Os 81/94; RIS Justiz RS0090931]). Die Rechtsprechung, wonach bei allen strafbaren Handlungen, bei denen der Eintritt schwerer Verletzungsfolgen zu einem höheren Strafsatz führt, ein tateinheitlich verwirklichtes Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 oder Abs 2 StGB konsumiert wird (RIS Justiz RS0091004 [T2, T3], RS0092619 [T18], RS0092807 [T1]; dazu Burgstaller/Fabrizy in WK 2 StGB § 83 Rz 55 und Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 61 f), greift – wie klarstellend hinzugefügt sei – in der vorliegenden Konstellation ( § 84 und § 169 Abs 1 StGB) nicht; ebenso wenig ist hier die Frage von (Schein-)Konkurrenz des § 169 Abs 3 StGB mit einer der in § 84 StGB normierten (Erfolgs- oder Verhaltens-) Qualifikationen zu klären (vgl dazu Burgstaller/Fabrizy in WK 2 StGB § 84 Rz 108).

Exklusivität kommt hier keinesfalls in Betracht, weil die in Rede stehenden Tatbestände nicht – wie für Exklusivität erforderlich – einander widerstreitende Merkmale enthalten (RIS Justiz RS0128225; Eder-Rieder SbgK § 28 Rz 3; Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 3).

Mangels Vorliegens eines Scheinkonkurrenzverhältnisses (bei gleichzeitig fehlender Exklusivität) können daher die Tatbestände des § 84 StGB – bei Nichtverwirklichung der Qualifikation nach § 169 Abs 3 (erster Fall) StGB – mit dem Tatbestand des § 169 Abs 1 StGB echt ideal konkurrieren ( Kienapfel/Schmoller , StudB BT III 2 §§ 169 bis 170 Rz 63; Fabrizy , StGB 12 § 169 Rz 15; Hinterhofer/Rosbaud , BT II 6 § 169 Rz 39; Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 4 § 169 Rz 29; idS auch schon ErläutRV 30 BlgNR 13. GP 316).

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf die Aufhebung zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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