JudikaturJustiz8ObA74/14m

8ObA74/14m – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Y***** B*****, vertreten durch Rainer Ruetz, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bernd Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 10.500 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 16. September 2014, GZ 15 Ra 67/14m 30, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der in der außerordentlichen Revision geltend gemachten Aktenwidrigkeit kommt keine Bedeutung zu. Wie schon das Erstgericht näher dargelegt hat, kann sich die Klägerin auf eine „freie“ (unechte) Betriebsvereinbarung mangels Vorliegens einer schlüssigen Unterwerfung nicht berufen (vgl 8 ObA 39/08f).

2.1 Auch sonst zeigte die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Der vorliegende Rechtsstreit ist durch Auslegung des in Form einer Betriebsvereinbarung abgeschlossenen Sozialplans zu lösen. Der Auslegung einer kollektivrechtlichen Bestimmung kommt unter anderem dann keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu, wenn die Auslegung der fraglichen Bestimmung klar und eindeutig ist (vgl RIS Justiz RS0109942; 8 ObA 79/13w). Dies ist hier der Fall.

Die Auslegung des normativen Teils von Betriebsvereinbarungen hat objektiv nach den Regeln der §§ 6 und 7 ABGB zu erfolgen (RIS Justiz RS0121810; RS0050963). Grundsätzlich ist der gegenwärtige objektive Sinngehalt maßgebend (RIS Justiz RS0008874). Dabei ist im Zweifel zu unterstellen, dass die Vertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (vgl RIS Justiz RS0008897; RS0008828).

2.2 Die Regelungen zum Geltungsbereich des zugrunde liegenden Sozialplans und zu den darin vorgesehenen Leistungen bilden eine Einheit. Dementsprechend sind die Vorschriften in den beiden Abschnitten des Sozialplans in einen systematischen Zusammenhang zu stellen.

Die Klägerin beansprucht die freiwillige Abfertigung in Höhe von drei Monatsentgelten. Die zugrunde liegende Regelung knüpft an die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses an. Sie steht in untrennbarem Zusammenhang mit der Bestimmung zum Geltungsbereich des Sozialplans, wonach die Betriebsvereinbarung für die Beendigungsform „ einvernehmliche Auflösung, die nicht in Abänderung einer Kündigung durch den Dienstnehmer zustande gekommen ist “, gilt. Nach diesem eindeutigen Wortlaut muss eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zustande gekommen sein. Die korrespondierende Bestimmung zum Anspruch auf drei Monatsentgelte sieht zwar eine Pflicht des Arbeitgebers vor, von Arbeitnehmern gewünschten einvernehmlichen Lösungen des Arbeitsverhältnisses anstelle einer „ geplanten “ Dienstgeberkündigung zuzustimmen. Dies ändert allerdings nichts am Erfordernis, dass die einvernehmliche Auflösung zustande gekommen sein, der Dienstgeber also zugestimmt haben muss. Aufgrund des ausdrücklichen Abstellens auf eine geplante Dienstgeberkündigung ist außerdem der Fall der Abänderung einer bereits ausgesprochenen Dienstgeberkündigung nicht erfasst. Jedenfalls kann der Dienstnehmer nach erfolgtem Ausspruch der Kündigung durch den Dienstgeber nicht lediglich ein Anbot auf einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses unterbreiten und es in weiterer Folge beim Untätigbleiben des Dienstgebers bewenden lassen. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann der in Rede stehenden Bestimmung über die Zustimmungspflicht (nicht Zustimmungsfiktion) des Dienstgebers ein derartiger, von der Klägerin gewünschter Inhalt nicht unterstellt werden.

Im Anlassfall wurde das Arbeitsverhältnis durch Dienstgeberkündigung aus fachlichen Gründen beendet; zu einer einvernehmlichen Vertragsauflösung ist es nicht gekommen.

3. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass sich auch die übrige Argumentation der Klägerin als nicht stichhaltig erweist.

Die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft sind in den Vorschriften des Arbeitsverfassungsgesetzes über die Betriebsverfassung abschließend und absolut zwingend geregelt. Betriebsverfassungsrechtliche Normen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen werden nur in ganz wenigen Ausnahmefällen zugelassen. Darüber hinaus bestehen keine Regelungsbefugnisse der Belegschaft (8 ObA 338/99k; 8 ObA 12/04d; vgl RIS Justiz RS0050981). Die Einräumung im Gesetz nicht vorgesehener Mitwirkungsrechte der Belegschaft bei Kündigung eines Arbeitsverhältnisses stellt dementsprechend eine unzulässige Erweiterung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrats im Verhältnis zur Regelung des § 105 ArbVG dar (8 ObA 338/99k; vgl RIS Justiz RS0029522).

Soweit eine Betriebsvereinbarung ganz oder teilweise einen unzulässigen Inhalt aufweist, führt dies zur Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit der betroffenen Bestimmungen. Bei der Beurteilung dieser Frage ist vom hypothetischen Parteiwillen auszugehen. Die Rechtsprechung löst einen derartigen Konflikt im Sinn einer Restgültigkeit der kollektivrechtlichen Norm, die im Allgemeinen zur Nichtigkeit der im Kollektivvertrag oder in der Betriebsvereinbarung getroffenen Verfahrensregelungen, nicht aber zur Nichtigkeit des die materiellen Kündigungsvoraussetzungen normierenden Teiles führt (8 ObA 12/04d mwN).

Im Ergebnis bedeutet dies, dass nach dem zugrunde liegenden Sozialplan zwischen einer Dienstgeberkündigung aus disziplinären sowie aus fachlichen Gründen einerseits und einer Dienstgeberkündigung aus anderen Gründen andererseits zu unterscheiden ist. Eine Dienstgeberkündigung aus disziplinären oder wie hier aus fachlichen Gründen fällt nicht in den Anwendungsbereich des Sozialplans. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass eine Dienstgeberkündigung aus fachlichen Gründen gerade nicht aufgrund der Betriebsänderung erfolgt, die zum Abschluss des Sozialplans geführt hat.

4. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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