JudikaturJustiz7Ob325/01x

7Ob325/01x – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Annemarie E*****, vertreten durch den Verfahrenshelfer Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in Traun, gegen den Antragsgegner Wolfgang E*****, vertreten durch Dr. Manfred Leimer, Rechtsanwalt in Linz, wegen §§ 81 ff EheG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 24.9.2001, GZ 14 R 368/01p-14, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 2. August 2001, GZ 4 F 12/01i-8, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die am 18. 9. 1995 geschlossene Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Erstgerichtes vom 6. 3. 2000 zu 4 C 100/99y aus dem gemäß § 61 Abs 3 EheG festgestellten Alleinverschulden des Antragsgegners geschieden. Das Urteil wurde der Antragstellerin am 7. 3. 2000 zugestellt. Die Berufung des Antragsgegners richtete sich ausschließlich gegen den Ausspruch des Scheidungsurteils, dass ihn das Alleinverschulden treffe. Die Antragstellerin erhob kein Rechtsmittel und beantragte in der Berufungsbeantwortung nur, der Berufung keine Folge zu geben und das angefochtene Urteil zu bestätigen.

Bereits vor der Scheidung fanden zwischen den Parteien Gespräche über die Ansprüche gemäß §§ 81 ff EheG statt. Die Antragstellerin begehrte die Bezahlung von rund S 300.000. Der Antragsgegner unterbreitete der Antragstellerin am 17. 11. 2000 ein unpräjudizielles Vergleichsanbot auf Bezahlung von S 30.000. Die Antragstellerin nahm das Anbot innerhalb der gesetzten Frist bis 30. 11. 2000 nicht an. Vielmehr unterbreitete sie am 18. 12. 2000 ein neues Anbot auf Leistung von S 150.000 durch den Antragsgegner. Dieses Anbot wurde am 8. 1. 2001 unter Hinweis darauf, dass die Ausgleichszahlung bei weitem überhöht sei, abgelehnt. Die Antragstellerin hielt in ihrem Schreiben vom 29. 1. 2001 fest, dass der Antragsgegner offenbar ein Aufteilungsverfahren wünsche. Der Antragsgegner stellte am 12. 2. 2001 noch einmal klar, dass sich an seiner Position nichts geändert habe.

Die Antragstellerin beantragte am 5. 3. 2001 die Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen "Aufteilung des ehelichen Vermögens und Unterhalt" im vollen Umfang. Weiteres Vorbringen wurde nicht erstattet. Mit Beschluss vom 26. 3. 2001 bewilligte das Erstgericht zu 4 Nc 4/01p die Verfahrenshilfe. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Linz vom 3.4.2001 wurde der Verfahrenshelfer bestellt. Der Bescheid an ihn wurde am 5.4.2001 vom Erstgericht abgefertigt.

Die Antragstellerin brachte den Aufteilungsantrag am 9. 5. 2001, vertreten durch den Verfahrenshelfer, beim Erstgericht ein. Sie begehrte eine Ausgleichszahlung in der Höhe von S 170.000, in eventu die Herausgabe diverser Gegenstände und die Bezahlung von S 120.000. Der Antragsgegner verwies darauf, dass die materiellrechtliche Fallfrist des § 95 EheG bereits abgelaufen sei.

Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag mit der Begründung ab, dass die Jahresfrist des § 95 EheG ab formeller Rechtskraft des Urteils auf Scheidung laufe. Der am 9. 5. 2000 eingebrachte Aufteilungsantrag sei daher verspätet. Die Stellung des Verfahrenshilfeantrages unterbreche den Fristenlauf nicht. Die Führung von Vergleichsverhandlungen bewirke eine Ablaufhemmung. Die konkreten Vergleichsverhandlungen seien bis 30. 11. 2000 geführt worden. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Vergleichsgespräche bis Ende Februar 2001 geführt worden seien, habe dies keinen Einfluss, da sie sich jedenfalls nicht bis zum Ablauf der einjährigen materiellen Fallfrist erstreckt haben.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragstellerin keine Folge. Der Einfluss von Verfahrenshilfeanträgen beschränke sich auf prozessuale Fristen, die Antragstellerin habe in ihrem Verfahrenshilfeantrag kein Sachvorbringen erstattet. Vergleichsverhandlungen seien auf Grund der konstruktiven Entwicklung der wechselseitigen Anbote bis 8. 1. 2001 anzunehmen. Bis zur Antragstellung am 9. 5. 2001 seien aber vier Monate verstrichen. Die Rechtsprechung habe die Grenze für die unverzügliche Geltendmachung bei Scheitern von Vergleichsgesprächen bei etwa drei Monaten angesetzt. Der Antragstellerin seien aber bis Ende der Präklusivfrist noch fast drei Monate zur Verfügung gestanden, sodass ihr eine Antragstellung in der in keiner Weise besonders komplizierten Angelegenheit innerhalb der Frist zumutbar gewesen sei. Der am 9. 5. 2001 eingebrachte Antrag sei daher verspätet.

Das Rekursgericht änderte seinen Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, über Antrag der Antragstellerin mit der Begründung ab, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass bei Würdigung des Anlassfalles der zusätzliche Aspekt der fünfwöchigen Dauer für die Verfahrenshilfeentscheidung zu wenig berücksichtigt worden sei und daher die Frage der Angemessenheit der Frist zwischen Scheitern der Vergleichsverhandlungen und Antragstellung eine unvertretbare Rechtsansicht darstellen könnte. Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit einem Aufhebungsantrag.

Der Antragsgegner beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Rekursgericht dadurch, dass dieses von den Feststellungen des Erstgerichtes ohne Beweiswiederholung abgegangen sei (RIS-Justiz RS0043057, RS0043193), liegt nicht vor. Das Rekursgericht hat die Feststellungen des Erstgerichtes einer rechtlichen Beurteilung (RIS-Justiz RS0032508) unterzogen und kam zu der für die Antragstellerin günstigeren rechtlichen Beurteilung, dass nämlich die Vergleichsgespräche nicht nur bis 30. 11. 2001 (die Rechtsansicht des Erstgerichtes), sondern bis 8. 1. 2001 gedauert haben.

Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass nach dem 8. 1. 2001 nur mehr die eigenen Standpunkte der Parteien wiederholt wurden, ist nicht zu beanstanden und stellt eine Beurteilung im Einzelfall dar. Vergleichsverhandlungen stellen nach ständiger Rechtsprechung eine Ablaufhemmung dar. Das heißt, der Fristverlust tritt dann nicht ein, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen unverzüglich die Klage eingebracht wird (2 Ob 259/01d, RIS-Justiz RS0034450, RS0034708, RS0020748, RS0112328). Ein Zuwarten nach endgültigem Scheitern der Vergleichsgespräche von mehr als drei Monaten stellt keine unverzügliche Geltendmachung des Anspruchs dar, sodass Rechtsverlust eintritt (2 Ob 259/01d, RIS-Justiz RS0020748). Es liegt daher keine krasse Verkennung der Rechtslage und des Einzelfalls vor, soweit das Rekursgericht die Rechtsansicht vertrat, dass die Antragstellung rund vier Monate nach endgültiger Beendigung der Vergleichsgespräche nicht als unverzüglich zu beurteilen ist.

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass gemäß § 95 EheG der Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse erlischt, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird. Nach ständiger Rechtsprechung beginnt der Lauf dieser materiellrechtlichen Ausschlussfrist mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung über die Scheidung. Es ist ebenso gesicherte Rechtsprechung, dass formelle Rechtskraft des Scheidungsurteils auch dann eintritt, wenn das erstinstanzliche Urteil nur im Verschuldensausspruch, nicht jedoch im Ausspruch über die Scheidung angefochten wird. Die mangelnde Anfechtung des Scheidungsausspruchs ist einem Rechtsmittelverzicht gleichzuhalten (8 Ob 12/01z, 9 Ob 143/99s je mwN). Auch auf die materiellrechtliche Ausschlussfrist des § 95 EheG, deren Nichtbeachtung zum Anspruchsverlust führt (RIS-Justiz RS0110013, RS0057726) werden die Verjährungsvorschriften sinngemäß angewandt (9 Ob 143/99s, 8 Ob 12/01z, RIS-Justiz RS0034613). Gerichtliche Schritte, die die Geltendmachung eines Rechtes bloß vorbereiten, wie etwa der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, unterbrechen grundsätzlich die Verjährung nicht (vgl SZ 52/78; SZ 60/286; 4 Ob 194/00a, 8 Ob 12/01z, RIS-Justiz RS0034826, RS0034588). Nur dann, wenn der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe bereits als verfahrenseinleitender Schriftsatz zu beurteilen ist, wenn er den Sachverhalt und das Begehren individualisiert und deutlich erkennen lässt, wird bereits dadurch der Lauf der Frist unterbrochen (SZ 60/286, 1 Ob 4/94, 9 Ob 260/00a, 8 Ob 12/01z ua). Dies gilt auch im Bereich des § 95 EheG, wenn bereits im Verfahrenshilfeantrag der Aufteilungsanspruch ausreichend deutlich dargestellt wird (8 Ob 12/01z, 9 Ob 143/99s).

Im vorliegenden Fall lässt der Verfahrenshilfeantrag weder ein Begehren erkennen noch jene Gegenstände, auf die sich das Aufteilungsverfahren beziehen soll. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass in diesem Fall noch kein der Verbesserung zugänglicher verfahrenseinleitender Antrag zu erkennen ist und daher die Präklusivfrist durch den Verfahrenshilfeantrag nicht unterbrochen ist, lässt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung erkennen.

Es lag daher keine wesentliche Rechtsfrage zur Entscheidung vor. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG. Eine Erwägung des Kostenersatzes nach Billigkeit konnte unterbleiben, da die Erstattung der Revisionsrekursbeantwortung mangels Hinweises auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

Rechtssätze
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