JudikaturJustiz7Ob173/00t

7Ob173/00t – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. April 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kuras und Dr. Hoch als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Vw. Eva S*****, vertreten durch Dr. Peter Wilhelm, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagte Partei Dr. Hans S*****, vertreten durch Dr. Helmut Paul, Rechtsanwalt in Krems, wegen der Feststellung der Nichtigkeit eines Notariatsaktes (Streitwert S 100.000), rückständigem Unterhalt in Höhe von S 100.000 und laufenden Unterhalt (Streitwert S 540.000), infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse S 100.000) gegen das Teilurteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 3. Februar 2000, GZ 2 R 128/99g-99, mit dem das Teilurteil des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 29. Oktober 1998, GZ 2 C 1686/94a-78, über das Feststellungsbegehren abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Teil-Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 2. Februar 1966 in Deutschland geschlossenen Ehe der beiden Streitteile, die beide deutsche Staatsbürger sind, entstammen vier in den Jahren 1970, 1974, 1975 und 1980 geborene Kinder. Im Jahre 1982 übersiedelte die Familie wegen wirtschaftlicher Probleme des Familienunternehmens weg von ihrem bisherigen Wohnsitz in Berlin nach Österreich. Die neue Liegenschaft wurde von den Streitteilen gemeinsam um S 4 Mio erworben, wobei die Klägerin S 385.000 DM aus dem Erbe nach ihrem Vater beitrug, jedoch nur einen Anteil von 4/10tel an Miteigentum erwarb.

Der beklagte Ehegatte ging dann von Österreich aus seiner Tätigkeit als Universitätsprofessor an einer deutschen Universität nach, während sich die Klägerin weiter dem Haushalt und der Erziehung der vier Kinder widmete. Dabei unterstützte sie die Schwester des Beklagten. Der Beklagte, der dafür über keine einschlägige Ausbildung verfügt, führte in den Jahren 1986 bis 1992 mit der Klägerin sogenannte "Entspannungsübungen" durch, in denen er der Klägerin auftrug, Sätze wie "Du bist mein Herr. Der alleinige Grund meines Lebens bist nur du. Nur deinem Willen habe ich zu entsprechen", zu wiederholen, was diese auch tat. Er versuchte der Klägerin zu suggerieren, dass sie krank und unzurechnungsfähig sei, was diese zwar nicht glaubte, die "Entspannungsübungen" aber mitmachte, da sie befürchtete, dass sich sonst das Familienklima stark verschlechtern würde. Dies trat auch ein, wenn sie versuchte, die Entspannungsübungen abzubrechen. Die Klägerin trachtete, jeglichen Streit zu vermeiden, da sie finanziell vom Beklagten abhängig war.

Bereits im Jahre 1966 hatten die Streitparteien nach ihrer Eheschließung Gütertrennung vereinbart und die Zugewinngemeinschaft für ihre Ehe aufgehoben. Im Jahre 1981 schlossen sie dann eine schriftliche Vereinbarung, wonach über Einkünfte und auch allfällige Besuche möglichst gemeinsam zu entscheiden war und sie ihre Anwälte verständigten, dass keine gerichtliche Auseinandersetzung stattfinden sollte.

1992 trachtete der Beklagte dann danach, eine neuerliche Vereinbarung mit der Klägerin herbeizuführen. Dazu wurde ihm jedoch von einem österreichischen Notar mitgeteilt, dass die beabsichtigte Vereinbarung nach österreichischem Recht sittenwidrig wäre und er in Österreich keinen Notar finden werde, der darüber einen Notariatsvertrag aufnehme.

Der Beklagte verfasste dann selbst eine handschriftliche Vereinbarung, wonach im Falle eines Scheidungsbegehrens einer Partei die andere unwiderruflich zustimme und für den Fall der Scheidung der Beklagte das alleinige Sorgerecht für die vier Kinder und die Klägerin einen Unterhalt von 1.500 DM wertgesichert bis zu seinem 65. Lebensjahr bekommen sollte, danach 38 % seiner Nettopension. Als Gegenleistung sollte die Klägerin ihren Anteil am Haus einschließlich des Inventars - jedoch ausgenommen die von ihr eingebrachten Möbel - übertragen. Ihre Unterhaltsansprüche wären auf dem Grundstück sicherzustellen. Die Klägerin fügte auch noch einen Zusatz "Problem Altersdebilität" bei. Dies wurde dann vom Beklagten einem Notar in Deutschland mit dem Auftrag zur Vertragserrichtung übermittelt, wobei der Beklagte auch die weiteren Gespräche mit dem Notar führte.

Vor dem Notar in Deutschland trafen die Streitteile dann folgende Vereinbarung:

"Für den Fall einer Ehescheidung treffen wir bereits heute die folgende

Vereinbarung

die unser gemeinsamen Vorstellung entspricht, wonach die Ehefrau an den Ehemann ihren Hausanteil überträgt und der Ehemann hierfür den Unterhalt der Kinder übernimmt und den Unterhalt für die Ehefrau trägt, so dass ein Ausgleich der Versorgung entfällt.

Dabei soll hiermit auch vereinbart sein, dass für den Fall, dass eine Vertragspartei den Antrag auf Ehescheidung stellt, die andere Partei berechtigt sein soll, zur Feststellung der Geschäftsfähigkeit der antragstellenden Partei eine fachärztliche Untersuchung zu verlangen.

I. Sorgerechtsregelung:

Hinsichtlich unserer gemeinsamen Kinder vereinbaren wir hiermit, dass wir gemeinschaftlich gegenüber dem Familiengericht zur Regelung der elterlichen Sorge den Vorschlag unterbreiten werden, dass der Ehemann das alleinige Recht der elterlichen Sorge übertragen bekommen soll.

II. Regelung des Kindesunterhaltes:

Die Ehefrau erhält vom Ehemann an nachehelichem Unterhalt, eine monatliche Unterhaltszahlung in Höhe von 1.500 DM auf der Berechnungsbasis im Jahre dieses Vertragsabschlusses 1992.

....................

Diese Zahlungsverpflichtung dauert an bis zur Vollendung des

65. Lebensjahres des Ehemannes. Danach erhält die Ehefrau 38 % des

Nettobetrages der Ruhestandsbezüge, die der Ehemann als

Fachhochschullehrer erhält. ................... Dieser

Unterhaltsanspruch der Ehefrau bleibt bis zum Lebensende des Ehemannes bestehen.

Zur Sicherung ihrer Zahlungsansprüche erhält die Ehefrau eine Grundschuld über 180.000 DM, die zu ihren Gunsten als Belastung auf dem Grundstück ***** D*****, Österreich eingetragen wird.

IV. Ausschluss des Versorgungsausgleiches:

Mit Rücksicht auf diese Unterhaltsregelung schließen die Ehegatten hiemit gem. § 1408 Abs 2 BGB den Versorgungsausgleich völlig aus.

Sie sind vom Notar darauf hingewiesen worden, dass diese Ausschlussvereinbarung gem. § 1408 Abs 2 Satz 2 BGB unwirksam wird, wenn innerhalb eines Jahres ab heute Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt wird. Für diesen Fall vereinbaren die Ehegatten schon heute gem. § 1587 BGB den völligen gegenseitigen Ausschluss des Versorgungsausgleiches.

Der Notar hat darauf hingewiesen, dass diese letztere Vereinbarung der Genehmigung des Familiengerichtes bedarf. Diese Genehmigung wird für diesen Fall bereits jetzt von beiden Ehegatten unwiderruflich beantragt. Die Ehegatten erklären ausdrücklich, dass ihnen bekannt ist, dass infolge dieser Vereinbarung bei einer etwaigen Scheidung keinerlei Ausgleich hinsichtlich der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften stattfindet.

V. Vermögensauseinandersetzung, Hausratstellung:

Die Ehefrau überträgt an den Ehemann ihren Anteil an dem Haus in A-***** in D*****, so dass dieses Haus in Alleineigentum des Ehemannes gelangt ohne weitere Zahlung oder sonstige Gegenleistung, und zieht aus.

Diese Eigentumsübertragung schließt auch das gesamte vorhandene Inventar und den gesamten vorhandenen Hausrat sowie alles sonstige Zubehör der Liegenschaft ein, mit Ausnahme der von der Ehefrau in die Ehe mitgebrachten Möbel.

Der Ehemann stellt die Ehefrau von allen Verbindlichkeiten frei, die auf dem Haus lasten oder lasten werden und übernimmt insoweit gegenüber Gläubigern die alleinige Haftung.

..............

Die Parteien erklären, dass mit dieser Scheidungsvereinbarung

Vermögensauseinandersetzungen jedweder Art und Hausratsteilung

durchgeführt und erledigt sind.

......................

Soweit nach diesem Vertrag oder in dessen Ausführung die Frage nach

der Anwendung deutschen oder österreichischen Rechtes aufgeworfen

wird, vereinbaren die Parteien die Anwendung des deutschen Rechtes.

...................."

Bei der Vertragserrichtung erteilte der Notar den Streitteilen zwar Rechtsbelehrung über die vermögensrechtlichen Folgen, ebenso wie allgemein über den Verzicht auf den Versorgungsausgleich, nicht jedoch hinsichtlich der Gefahr für die Klägerin, wenn der Beklagte vor ihr verstirbt. Ob die Klägerin Versorgungsanwartschaften hatte, war dem Notar auch nicht bekannt. Ebensowenig, dass nach österreichischem Recht eine hypothekarische Sicherstellung künftiger Zahlungsansprüche nicht eintragungsfähig ist.

Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war die Klägerin bei klarem Bewusstsein und verstand den Inhalt des Vertrages, erkannte aber nicht die Gefahr im Falle des Vorversterbens des Beklagten. Der Vertragsabschluss entsprach ihrem Willen, jedoch war das Hauptmotiv der Klägerin die Gewissheit, dass sie der Beklagte sonst nicht in Ruhe lassen würde und sie mit dem Vertragsabschluss eine Verbesserung der Ehe herbeiführen wollte. Nach dem Vertragsabschluss hörten auch die "Entspannungsübungen" auf.

1994 erhob dann die Klägerin die gegenständliche Klage auf Feststellung der Nichtigkeit bzw Nichtigerklärung des Notariatsaktsaktes aus 1992 (vgl zuletzt AS 325), sowie rückständigen Unterhalt in der Höhe von S 100.000 und einen laufenden Unterhalt von S 15.000 monatlich. Bereits nach Einbringung dieser Klage brachte der Beklagte selbst im Jahre 1995 eine Scheidungsklage ein, wobei jedoch in diesem Verfahren am 25. Mai 1998 im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren (einfaches) Ruhen vereinbart wurde.

Das allein den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildende Klagebegehren auf Feststellung der Nichtigkeit, in eventu Nichtigerklärung des in Notariatsaktsform geschlossenen Vertrags vom 26. Mai 1992 stützte die Klägerin zusammengefasst darauf, dass der Vertrag wegen Zwang, Furcht, List und Irrtum angefochten werde und auch sittenwidrig und wegen Wegfalles der Geschäftsgrundlage sowie Zeitablaufs erloschen sei. Die Klägerin sei jahrelang indoktriniert und zu einer "Verehrung" des Beklagten angehalten worden. Sie sei bei Vertragsabschluss wegen des bei der Fahrt nach Deutschland konsumierten Schlafmittels nicht handlungsfähig gewesen. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage ergebe sich schon daraus, dass der Beklagte nunmehr seine Anteile an dem Grundstück verkauft habe. Die Sicherung ihres Unterhaltsanspruches hätte auf der gesamten Liegenschaft erfolgen müssen. Die Sittenwidrigkeit zeige sich insbesondere aus dem Verzicht auf den Versorgungsausgleich und die Übertragung des Hausanteils sowie dem Umstand, dass die Klägerin kein eigenes Vermögen und nennenswertes Einkommen habe, sondern als Hausfrau vier Kinder erzogen hätte.

Der Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen zur hier maßgeblichen Frage der Gültigkeit des Vertrages ein, dass er ohnehin erst Rechtswirksamkeit entfalte, wenn die Ehe gültig geschieden sei, sodass es der Klägerin im Hinblick auf die aufrechte Ehe schon vorweg an einem Rechtsschutzinteresse fehle. Das Zugeständnis der Nichtigkeit des Verzichtes auf den Versorgungsausgleich zog der Beklagte schließlich zurück.

Das Erstgericht gab mit seinem Teilurteil dem Klagebegehren auf Feststellung der Nichtigkeit des zwischen den Streitteilen am 26. Mai 1992 in Notariatsaktform abgeschlossenen Vertrages ungeachtet der darin enthaltenen Vollstreckbarkeitsklausel statt. Es beurteilte den einleitend dargestellten Sachverhalt rechtlich dahin, dass entsprechend § 19 iVm § 18 Abs 1 Z 1 und § 9 IPRG bei Fragen des Ehegüterrechtes hier deutsches Recht anzuwenden sei.

Der im § 1587 BGB vorgesehene Versorgungsausgleich beziehe sich auf Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters-, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und bestehe unabhängig vom jeweiligen Güterstand der Ehe. § 1408 BGB ermögliche es jedoch durch ausdrückliche Vereinbarung, den Versorgungsausgleich auszuschließen. Dies berge aber insbesondere wegen des Wegfalls der Geschiedenen - Witwenpension Gefahren in sich. Es sei anerkannt, dass derartige Regelungen gemäß § 138 BGB als sittenwidrig eingestuft werden können, wenn sie gegen die herrschende Rechts- und Sozialmoral verstießen. Es widerspreche aber dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen, wenn die Klägerin nach 30 Jahren Ehe und Führung des Haushaltes auf die Obsorge der Kinder verzichte, die Unterhaltsvereinbarung unter dem gesetzlichen Anspruch liege und sie Gefahr laufe, keinerlei Altersversorgung zu haben. Dazu komme, dass die Unterhaltsschuld nicht hypothekarisch gesichert werden könne. Insoweit liege auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor, weil hinzukomme, dass der Beklagte ja auch seine 6/10tel-Anteile an dem Grundstück veräußert habe. Weiters sei in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Kinder bereits großjährig seien und es der Klägerin unzumutbar sei, nunmehr noch ihren Anteil an dem Haus ihrem Ehegatten zu übertragen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Teilurteil erhobenen Berufung des Beklagten Folge und änderte das Teilurteil im klagsabweisenden Sinne ab. Auch das Berufungsgericht ging rechtlich von der Anwendbarkeit deutschen Rechtes aus. Die Sittenwidrigkeit der vorliegenden Vereinbarung verneinte es jedoch, da das BGB ja ausdrücklich die Möglichkeit des Verzichtes auf den Versorgungsausgleich vorsehe. Dass sich die Regelung im Falle der Scheidung ausschließlich oder überwiegend zugunsten eines der Ehegatten auswirke, rechtfertige allein noch nicht die Annahme, dass eine eventuelle Scheidung dadurch erschwert werde. Dazu müssten noch besondere Umstände des Einzelfalles treten. Hier sei aber der Klägerin nicht jeglicher Unterhaltsanspruch entzogen. Der Umstand, dass der verzichtende Ehepartner nicht in der Lage sei, eine eigene Altersversorgung aufzubauen, bewirke ebenfalls noch nicht die Sittenwidrigkeit des Verzichtes. Die Übertragung des Miteigentumsanteiles der Klägerin an der Liegenschaft stehe im Zusammenhang mit der vom Beklagten übernommenen Verpflichtung zur Unterhaltsleistung an die Kinder, und zwar auch nach deren Volljährigkeit. Die mangelnde Versorgung der Klägerin nach dem Tod des Beklagten bewirke schon deshalb keine Sittenwidrigkeit, weil von vornherein auf den nachehelichen Unterhalt verzichtet werden könne. Dies gelte auch dann, wenn der Verzichtende nicht in der Lage sein werde, eine eigene Altersversorgung aufzubauen. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 242 BGB könne grundsätzlich nicht zur Auflösung des Vertrages, sondern nur zur Anpassung seines Inhaltes an die geänderten Verhältnisse führen. Hier sei aber das auf Nichtigkeit bzw Feststellung der Nichtigkeit des gesamten Notariatsaktes gerichtete Klagebegehren jedenfalls abzuweisen. Auch bedürfe es nicht der Prüfung der Frage, ob es der Klägerin unzumutbar sei, ihren Anteil am Haus dem Beklagten, der seinen Anteil bereits veräußert habe und nicht mehr in der Lage sei, ihre Unterhaltsansprüche zu sichern, zu übertragen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da zur Frage, ob der Verzicht auf den Versorgungsausgleich sittenwidrig sei, weil der verzichtende Ehegatte sein wesentliches Vermögen an den anderen übertrage und in seinen Unterhaltsansprüchen auf die Lebenszeit des anderen Ehegatten beschränkt sei, keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrer Revision macht die Klägerin ausschließlich geltend, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes eine Sittenwidrigkeit des streitgegenständlichen Notariatsaktes gemäß § 138 BGB vorliege und dieser auch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Hinblick auf die mangelnde Möglichkeit der hypothekarischen Absicherung und die Veräußerung des Grundanteiles durch den Beklagten nichtig sei. Es werde daher begehrt, die Nichtigkeit des in Notariatsaktform abgeschlossenen Vertrages vom 26. Mai 1992 festzustellen.

Die Voraussetzung für diesen von der Klägerin ausdrücklich auf die Bestimmungen des deutschen BGB gestützten Anspruch ist aber, dass überhaupt deutsches Recht zur Anwendung gelangt.

Die unrichtige Lösung kollisionsrechtlicher Probleme muss im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der Sache auch ohne, ja sogar gegen den Willen der Prozessparteien wahrgenommen werden (vgl RIS-Justiz RS0040031 = SZ 56/107, EvBl 1987/2, SZ 70/145 ua). Primär zu prüfen ist ua die behauptete Sittenwidrigkeit des Vertrages. Die Vorinstanzen sind hier bei der Prüfung der Anwendung des deutschen Rechtes von § 19 IPRG ausgegangen, wonach das Ehegüterrecht nach dem Recht zu beurteilen ist, das die Parteien ausdrücklich bestimmen, mangels einer solchen Rechtswahl nach dem zur Zeit der Eheschließung für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht. Das Ehegüterrecht umfasst aber nur die Dauerregelung für die Vermögensmassen der Ehegatten, nicht aber die hier von den Ehegatten nur "für den Fall der Scheidung" getroffene Regelung über die Zuteilung der Ehewohnung, des ehelichen Gebrauchsvermögens, des Unterhaltes sowie der Obsorge über die Kinder und deren Unterhalt (vgl dazu Schwimann, IPR einschließlich Europarecht3, 154; Schwind, IPR, 131; RIS-Justiz RS0077179 = 6 Ob 716/84, RIS-Justiz RS0077270 = 1 Ob 544/93). Für die Frage der Zuweisung der Ehewohnung im Falle der Ehescheidung und des Unterhaltes ist vielmehr § 20 IPRG heranzuziehen. Danach sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Scheidung einer Ehe nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht "im Zeitpunkt der Ehescheidung" zu beurteilen (vgl auch Schwimann aaO, 154). Auch die Möglichkeit der Eltern, Vereinbarungen über das Sorgerecht für die Kinder im Falle der Scheidung zu treffen, bestimmt sich im internen Verhältnis nach § 20 IPRG (vgl Schwind aaO, 131).

Maßgeblich wird damit nach § 20 IPRG das Recht, das für die persönlichen Ehewirkungen im Zeitpunkt der Ehescheidung, und zwar zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung durch das Berufungsgericht in einem allfälligen Scheidungsverfahren heranzuziehen ist (vgl RIS-Justiz RS0077279 = SZ 59/22, 7 Ob 678/89, SZ 68/182 ua; ebenso Schwimann aaO, 154; kritisch Schwind aaO, 130). Die im IPRG ausdrücklich festgelegten Tatbestände bieten damit aber für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit von für den - späteren - Fall der Scheidung geschlossenen Verträgen vor dem Zeitpunkt der Scheidung keine Verweisung an. Dabei ist zu beachten, dass im Allgemeinen die Unerlaubtheit eines Rechtsgeschäftes aber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und nicht einem allfälligen späteren Zeitpunkt - hier jenem der Scheidung - zu beurteilen ist (vgl Krejci in Rummel ABGB3 § 879 Rz 15, 8 ObA 30/00w mwN = EvBl 1984/110, SZ 67/113, RdW 1999, 196 ua). Auch wenn derjenige, der bei Vorliegen von Anknüpfungspunkten für das IPRG im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einen Vertrag über die Folgen einer allfälligen Scheidung in der Zukunft schließt, darauf abzielen sollte, in einem Rahmen eines dann für ihn geltenden Scheidungsstatuts eine vertragliche Ausgestaltung vorzunehmen, ist für die Frage der Sittenwidrigkeit (Ausgewogenheit) doch der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der relevante Anknüpfungspunkt. Nur bei Vertragsabschluss lässt sich abschätzen, ob die Vertragsparteien - allenfalls unter Berücksichtigung der von ihnen erwarteten Änderungen des "Scheidungsstatuts" - eine Vereinbarung getroffen haben, die nicht einen Vertragspartner grob benachteiligt (vgl dazu allgemein RIS-Justiz RS0045886 = SZ 51/142, SZ 52/67, SZ 54/184, SZ 58/72, SZ 63/203, SZ 67/202 uva).

Diese Fragen können aber nicht vom Scheidungsstatut im Sinn des § 20 IPRG erfasst sein, da sich dieses ja erst später bestimmt.

Ausgehend von dieser allgemeinen Problematik, dass einerseits der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und andererseits nach § 20 IPRG aber jener der späteren Scheidung maßgeblich ist, ist also eine Lücke des IPRG hinsichtlich der Beurteilung der Sittenwidrigkeit von vor der Scheidung geschlossenen Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen anzunehmen. Diese ist primär durch Analogie, subsidiär nach dem Grundsatz der stärksten Beziehung im Sinne des § 1 Abs 1 IPRG zu schließen (vgl Schwimann, aaO 25, Schwimann in Rummel ABGB2 § 1 IPRG Rz 2, vgl ferner RIS-Justiz RS0076848 = SZ 61/108 = EvBl 1989/28, 119, SZ 67/33, SZ 67/147).

Im Sinne der obigen Ausführungen ist dabei vom Zeitpunkt des

Abschlusses der Vereinbarung auszugehen. Da es sich um den Bereich

der Scheidungsfolgen handelt, sind die in § 20 genannten

Anknüpfungspunkte analog zu berücksichtigen. Diese verweisen im

Ergebnis auf das Statut für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe

im § 18 IPRG. Danach kommt hier das gemeinsame Personalstatut der

beiden Streitteile, also deutsches Recht zur Anwendung, das diese

Verweisung auch annimmt (vgl § 17 Abs 3 EGBGB). Soll doch auch nach

der deutschen Lehre zum IPR im Falle einer Änderung des

Ehewirkungsstatutes des Art 14 EGBGB nach Abschluss einer

Versorgungsausgleichsvereinbarung für die Wirksamkeit der

Vereinbarung das Ehewirkungsstatut im Vereinbarungszeitpunkt

wesentlich sein (vgl Heldrich in Palandt Komm z BGB60 Art 17 EGBG Rz 19). Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit von vor der Ehescheidung geschlossenen Vereinbarungen ist also das Ehewirkungsstatut im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses heranzuziehen. Nach dem späteren tatsächlichen Scheidungsstatut ist dann nur zu beurteilen, inwieweit die in dem dann maßgeblichen Sachrecht vorgesehenen Scheidungsfolgen einer im Sinne der obigen Ausführungen doch wirksamen Vereinbarung zu weichen haben.

Die nach dem hier also maßgeblichen deutschen Recht wesentliche Regelung zur von der Klägerin relevierten Sittenwidrigkeit der gesamten Vereinbarung findet sich im § 138 BGB. Nach § 138 Abs 1 BGB sind Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, nichtig. In Abs 2 des § 138 BGB sind ua Rechtsgeschäfte erfasst, bei denen sich jemand unter Ausbeutung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels und Urteilsvermögens oder der erheblichen Willensschwäche, Vermögensvorteile versprechen lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zur eigenen Leistung stehen.

Wenngleich nun das Missverhältnis allein regelmäßig nicht zur Annahme der Sittenwidrigkeit ausreichen kann, wurde dies bei einem besonders krassen Missverhältnis doch als indiziert angesehen (vgl Heinrichs in Palandt aaO § 138 BGB Rz 34; Mayer-Maly in Münch Komm3 § 138 Rz 98, Dilcher in Staudinger BGB12 § 138 Rz 41 uva).

Dass in einzelnen Bereichen die vertragliche Disposition über Ansprüche, etwa im Rahmen des § 1408 Abs 2 BGB auch der Verzicht auf den Versorgungsausgleich als zulässig angesehen wird, ändert daran, dass im Einzelfall unter Beachtung dieser Kriterien eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB vorliegen kann, nichts (vgl in diesem Sinn auch Brudermüller in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch60, § 1408 Rz 14; ebenso Heinrichs in Palandt aaO, § 138 Rz 47).

Hier hat nun die Klägerin nicht nur auf den Versorgungsausgleich

verzichtet, sondern auch ihren Unterhaltsanspruch massiv beschränkt

sowie weiters ihren Hausanteil an den Beklagten übertragen. Als

einzige Gegenleistung hat sich der Beklagte verpflichtet, den

Unterhalt für die gemeinsamen Kinder zu tragen, wobei er dazu im

Hinblick auf die jahrzehntelange Tätigkeit der Klägerin im Haushalt

und der Betreuung der Kinder durch sie wohl ohnehin verpflichtet

gewesen wäre; kommt doch der vorweg getroffenen Vereinbarung über die

Verteilung der Sorgepflichten weder nach dem damals geltenden

österreichischen Recht (vgl § 176 ABGB) noch nach deutschem Recht

(vgl § 1671 BGB) bindende Wirkung zu, sondern ist letztlich das Kindeswohl entscheidend.

Von der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung des BGH vom

18. 9. 1996, NJW 1997, 126, in der einem Ausschluss des

Versorgungsausgleiches Wirksamkeit zuerkannt wurde, unterscheidet

sich der vorliegende Fall nicht nur durch die übrigen

Begleitumstände, sondern vor allem auch dadurch, dass in dem damals

vom BGH entschiedenen Fall die Vereinbarung bereits vor Eheschließung

getroffen wurde, während sie hier nach einer mehr als 25-jährigen

Dauer der Ehe und der Erziehung von vier gemeinsamen Kindern durch

die Klägerin zustandekam. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten,

dass etwa bei der Bemessung des Unterhaltes nach deutschem Recht gerade auch der Dauer der Ehe und der Kindesbetreuung ein erhebliches Gewicht zugemessen wird (vgl Brudermüller in Palandt aaO § 1579 Rz 2). Unter Berücksichtigung dieser Wertungen ist eine Regelung, die ohne wesentliche Gegenleistung nach einer langdauernden kinderreichen Ehe die Unterhaltsansprüche des die Kinder erziehenden Ehegatten wesentlich einschränkt, den Versorgungsausgleich ausschließt und das offensichtlich wesentlichste Vermögensgut überträgt, umsomehr als krass unverhältnismäßig im oben dargestellten Sinne anzusehen.

Im Ergebnis war daher der Revision der Klägerin Folge zu geben und das Teilurteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

Rechtssätze
10