JudikaturJustiz6Ob76/06d

6Ob76/06d – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. April 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 13. November 2001 verstorbenen Franz K*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter Erna R*****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 27. Jänner 2006, GZ 1 R 20/06w-189, womit ihr Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 21. Dezember 2005, GZ 1 A 399/01t-179, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht den selbständigen Rekurs der Rechtsmittelwerberin gegen den Beschluss des Erstgerichts, mit dem ihre Ablehnung eines Sachverständigen verworfen wurde, zurück, weil in einem solchen Fall gemäß dem auch im außerstreitigen Verfahren anwendbaren § 366 Abs 1 ZPO ein abgesondertes Rechtsmittel nicht stattfinde. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG, BGBl I 2003/111, erhebliche Rechtsfrage erblickt die Rechtsmittelwerberin darin, ob im Fall der Anwendbarkeit des Kärntner ErbhöfeG gegen die Entscheidung eines Gerichts, mit der die Ablehnung des gerichtlich bestellten Sachverständigen wegen Befangenheit verworfen wurde, ein abgesondertes Rechtsmittel erhoben werden könne. Aus Gründen der Wahrung eines fairen Verfahrens (Art 6 EMRK) und aus offenkundigen Gründen der Verfahrensökonomie sei die zum AußStrG 1854 ergangene Rechtsprechung, wonach die Rechtsmittelbeschränkungen des § 366 ZPO auch im Verfahren außer Streitsachen gelten, nicht auf den vorliegenden Fall zu erstrecken. Gemäß § 12 Abs 3 Krnt ErbhöfeG habe das Verlassenschaftsgericht vor seiner Entscheidung mindestens zwei Sachverständige beizuziehen. Dem Sachverständigen komme daher in einem Verfahren, auf das möglicherweise das Kärntner ErbhöfeG anzuwenden sei, eine Stellung zu, die einem Sachverständigen vom Gesetzgeber in anderen Verfahren nicht beigemessen werde. Komme einem Sachverständigen in einem Verfahren eine derartige zentrale Rolle zu, müsse die für die Ablehnung eines Richters geltende Regelung des Rekurses (§ 24 Abs 2 JN) analog herangezogen werden. Aufgrund der überragenden, vom Gesetz zwingend vorgeschriebenen Rolle des Sachverständigen in einem Verfahren nach dem Kärntner ErbhöfeG sei § 366 Abs 1 ZPO im Kontext des Außerstreitgesetzes einschränkend auszulegen.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen wird keine im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

Das Rekursgericht stützte sich auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtslage nach dem AußStrG 1854, wonach für den Sachverständigenbeweis im Verfahren außer Streitsachen mangels abweichender Sonderbestimmungen die Regeln der §§ 351 ff ZPO, daher die Bestimmungen über die Ablehnung des Sachverständigen (§ 355 ZPO) und die Rechtsmittelbeschränkungen des § 366 ZPO, insbesondere jene des § 366 Abs 1 ZPO gelten (4 Ob 106/04y mwN), weil es der Ansicht war, dass im vorliegenden Fall gemäß § 205 AußStrG, BGBl I 2003/111, die Bestimmungen des AußStrG 1854 anzuwenden seien. Nach der Übergangsbestimmung des § 205 AußStrG sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Verlassenschaftsverfahren anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2004 erstmals bei Gericht anhängig gemacht wurden - was hier nicht der Fall ist -, sofern sie nicht schon früher eingeleitet hätten werden können. Sonst sind die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften des Verlassenschaftsverfahrens weiter anzuwenden. Aus dem letzten Satz und der Äußerung in den Materialien (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP zu § 205, abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 546), wonach es „für die besonderen Regeln für das Verlassenschaftsverfahren" ausschließlich auf ein Datum ankommen soll, das von der konkreten Setzung eines Verfahrensschritts im Einzelfall nicht abhängig ist, ist ableitbar, dass die Übergangsbestimmung im Verlassenschaftsverfahren trotz der uneingeschränkten Formulierung nur die besonderen Regeln für das Verlassenschaftsverfahren des III. Hauptstücks des neuen AußStrG (§§ 143 bis 185 AußStrG) betrifft und die gesonderten Übergangsbestimmungen betreffend das I. Hauptstück des neuen AußStrG davon unberührt bleiben (s Fucik/Kloiber, AußStrG § 205 Rz 1). Gemäß § 203 Abs 7 AußStrG sind Bestimmungen über den Rekurs und den Revisionsrekurs des neuen AußStrG - mit einer hier nicht interessierenden Ausnahme - dann anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung erster Instanz - wie im vorliegenden Fall - nach dem 31. 12. 2004 liegt. Die Anwendung der neuen Bestimmungen über das Rechtsmittelverfahren bezieht sich auch auf die Anfechtbarkeitsregeln (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP zu § 203, abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 544).

§ 35 AußStrG normiert, dass die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die einzelnen Beweismittel - mit Ausnahmen, die im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung sind - sinngemäß anzuwenden sind, soweit nichts anderes angeordnet ist. Es bleibt somit nun kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung bei der besonderen Rechtsmittelbeschränkung des § 366 Abs 1 ZPO im außerstreitigen Verfahren. Dabei führt die sinngemäße Anwendung dazu, dass die nach der Diktion der Zivilprozessordnung „nicht abgesondert anfechtbaren" Beschlüsse - wie ein die Ablehnung eines Sachverständigen verwerfender Beschluss - als „nicht selbständig anfechtbare" Beschlüsse des Verfahrens außer Streitsachen aufzufassen sind und dafür daher die Bestimmung des § 45 AußStrG über die Zulässigkeit des Rekurses heranzuziehen ist (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP zu § 35, abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 153). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der die Ablehnung des Sachverständigen verwerfende Beschluss des Erstgerichts mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar ist (§ 45 Abs 2 AußStrG; Fucik/Kloiber, AußStrG § 35 Rz 2) und das Rekursgericht den selbständig erhobenen Rekurs zutreffend zurückgewiesen hat. Mag es auch richtig sein, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Anwendbarkeit der Rechtsmittelbeschränkung des § 366 Abs 1 ZPO in einem Verlassenschaftsverfahren, in dem sich Fragen des Anerbenrechts stellen, bisher noch nicht ergangen ist, so begründet dies doch keine erhebliche Rechtsfrage. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt nämlich dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, eindeutige Regelung trifft (stRsp; zB 3 Ob 20/04v; RIS-Justiz RS0042656). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Dass § 12 Abs 3 Krnt ErbhöfeG dem Verlassenschaftsgericht aufgibt, vor der Festsetzung des Übernahmswerts mindestens zwei Sachverständige beizuziehen, ändert nichts daran, dass diese - wie auch sonst - Beweismittel sind. Der nicht weiter ausgeführte Hinweis im Rechtsmittel auf Art 6 EMRK führt zu keiner anderen Beurteilung:

Durch die im Gesetz angeordnete sinngemäße Anwendung des § 366 Abs 1 ZPO im außerstreitigen Verfahren wird die Entscheidung über die Person des Sachverständigen nicht jeder Überprüfung, sondern nur einem Zwischenstreit vor der Entscheidung über die Sache entzogen. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigt Art 6 EMRK keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsmittelbeschränkungen (4 Ob 106/04y; RIS-Justiz RS0044057, RS0074833, RS0102361). Unter der Voraussetzung, dass der Zugang zu den Gerichten gewahrt ist, bleibt die weitere Ausgestaltung der Gerichtsbarkeit dem Ermessen der Staaten überlassen. Art 6 EMRK enthält zur Frage der Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidung keinen Hinweis (9 Ob 336/00b), geschweige denn zur Frage der Zulässigkeit verbundener Rechtsmittel (4 Ob 106/04y). Das Recht auf Zugang zu den Gerichten gewährt kein Recht auf einen Instanzenzug oder - wenn ein solcher besteht - auf Gerichtsbarkeit in allen Instanzen (SZ 64/1; RIS-Justiz RS0043962); um so weniger kann aus dieser Bestimmung eine Unzulässigkeit oder eine Zulässigkeit eines selbständigen Rechtsmittels abgeleitet werden (4 Ob 106/04y). Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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