JudikaturJustiz6Ob148/06t

6Ob148/06t – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günter F*****, Deutschland, vertreten durch Bartl Partner Rechtsanwalts-KEG in Graz, gegen die beklagte Partei Kevin F*****, wegen Feststellung (Streitwert 9.156,78 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 11. April 2006, GZ 2 R 117/06z-5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz vom 22. März 2006, GZ 35 C 50/06a-2, „mit Maßgabe" bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist als Vater des am 27. 12. 1984 geborenen Beklagten geldunterhaltspflichtig. Zuletzt wurde er mit Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27. 12. 1994 zu GZ 21 P 179/87 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 3.500 S verpflichtet.

Der Kläger beantragt festzustellen, dass der Unterhaltsanspruch des Beklagten ihm gegenüber seit 1. 9. 2003 erloschen ist. Der Beklagte drohe mit der Einleitung eines Exekutionsverfahrens. Tatsächlich sei er aber nach Beendigung seiner Schulpflicht aus mehreren Lehr- und Beschäftigungsverhältnissen ausgeschieden bzw entlassen worden. Das Scheitern seiner Berufsausbildung sei ausschließlich seiner Sphäre zuzurechnen; er sei arbeits- und ausbildungsunwillig und daher fiktiv selbsterhaltungsfähig.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Seit 1. 1. 2005 seien Unterhaltsverfahren zwischen Eltern und volljährigen Kindern im Verfahren außer Streitsachen zu führen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass „das gegenständliche streitige Verfahren ins außerstreitige Verfahren überwiesen wird". Es sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf die eindeutige Gesetzeslage nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch in weiterer Folge dann aber dahin ab, dass es den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärte. Nach der Entscheidung 5 Ob 122/65 könne der Ausspruch des Erlöschens der Unterhaltspflicht mit negativer Feststellungsklage geltend gemacht werden, wenn der Unterhaltspflichtige einer Exekutionsführung zuvorkommen will; im Hinblick auf diese Entscheidung sei eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof notwendig. In der Sache selbst verwies das Rekursgericht auf § 114 Abs 1 JN idF des AußStr-BegleitG. Dieser unterscheide nicht, ob es sich um Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit oder für die Zukunft handle. In beiden Fällen sei der Anspruch im Verfahren außer Streitsachen durchzusetzen. Es werde bislang vom Beklagten auch noch nicht Exekution geführt. Allerdings sei die Klage nicht zurückzuweisen, sondern im Hinblick auf § 40a JN in einen verfahrenseinleitenden Antrag umzudeuten und in das Verfahren außer Streitsachen zu überweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig. Das Erstgericht hat die Klage zurückgewiesen, das Rekursgericht sie hingegen gemäß § 40a JN in das Verfahren außer Streitsachen überwiesen. Dies ist keine Maßgabebestätigung, sondern eine (teilweise) Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Der Beschluss des Rekursgerichts ist daher mit Vollrekurs anfechtbar (vgl Ballon in Fasching, ZPO² [2000] § 40a JN Rz 13 mwN). Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

1. § 114 Abs 2 JN idF des AußStr-BegleitG BGBl I Nr. 2003/112 regelt die Zuständigkeit der Gerichte für gesetzliche Unterhaltsansprüche sonstiger - also nicht minderjähriger (vgl Abs 1) - in gerade Linie verwandter Personen, die nach dem 1. 1. 2005 gerichtsanhängig gemacht werden; er erfasst somit auch die Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder gegenüber ihren Eltern. Aus dem Regelungsort dieser Bestimmung (Dritter Teil der JN: „Von der Gerichtsbarkeit in Geschäften außer Streitsachen") ergibt sich ebenso wie aus § 101 AußStrG BGBl I Nr. 2003/111, dass das nach § 114 JN zuständige Gericht im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden hat (vgl Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 101 Rz 6). Auch die Materialien zum AußStrG (zit bei Fucik/Kloiber, aaO S. 30) führen aus, dass über alle gesetzlichen Unterhaltsansprüche zwischen in gerader Linie verwandten Personen nach § 114 JN im Verfahren außer Streitsachen entschieden werden soll.

2. Zu den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen im Sinne des § 114 JN gehören alle Ansprüche auf Festsetzung, Erhöhung, Herabsetzung oder Feststellung des Erlöschen des gesetzlichen Unterhalts (Maurer/Schrott/Schütz, AußStrG [2006] Vor § 101 Rz 1). Damit sind die Vorinstanzen aber zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger seinen Anspruch zu Unrecht im streitigen Verfahren geltend gemacht hat. Die Behandlung der Klage als verfahrenseinleitender Antrag im Sinne der §§ 8, 9 AußStrG durch das Rekursgericht und dessen Überweisung ins Verfahren außer Streitsachen entspricht § 40a JN.

3. Der Kläger meint nun in seinem Revisionsrekurs, Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch, zu dessen Gunsten Exekution bewilligt wurde, und Einwendungen gegen die Bewilligung der Unterhaltsexekution seien (weiterhin) im streitigen Verfahren geltend zu machen. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann das Erlöschen oder die Verminderung eines im Verfahren außer Streitsachen festgesetzten Unterhaltsanspruchs mit Klage nach § 35 EO geltend gemacht werden; dies selbst dann, wenn der Unterhaltspflichtige bereits einen Herabsetzungs- oder Enthebungsantrag gestellt hat (3 Ob 163/02w = JBl 2003, 459 mwN). Nach den Behauptungen des Klägers hat der Beklagte bislang aber lediglich mit der Einleitung eines Exekutionsverfahrens gedroht. Um eine Oppositions- oder Impugnationsklage nach §§ 35, 36 EO handelt es sich bei der vorliegenden Klage somit nicht.

Soweit der Kläger der Entscheidung 3 Ob 163/02w die Zulässigkeit einer Feststellungsklage neben einem Antrag im Verfahren außer Streitsachen entnehmen will, übersieht er, dass in diesem Verfahren ausschließlich eine Oppositionsklage zu beurteilen war. Die ebenfalls von ihm in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung 3 Ob 33/03d betrifft einerseits ebenfalls eine Oppositionsklage und andererseits Ehegattenunterhalt, der nie im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen war.

4. Weiters zitiert der Kläger Rechtsprechung, wonach die Unterhaltsverpflichtung im Verfahren außer Streitsachen nur mit Wirksamkeit für die Zeit nach Antragstellung herabgesetzt oder aufgehoben werden könne; über die in der Vergangenheit liegende Unterhaltsverpflichtung könne nur im Prozessweg (Oppositionsklage oder negative Feststellungsklage) abgesprochen werden (6 Ob 12/75). Dabei handelt es sich aber um Rechtsprechung, die noch vor der Entscheidung eines verstärkten Senats im Jahr 1988 über die Zulässigkeit der rückwirkenden Geltendmachung von Unterhalt (6 Ob 544/87 = SZ 61/143 = JBl 1988, 586 [Pichler]) ergangen war. Ab diesem Zeitpunkt konnte gesetzlicher Unterhalt auch rückwirkend eingeschränkt oder aufgehoben werden (5 Ob 564/90 = SZ 63/181; RIS-Justiz RS0053297), und zwar bis zum Inkrafttreten des AußStrG BGBl I Nr. 2003/111 bei minderjährigen Kindern im Verfahren außer Streitsachen und bei volljährigen Kindern im streitigen Verfahren. Seit 1. 1. 2005 kommt nur mehr das Verfahren außer Streitsachen in Betracht.

5. Das Rekursgericht hat den Revisionsrekurs unter Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 122/65 (= SZ 38/159) zugelassen. Nach dieser Entscheidung kann ein Anspruch auf Einschränkung oder Erlöschen einer Unterhaltsverpflichtung bereits in der Vergangenheit dann, wenn bereits Exekution geführt wird, nur mit Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung oder durch Einwendungen nach §§ 35, 36 EO und, soweit der Unterhaltspflichtige einer Exekutionsführung zuvorkommen will, mit einer negativen Feststellungsklage geltend gemacht werden. Auch diese Entscheidung erging vor 1988, als eben eine rückwirkende Herabsetzung der Unterhaltspflicht oder eine rückwirkende Enthebung von der Unterhaltspflicht als nicht zulässig angesehen wurden. Gegen eine unrichtige Unterhaltsfestsetzung konnte sich der Unterhaltspflichtige damals lediglich im Zusammenhang mit einer Exekutionsführung wehren, und zwar sowohl bei minderjährigen als auch bei volljährigen Kindern. Wurde bereits Exekution geführt, waren dies der Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung und die exekutionsrechtlichen Klagen; war dies noch nicht der Fall, drohte aber die Exekutionsführung, wurde dem Unterhaltspflichtigen ein (vorbeugendes) Interesse an deren Vermeidung zugestanden. Ab 1988 bedurfte es dieser Voraussetzung für die Feststellungsklage nicht mehr. Der Unterhaltspflichtige konnte vielmehr bei minderjährigen Kindern im Verfahren außer Streitsachen und bei volljährigen Kindern im streitigen Verfahren das Erlöschen seiner Unterhaltspflicht feststellen bzw sich entheben lassen. Seit 1. 1. 2005 hat dies nunmehr aber immer im Verfahren außer Streitsachen zu erfolgen.

Der Revisionsrekurs ist damit nicht berechtigt.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

Rechtssätze
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