JudikaturJustiz6Ob137/06z

6Ob137/06z – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf H*****, vertreten durch Mag. Ludwig Redtensteiner, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Ybbs, gegen die beklagte Partei Orden *****, vertreten durch Prof. Haslinger Partner Rechtsanwälte in Linz, wegen 20.100 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 13. April 2006, GZ 1 R 74/06t-10, womit über Rekurs der beklagten Partei der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 14. Februar 2006, GZ 2 Cg 278/05p-4, abgeändert und die Rekursbeantwortung der klagenden Partei zurückgewiesen wurden, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Beklagte versäumte die Frist zur Erhebung des Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl des Erstgerichts vom 6. 12. 2005. Das Erstgericht wies den Antrag des Beklagten, ihr die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu bewilligen, ab.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Beklagten Folge und bewilligte die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Es wies die Rekursbeantwortung des Klägers zurück und sprach aus, dass der Revisionsrekurs gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung jedenfalls unzulässig und der ordentliche Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung der Rekursbeantwortung nicht zulässig sei. Das Rekursverfahren in einem Wiedereinsetzungsverfahren sei einseitig, sodass eine Rekursbeantwortung zulässig sei. Da Entscheidungen zur Frage der Zweiseitigkeit des rekursgerichtlichen Wiedereinsetzungsverfahrens in der jüngeren oberstgerichtlichen Judikatur fehlten und überdies die Entscheidungen in den Rekurssenaten des Oberlandesgerichts Linz divergierten, sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.

Der Kläger bekämpft mit seinem Revisionsrekurs sowohl die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch die Zurückweisung seiner Rekursbeantwortung und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise stellt er den Antrag, den angefochtenen Beschluss, soweit damit die Rekursbeantwortung zurückgewiesen wurde, ersatzlos zu beheben und den Beklagten zum Ersatz der Kosten der Rekursbeantwortung zu verpflichten. Der Beklagte erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung. Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung sind unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 153 ZPO ist gegen die Entscheidung, wodurch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wird, ein Rechtsmittel nicht zulässig. Motiv des Gesetzgebers für den Rechtsmittelausschluss war, dass dadurch kein berechtigtes Interesse einer Partei verletzt und die Wahrheitsfindung nur gefördert werden könne (4 Ob 27/97t; SZ 13/167). Der Rechtsmittelausschluss gilt jedoch dann nicht, wenn die Wiedereinsetzung ohne gesetzliche Grundlage bewilligt wurde (Wiedereinsetzungen gegen § 58 Abs 2 EO:

EvBl 1963/490; 4 Ob 301/86; Wiedereinsetzung gegen Versäumung einer materiell-rechtlichen Frist: SZ 68/227; Wiedereinsetzung entgegen § 175 Abs 4 KO: 8 Ob 102/03p). Das im vorliegenden Fall die Wiedereinsetzung ohne gesetzliche Grundlage bewilligt wurde, wird im Revisionsrekurs zutreffend nicht behauptet.

Der Rechtsmittelausschluss des § 153 ZPO ist eine - auch aus der Sicht der EMRK - verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschränkung des rechtlichen Gehörs. Die Garantien des Art 6 EMRK gelten nicht für rein verfahrenstechnische Angelegenheiten, die keinen Einfluss auf die Rechtsdurchsetzung und die Sache selbst haben (4 Ob 27/97t; 6 Ob 282/01s; RIS-Justiz RS0102361).

Der Revisionsrekurs ist daher, soweit er sich gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand richtet, unstatthaft. In Bezug auf die Zurückweisung der Rekursbeantwortung fehlt dem Rechtsmittelwerber die Beschwer, die Voraussetzung der Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels ist (Kodek in Rechberger2, ZPO vor § 461 Rz 9 mwN). Entscheidungen, die durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar sind, werden mit Zustellung formell rechtskräftig (Fasching/Klicka in Fasching/Konecny2 § 411 Rz 2). Der Eintritt der Rechtskraft wird durch unstatthafte Rechtsmittel nicht aufgeschoben (Zechner in Fasching/Konecny2 § 503 Rz 64 mwN). Trotz Erhebung des Revisionsrekurses ist daher der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligende Beschluss des Rekursgerichtes formell rechtskräftig. Selbst wenn die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens im Wiedereinsetzungsverfahren bejaht würde, kann der Oberste Gerichtshof eine in der Zurückweisung der Rekursbeantwortung liegende Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO infolge der formellen Rechtskraft der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligenden Entscheidung des Rekursgerichts nicht wahrnehmen (Zechner aaO § 503 Rz 64 mwN). Das Rekursgericht kann infolge der Rechtskraft seiner Entscheidung nicht noch einmal - unter Berücksichtigung der Rekursbeantwortung - über den Rekurs entscheiden. Die Frage, ob das Rekursverfahren im Wiedereinsetzungsverfahren zweiseitig ist, ist daher nur theoretisch, weshalb zu dieser Frage nicht Stellung zu nehmen ist. Das Interesse an einer für den Revisionsrekurswerber günstigeren Kostenentscheidung der zweiten Instanz vermag nach ständiger Rechtsprechung eine Beschwer nicht zu begründen (RIS-Justiz RS0002396).

Die Revisionsrekursbeantwortung des Beklagten war zurückzuweisen, weil das Gesetz in einem Fall wie dem vorliegenden die Zweiseitigkeit des Revisionsrekursverfahrens nicht ausdrücklich vorsieht und es sich bei der Zurückweisung einer Rechtsmittelgegenschrift um eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung handelt. Bei rein verfahrensrechtlichen Entscheidungen erfordert auch Art 6 EMRK nicht die Einräumung einer Revisionsrekursbeantwortung (vgl 6 Ob 43/06a mwN). Soweit die Zulässigkeit der Revisionsbeantwortung darauf gestützt wird, dass der Revisionsrekurs auch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bekämpft, so ist die Entscheidung - wie ausgeführt - unanfechtbar und entspricht es der Rechtsprechung, dass die Beantwortung eines jedenfalls unzulässigen Rechtsmittels der Zivilprozessordnung fremd ist (SZ 70/246; SZ 2002/99; 3 Ob 102/04b).

Rechtssätze
7