JudikaturJustiz5Ob14/04a

5Ob14/04a – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin I***** GmbH, ***** vertreten durch Mag. Reinhard Walther, Rechtsanwalt in Liezen, wegen Ab und Zuschreibung eines Grundstücks, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 5. September 2003, AZ 4 R 78/03z, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10. Jänner 2003, TZ 23125/02, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die folgenden Liegenschaftsangaben beziehen sich alle auf GB *****.

Als Eigentümer der EZ 14, sind aufgrund des Übergabsvertrages vom 28. 12. 2000 (Übergeber Franz und Sophie B*****) Werner und Ingrid B***** je zur Hälfte als Eigentümer einverleibt. Weiters wurde aufgrund des Übergabsvertrages zugunsten der Übergeber ein Fruchtgenussrecht, ein Ausgedingsrecht und ein Belastungs und Veräußerungsverbot unter C LNR 15 bis 17 und ein wechselseitiges Belastungs und Veräußerungsverbot zugunsten der jeweiligen Hälfteeigentümer unter C LNR 18 und 19 einverleibt. Unter A 2 LNR 2a ist hinsichtlich der Grundstücke 273 und 264/1 die Enteignung aufgrund des rechtskräftigen Bescheides des Landeshauptmanns der Steiermark vom 24. 5. 1971, GZ 3 328 Pa 28/28 1971, angemerkt. Die Enteignung erfolgte zugunsten der Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung Autobahn) zum Bau der Pyhrnautobahn.

Am 7. 6. 1971 benachrichtigte die Fachabteilung Gr. Landesbaudirektion für den Landeshauptmann der Steiermark die Raiffeisenkasse in U***** davon, dass als Entschädigung für die Liegenschaftsanteile in der KG *****, darunter auch das Grundstück 273, das zur EZ 14 gehörend im Eigentum (damals) von Johann H***** stand, ein bestimmter Betrag überwiesen werde. Der Betrag sei vorläufig gesperrt auf ein noch zu errichtendes Girokonto zugunsten der einzelnen Berechtigten zu verbuchen. Nach Durchführung der Anmerkung der Enteignung durch das Bezirksgericht Graz werde der Betrag "von ha. schriftlich" freigegeben.

Mit Kaufvertrag vom 6. 10./21. 11. 1999 verkaufte die Republik Österreich Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den Landeshauptmann der Steiermark, aufgrund einer Ermächtigung des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30. 4. 1993 das Grundstück Nr 273 an die K***** GmbH, die ihrerseits mit Kaufvertrag vom 24. 12./29. 12. 1999 unter anderem dieses Grundstück an die B*****gesellschaft mbH, die ihren Firmenwortlaut in I***** GmbH geändert hat, also die nunmehrige Antragstellerin, verkaufte.

Die Antragstellerin beantragte die lastenfreie Abschreibung des Grundstücks 273 aus der EZ 14 im Range der Enteignungsanmerkung A 2 LNR 2a unter Mitberücksichtigung der in A 2 LNR 1a eingetragenen Ersichtlichmachung der Sicherheitszone des Flughafens Graz und die Zuschreibung zur EZ 240 sowie die Löschung der Ersichtlichmachung zu A 2 LNR 1a zufolge der Abschreibung des Grundstückes 273.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht das Grundbuchsgesuch ab. Die Abschreibung von Teilen eines Grundbuchskörpers im Range der Anmerkung der Enteignung sei gesetzlich nicht vorgesehen. Die Anmerkung der Enteignung habe keine Rang wahrende Wirkung, sodass die Bestimmungen der §§ 53 ff GBG über die Anmerkung der Rangordnung nicht entsprechend angewendet werden könnten und daher von den nunmehrigen Liegenschaftseigentümern Aufsandungserklärungen zur Abschreibung des Grundstückes erforderlich seien, die hier fehlten. Ferner sei die Zustimmung der buchberechtigten Übergeber zur lastenfreien Abschreibung des Kaufobjektes urkundlich nicht nachgewiesen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Die Antragstellerin begehre eine Sprungeintragung nach § 22 GBG und habe zwar eine an sich geschlossene Titelkette ausgehend vom Enteigneten bis zur Antragstellerin vorgelegt, der nun einverleibte Eigentümer der (enteigneten) Liegenschaft sei aber ein anderer als der, gegen den sich der Enteignungsbescheid gerichtet habe. Die begehrte Sprungeintragung müsse daher schon aus diesem Grund scheitern, außer die Anmerkung der Enteignung hätte die Wirkung einer Streitanmerkung, was aber aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht ableitbar sei. § 20 Abs 3 EisbEG iVm § 12 BStG 1971 laute bloß, dass die Anmerkung der Enteignung die Wirkung habe, dass sich niemand, der eine ihr nachfolgende Eintragung erwirke, auf die Unkenntnis der Enteignung berufen könne. Diese Bestimmung beseitige sohin bloß den guten Glauben, habe aber nicht die von der Rekurswerberin beigemessene darüber hinausgehende Wirkung. Bei § 35 Abs 3 EisbEG handle es sich schon nach der systematischen Stellung dieser Bestimmung um eine Regelung über und für die zwangsweise Durchsetzung des Enteignungsbescheides durch die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde, nicht aber um eine grundbuchsrechtlich relevante Erweiterung des § 20 Abs 3 EisbEG. Es könne dem historischen Gesetzgeber nicht unterstellt werden, anlässlich der Gesetzwerdung die Wirkung der Anmerkung der Enteignung an zwei unterschiedlichen Stellen regeln zu wollen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber wenn er es gewollt hätte die Bestimmungen über die Streitanmerkung als Vorbild hätte nehmen könne. Es sei daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im § 20 Abs 3 EisbEG die Wirkung der Anmerkung der Enteignung grundbuchsrechtlich abschließend habe regeln wollen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Wirkung der Anmerkung der Enteignung nach § 20 Abs 3 EisbEG fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit einem Abänderungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Bücherliche Eintragungen dürfen nur gegen den einverleibten Eigentümer oder gegen den, der doch gleichzeitig als solcher einverleibt oder vorgemerkt wird, erfolgen (§ 21 GBG). Ist eine Liegenschaft oder ein bücherliches Recht auf mehrere Personen nacheinander außerbücherlich übertragen worden, so kann der letzte Übernehmer unter Nachweis seiner Vormänner verlangen, dass die bücherliche Übertragung unmittelbar auf seine Person vorgenommen werde (§ 22 GBG). § 22 GBG ist nur scheinbar eine Ausnahme von § 21 GBG und dient der Vereinfachung der Eintragung. Es wird also in diesem Fall nur von den Zwischeneintragungen abgesehen, wenn eine geschlossene Kette von entsprechenden Urkunden vorgelegt wird, die für die Einverleibung der außerbücherlichen Vormänner notwendig gewesen wäre (vgl RIS Justiz RS0060710, RS0107463, RS0060699, zuletzt 5 Ob 222/03p).

Im vorliegenden Fall liegt eine geschlossene Kette von Urkunden beginnend mit dem Eigentümer der Liegenschaft zum Zeitpunkt der Enteignung bis zur Antragstellerin vor. Da aber nunmehr nicht mehr der Enteignete, sondern andere Personen als Eigentümer der Liegenschaft einverleibt sind, stellt sich die Frage, ob dies die beantragte Einverleibung hindert bzw ob Aufsandungserklärungen der nunmehr Berechtigten nötig sind.

Bei der Enteignung tritt der Eigentumserwerb nicht schon durch das rechtskräftige Enteignungserkenntnis, sondern erst durch Zahlung oder gerichtlichen Erlag der Entschädigungssumme ein (RIS Justiz RS0057970, RS0037821, RS0053777). Das Eigentumsrecht des Enteigners wird nicht vom Enteigneten abgeleitet, sondern entsteht nach einhelliger Auffassung originär (MietSlg XXXVI/3 mwN, Brunner, Enteignung für Bundesstraßen, S 69, Klang2, II, 201).

Der Vollzug der Enteignung wird dadurch nicht gehindert, dass deren Gegenstand von dem, gegen den die Enteignung eingeleitet worden war, an einen Dritten übergegangen ist, oder dass sich andere diesen Gegenstand betreffende rechtliche Veränderungen ergeben haben (§ 35 Abs 3 EisbEG). Aus dieser Bestimmung ergibt sich die dingliche Wirkung des Enteignungsbescheides (vgl Pauger, Der dingliche Bescheid in ZfV 1984, 250; Brunner aaO, S 69). Alle Rechtsgeschäfte bezüglich der enteigneten Sache gegen den Enteigner sind also mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Einleitung des Enteignungsverfahrens unwirksam.

Das Rekursgericht meint aus der Bestimmung des § 20 Abs 3 EisbEG, nach dem die Anmerkung die Wirkung habe, dass sich niemand, der eine ihr nachfolgende Eintragung erwirke, auf die Unkenntnis der Enteignung berufen könne, ableiten zu können, dass die Anmerkung lediglich eine solche nach § 20 lit a GBG sei und lediglich den guten Glauben eines allfälligen Erwerbers verhindere, mit der Anmerkung aber keine anderen Rechtswirkungen im Sinn des § 20 lit b GBG verbunden seien.

Diese Auslegung widerspricht dem oben dargelegten Zweck des Enteignungsverfahrens im allgemeinen Interesse, bei dem der Enteigner originär Eigentum nach Rechtskraft des Enteigungsbescheides und der Zahlung oder Sicherstellung der Entschädigungsleistung erlangt und dies ausdrücklich gegen alle Personen wirken soll.

Folgte man der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, so hätte es der Enteignete in der Hand, das Enteignungsverfahren beliebig dadurch zu erschweren und zu verzögern, dass er die Liegenschaft rechtsgeschäftlich überträgt und dadurch den Enteigner zwingt, notfalls im Klagsweg, vom Rechtsnachfolger entsprechende Aufsandungserklärungen zu erhalten. Dass dies dem Sinn und Zweck der Enteignung widerspricht, bedarf wohl keiner weiteren Begründung. § 20 Abs 3 EisbEG kann daher nur so verstanden werden, dass die Anmerkung der Enteignung nicht nur die Wirkung hat, dass der gute Glaube eines künftigen Erwerbers wegfällt (Schlechtgläubigkeit hätte nach § 35 Abs 3 EisbEG ohnehin keine Wirkung auf die Eigentumsverhältnisse), sondern dass vom Enteigneten abgeleitete bücherliche Eintragungen gegen den Enteigner wirkungslos sind, wenn er in urkundlicher Form die Zahlung oder den gerichtlichen Erlag der Entschädigungssumme nachweist.

Auch in der Lehre wird die Ansicht vertreten, dass die Anmerkung der Enteignung zu den Anmerkungen nach § 20 lit b GBG zählt (Hoyer, Grundbuchsrecht und Grundbuchspraxis II, NZ 1996, 73 ff, Brunner aaO, S 81, Feil, Grundbuchsgesetz3, § 20 GBG, Rz 17).

Dies bedeutet zusammengefasst Folgendes:

Bis zum Zeitpunkt der Einverleibung des Eigentumsrechtes des Enteigners bleiben grundbücherliche Eintragungen gegen den Verpflichteten möglich (vgl 5 Ob 303/02y zum Ersteher). Weist aber der Enteigner in der Folge die Bezahlung oder Sicherstellung der Entschädigungssumme nach, sind also die Voraussetzungen des orginären Eigentumserwerbes gegeben, so begründet die Anmerkung der Enteignung als Anmerkung nach § 20 lit b GBG jedenfalls die im Eisenbahn - Enteignungsentschädigungsgesetz genannten Rechtswirkungen, dass nämlich vom Enteigneten abgeleitete nachfolgende Eintragungen im Grundbuch dem Enteigner gegenüber unwirksam sind.

Dennoch konnte im vorliegenden Fall das Grundbuchsgesuch nicht bewilligt werden. Wie bereits mehrfach ausgeführt, ist für den Eigentumserwerb des Enteigners auch die Beurkundung der Bezahlung bzw des Erlags der Entschädigungssumme Voraussetzung. Im vorliegenden Fall fehlt eine Urkunde, aus der sich dies unzweifelhaft ergibt. Aus dem vorgelegten Schreiben der Landesbaudirektion vom 7. 6. 1971 an die Raiffeisenkasse ergibt sich nur die Absicht, in der Zukunft ein Konto zu eröffnen und den im Schreiben genannten Erlag zu tätigen. Es fehlt aber an einer geeigneten Urkunde, aus der die tatsächliche Zahlung hervorgeht. Da also die Bezahlung bzw Sicherstellung der Entschädigungssumme nicht durch Urkunden belegt ist, konnten die beantragten Eintragungen nicht vorgenommen werden.

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