JudikaturJustiz4Ob21/15i

4Ob21/15i – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. März 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei h***** OG, *****, vertreten durch Mag. Daniel Vonbank, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei F***** M*****, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgitt Breinbauer, Rechtsanwälte in Dornbirn, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei M***** AG, *****, Liechtenstein, vertreten durch Dr. Markus Andréewitch und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Zahlung/Stufenklage (Streitwert im Sicherungsverfahren 10.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 27. November 2014, GZ 2 R 201/14x 24, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 9. Oktober 2014, GZ 9 Cg 75/14k 11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung unter Einschluss des bestätigten Teils insgesamt wie folgt zu lauten hat:

„Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei auf Unterlassung und Beseitigung wird der beklagten Partei verboten, die von der klagenden Partei für die M***** AG entwickelte und auf FileMaker® basierte Software 'Office Assistant Pro' zu verändern oder weiterzuentwickeln.

Hingegen wird das Mehrbegehren, der beklagten Partei auch zu verbieten, die Software zu verbreiten oder auf sonstigem Weg zu verwerten sowie Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter der klagenden Partei über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu befragen, abgewiesen.“

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zu einem Drittel vorläufig und zu zwei Drittel endgültig selbst zu tragen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen einen mit 2.151,14 EUR (darin 207,19 EUR USt und 908 EUR Barauslagen) bestimmten Anteil ihrer Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei programmierte ab Februar 2003 für die in Liechtenstein ansässige Nebenintervenientin ein elektronisches Datenbankprogramm für die Auftragsverwaltung mit dem Namen „Office Assistant Pro“, und entwickelte dieses bis 2013 ständig weiter. Das Programm basierte auf FileMaker, einem proprietären Datenbanksystem zur Verwaltung von Daten in Datenbanken und zur Entwicklung von Datenbankanwendungen. Vereinbarungen zwischen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin, wonach Letzterer ein uneingeschränktes Werknutzungsrecht über das Programm zukommt, wurden nicht bescheinigt.

Der Beklagte stand bis Februar 2013 in einem Dienstverhältnis zur klagenden Partei und war dort ua mit der Weiterentwickelung des genannten Programms für die Nebenintervenientin betraut. Seit März 2013 betreibt der Beklagte ein Einzelunternehmen in Vorarlberg und wurde in seinem Unternehmen von der Nebenintervenientin mit der Betreuung und Weiterentwicklung der streitverfangenen Software beauftragt. Seit diesem Zeitpunkt ist die Nebenintervenientin nicht mehr Kundin der klagenden Partei.

Am 17. 9. 2013 kommunizierte der Beklagte mit R***** B*****, einem (damaligen) Mitarbeiter der klagenden Partei, via Skype über das im Betrieb der klagenden Partei allgemein verwendete Passwort. Es besteht aus 12 Ziffern bzw Zeichen, deren Struktur der (abgekürzten) Firma und Adresse der klagenden Partei entspricht. Der Beklagte führte im Chat dieses Passwort an, wobei er sich hinsichtlich einer Ziffer (= Hausnummer der klägerischen Adresse) irrte. B***** korrigierte ihn dabei.

Am 23. 10. 2013 erkundigte sich der Beklagte bei R***** B***** über Neuigkeiten des Programms FileMaker, welches nicht von der klagenden Partei entwickelt wird. B***** gab im Chat schlagwortartig einige von FileMaker Inc. geplante technische Entwicklungen an: „ webdirect (statt iwp) ... themes werden ausgebaut. eigene themes speichern vermutlich möglich ... serverscript vom client aus starten wird möglich.

Zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsanspruchs und eines damit zusammenhängenden Beseitigungsanspruchs beantragte die klagende Partei, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die von der klagenden Partei für die Nebenintervenientin entwickelte Datenbanklösung zu verändern, weiterzuentwickeln, zu verbreiten oder auf sonstigem Wege zu verwerten sowie Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter über Geschäfts und Betriebsgeheimnisse der klagenden Partei zu befragen.

Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, ihr stünden am Programm das ausschließliche Werknutzungsrecht und die damit in Zusammenhang stehenden Rechte zu. Die Nebenintervenientin habe nur das Recht erworben, die Software zu eigenen Zwecken nach Maßgabe der erworbenen Lizenzen auf mehreren Arbeitsplätzen zu installieren und zu benützen. Auch bei Computerprogrammen gelte, dass Änderungen, wie auch Verwertungen, der Zustimmung des Inhabers des Werknutzungsrechts bedürfen. Eine Bearbeitung von Computerprogrammen sei lediglich insoweit zulässig, als diese für die bestimmungsgemäße Benutzung durch den Berechtigten notwendig sei (§ 40d Abs 2 UrhG).

Aufgrund des Umstands, dass der klagenden Partei seit der Beendigung des Dienstverhältnisses zwischen den Streitteilen keine weiteren Aufträge von der Nebenintervenientin erteilt worden seien, habe sich der Verdacht erhärtet, dass der Beklagte die Betreuung des Programms bei der Nebenintervenientin übernommen habe, worunter auch die Weiterentwicklung durch Bearbeitung, insbesondere die Erstellung von Updates und die Erweiterung der Programmfunktionen falle. Dem damaligen Mitarbeiter R***** B***** habe der Beklagte mitgeteilt, dass er laufend Fehler des Programms finde, dieses jedoch immer besser werde.

Aus einer am 17. 9. 2013 geführten Skype Korrespondenz ergebe sich auch, dass R***** B***** dem Beklagten über dessen Nachfrage das aktuelle Passwort zum Schutz der von der klagenden Partei entwickelten Computerprogramme weitergegeben habe. Am 23. 10. 2013 habe sich der Beklagte bei B***** in Kenntnis von dessen Verschwiegenheitspflicht über die von der klagenden Partei beabsichtigten Entwicklungen zum Programm FileMaker erkundigt.

Der Beklagte hielt dem Sicherungsantrag entgegen, dass die klagende Partei von der Nebenintervenientin nicht mit der Erstellung eines Computerprogramms iSd § 40a UrhG, sondern nur mit der Erstellung einer Verwaltungsdatenbank iSd § 40f UrhG beauftragt worden sei. Es sei unwahr und angesichts des Investitionsvolumens von mehr als ca 1 Mio EUR und der Entwicklungsdauer von zehn Jahren geradezu absurd, dass die Nebenintervenientin nur das Recht erworben haben soll, die Software auf mehreren Arbeitsplätzen zu installieren und zu benützen, nicht aber, diese im Bedarfsfall zu verwerten oder zu ändern. Eine über ein Jahrzehnt entwickelte Datenbank, die nicht an die Erfordernisse des Unternehmens angepasst werden dürfe, wäre ohne Nutzen. Der Beklagte sei von der Nebenintervenientin mit der Weiterentwicklung der Datenbank seit März 2013 beauftragt worden und habe sich darauf verlassen können, dass es der Nebenintervenientin gestattet sei, die Datenbank alleine oder durch beauftragte Dritte zu verwerten, zu ändern oder zu entwickeln.

Er habe R***** B*****, mit dem er nach seiner Kündigung in Kontakt gestanden sei, weder Betriebsgeheimnisse entlockt, noch diesen zum Bruch seiner Verschwiegenheitsklausel verleitet. Am 17. 9. 2013 habe R***** B***** nicht das Passwort des von der klagenden Partei entwickelten Computerprogramms weitergegeben. Dieses Passwort, welches für alle im Auftrag der klagenden Partei entwickelten Computerprogramme verwendet worden sei, sei sowohl dem Beklagten als auch jedem anderen Mitarbeiter der klagenden Partei hinlänglich bekannt gewesen. Der Beklagte hätte nur mit B***** über das ständig bei der klagenden Partei verwendete Passwort gescherzt.

Die auf Seiten des Beklagten sowohl dem Prozess als auch dem Sicherungsverfahren beigetretene Nebenintervenientin sprach sich gegen den Verfügungsantrag aus und brachte ua vor, dass sie über ein umfassendes Werknutzungsrecht verfüge und auch zur Bearbeitung, Verwertung und Änderung der Software berechtigt sei.

Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren ab. Es verneinte den auf das UrhG gestützten Unterlassungsanspruch schon deshalb, weil die klagende Partei nicht vorgebracht habe, welche konkreten Leistungen der Beklagte für die Nebenintervenientin erbringe. Es seien keine konkreten Handlungen behauptet worden, wonach der Beklagte den Bereich der nach § 40d Abs 2 UrhG zwingend gegebenen Mindestrechte verlassen hätte. Schließlich seien auch keine konkreten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse benannt worden, die dem Beklagten nicht aus seiner eigenen Tätigkeit bei der klagenden Partei bekannt gewesen wären und zu denen sich der Beklagte unzulässig Zugang verschafft hätte.

Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich beider Sicherungsbegehren jeweils 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Es gehe nicht um den Schutz einer Datensammlung als solche, sondern vielmehr um den Schutz des für ihre Herstellung und ihren Betrieb erstellten Computerprogramms iSd §§ 40a ff UrhG. Die klagende Partei sei mangels anderer Vereinbarungen nach § 40b UrhG zur Geltendmachung der Werknutzungsrechte der Veränderung, Weiterentwicklung, Verbreitung oder sonstigen Verwertung legitimiert. Sie habe auch ein ausreichendes Vorbringen zu den vom Beklagten gesetzten Handlungen im Zusammenhang mit der unerlaubten Nutzung der Software erstattet, das der Beklagte nicht bestritten habe. Eine Vereinbarung über die Einräumung weitergehender Nutzungsrechte an die Nebenintervenientin sei nicht festgestellt worden. Zu Lasten des hier beweispflichtigen Beklagten sei daher davon auszugehen, dass eine Grundlage für eine uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit der Software durch die Nebenintervenientin fehle. Eine uneingeschränkte Weiterentwicklung eines Softwareprogramms falle nicht unter das freie Werknutzungsrecht des § 40d UrhG. Ein Unterlassungsanspruch nach § 81 UrhG bestehe auch bei fehlendem Verschulden, weshalb sich der Beklagte nicht darauf berufen könne, er sei davon ausgegangen, die Nebenintervenientin verfüge über sämtliche Nutzungsrechte.

Das Sicherungsbegehren sei auch insoweit berechtigt, als der Beklagte die Befragung von (ehemaligen) Mitarbeitern über Geschäfts und Betriebsgeheimnisse zu unterlassen habe. Indem er gegenüber R***** B***** von sich aus das ihm zuletzt bekannte Passwort nannte, habe der Beklagte aktiv dazu beigetragen, dass ihm B***** das aktuelle Passwort bekanntgab.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil gesicherte Judikatur des Obersten Gerichtshofs weder zu § 40d UrhG noch zur Frage bestehe, ob bereits die Thematisierung eines Passworts als Herauslocken eines Geschäftsgeheimnisses zu qualifizieren sei.

Mit seinem dagegen gerichteten ordentlichen Revisionsrekurs strebt der Beklagte die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im abweisenden Sinn an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig , weil das Rekursgericht entgegen gesicherter Rechtsprechung das Sicherungsbegehren bezüglich der urheberrechtlichen Verletzungen zu weit gefasst und dem Antrag hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Geheimnissen stattgegeben hat. Das Rechtsmittel ist teilweise berechtigt .

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Nebenintervention im Sicherungsverfahren jedenfalls auf der Seite des Gegners der gefährdeten Partei unzulässig (RIS Justiz RS0004899 [T3]). Die im Provisorialverfahren abgegebene Beitrittserklärung ist daher nicht wirksam und vermittelte dem Beitretenden keine Parteistellung (8 Ob 78/10v). Im Sicherungsverfahren kann auch ein dem Prozess beigetretener Nebenintervenient weder Anträge stellen noch für die Hauptpartei handeln (1 Ob 417/97y; RIS Justiz RS0042003 [T2, T3]). Zutreffend hat das Rekursgericht die Rekursbeantwortung der Nebenintervenientin zurückgewiesen. Auch das erstinstanzliche Vorbringen der Nebenintervenientin ist im Sicherungsverfahren unbeachtlich und bildet keine Grundlage der zu treffenden Sach und Kostenentscheidung.

2. Urheberrechtlicher Verstoß

2.1 § 40d UrhG regelt die freie Werknutzung von Computerprogrammen. Danach dürfen diese vervielfältigt und bearbeitet werden, soweit dies für ihre bestimmungsgemäße Benutzung durch den zur Benutzung Berechtigten notwendig ist; hiezu gehört auch die Anpassung an dessen Bedürfnisse (§ 40d Abs 2 UrhG).

2.2 Ungeachtet der Bezugnahme des Rekursgerichts auf fehlende höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 40d UrhG bedarf es hier keiner näheren Erörterungen zum Umfang der in § 40d Abs 2 UrhG festgelegten freien Werknutzung von Computerprogrammen.

Der Beklagte hat sich in erster Instanz nämlich nicht auf die freie Werknutzung im Sinne dieser Bestimmung berufen, sodass diese auch nicht näher zu prüfen war (4 Ob 35/05h; vgl auch Wiebe in Kucsko , urheber.recht 585). Der Beklagte erachtete es vielmehr als „geradezu absurd“, dass die Nebenintervenientin nur das Recht erworben haben soll, die Software zu eigenen Zwecken zu benützen, nicht aber auch das Recht, die Datenbank zu verwerten und zu verändern. Die Nebenintervenientin habe mit der klagenden Partei vielmehr ausdrücklich vereinbart, dass sie die Software mit einem uneingeschränkten Werknutzungsrecht erwerbe, weshalb sie auch ausschließlich berechtigt sei, das Produkt zu verwerten, zu ändern, weiterzuentwickeln und auch Dritte nach ihrem Ermessen mit der Änderung und Bearbeitung der Datenbank zu beauftragen, was auch geschehen sei.

Aufgrund dieses Vorbringens, das auch die für den Unterlassungsanspruch nach § 81 UrhG erforderliche Wiederholungsgefahr ausreichend indiziert, waren die Vorinstanzen nicht gehalten, nähere Feststellungen über die konkreten Leistungen des Beklagten bei der Nebenintervenientin zu treffen.

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts hat sich der Beklagte mit dem referierten Vorbringen aber auch nicht erkennbar auf § 40d Abs 2 UrhG gestützt, sondern sich vielmehr (auch noch in dritter Instanz) auf ein umfassendes und uneingeschränktes Nutzungsrecht der Nebenintervenientin berufen, das es ihm erlaube, das Programm (umfassend) zu betreuen und weiterzuentwickeln. Schon aufgrund seines Vorbringens überschritt der Beklagte damit das freie Werknutzungsrecht. Auch aus dem bescheinigten Sachverhalt ist nicht abzuleiten, dass er sich allein im Rahmen des freien Werknutzungsrechts gehalten habe. Für die überdies als unzulässige Neuerung unbeachtliche Berufung auf die freie Werknutzung fehlt daher jede Grundlage.

2.3 Dem Rekursgericht ist in diesem Zusammenhang auch keine Verkennung der Beweislastverteilung vorzuwerfen. Die klagende Partei, die ein urheberrechtliches Ausschließlichkeitsrecht geltend macht, hat die ihren Anspruch begründenden Tatsachen nachzuweisen (RIS Justiz RS0076536). Dieser allgemeinen Beweislastregel, die auch im Bescheinigungsverfahren gilt (4 Ob 95/91 = MR 1992, 27 [ Walter ]), hat die klagende Partei entsprochen und ausreichend bescheinigt, dass ihr als Dienstgeberin des von ihren Dienstnehmern als Urheber (§ 10 Abs 1 iVm § 40a Abs 1 UrhG) geschaffenen Programms ein unbeschränktes Werknutzungsrecht zusteht (§ 40b UrhG). Auch die Rechtsansicht des Rekursgerichts, der Beklagte müsse behaupten und beweisen (bzw hier: bescheinigen), dass sich sein Handeln im Rahmen des (gesetzlichen) freien Werknutzungsrechts nach § 40d Abs 2 UrhG gehalten habe, deckt sich mit der allgemeinen Beweislastregel, wonach es dem Beklagten obliegt, anspruchsvernichtende Umstände nachzuweisen (RIS Justiz RS0109287). Die vom Rekursgericht vorgenommene Beweislastverteilung entspricht auch der in 4 Ob 35/05h vertretenen Rechtsansicht.

2.4 Schließlich bieten auch die Feststellungen keinen Grund zur Annahme für ein zugunsten der Nebenintervenientin eingeräumtes unbeschränktes Werknutzungsrecht.

2.4.1 Eine konkrete Vereinbarung über den Umfang der Verwertungsrechte zwischen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin konnte von den Vorinstanzen nicht festgestellt werden. Es wurde nicht bescheinigt, dass die AGB der klagenden Partei Vertragsinhalt wurden, weshalb sich nähere Erwägungen zu deren Inhalt erübrigen.

2.4.2 Entgegen dem Revisionsrekurs steht die angefochtene Entscheidung auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung über das Ausmaß der Befugnisse, die ein Werknutzungsberechtigter durch einen Werknutzungsvertrag erwirbt, zumal diese Befugnisse im Zweifel nicht weiter auszulegen sind, als es für den praktischen Zweck der ins Auge gefassten Werknutzung erforderlich erscheint (RIS Justiz RS0077726; RS0077654 [T5]). Auch die Einräumung eines Werknutzungsrechts hat somit nicht zwingend zur Folge, dass dem Berechtigten ein schrankenloses Recht zukommt.

2.4.3 Mit seinem Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 293/05g ist für den Beklagten nichts gewonnen, weil dort ein Werknutzungsrecht eines Auftraggebers schon wegen dessen ausdrücklicher Vereinbarung mit dem Urheber, das Werk auch an Dritte weitergeben zu dürfen, bejaht wurde. Im vorliegenden Fall konnte der diesbezüglich beweisbelastete Beklagte aber gerade nicht bescheinigen, dass die klagende Partei der Nebenintervenientin ein umfassendes Werknutzungsrecht eingeräumt hat.

2.4.4 Auch das Argument des Beklagten, es handle sich beim Programm um eine Individualsoftware, reicht nicht hin, um allein daraus ein unbeschränktes Werknutzungsrecht bzw die Befugnis der Nebenintervenientin zur umfassenden Weiterentwicklung und Bearbeitung abzuleiten. Eine solche Software liegt dann vor, wenn sie bislang nicht existierte und auftragsgemäß an die Bedürfnisse des Bestellers angepasst hergestellt wurde (vgl 9 Ob 81/04h). Ginge man davon aus, dass der Erwerb einer Individualsoftware stets ein unbeschränktes Werknutzungsrecht des Nutzers zur Folge hat, hätte dies zur Konsequenz, dass die Sondervorschriften für Computerprogramme (§§ 40a ff UrhG) sich ausschließlich auf Standardsoftware beziehen.

Ein derartiges Auslegungsergebnis entspricht aber weder dem Wortlaut noch dem Gesetzeszweck dieser Bestimmungen und kann auch nicht aus der ihnen zugrunde liegenden Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen abgeleitet werden. Diese Bestimmungen sind vielmehr von einem Ausgleich der Interessen des Urheberberechtigten mit jenen des berechtigten Nutzers geprägt (vgl zB Walter , Österreichisches Urheberrecht I Rz 1359; Wiebe in Kucsko , urheber.recht 588; Zur vergleichbaren Rechtslage in Deutschland: siehe etwa Czychowski in Nordemann/Nordemann/Nordemann Urheberrecht 10 § 69d UrhG Rz 12; Günther, Änderungsrechte des Softwarenutzers, CR 1994, 325; Kotthoff in Dreyer/Kotthoff/Meckel Urheberrecht 3 § 69d UrhG Rz 11). Ein solcher Interessensausgleich wäre aber nicht mehr möglich, würde man sich der Rechtsansicht im Rechtsmittel anschließen.

2.4.4 Es ist entgegen dem Revisionsrekurs auch nicht ersichtlich, weshalb aus der von der klagenden Partei bis 2013 im Auftrag der Nebenintervenientin vorgenommenen Weiterentwicklung des Programms ein ausschließliches Werknutzungsrecht zugunsten der Nebenintervenientin abzuleiten ist.

2.5 Insoweit der Beklagte releviert, die klagende Partei hätte ihm keine Tatbegehung in Österreich vorgeworfen, zumal die Nebenintervenientin ihren Sitz in Liechtenstein habe, ist ihm das entsprechende Vorbringen im Verfügungsantrag entgegenzuhalten. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Sitz seines Unternehmens in Vorarlberg warf die klagende Partei dem Beklagten die Verletzung ihres ausschließlichen Werknutzungsrechts vor. Der Beklagte hat eine entsprechende Tätigkeit im Inland nicht bestritten. Aus seinem Vorbringen ist nicht ansatzweise abzuleiten, dass er die von ihm zugestandene Betreuung und Weiterentwicklung des Programms nicht (auch) in Österreich ausgeübt hat. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Rekursgericht von einer urheberrechtlichen Verletzung im Inland ausgegangen ist.

2.6 Die Befürchtung der Beklagten, er dürfe wegen der weiten Fassung des Unterlassungsgebots künftig auch keine Bearbeitung im Umfang des § 40d Abs 2 UrhG ausführen, ist unbegründet. Ein Unterlassungsgebot ist zwar dann zu weit gefasst, wenn die Beklagte damit zu Unterlassungen verhalten wird, zu denen sie bei richtiger Auslegung des materiellen Rechts nicht verpflichtet wäre (RIS Justiz RS0037461). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht aber kein zwingender Anlass, Rechtfertigungsgründe und daraus resultierende Ausnahmen oder gesetzliche Ausnahmen (vgl 4 Ob 33/09w) vom gerichtlichen Verbot in den Spruch aufzunehmen, gelten diese doch aufgrund des Gesetzes unabhängig davon, ob sie im Spruch des Unterlassungsgebots ausdrücklich erwähnt werden oder nicht. Liegt der rechtfertigende Tatbestand vor, kann aufgrund des hier ergangenen gerichtlichen Unterlassungsgebots nicht erfolgreich Exekution geführt werden (RIS Justiz RS0114017).

Diese Wertungen sind auch auf die Bestimmung über das freie Werknutzungsrecht nach § 40d Abs 2 UrhG anzuwenden. Die für eine bestimmungsgemäße Benutzung notwendige Bearbeitung des Programms bzw die Anpassung des Programms an die Bedürfnisse des Berechtigten kann mit einer (zulässigen) Veränderung der Software durch den Nutzer verbunden sein ( Wiebe in Kucsko , urheber.recht 588 f mwN; Walter , Österreichisches Urheberrecht I Rz 1361). Unter das freie Werknutzungsrecht des § 40d Abs 2 UrhG fallende Handlungen sind durch das Unterlassungsgebot nicht ausgeschlossen, ohne dass es diesbezüglich einer einschränkenden Formulierung im Spruch bedarf (vgl 4 Ob 33/09w).

Nach 4 Ob 56/10d gelten die referierten Grundsätze freilich dann nicht, wenn die beklagte Partei einen konkreten Einwand erhoben hat, der sich nach den Ergebnissen des Verfahrens in einigen Fällen als berechtigt erwies, sodass das beanstandete Verhalten teilweise nicht rechtswidrig war. In einem solchen Fall hat der Spruch die Ergebnisse des Verfahrens wiederzugeben; ein umfassendes Verbot würde nämlich diesfalls den unrichtigen Eindruck erwecken, das beanstandete Verhalten sei zur Gänze rechtswidrig gewesen. Auch aus dieser Rechtsprechung ist für den Beklagten aber nichts zu gewinnen, weil er sich wie bereits ausgeführt im erstinstanzlichen Verfahren nicht auf das freie Werknutzungsrecht nach § 40d Abs 2 UrhG berufen hat.

2.7 Das Rekursgericht hat dem Beklagten die Veränderung oder Weiterentwicklung der Software daher zu Recht verboten.

2.8 Der Beklagte wendet allerdings zutreffend ein, dass die einstweilige Verfügung hinsichtlich der Verbreitung und der sonstigen Verwertung mangels entsprechenden Tatsachenvorbringens der klagenden Partei zu Unrecht erlassen wurde. Ob ein ausreichend konkretes Unterlassungsgebot zu eng oder zu weit gefasst ist, hängt vor allem von der festgestellten Verletzungshandlung ab. Ein Unterlassungsgebot hat sich in seinem Umfang dabei am konkreten Verstoß zu orientieren (RIS Justiz RS0037645, RS0037478, RS0037607 [T34]); es ist daher auf die konkrete Verletzungshandlung sowie um Umgehungen durch den Verpflichteten nicht allzu leicht zu machen (vgl RIS Justiz RS0037733, RS0037607) auf ähnliche Fälle einzuengen. Die an sich wegen der Gefahr von Umgehungen gerechtfertigte weite Fassung von Unterlassungsgeboten darf nur so weit gehen, als die Befürchtung gerechtfertigt ist, der Beklagte werde auch jene Verletzungshandlungen begehen, die unter das weit gefasste Unterlassungsgebot fallen (RIS Justiz RS0037607 [T26, T38]). Die klagende Partei warf dem Beklagten keine Verbreitung oder eine sonstige (über die relevierte Veränderung und Weiterentwicklung hinausgehende) Verwertung der Software vor, sodass das begehrte und vom Rekursgericht auch erlassene Unterlassungsgebot diesbezüglich zu weit gefasst war. Ein seinem Umfang nach berechtigtes Begehren ist als Minus im zu weiten Sicherungsantrag enthalten (4 Ob 93/10w mwN), weshalb die angefochtene Entscheidung entsprechend abzuändern ist.

3. Unlauteres Ausnützen eines Vertragsbruchs

3.1 Nach der Rechtsprechung ist das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs dann unlauter, wenn der Dritte den Vertragsbruch bewusst gefördert oder sonst aktiv dazu beigetragen hat (RIS Justiz RS0107766; vgl auch RS0078356 [T3, T4]).

3.2 Dem Beklagten war sowohl das von der klagenden Partei betriebsintern verwendete Passwort als auch dessen einprägsame Struktur, die sich aus der Firma und der Adresse der klagenden Partei zusammensetzte, aus seiner Tätigkeit bei der klagenden Partei bereits bekannt. Aus dem bescheinigten Sachverhalt ergibt sich nicht, dass er in Unkenntnis des Passworts dieses von R***** B***** herausgelockt hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklage im Rahmen eines saloppen Chats gegenüber R***** B***** das Passwort mit einer falscher Hausnummer nannte und ihn dieser diesbezüglich korrigierte. Mit dieser Korrektur verschaffte B***** dem Beklagten keine Informationen, die ihm zuvor nicht bekannt waren oder die er sich auf nicht einfache Weise (Ermittlung der korrekten Adresse) selbst beschaffen konnte.

Ein Betriebs und Geschäftsgeheimnis setzt aber voraus, dass es sich dabei um Tatsachen handelt, die nur einem eng begrenzten, im Wesentlichen geschlossenen Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Berechtigten vertraulich behandelt werden, wobei ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung bestehen muss (RIS Justiz RS0079599). Die Angaben von R***** B***** stellen keinen Bruch allfälliger Verschwiegenheitspflichten dar, weil das Passwort gegenüber dem Beklagten bereits vor dem inkriminierten Vorfall nicht geheim war, sodass der Ausnutzung eines fremden Vertragsbruchs durch den Beklagten die tatsächliche Grundlage fehlt.

3.3 Auch im Zusammenhang mit der am 23. 10. 2013 geführten Unterhaltung über aktuelle Entwicklungen der Software FileMaker ist keine Verletzung von Geschäfts und Betriebsgeheimnissen der klagenden Partei bescheinigt. Diese Software wird nicht von der klagenden Partei entwickelt, sondern von der FileMaker Inc., einem Unternehmen des Apple-Konzerns.

Mit seinen nur schlagwortartigen Informationen über neuere Entwicklungen des Programms FileMaker, etwa den Umstieg von Instant Web Publishing (iwp) auf WebDirect, berichtete R***** B***** über Neuerungen in der Branche, die Teilen des interessierten Fachpublikums bereits bekannt waren (vgl zB die am 15. 10. 2013 erstellte Information auf der deutschen Website von FileMaker http://filemaker de.custhelp.com/app/answers/detail/a_id/12 37/~/vergleich zwischen filemaker webdirect und instant web publishing). E r gab damit aber keine Geheimnisse preis, die die klagende Partei betrafen, sodass auch hier kein unlauteres Ausnutzen eines Vertragsbruchs Dritter vorliegt.

4. Der Revisionsrekurs ist daher hinsichtlich der behaupteten Urheberrechtsverletzungen teilweise, im Umfang des auf ein unlauteres Ausnützen fremden Vertragsbruchs gestützten Unterlassungsbegehrens zur Gänze berechtigt.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, für den Zuspruch an den Beklagte iVm §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat den Sicherungsantrag zu etwa zwei Drittel abgewehrt; er hat daher Anspruch auf zwei Drittel seiner im Sicherungsverfahren angefallenen Kosten. Bemessungsgrundlage ist allerdings nur der Streitwert des Unterlassungsbegehrens. Für den Revisionsrekurs ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der erhöhte ERV Zuschlag gemäß § 23a RATG nur für verfahrenseinleitende, nicht jedoch für fortgesetzte Schriftsätze, wie Rechtsmittel, gebührt (vgl RIS Justiz RS0126594 [T1]). Für die Rekursbeantwortung gebührt nur der einfache Einheitssatz; § 23 Abs 9 RATG gilt nur für das Berufungsverfahren.

Rechtssätze
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