JudikaturJustiz4Ob185/12b

4Ob185/12b – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. November 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R***** KG, 2. Dr. A***** F*****, beide vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. J***** B*****, vertreten durch BMA Brandstätter Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen teilweiser Aufhebung eines Schiedsspruchs, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 28. August 2012, GZ 2 R 151/12h 10, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Kläger begehren die teilweise Aufhebung eines Schiedsspruchs. Da das Schiedsverfahren vor dem 1. Juli 2006 eingeleitet wurde, ist noch § 595 ZPO idF vor dem SchiedsRÄG 2006 (idF: ZPO aF) anzuwenden (Art VII Abs 2 SchiedsRÄG 2006). Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. In der außerordentlichen Revision zeigen die Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2. Zum Aufhebungsgrund des § 595 Abs 1 Z 2 ZPO aF (rechtliches Gehör):

2.1. Das Schiedsgericht hatte (angesichts bereits mehrjähriger Verfahrensdauer) „festgestellt“, dass nach Ablauf bestimmter Fristen weiteres Sachvorbringen „ausgeschlossen“ sei, soweit es sich nicht aus der Erörterung eines Gutachtens ergebe. Nach dem Ablauf der ihn betreffenden Frist dehnte der Beklagte sein Widerklagebegehren aus. Das Schiedsgericht entschied über das ausgedehnte Begehren, ohne einen auf „Verspätung“ gestützten Zurückweisungsantrag der Kläger ausdrücklich ab- oder zurückzuweisen. Die Kläger rügen das unter mehreren Gesichtspunkten als Verletzung ihres rechtlichen Gehörs iSv § 595 Abs 1 Z 2 ZPO.

2.2. Dass das Schiedsgericht nicht ausdrücklich über den Zurückweisungsantrag entschied, ist unbedenklich. Eine Klageänderung kann auch im Zivilprozess implizit durch Fällen der Sachentscheidung zugelassen werden (RIS-Justiz RS0039450); in Schiedsverfahren können jedenfalls keine strengeren Anforderungen gelten. Dass eine implizite Zulassung im Verfahren vor staatlichen Gerichten überprüfbar wäre (RIS-Justiz RS0039450, RS0102058), bedeutet nicht, dass eine entsprechende Überprüfung auch im Verfahren zur Aufhebung eines Schiedsspruchs zwingend erfolgen müsste. Dieses Verfahren ist kein Rechtsmittelverfahren, sondern soll nur die Einhaltung von Mindestgarantien sichern ( Hausmaninger in Fasching / Konecny 2 § 611 Rz 3 mwN; 7 Ob 265/02z mwN = EvBl 2003/67; RIS-Justiz RS0117294; zuletzt etwa 5 Ob 272/07x).

2.3. Die in der Revision neuerlich als aktenwidrig bekämpfte Feststellung des Erstgerichts, das Schiedsgericht habe über die Widerklage „verhandelt“, ist dahin zu verstehen, dass das Schiedsgericht das für den Fall der „Zulassung“ erstattete Sachvorbringen der Kläger durch Verweis auf einen von ihnen vorgelegten Aktenvermerk protokolliert und damit entgegengenommen hat. Das rechtliche Gehör der Kläger war damit grundsätzlich gewahrt. Dass die Kläger mit einer Entscheidung über die Widerklage rechnen mussten, ergibt sich schon daraus, dass das Schiedsgericht die Behandlung anderer Ausdehnungen von Klage und Widerklage, die die Parteien nach der hier strittigen Widerklageausdehnung vorgenommen hatten, ausdrücklich von einer Ergänzung des Schiedsrichtervertrags abhängig gemacht hatte. Da die Kläger dem Schiedsgericht nicht unterstellen durften, dass es bei dieser Verfügung die hier strittige Widerklage übersehen hatte, mussten sie annehmen, dass es insofern eine Entscheidung treffen würde. Sie hätten daher ein allenfalls erforderliches ergänzendes Vorbringen das sie zudem im Aufhebungsverfahren nicht konkret bezeichnet haben erstatten müssen. Auf dieser Grundlage kann offen bleiben, ob und unter welchen Umständen eine wirkliche Überraschungsentscheidung als Verletzung des rechtlichen Gehörs gewertet werden könnte.

2.4. Zuletzt rügen die Kläger in diesem Zusammenhang, dass das Schiedsgericht ihr Vorbringen zur strittigen Widerklageausdehnung nicht beachtet habe.

(a) Ein Schiedsspruch ist allerdings nach ständiger Rechtsprechung nur dann anfechtbar, wenn einer Partei das rechtliche Gehör überhaupt nicht gewährt wurde. Eine bloß lückenhafte Sachverhaltsfeststellung oder mangelhafte Erörterung rechtserheblicher Tatsachen ist danach noch kein Aufhebungsgrund. Der Schiedsspruch ist daher nicht schon deswegen unwirksam, weil das Schiedsgericht Beweisanträge ignoriert oder zurückweist oder weil es sonst den Sachverhalt unvollständig ermittelt hat (6 Ob 572/90 = RdW 1991, 327; RIS-Justiz RS0045092; zuletzt etwa 9 Ob 53/08x = RdW 2009, 86).

(b) An dieser Rechtsprechung wurde zwar in der Lehre Kritik geübt ( Reiner , Schiedsverfahren und rechtliches Gehör, ZfRV 2003, 52 [59 ff]; vgl 3 Ob 122/10b = ecolex 2011, 43). Jedenfalls im vorliegenden Fall besteht aber kein Anlass, davon abzugehen: Das Schiedsgericht hat das Bestreitungsvorbringen der Kläger im Schiedsspruch zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Es hat dazu aber (wenngleich nicht die von den Klägern gewünschten) Feststellungen getroffen insbesondere dass die Abschichtungsbilanz, anders als von den Klägern behauptet, erst im Schiedsverfahren erstellt worden sei und daraus rechtliche Schlüsse gezogen. Dass das Schiedsgericht das Vorbringen der Kläger von vornherein nicht in seine Erwägungen einbezogen hätte, was allenfalls eine Aufhebung des Schiedsspruchs rechtfertigen könnte, lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit aus den Umständen des Einzelfalls ableiten (vgl die von den Klägern zitierte Entscheidung BGH III ZR 169/90 = NJW 1992, 2299; dazu etwa Münch in MüKo ZPO 3 [2008] § 1042 Rz 49). Ob die rechtlichen Schlussfolgerungen des Schiedsgerichts richtig sind, ist im Aufhebungsverfahren nicht zu prüfen.

3. Zum Aufhebungsgrund des § 595 Abs 1 Z 5 ZPO aF (Überschreiten der Befugnisse):

3.1. Es ist unstrittig, dass die im Schiedsverfahren ausgedehnte Widerklage von der Schiedsklausel des zwischen den Parteien bestehenden Gesellschaftsvertrags erfasst war. Insofern liegt daher keinesfalls ein Überschreiten der Befugnisse iSv § 595 Abs 1 Z 5 ZPO aF vor.

3.2. Richtig ist, dass die Parteien bei anderen Änderungen des Streitgegenstands auch den mit den Schiedsrichtern geschlossenen Schiedsrichtervertrag ergänzt haben. Es kann aber dahinstehen, ob daraus tatsächlich, wie von den Klägern vertreten, eine Beschränkung der Kognitionsbefugnis des konkreten Schiedsgerichts für den Fall abgeleitet werden kann, dass eine solche Ergänzung wie hier nicht erfolgte. Denn jedenfalls hätte die Gegenpartei diesen Einwand schon im Schiedsverfahren erheben müssen. Im neuen Schiedsrecht ist das in § 592 Abs 2 ZPO ausdrücklich vorgesehen. Aber auch für das alte Recht war anerkannt, dass das Nichterheben einer Rüge im Schiedsverfahren das Geltendmachen des entsprechenden Aufhebungsgrundes ausschloss. Ausdrücklich ausgesprochen wurde das zwar nur für Verletzungen des rechtlichen Gehörs (5 Ob 272/07x = ecolex 2008, 433 [ Graf ]) und für Besetzungsmängel (5 Ob 272/07x; 3 Ob 740/25 = SZ 7/295; 2 Ob 906/36 = Rsp 1937/17). Es ist aber kein Grund erkennbar, die hier behauptete Unzuständigkeit des Schiedsgerichts anders zu behandeln. Denn sonst stünde der (Wider-)Beklagte im Schiedsverfahren besser als im Zivilprozess, wo er die sachliche Unzuständigkeit des staatlichen Gerichts wegen Vorliegens einer Schiedsvereinbarung (RIS-Justiz RS0039817) spätestens in der Klagebeantwortung (§ 240 ZPO) oder bei Einlassung in die Hauptsache geltend machen müsste (RIS-Justiz RS0039874); bei einer Klageänderung käme eine Heilung nach § 104 Abs 3 JN in Betracht (§ 235 Abs 2 ZPO).

3.3. Im konkreten Fall hat die Klägerin im Schiedsverfahren die Zulässigkeit der Widerklageausdehnung nur mit der Begründung bestritten, dass sie verspätet erfolgt sei. Damit hat sie im Schiedsverfahren nicht geltend gemacht, dass das Schiedsgericht mit der Behandlung der ausgedehnten Widerklage seine Befugnisse überschritte. Der Aufhebungsgrund ist daher schon deswegen nicht verwirklicht.

Rechtssätze
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