JudikaturJustiz3Ob30/02m

3Ob30/02m – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermine S*****, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Christina S*****, vertreten durch Dr. Dietmar Ritzberger und Ing. Dr. Erich Janovsky, Rechtsanwälte in Schwaz, wegen Feststellung der Ungültigkeit eines Testaments (Streitwert 36.336,42 EUR = 500.000 S) infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2001, GZ 4 R 240/01b 13, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. Juni 2001, GZ 15 Cg 48/01p 8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Am 22. 6. 2000 verstarb der Bruder der Klägerin. Die Beklagte war dessen Lebensgefährtin. Am Abend des 14. 6. 2000 traf sich der Erblasser u. a. mit vier Freunden. Diese unterfertigten am 3. 7. 2000 ein Gedächtnisprotokoll, das auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

"Der ... (Erblasser) ... äußerte sich dazu, dass ihm so etwas, wie dem Klaus, nicht passieren würde, da ihm die Witwe des Klaus ... erklärt habe, dass kein Testament vorhanden sei.

Der ... (Erblasser) ... wurde dann sozusagen förmlich und erklärte uns vier gegenüber wörtlich:

'Männer, ich sage euch jetzt etwas! Wenn mit mir etwas passiert, bekommt alles die Christina'. Damit war ei(n)deutig seine langjährige Lebensgefährtin ... gemeint.

Es war für uns vier, zu diesem Zeitpunkt am Tisch a(A)nwesenden klar und eindeutig, dass er mit dieser uns gegenüber abgegebenen Erklärung seine Lebensgefährtin zur Alleinerbin machte und wir bewusst seine diesbezügliche Erklärung als Zeugen wahrnehmen sollten.

Abschließend möchten wird festhalten, dass ... (der Erblasser) ... des öfteren uns gegenüber aber auch zu einer Mehrzahl von anderen Personen geäußert hat, dass im Falle eines Ablebens selbstverständlich seine Lebensgefährtin ... sein Vermögen erhalte, insofern war diese Erklärung für uns nicht überraschend.

Während dieser Erklärung des ... (Erblassers) ... waren wird alle vier anwesend und haben gemeinsam die Erklärung gehört, was wir jederzeit auch vor Gericht als Zeugen bestätigen und beeiden können. ... ."

Am 24. 10. 2000 wurden die Freunde des Erblassers vom Verlassenschaftsgericht eidlich vernommen. Sie hielten dabei übereinstimmend fest, dass das von ihnen unterfertigte Gedächtnisprotokoll vom 3. 7. 2000 richtig ist und der Wahrheit entspricht. Im Übrigen sagten sie über ihre Beziehung zum Erblasser und - der Sache nach mit dem Gedächtnisprotokoll vom 3. 7. 2000 übereinstimmend - über die Äußerungen des Erblassers, deren Begleitumstände und ihre Eindrücke aus.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die Beklagte "nicht Erbin nach dem am 22. 6. 2000 verstorbenen ... (Erblasser) ... ist". Sie brachte vor, die Erklärung des Erblassers vom 14. 6. 2000 sei keine letztwillige Verfügung. Es habe am ernstlichen Testierwillen gefehlt. Die Zeugen seien keine Testamentszeugen, weil ihnen eine solche Eigenschaft nicht bewusst gewesen sei.

Die Beklagte wendete ein, die Erklärung des Erblassers vom 14. 6. 2000 erfülle alle Form- und Inhaltserfordernisse eines mündlichen Testaments. Die Zeugen hätten der letztwilligen Erklärung des Erblassers im Bewusstsein beigewohnt, Testamentszeugen zu sein. Überdies sei das Klagebegehren unzulässig gefasst.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seiner Ansicht setze ein gültiges mündliches Testament voraus, dass der Erblasser die Erklärung seines letzten Willens vor den Zeugen beabsichtigt habe. Einer solcher Erklärung müssten die Zeugen im Bewusstsein, Zeugen einer letztwilligen Erklärung zu sein, beiwohnen. Es schade jedoch nicht, wenn die Zeugen "nicht ausdrücklich als Zeugen der Testamentserrichtung herbeigerufen worden" seien. Ob jemand das Bewusstsein und den Willen gehabt habe, als Testamentszeuge zu fungieren, sei Tatfrage. Rechtsfrage sei dagegen, ob nach dem Inhalt der Zeugenaussagen eine letztwillige Verfügung zustande gekommen sei. Die Erklärung des Erblassers vom 14. 6. 2000 sei nicht so zu verstehen, dass damit nur die Absicht bekundet worden wäre, künftig ein Testament eines bestimmten Inhalts errichten zu wollen. Die Ernstlichkeit, Eindringlichkeit und Bestimmtheit der Erklärung spreche vor dem Hintergrund der Begleitumstände dafür, dass der Erblasser eine letztwillige Verfügung habe errichten wollen. Die Voraussetzungen eines gültigen Testaments nach § 585 ABGB seien daher erfüllt.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung "nach allfälliger Verfahrensergänzung" an das Erstgericht zurück. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Es erwog in rechtlicher Hinsicht, die Erbrechtsklage bezwecke die Feststellung, dass der vom Beklagten in Anspruch genommene Erbrechtstitel unwirksam sei. Diesem Erfordernis genüge das Urteilsbegehren im Anlassfall nicht, es lasse sich jedoch aufgrund des Klagevorbringens in der erforderlichen Weise verdeutlichen. Das Erstgericht hätte seine Feststellungen - nach den Gründen der Entscheidung 1 Ob 522/89 (= SZ 62/60) - nicht auf die im Erbrechtsprozess abgelegten Zeugenaussagen stützen, sondern nur die Aussagen der im Verlassenschaftsverfahren unter Eid vernommenen Zeugen als Feststellungsgrundlage verwerten dürfen. Die "vom Erstgericht unter Berücksichtigung auch der Beweisergebnisse des von ihm durchgeführten Verfahrens getroffenen Feststellungen" seien daher "für die rechtliche Beurteilung weitgehend nicht relevant". Deshalb sei auf die Beweisrüge der Klägerin und deren Behauptung der Aktenwidrigkeit "nicht weiter einzugehen". Das Ersturteil leide jedoch unter sekundären Feststellungsmängeln, weil es an Feststellungen über die Aussagen der im Verlassenschaftsverfahren unter Eid vernommenen Testamentszeugen mangle. Das Erstgericht werde daher die erforderlichen Feststellungen nachholen müssen. Da der Nachlassakt bereits dargetan worden sei, bleibe die Durchführung einer ergänzenden Verhandlung dem erstgerichtlichen Ermessen vorbehalten. Vorweg sei jedoch gleich festgehalten, dass wesentliche Widersprüche zwischen den Aussagen der Zeugen im Erbrechtsprozess und im Verlassenschaftsverfahren nicht vorlägen. Es sei auch nicht von Bedeutung, ob der Erblasser die Zeugen einer letztwilligen Verfügung ausdrücklich aufgefordert habe, ihm als Testamentszeugen zur Verfügung zu stehen, es genüge vielmehr deren Bewusstsein, Zeugen einer letztwilligen Verfügung gewesen zu sein. Das Vorhandensein eines solchen Bewusstseins sei nach "dem Inhalt des Schriftstückes vom 3. 7. 2000" zu bejahen. Daraus folge ferner mit ausreichender Deutlichkeit die Testierabsicht des Erblassers. Es schade nicht, dass "einige der Testamentszeugen der Meinung" gewesen seien, der Erblasser habe allenfalls bereits früher eine letztwillige Verfügung errichtet, sei doch eine frühere durch eine spätere Verfügung widerrufbar. Gegen die Testierabsicht am 14. 6. 2000 spreche auch nicht der Umstand, dass der Erblasser "schon früher und bei anderen Gelegenheiten" gesagt habe, die Beklagte solle einmal seine Erbin werden. Die Beurteilung einer Willenserklärung als letztwillige Verfügung scheide auch dann nicht aus, wenn "eine zugezogene Person den Inhalt einzelner Erklärungen des Erblassers rechtlich unrichtig dahin" auslege, es handle sich zufolge einer Äußerung des Erblassers, später eine schriftliche Verfügung treffen zu wollen, "noch nicht um eine letztwillige Verfügung". Das sei überdies für das Bewusstsein, einem Testierakt beizuwohnen, unerheblich. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die Ausführungen in der Entscheidung 1 Ob 522/89 "nicht in allen Punkten mit früheren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes völlig konform" gingen. Wie aus den Zitaten jener Entscheidung folge, lägen "nur vor sehr langer Zeit ergangene, zum Teil widersprüchliche Entscheidungen" über die zulässigen Beweisthemen einer neuerlichen Einvernahme der Testamentszeugen im Erbrechtsprozess vor. Es könne daher noch nicht von einer gesicherten Judikatur gesprochen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind zulässig; sie sind mit ihren Aufhebungsanträgen auch berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof setzte sich in der Entscheidung 1 Ob 522/89 (= SZ 62/60) ausführlich mit den Gültigkeits- und Wirksamkeitserfordernissen eines privaten mündlichen Testaments auseinander und gelangte zum Ergebnis, die einhellige Rechtsprechung erblicke in der Bestätigung des mündlich erklärten letzten Willens durch die Testamentszeugen und in der Beeidigung dieser Zeugen eine zum materiell-rechtlichen Bestand der letztwilligen Erklärung erforderliche Formvorschrift. Bestätigung und Beeidigung seien ein für den rechtlichen Bestand der letztwilligen Erklärung erforderlicher Solennitätsakt; mit der Erklärung des Erblassers sei die (äußere) Form noch nicht abschließend erfüllt. Auch die Zeugen wirkten beim Zustandekommen des Testaments mit. Ihnen sei der mündlich erklärte letzte Wille als ein noch unfertiges Geschäft anvertraut, das sie der Nachwelt zu überliefern hätten; nur sie seien dazu berufen. Deshalb müsse sich auch der positive Beweis der Testierabsicht des Erblassers schon aus der eidlichen Vernehmung der Zeugen im Verlassenschaftsverfahren ergeben. Mangle es daran, könne eine solche Absicht nicht durch die erneute Einvernahme der Aktzeugen im Prozess erbracht werden. Nicht nur der Inhalt, sondern auch die wirkliche Errichtung der letztwilligen Erklärung sei nur durch die übereinstimmende eidliche Aussage der nach § 586 ABGB vernommenen Zeugen erweisbar. Es wäre ein Wertungswiderspruch, würde man den Nachweis eines bestimmten Inhalts nicht anders als durch eidliche Einvernahme der Testamentszeugen zulassen, die vorgelagerte grundsätzliche Frage, ob überhaupt eine letztwillige Erklärung abgegeben worden sei, aber - entgegen den kundgemachten eidlichen Aussagen der Aktzeugen - erst im streitigen Verfahren ermöglichen. Die neuerliche Einvernahme der Testamentszeugen im Prozess sei zwar zulässig, sie dürfe jedoch nur dazu dienen, eine sich unter Zugrundelegung der eidlichen Bestätigung ergebende formgültig errichtete letzte Willenserklärung zu widerlegen. Der positive Beweis für die Existenz der behaupteten letztwilligen Verfügung könne dagegen nicht anders erbracht werden als durch die sogleich bei der ersten Vernehmung erfolgende eidliche Bestätigung. Diesfalls sei die Bestimmung des § 272 ZPO ausgeschaltet. Aus der Zitierung des § 601 ABGB im § 586 ABGB sei vielmehr der Schluss zu ziehen, dass, ergäbe sich aus diesen Einvernahmen die mangelnde Ernstlichkeit der Erklärung und damit das Fehlen einer letztwilligen Erklärung überhaupt, der letzte Wille ein für alle Mal ungültig sei. Eine erst im Prozess entgegen den Ergebnissen der eidlichen Vernehmung festgestellte Testierabsicht sei für die rechtliche Beurteilung unbeachtlich.

2. Der erkennende Senat tritt den soeben referierten Erwägungen der Entscheidung 1 Ob 522/89 zu den Gültigkeits- und Wirksamkeitserfordernissen einer privaten mündlichen letztwilligen Verfügung im Grundsätzlichen bei. Sie wurden vorher auch schon in der Entscheidung 4 Ob 2256/96k (= NZ 1997, 368) fortgeschrieben. Deren Ergebnis ist, dass die Formgültigkeit von der Wirksamkeit der Willenserklärung, deren Schutz sie dient, nicht trennbar ist (vgl auch 6 Ob 321/98v = SZ 72/16 [fremdhändiges Testament]). Zu den erörterten Erfordernissen gehört bei der privaten mündlichen letztwilligen Verfügung auch das Bewusstsein der Zeugen, als Zeugen einer solchen Verfügung fungiert zu haben. Die Testierabsicht und jenes Bewusstsein der Zeugenschaft sind zwar als Voraussetzung einer gültigen (und wirksamen) letztwilligen Verfügung im Erbrechtsstreit zu prüfen (NZ 1997, 368), allerdings im Rahmen der durch die Entscheidung 1 Ob 522/89 verdeutlichten Einengung der Beweisführung auf die im Verlassenschaftsverfahren protokollierten eidlichen Aussagen der Aktzeugen unter Ausschaltung der Bestimmung des § 272 ZPO. Das kann allerdings nur soweit gelten, als im Verlassenschaftsverfahren auch der spätere Beklagte eines Erbrechtsstreits, dessen rechtlichen Interessen durch die Frage nach der Gültigkeit und Wirksamkeit einer privaten mündlichen letztwilligen Verfügung unmittelbar berührt werden, Gelegenheit hatte, der eidlichen Zeugenvernehmung beizuwohnen und ein Fragerecht zur Förderung seines Rechtsstandpunkts auszuüben. Diesen Gesichtspunkt impliziert bereits die Entscheidung 1 Ob 522/89, wird doch dort unter Berufung auf § 67 AußStrG auch ausgeführt, "'die auf diese Art'" - also nach § 65 und § 66 AußStrG erfolgte - eidliche Bestätigung einer mündlichen letzten Willenserklärung habe "'zwischen allen bei dem Verlasse beteiligten Personen Beweiskraft'" und könne "nur mehr bestritten werden". Es folge aus dem Protokoll des Rechtshilfegerichts über die Zeugeneinvernahme, dass nicht nur ein französischer Rechtsanwalt des dortigen (Legats )Klägers, sondern auch dieser selbst anwesend gewesen und den Parteien das Fragerecht eingeräumt worden sei. Allfällige Unklarheiten und Übersetzungsschwierigkeiten hätten noch im Laufe der Vernehmung aufgeklärt werden können, was jedoch nicht geschehen sei. Damit wurde offenkundig auf die Regelung des § 66 Abs 1 AußStrG Bezug genommen, wonach der Richter im Verlassenschaftsverfahren "den Bittsteller, die Zeugen, und wenn es ohne Gefahr am Verzuge geschehen kann, die übrigen Parteien, welche wegen des Erbrechtes zu dem Nachlasse bereits eingeschritten sind, vorzuladen, die Zeugen zu beeidigen, und sohin nach den Vorschriften der Prozessordnung jeden derselben ohne Gegenwart der übrigen über die allgemeinen Fragestücke, über den errichteten letzten Willen und die oben (§ 65) erwähnten Umstände zu Protokoll zu vernehmen" hat. Wäre nun etwa die freie Beweiswürdigung des Streitrichters nach § 272 ZPO zu den Gültigkeits- und Wirksamkeitserfordernissen einer privaten mündlichen letztwilligen Verfügung auch dann ausgeschaltet, wenn derjenige, der sich auf die Gültigkeit und Wirksamkeit einer solchen, ihn begünstigenden Verfügung beruft, mangels Ladung zur Vernehmungstagsatzung im Verlassenschaftsverfahren keine Möglichkeit zur Ausübung eines Fragerechts hatte, so wirkte das im Ergebnis als Ausschluss des Beklagten vom rechtlichen Gehör im Erbrechtsprozess, wären doch die dort für die Gültigkeit und Wirksamkeit der erörterten Verfügung ins Treffen geführten Gründe, die nicht schon durch die Protokolle über die eidliche Vernehmung der Zeugen des behaupteten Testierakts im Verlassenschaftsverfahren gestützt werden, unbeachtlich, obgleich der Beklagte keine Möglichkeit zur Befragung der Zeugen im Verlassenschaftsverfahren vorfand. Belanglos wären daher jene Feststellungen, die der Streitrichter aufgrund des Prozessvorbringens und der vom Beklagten beantragten Beweisaufnahmen traf, selbst wenn die Gültigkeit und Wirksamkeit eines privaten mündlichen Testaments erst aufgrund solcher Ergänzungen, die schon mittels Ausübung eines Fragerechts im Verlassenschaftsverfahren erwirkbar gewesen wären, bejaht werden könnten. Eine solche Konsequenz wäre nicht zu billigen. Deshalb sind die Grundsätze der Entscheidung 1 Ob 522/89 dahin weiterzuentwickeln, dass die formgültige und wirksame Errichtung einer privaten mündlichen letztwilligen Verfügung (§§ 585, 647 ABGB; § 67 AußStrG) auch durch Tatsachen bewiesen werden kann, die nach einer neuerlichen Einvernahme der Aktzeugen im Prozess aufgrund freier richterlicher Beweiswürdigung in Ergänzung deren eidlichen Aussagen im Verlassenschaftsverfahren festgestellt werden, wenn der Beklagte dort keine Möglichkeit zur Zeugenbefragung vorfand.

2. 1. Im Anlassfall erfolgte die eidliche Vernehmung der Zeugen im Verlassenschaftsverfahren auf Antrag der Geschwister des Erblassers - so auch der späteren Klägerin -, die als gesetzliche Erben in Betracht kamen. Sie beantragten ferner, zur Vernehmungstagsatzung geladen zu werden, um von ihrem "Fragerecht gemäß § 66 Abs 1 letzter Satz AußStrG Gebrauch" machen zu können. Dem wurde entsprochen. Nicht geladen wurde dagegen die spätere Beklagte, der somit im Verlassenschaftsverfahren keine Möglichkeit eröffnet wurde, die für die Gültigkeit und Wirksamkeit eines privaten mündlichen Testaments allenfalls noch erforderlichen Ergänzungen der Zeugenaussagen in Ausübung eines Fragerechts zu erwirken. Die Beklagte war daher nach den Erwägungen unter 2. nicht gehindert, erst im Erbrechtsprozess Vorbringen und Beweisanträge zu Themen zu erstatten, die nach ihrer Überzeugung durch die im Verlassenschaftsverfahren protokollierten eidlichen Aussagen der Testamentszeugen noch nicht geklärt, jedoch als Gültigkeits- und Wirksamkeitserfordernisse eines sie begünstigenden Testaments unentbehrlich sind. Sie verwies - im Einklang mit einem im Verfahren erster Instanz erstatteten Vorbringen (ON 6) - bereits in der Berufungsbeantwortung darauf, dass sie im Verlassenschaftsverfahren mangels Ladung zum Termin für die eidliche Vernehmung der Testamentszeugen keine Gelegenheit hatte, ein Fragerecht auszuüben. Sie kommt im Rekurs neuerlich auf dieses Thema zurück. Dem von ihr erzielten Ergebnis, das dem unter 2. erläuterten Grundsatz entspricht, ist beizutreten. Dessenungeachtet mangelt es, wie sogleich auszuführen sein wird, noch an der Spruchreife der Streitsache.

3. Das Berufungsgericht stützte seinen Aufhebungsbeschluss auf die Entscheidung 1 Ob 522/89, trug dem Erstgericht Feststellungen über die Ergebnisse der eidlichen Vernehmung der Testamentszeugen im Verlassenschaftsverfahren auf und führte überdies gleich aus, wie die erst zu treffenden Feststellungen rechtlich zu beurteilen sein werden. Die Urteilsaufhebung wäre überflüssig gewesen, käme es - entgegen den voranstehenden Erwägungen - nur auf die im Verlassenschaftsverfahren unter Eid abgelegten Zeugenaussagen an. Das Berufungsgericht hätte diese Aussagen als Tatsachen schon seiner Entscheidung zugrunde legen können. Beide Prozessparteien beriefen sich im Verfahren erster Instanz ausdrücklich auf die Ergebnisse der Einvernahme der Zeugen im Verlassenschaftsverfahren. Keine der Parteien behauptete, die Zeugen hätten anders als protokolliert ausgesagt, deren Standpunkte differierten nur in der rechtlichen Beurteilung der protokollierten Aussagen. Was die Zeugen im Verlassenschaftsverfahren aussagten, steht somit außer Streit. Ein Tatsachengeständnis ist in Verfahren, die nicht vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht sind, der Entscheidung - abgesehen von hier nicht maßgebenden Ausnahmen - ungeprüft zugrunde zu legen (1 Ob 587/93; SSV NF 11/96; JBl 1990, 590). Das gilt auch für Entscheidungen der Rechtsmittelinstanzen (SSV NF 11/96). Somit verwirklicht die Verwertung eines erstinstanzlichen Tatsachengeständnisses durch das Berufungsgericht keinen Verfahrensmangel, falls das Erstgericht außer Streit stehende Tatsachen im angefochtenen Urteil nicht wiedergegeben haben sollte (RIS Justiz RS0040095, RS0040101). Es hätte demnach nicht einmal berufungsgerichtlicher Feststellungen aus dem Nachlassakt als öffentliche Urkunde bedurft. Aber selbst wenn solche Feststellungen erforderlich gewesen, hätte sie das Berufungsgericht ohne einen besonderen Verfahrensaufwand selbst treffen können.

3. 1. Wäre im Verfahren dritter Instanz - in Ermangelung gegenteiliger bzw ergänzender Ergebnisse des Beweisverfahrens im Erbrechtsprozess - nur die Auslegung der im Verlassenschaftsverfahren unter Eid abgelegten Zeugenaussagen maßgebend, so wäre sie, ohne dass es nach den Erwägungen unter 3. ergänzender Feststellungen bedürfte, durch den Obersten Gerichtshof vorzunehmen. Das scheidet hier jedoch deshalb aus, weil die Klägerin in der Berufung erstgerichtliche Feststellungen zur Testierabsicht des Erblassers und zum Bewusstsein der Zeugen, an der Errichtung eines letzten Willens mitgewirkt zu haben, bekämpfte und das Berufungsgericht diese Beweisrüge nicht erledigte, obgleich die davon betroffenen Tatsachen für eine abschließende rechtliche Beurteilung der Streitsache wesentlich sind. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Fragen nach dem Willen und dem Bewusstsein einer Person, als Zeuge einer letztwilligen Verfügung fungiert zu haben, in den Tatsachenbereich fällt (NZ 1997, 368; Welser in Rummel , ABGB 3 § 579 Rz 4). Dasselbe gilt für die Frage nach einer Testierabsicht des Erblassers (NZ 1995, 162; SZ 58/187 - je zum privaten mündlichen Testament; allgemein so Welser aaO §§ 552, 553 Rz 11), wenn aus bestimmten Tatsachen des Beweisverfahrens auf das Vorliegen einer bestimmten Absicht geschlossen wird (NZ 1995, 162; SZ 58/187). Anzumerken bleibt, dass die Beweisrüge der Klägerin auf jeden Fall zu erledigen gewesen wäre, durfte doch - nach den Gründen der Entscheidung 1 Ob 522/89 - jedenfalls diese im Erbrechtsstreit versuchen, die aus eidlichen Zeugenaussagen im Verlassenschaftsverfahren prima vista abzuleitende Annahme einer formgültig errichteten letztwilligen Verfügung zu widerlegen.

Den Rekursen ist somit Folge zu geben. Das Berufungsgericht wird über die Berufung der Klägerin unter Erledigung deren Beweisrüge - die Nichterledigung wird im Rekurs gerügt (ON 15 S. 7 FN 1) - im Lichte der Erwägungen dieser Entscheidung zur Beweisbarkeit der Gültigkeit und Wirksamkeit einer privaten mündlichen letztwilligen Verfügung neuerlich zu entscheiden haben.

4. Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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