JudikaturJustiz3Ob219/14y

3Ob219/14y – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. April 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in den verbundenen außerstreitigen Rechtssachen der Antragsteller 1. D***** GmbH, *****, 2. DI F*****, beide vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die Antragsgegnerin Land Oberösterreich, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Linz, Kärntnerstraße 12, vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Enteignungsentschädigung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 8. Oktober 2014, GZ 22 R 175/14p-146, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Antragsteller zeigen in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

1. Die Verneinung der im Rekurs behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragsteller durch das Rekursgericht, deren Geltendmachung im Revisionsrekurs gemäß § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG zulässig ist (RIS Justiz RS0121265), stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar:

1.1. Die Antragsteller gestehen selbst zu, dass das Erstgericht ihnen durch Zustellung des Beschlusses vom 17. 2. 2014 Gelegenheit gegeben hat, sich zu den von ihm nach der Verhandlung vom 31. 1. 2014 vorgenommenen Erhebungen und den von ihm angestellten Überlegungen zu äußern. Dass der Erstrichter seine Rechtsansicht, der Sägewerksbetrieb sei schon wegen des Fehlens einer Bewilligung für den Betrieb eines Lagerplatzes aus rechtlichen Gründen gar nicht lebensfähig gewesen, vor Fällung der Entscheidung nicht mit den Antragstellern erörtert hat, schadet nicht, weil sich das Rekursgericht dieser Auffassung nicht angeschlossen hat und es deshalb jedenfalls an der erforderlichen Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels (RIS Justiz RS0120213 [T4, T8, T11, T13, T16, T17, T20, T21, T22, T23]) fehlt.

1.2. Mit ihren weiteren Ausführungen, wonach das Erstgericht aufgrund seiner „eigenmächtig durchgeführten“ Erhebungen zum (unrichtigen) Schluss gekommen sei, die Enteigneten hätten sich geweigert, die aufgelassene alte Straße in ihr Eigentum zu übernehmen, wollen die Antragsteller in Wahrheit die Beweiswürdigung des Erstgerichts bekämpfen. Auch im

Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof allerdings nur Rechts- und nicht

Tatsacheninstanz (RIS Justiz RS0006737 [T4]; RS0108449 [T2]).

1.3. Die Beurteilung, ob die Einholung eines (weiteren) Gutachtens erforderlich ist, ist Teil der Beweiswürdigung und obliegt daher ausschließlich den Tatsacheninstanzen (RIS Justiz RS0043320 [T9, T10, T11]).

2. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Enteignungsentschädigung gehört dem Tatsachenbereich an

, sofern sie nicht auf mit den Gesetzen der Logik oder der Erfahrung unvereinbaren zB rechnerisch unrichtigen Schlussfolgerungen beruht (RIS Justiz RS0109006 [T3, T4, T5]; 10 Ob 43/12i mwN). Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber verstößt die Festsetzung des Werts der enteigneten Flächen nicht gegen die Logik und die Denkgesetze.

2.1. Der im Revisionsrekurs zitierten Passage des Gutachtens, wonach der Sachverständige den Wert der enteigneten (Betriebs )Liegenschaften mangels auffindbarer Vergleichswerte für Betriebsbauland ausgehend vom Preis für Wohnbaugrundstücke ermittelt hat, ist nämlich zweifelsfrei zu entnehmen, dass er dabei die Lage und die äußeren Umstände (insbesondere die Lage in einem engen Tal und in der gelben Zone gemäß Gefahrenzonenplan; sowie mit 13 km Entfernung vom nächsten Autobahnanschluss) berücksichtigte; nicht hingegen, dass wie die Antragsteller meinen ausgehend von nach Lage und äußeren Umständen bereits vergleichbaren Wohnbaugrundstücken diese Faktoren nochmals wertmindernd berücksichtigt worden wären.

2.2. Es kann auch keine Rede davon sein, dass die Annahme des Sachverständigen, Betriebsbauland werde in der Regel zu einem niedrigeren Preis gehandelt als Wohnbauland, deshalb denkgesetzwidrig wäre, weil es in unmittelbarer Umgebung der enteigneten Grundstücke keine anderen verfügbaren Betriebsbauliegenschaften gibt. Dass eine das Angebot (deutlich) übersteigende Nachfrage tendenziell die Preise erhöht, lässt nicht den Schluss zu, dass der Wert der enteigneten Flächen jenem von Bauland entspricht.

2.3. Nach den Feststellungen liegen beinahe alle enteigneten Flächen im Bereich des hundertjährigen Hochwasserabflusses der A***** und Teile davon überdies im Bereich des dreißigjährigen Hochwasserabflusses. Aus der weiteren Feststellung, wonach der Keller der Sägehalle bei hundertjährigen Hochwassern nicht hochwassersicher ist, lässt sich deshalb entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht ableiten, dass die über der Erdoberfläche befindlichen Gebäudeteile (bzw die unbebauten Liegenschaftsteile) hochwassersicher wären und daher der vom Sachverständigen vorgenommene Abschlag für die Hochwassergefahrenlage nicht zulässig wäre.

3. Richtig ist, dass bei der Ermittlung des Entschädigungsbetrags nicht (nur) auf die tatsächliche Verwendung der Liegenschaft, sondern auch auf die im Zeitpunkt der Enteignung konkrete wirtschaftliche Verwendungsmöglichkeit nach der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Sach- und Rechtslage abzustellen ist. Verwendungsmöglichkeiten, die in einer unbestimmten Zukunft liegen, sowie die bloße Absicht des Grundeigentümers, seine Liegenschaft nutzbringender als bisher zu verwenden, haben jedoch außer Betracht zu bleiben (RIS Justiz RS0053403 [T1, T2, T3, T6, T7, T10, T14]). Von dieser Rechtsprechung ist das Rekursgericht nicht abgewichen, indem es auf Basis der Feststellungen, wonach der Sägewerksbetrieb bereits ab 1984 aus wirtschaftlichen Gründen, unabhängig vom Straßenbauprojekt, stillgelegt war, die Sägehalle zum Zeitpunkt der Enteignung nicht ausreichend modern und konkurrenzfähig war und die Antragsteller nicht durch die mit dem Straßenbauprojekt bzw dem Enteignungsverfahren verbundene Ungewissheit an der Planung und Umsetzung von Modernisierungsmaßnahmen gehindert wurden, das Bestehen einer mit der Enteignungsentschädigung auch abzugeltenden Betriebserschwernis verneint hat. Auf die vom Rekursgericht ohnehin nicht übernommenen Argumente des Erstgerichts, der Betrieb sei aus rechtlichen Gründen schon deshalb nicht lebensfähig gewesen, weil er seit Inkrafttreten der GewO 1973 über keinen genehmigten Lagerplatz verfügt habe und außerdem die formelle gewerberechtliche Bewilligung gefehlt habe, kommt es deshalb gar nicht an.

4. Die Höhe der Enteignungsentschädigung ist entsprechend dem Wert der betroffenen Grundstücke zum Stichtag der Enteignung festzusetzen. Hiefür ist der Zeitpunkt der Aufhebung des Rechts maßgebend, also nach jüngerer Rechtsprechung die Rechtskraft des Enteignungsbescheids (RIS Justiz RS0053526 [T6]; RS0085888 [T10, T12, T13, T15]). Es ist daher auf das Datum der Zustellung des letztinstanzlichen Bescheids abzustellen. Das ergibt sich entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber auch aus der Entscheidung 1 Ob 138/13w, die festhält, dass die ältere, auf den Enteignungsbescheid erster Instanz abstellende Rechtsprechung (RIS Justiz RS0053526) überholt ist. Die Erhebung einer Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder wie hier an den Verwaltungsgerichtshof hindert die Rechtskraft des Enteignungsbescheids nicht (RIS Justiz RS0085888 [T14]). Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Antragsteller (ON 134) wurde der dem Antrag zugrunde liegende Enteignungsbescheid vom 23. 4. 2004 ihrem Vertreter am 28. 4. 2004 zugestellt; mit dieser Zustellung erlangte er Rechtskraft, weil er, als im Rahmen der Landesverwaltung von der obersten Landesbehörde (der Landesregierung) erlassen, keinem weiteren Rechtszug im ordentlichen Instanzenzug unterliegt (§ 3 Abs 1 Z 2 oö Straßengesetz; vgl auch 2 Ob 136/08a).

Entgegen der Ansicht der Antragsteller kommt es nicht auf den „ersten“ Enteignungsbescheid vom 28. 5. 2001 an, weil dieser infolge ihrer Beschwerde kassiert wurde, also keine (endgültige, zu entschädigende) „Abnahme des Eigentums“ bewirkte, mag auch mit dem Straßenbau bereits im Jahr 2001 begonnen worden sein. Die ex tunc Wirkung des diesbezüglichen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs hat nämlich zur Folge, dass der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Bescheids und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der angefochtene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre (RIS Justiz RS0102896 [T1]). Das Rekursgericht hat deshalb zu Recht das Hofkanzlei-Dekret vom 4. 4. 1837 (JGS 188/1837), das mit BGBl I 118/2002, (ZinsRÄG), also vor Erlassung des (allein relevanten) Enteignungsbescheids vom 23. 4. 2004, aufgehoben wurde, nicht angewendet.

Rechtssätze
7