JudikaturJustiz2Ob10/11a

2Ob10/11a – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Februar 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Angela S*****, vertreten durch Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwalt in Seiersberg, gegen die beklagte Partei Walter S*****, vertreten durch STINGL DIETER Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 71.550 EUR sA (Revisionsinteresse 41.100 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Oktober 2010, GZ 4 R 91/10z 37, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 13. April 2010, GZ 13 Cg 43/09w 30, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.974,42 EUR (darin 329,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung:

Mit Notariatsakt vom 31. 7. 2001 schenkte die Klägerin dem Beklagten, ihrem Enkel, ihre 1.234 m 2 große Liegenschaft, auf der das von ihr bewohnte Wohnhaus steht. Im Schenkungsvertrag hat der Beklagte der Klägerin „als teilweise Gegenleistung“ das lebenslange höchstpersönliche und unentgeltliche Wohnungsgebrauchsrecht und das Recht auf Alleinbenützung des Gartens eingeräumt. Weiters wurde ein Veräußerungs und Belastungsverbot zu Gunsten der Klägerin vereinbart.

2004 begann der Beklagte im Einvernehmen mit der Klägerin mit dem Bau seines Einfamilienhauses am streitgegenständlichen Grundstück direkt neben dem Haus der Klägerin.

In der Folge verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Streitteilen erheblich.

Mit der 2009 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten 71.550 EUR sA und brachte dazu vor, sie habe die Schenkung wegen groben Undanks gemäß § 948 ABGB widerrufen. Da der Beklagte auf der Liegenschaft bereits ein Einfamilienhaus errichtet habe, sei eine Rückübertragung der Liegenschaft untunlich, sodass sie Geldersatz des Grundstückswerts im Zeitpunkt der Schenkung begehre.

Der Beklagte wandte ein, ein gültiger Schenkungswiderruf liege nicht vor, weil ein solcher voraussetze, dass die Klägerin die Liegenschaft verlassen habe. Durch den Schenkungswiderruf seien nämlich sämtliche Gegenleistungen zurückzustellen, sodass die Klägerin auch ihr Wohnungsgebrauchsrecht verliere. Der Zeitwert der Liegenschaft sei geringer als von der Klägerin angegeben. Für die Einräumung des Wohnungsrechts sei ein Betrag von 8.000 S pro Monat vereinbart worden. Dem Beklagten stehe somit für den Zeitraum vom 31. 7. 2001 bis 30. 2. 2010 ein Betrag von 59.882 EUR zu, der als Gegenforderung eingewendet wurde.

Die Berechtigung des Schenkungswiderrufs durch die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.

Das Berufungsgericht sprach aus, die Klagsforderung bestehe mit 41.100 EUR zu Recht, die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, verurteilte den Beklagten zur Bezahlung von 41.100 EUR samt 4 % Zinsen seit 16. 4. 2009 und wies das Mehrbegehren ab.

Es stellte fest, im Schenkungszeitpunkt habe die Liegenschaft unter Berücksichtigung der Belastung durch das Wohnrecht der Klägerin und das zu ihren Gunsten eingeräumte Belastungs und Veräußerungsverbot einen Verkehrswert von 41.100 EUR.

Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, eine gemischte Schenkung, wovon sowohl die Streitteile als auch das Erstgericht ausgingen, könne nicht bloß hinsichtlich des als geschenkt anzusehenden Anteils widerrufen werden. Die Anfechtung wegen Undanks erfasse vielmehr die ganze Sache. Der Rückforderungsanspruch des Geschenkgebers nach Ausübung des Widerrufs sei ein Fall des § 1435 ABGB und richte sich primär auf Herausgabe des noch vorhandenen Zuwendungsobjekts in natura. Dies setze die Möglichkeit und Tunlichkeit einer solchen Rückstellung voraus. Sie sei nach einhelliger Auffassung zu verneinen, wenn der Gegenstand der Schenkung so wesentlich und tiefgreifend verändert worden sei, dass eine Rückübereignung des Geschenks mehr und etwas anderes bedeuten würde als die Wiederherstellung des früheren Zustands, was etwa wie hier bei der Errichtung eines Wohnhauses auf der geschenkten Liegenschaft angenommen werde, wenn dies zu einer beträchtlichen Werterhöhung der Liegenschaft führe (RIS Justiz RS0011108). Es komme daher nur mehr Wertersatz in Betracht, dessen Höhe sich nach dem dem Beklagten verschafften Nutzen im Zeitpunkt der Leistung, also der Schenkung, richte (RIS Justiz RS0016360 [T4]; RS0016321 [T12]; RS0033628). Die Klägerin könne daher nur mehr das angemessene Entgelt für den Schenkungsteil, die Differenz zwischen dem unentgeltlichen und dem entgeltlichen Teil (hier: Wert der Liegenschaft abzüglich der Gegenleistungen) im Zeitpunkt der Schenkung verlangen. Dem Beklagten stehe in einem solchen Fall das Recht, auf gänzlicher Vertragsaufhebung zu bestehen, nicht mehr zu. Zum selben Ergebnis gelange man, wenn man die im Vertrag zu Gunsten der Klägerin vereinbarten Rechte nicht als Gegenleistung, sondern im Sinne der Rechtsprechung als Auflagen verstehe, weil die Klägerin damit in Wahrheit keine Gegenleistungen erbringe (8 Ob 582/90; 7 Ob 264/00z; 5 Ob 67/02t; 2 Ob 185/04a). Eine Schenkung unter einer Auflage bleibe eine Schenkung, nur werde ihr Wert durch die Auflage vermindert. Bereichert sei der Beschenkte daher nur mit dem um die Auflage verminderten Wert des Geschenks (RIS Justiz RS0018914; 2 Ob 185/04a). Nur insoweit komme daher ein Widerruf der Schenkung in Betracht. Die Wertminderung der Liegenschaft durch das Wohnungsrecht der Klägerin sei nach versicherungsmathematischen Grundsätzen der statistischen Lebenserwartung bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und daher nicht aufgrund der tatsächlich verlaufenen Zeit zu bewerten und zu berücksichtigen (RIS Justiz RS0112312; RS0012978; 7 Ob 162/05g). Vom Gesamtwert der Liegenschaft sei somit nur der zum Vertragsabschluss kalkulierbare Wert des Wohnungsrechts abzuziehen; andernfalls käme es auch zu einer unzulässigen Korrektur des aleatorischen Charakters der Vereinbarung eines Wohnungsrechts durch das Bereicherungsrecht. Der nach diesen Grundsätzen ermittelte Wert der Liegenschaft im Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrags unter Abzug der Belastung durch das Wohnrecht und das Veräußerungs und Belastungsverbot ergebe den zugesprochenen Betrag.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, in welchem Umfang die gemischte Schenkung einer Liegenschaft (bzw die Schenkung einer Liegenschaft unter Auflagen), deren Rückgabe in natura infolge Veränderung durch den Geschenknehmer nicht in Frage komme, vom Geschenkgeber widerrufen werden könne und nach berechtigtem Widerruf rückabzuwickeln sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist unzulässig.

Die vom Berufungsgericht formulierte Rechtsfrage ist nicht erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO: Das Berufungsgericht konnte sich zu allen Fragen, die sich im vorliegenden Fall im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen des Widerrufs der Schenkung stellen, auf die zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung stützen.

Auch die Revision des Beklagten zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf.

Zu seinem Vorbringen, das Wohnungsrecht und das Veräußerungs und Belastungsverbot seien Gegenleistungen gewesen, weshalb im Zuge der Rückabwicklung der Schenkung die Klägerin auch auf diese Rechte verzichten müsse, wird der Beklagte darauf verwiesen, dass eben keine Rückabwicklung, sondern ein Wertausgleich (unter Berücksichtigung der Belastungen) stattzufinden hat.

Soweit der Beklagte abermals releviert, das Wohnungsgebrauchsrecht sei im Vertrag mit einem monatlichen Betrag von 8.000 S (und somit erheblich höher als von den Vorinstanzen angenommen) zu bewerten, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt betreffend den Wert des Wohnrechts aus und ist ihm entgegenzuhalten, dass die Parteien im Schenkungsvertrag den Betrag von 8.000 S monatlich „lediglich zum Zwecke der Gebührenbemessung“ zugrunde gelegt haben.

Wenn der Revisionswerber hinsichtlich der Bewertung des Wohnungsrechts und des Veräußerungs und Belastungsverbots auf den Zeitpunkt der Urteilsfällung abstellen will, ist er auf die zutreffende Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach es auf den Zeitpunkt der Schenkung ankommt, zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Rechtssätze
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