JudikaturJustiz1Ob181/14w

1Ob181/14w – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Bundesforste AG, Purkersdorf, Pummergasse 10 12, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17 19, gegen die beklagte Partei DI J***** G*****, vertreten durch Proksch Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 14. Mai 2014, GZ 22 R 99/14m 42, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 3. Februar [richtig:] 2014, GZ 13 C 266/13p 37, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Schriftsatz der beklagten Partei vom 29. 8. 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Beklagte, der zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage Alleineigentümer war und nunmehr Hälfteeigentümer eines Grundstücks am Attersee ist, benutzt seit Jahren ein Bade und Bootshaus (Bootshaus), das auf Pfählen im See (Grundstück der Beklagten) steht.

Kern des Rechtsstreits ist, ob er dessen Eigentümer ist, insbesondere ob dieses auf dem von ihm 1979 erworbenen Grundstück Nr 126/2 EZ ***** KG ***** oder auf dem Grundstück Nr 3102/1 EZ ***** KG ***** der klagenden Partei steht.

Aufgrund des im Jahr 1988 gestellten Antrags der Republik Österreich, vertreten durch das Land Oberösterreich, auf Umwandlung des Grundsteuerkatasters hinsichtlich ihres Grundstücks in den Grenzkataster war nach Vermessung und Grenzverhandlung aufgrund des Bescheids des Vermessungsamts Vöcklabruck zu AZ A 15/89 vom 24. 10. 1996 für die in § 15 LiegTeilG genannten Zwecke gemäß § 20 VermG, BGBl 1968/306 idgF, der Grundsteuerkataster hinsichtlich des Grundstücks Nr 3102/1 der Katastralgemeinde S***** in den Grenzkataster umgewandelt worden. Am 7. 5. 2012 wurden die Einlagen der Parteien gemäß der in der Verordnung BGBl II 2012/143 (Migrationsverordnung 2012) angeordneten elektronischen Umschreibung der Daten des Grundbuchs umgeschrieben und diese elektronische Umschreibung der Grundstücke Nr 3102/1 und Nr 3102/17 KG ***** im Rahmen der Inbetriebnahmen der Grundstücksdatenbank gemäß § 57 Abs 9 VermG im Amtsblatt für Vermessungswesen kundgemacht (Kundmachung 4089 vom 30. 5. 2012). Nach der Eintragung im Grenzkataster stehen die Seeeinbauten auf dem zur EZ ***** KG ***** gehörenden Grundstück Nr 3102/1 der klagenden Partei.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren betreffend Seeeinbauten auf dem Grundstück Nr 3102/1 unter Hinweis auf den Grenzkataster und wegen des in § 4 Abs 6 WRG 1959 angeordneten (hier iVm § 4 Abs 3a WRG 1959 zur Anwendung gelangenden) Ersitzungsauschlusses statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte aus, aufgrund der Aufnahme des Grundstücks Nr 3102/1 in den Grenzkataster und der festgestellten Kundmachung iSd § 57 Abs 9 VermG komme den Grenzen, wie sie im Grenzkataster enthalten seien, Rechtsverbindlichkeit zu. Am Beklagten wäre es gelegen, allfällige Mängel des zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens in diesem geltend zu machen. Für eine von ihm in Anspruch genommene offenkundige Servitut fehle es an einem gültigen Titel einer solchen bzw deren Ersitzung. Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand als mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig, weil sich die Entscheidung an höchstgerichtlicher Judikatur zu ähnlich gelagerten Fällen orientiert habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Beklagten erhobene außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

I. Die Bekanntgabe des Beklagten vom 29. 8. 2014 verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels und ist daher zurückzuweisen. Das Vorbringen verstieße auch gegen das Neuerungsverbot (§ 504 ZPO). Der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. 8. 2014 zu W138 2000487 1/5E den Bescheid des Vermessungsamts Vöcklabruck vom 24. 10. 1996, AZ A 15/89, aufhob und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an dieses zurückverwies bzw die Durchführung einer neuen Grenzverhandlung anordnete, könnte als novum productum daher nicht beachtet werden.

II.1. Nach § 8 Z 1 VermG erbringt der Grenzkataster den verbindlichen Nachweis für die darin enthaltenen Grundstücksgrenzen (6 Ob 268/04m = SZ 2004/180 mwN; 4 Ob 94/08i; Rechberger/Bittner , Grundbuchsrecht² Rz 25; Abart/Ernst/Twaroch , Der Grenzkataster [2011] 120).

Sind die Grundstücksgrenzen bereits in dem aufgrund des VermG 1968 anzulegenden Grenzkataster enthalten, so sind die Bestimmungen der §§ 850 bis 863 ABGB nicht mehr anzuwenden und ist die Zuständigkeit der Vermessungsbehörden gegeben (RIS Justiz RS0038025; vgl Sailer in KBB 4 § 853a Rz 3). Die Bedenken des Revisionswerbers § 57 Abs 9 VermG sei als unsachlich und im Widerspruch zur Garantie eines gerichtlichen Verfahrens gemäß Art 6 Abs 1 EMRK stehend verfassungswidrig, müssen im vorliegenden Verfahren nicht geprüft werden, weil das Grundstück bereits 1996 in den Grenzkataster aufgenommen worden war. Schon daraus und ohne, dass auf den erst mit BGBl I 2012/31 eingeführten § 57 Abs 9 VermG zurückgegriffen werden müsste, ergibt sich die Verbindlichkeit der Grenzen, an der die Umschreibung im Rahmen der Inbetriebnahme der neuen Grundstücksdatenbank nichts geändert hat.

II. 2.1. Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, dass seit 1. 11. 1934 nach ständiger Rechtsprechung durch Ersitzung weder Eigentum noch eine Servitut am öffentlichen Wassergut (oder diesem gemäß § 4 Abs 3a WRG 1959 gleichzuhaltenden Flächen) erworben werden konnte. Durch Ablauf der Ersitzungszeit am 1. 11. 1934 bereits erworbene Rechte können aber auch heute noch geltend gemacht werden. Ersitzungszeiten, die zu diesem Zeitpunkt zwar begonnen, aber noch nicht abgelaufen waren, können hingegen nicht mehr vollendet werden (vgl RIS Justiz RS0049646).

II. 2.2. Der Revisionswerber erachtet auch § 4 Abs 5 Wasserrechtsgesetz (WRG) 1934 (BGBl 1934/316) und § 4 Abs 6 WRG 1959 (BGBl 1959/215 idgF), wegen eines „Paradigmenwechsels“, zu dem der Oberste Gerichtshof noch nicht Stellung bezogen habe, als verfassungswidrig. Diesen erblickt er darin, dass vor Geltung des § 4 WRG 1934 das Reichswasserrechtsgesetz (RWRG) 1869 (RGBl Nr 1869/93) den Begriff des öffentlichen Wasserguts nicht gekannt und nicht bestimmt habe, was ein Gewässer sei. Für die Ersitzung des Wasserbetts habe es nur des Ablaufs von 30 Jahren bedurft. Mit dem WRG 1934 sei aus öffentlichem Gut wie Seen und Flüssen öffentliches Gewässer geworden, aus den vormals ungeregelten Betten öffentliches Wassergut. Das WRG 1934 habe demnach in die davor bestehende Rechtslage in unsachlicher Weise eingegriffen, den Vertrauens- und Gleichheitsgrundsatz verletzt und gegen die „Härtefalljudikatur“ verstoßen. Mit diesem Aspekt habe sich der Oberste Gerichtshof noch nicht auseinandergesetzt.

II.2.3. Weder der Oberste Gerichtshof, der den Ersitzungsausschluss bereits mehrmals zu beurteilen hatte, noch das Schrifttum (vgl dazu 1 Ob 20/95 mwN) hegten jemals Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 4 Abs 6 WRG (1 Ob 2143/96w mwN; vgl Oberleitner/Berger , WRG³ [2011] § 4).

Wasser zählt(e) als natürlich vorhandene Lebensgrundlage, die nicht unbeschränkt zur Verfügung steht (knappes Gut), zu den wertvollen Ressourcen eines Staates. Wie schon zu 1 Ob 2143/96w dargelegt wurde, ist das öffentliche Wassergut für die Wasserwirtschaft, aber auch für die Allgemeinheit von großer Bedeutung und bedarf deshalb des besonderen Schutzes, was ebenso wie für die Wasserwelle auch für das Wasserbett als mit der Bewirtschaftung des Wassers im Regelfall in Einheit stehend gilt.

Der Revisionswerber vernachlässigt zudem, dass zwar durch die Ersitzung in das Eigentumsrecht eines anderen eingegriffen wird, wofür es einer besonderen gesetzlichen Rechtfertigung bedarf. Diese liegt nach den den gesetzlichen Bestimmungen zur Ersitzung (§§ 1452 ff ABGB) in der jahr (zehnt )elang andauernden, durchgängig gutgläubigen Besitzausübung. Dass schon eine kürzere wenn auch redliche Benützung fremden Eigentums zu schützen sein sollte, ist aber nicht nachvollziehbar. Die Auslegung des Revisionswerbers, jede vor 1. 11. 1934 begonnene Ersitzung sei schützenswert, könnte den Vorbehalt der Öffentlichkeit am Wassergut um bis zu knapp 40 Jahre hinauszögern. Von einem Vertrauensbruch bzw von einem Eingriff in ein bereits erworbenes Recht kann bei erst laufender und noch nicht abgeschlossener Ersitzung nicht gesprochen werden.

II.2.4. Richtig ist, dass das Wasserbett expressis verbis weder im RWRG 1869 noch im Gesetz vom 28. 8. 1870, LGuVBl für das Erzherzogtum Österreich ob der Enns Nr 32 (oö LWRG 1870) genannt wird. Der Revisionswerber übersieht aber, dass der Oberste Gerichtshof aus Anlass eines diesbezüglichen Rechtsstreits schon 1870 zum Ergebnis gelangt war, dass der Attersee im Sinn des § 287 ABGB und § 3 RWRG 1869 als öffentliches Gut anzusehen sei (s dazu 1 Ob 31/11g unter Bezug auf OGH 31. 3. 1870, Zl 14.803 [nicht veröffentlicht]), dieser bereits 1893 ausgeführt hatte, § 3 RWRG 1869 stelle eine Rechtsvermutung gegen den Bestand von Privateigentum auf (OGH 21. 9. 1893, GlU 14.825; so auch der VwGH 24. 1. 1883, Slg 1639) und 1915 erläutert hatte, dass das Wasserbett einen integrierenden Bestandteil des Gewässers bilde und daher bei öffentlichen Gewässern als öffentliches Gut im Sinne des § 287 ABGB und als im Eigentum des Staates anzusehen sei (OGH 7. 12. 1915, GlUNF 7695). Das Vorliegen eines davon abweichenden Privatrechtstitels hatte derjenige zu beweisen, der das Vorhandensein eines solchen Titels behauptete (VwGH 24. 1. 1883, Slg 1639).

Ebenso hatte 1923 Wiglitzky veranschaulicht, dass das Wasserbett, weil es als wesentlicher Bestandteil des Gewässers anzusehen sei (ein ständiges „Gewässer“ ohne Bett gebe es nicht), in der Regel die rechtliche Eigenschaft des Wassers selbst teile; es werde daher das Bett eines öffentlichen Gewässers öffentliches Gut sein, das Bett eines Privatgewässers aber Privateigentum bilden. Ausnahmen seien möglich, so, wenn beispielsweise Wasser aus einem öffentlichen Fluss über Privatgrundstücke abgeleitet und dann in den Fluss zurückgeleitet werde (Wasserrecht [1923] 6 f). Zum Stand nach dem ABGB hatte Klang 1933 ausgeführt, das ABGB kenne keine ursprünglich herrenlosen Sachen. Solche die niemanden gehörten, etwa unokkupiertes Land, gehöre dem Staat ( Klang in Klang 1 I/1 1153 mwN).

Haager Vanderhaag fasste dementsprechend im Kommentar zum (damals neuen) WRG 1934 zu § 4 zusammen: Damit sei durch eine negative Bestimmung der Rechtstitel des Eigentums (ua) am Bett des Gewässers abgelehnt worden. Dieser Rechtsstandpunkt sei schon während der Wirksamkeit des RWRG 1869 in wiederholten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs und Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs eingenommen worden (Das neue österreichische Wasserrecht [1936] 90 mwN).

Die demnach schon nach dem RWRG 1869 notwendige vierzigjährige Ersitzungszeit (vgl dazu OGH 21. 9. 1893, GlU 14.825) wäre aber selbst nach den Behauptungen des Revisionswerbers nicht vor dem 1. 11. 1934 abgelaufen.

II.2.5. Im vorliegenden Fall tritt hinzu, dass die Behauptungs und Beweislast für das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen den Ersitzungsbesitzer trifft (RIS Justiz RS0034237). Näherhin gilt dies für Art und Umfang der Besitzausübung sowie die Besitzdauer; dem Ersitzungsgegner hingegen obliegt der Beweis der Unredlichkeit, weil die Redlichkeit des Besitzers gemäß § 328 ABGB im Zweifel vermutet wird (RIS Justiz RS0034237 [T5]).

Dazu hat der Beklagte im Verfahren erster Instanz nur vorgebracht, dass das Bootshaus schon seit ungefähr 1900 bestehe, seine Rechtsvorgänger bereits mit Errichtung der Bootshütte originär Eigentum am Wasserbett erworben hätten, das Eigentum ersessen worden sei bzw, wenn man diese Ansicht nicht teile, das Bootshaus im Sinne einer offenkundigen Servitut erkennbar gewesen sei, ohne aber die Errichtung des Bootshauses durch einen konkreten Rechtsvorgänger in der nach außen hin erkennbaren Absicht Eigentum zu erwerben (vgl dazu RIS Justiz RS0034138 [T1]; RS0010135), dessen ausschließlichen Besitz und eine durchgängige Kette an solchen Rechtsvorgängern zu behaupten oder der Behauptung der klagenden Partei, die Republik Österreich sei seit jeher als Eigentümerin des Wasserbetts im Grundbuch eingetragen, substantiiert entgegenzutreten.

II.3. Der Oberste Gerichtshof sieht sich nach all dem nicht veranlasst, der Anregung des Revisionswerbers auf Antragstellung an den VfGH zu folgen.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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