JudikaturJustiz1Ob13/99i

1Ob13/99i – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Parteien 1.) Jürgen G*****, und 2.) Angelika G*****, beide vertreten durch Dr. Markus Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten und widerklagenden Parteien 1.) Erich S*****, und

2.) Ingrid S*****, beide vertreten durch Dr. Leopold Grohmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwilligung in die Vermarkung (Streitwert 100.000 S; AZ 2 C 646/95m) und Räumung (Streitwert 75.000 S; AZ 1 C 95/96a) infolge Revision der klagenden und widerbeklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 28. April 1998, GZ 29 R 88/98b-31, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27. November 1998, GZ 29 R 88/98b-37, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 14. Jänner 1998, GZ 2 C 646/95m, 1 C 95/96a-23, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden und widerbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten und widerklagenden Parteien die mit 10.505,24 S (darin 1.750,87 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Vater der Zweitklägerin (und Zweitwiderbeklagten) war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 46 mit den Grundstücken (GSt) Nr 55 und 44. Zur Beurteilung der Frage, ob das Eigentum an einem etwa 160 m2 großen, nach dem Grundkataster und der Mappe zum GSt 55 gehörigen Grundstreifen (im folgenden nur strittige Teilfläche) an der gemeinsamen Grenze den beiden Klägern und Widerbeklagten (im folgenden nur Kläger) als nunmehrigen Eigentümern der Liegenschaft mit dem GSt 44 oder den beiden Beklagten und Widerklägern (im folgenden nur Beklagte) als nunmehrigen Eigentümern der Liegenschaft mit dem GSt 55 zusteht, ist von folgenden fünf Verträgen auszugehen:

1.) Der Vater der Zweitklägerin wollte 1961 eine Teilfläche des GSt 55 an seinen Sohn als Ausstattung übertragen. Dazu erstellte ein Geometer einen Teilungsplan, den Lageplan vom 11. November 1961, der die Grenze des GSt 55 in ihrem südlichen Bereich zum GSt 44 eindeutig definiert. Der Teilungsplan sah als einen Abschnitt der Grenze zwischen den beiden Teilen des zu teilenden GSt 55 den Verlauf einer Stützmauer vor, die der Bruder der Zweitklägerin im Zuge des Hausbaus bereits 1960 errichtet hatte. Die nun strittige Teilfläche des GSt 55 liegt südlich dieser Stützmauer und grenzt an das GSt 44 an. Die wesentlichen Bestimmungen des vom Vater der Zweitklägerin mit deren Bruder geschlossenen Ausstattungsvertrags lauten:

I. Laut des notariellen Ausstattungsvertrags vom 2. Oktober 1961 ...

hat ... (Vater der Zweitklägerin) seinem Sohne ... als eine hiemit

auf Erbschaftsabrechnung bestellte angemessene Ausstattung von der

ihm gehörigen Liegenschaft ... und zwar aus der Einlagezahl 46 vom

Grundstück Grundparzelle 55 Garten eine an ... anschließende

Teilfläche im Ausmaß von rund siebenhundertfünfzig Quadratmeter übergeben.

Herr ... (Geometer) hat die Vermessung vorgenommen und hierüber den

Plan ... ausgefertigt.

Die Gemeinde ... stimmt jedoch der Abteilung des Grundstückes 55 im

Sinne der niederösterreichischen Bauordnung nicht zu.

II. Da somit der obgenannte Ausstattungsvertrag keiner Verbücherung zugeführt werden kann, wird dessen Absatz I. einverständlich aufgehoben und neu gefaßt, wie folgt:

... (Vater der Zweitklägerin) übergibt seinem Sohne ... als eine hiemit auf Erbschaftsabrechnung bestellte angemessene Ausstattung und dieser übernommt zu Eigentum vier Zehntelanteile der dem ersteren gehörigen Liegenschaft und zwar aus der Einlagezahl 46 das Grundstück Grundparzelle 55 Garten ...

III. Hinsichtlich der künftigen Benützung der nun gemeinsamen Liegenschaft wird mit bindender Wirkung für Erben und Rechtsnachfolger vereinbart:

1) ... (Bruder der Zweitklägerin) steht die Alleinbenützung der ihm

laut des obgenannten Teilungsplanes zu Alleineigentum zugedachten Teilfläche des Grundstückes 55 zu;

2) ... (Vater der Zweitklägerin) steht die Alleinbenützung der

restlichen Fläche des Grundstückes 55 zu.

IV. ... (Vater der Zweitklägerin) erteilt seine Zustimmung, daß ...

(Bruder der Zweitklägerin) auf der ihm zur Alleinbenützung

zustehenden Teilfläche des Grundstückes 55 ein Wohnhaus unter

Zugrundelegung der bereits erteilten Baubewilligung errichtet, daß

dieses Haus sohin im Alleineigentum des ... (Bruder der

Zweitklägerin) verbleibt und als Bauwerk ... (iSd § 435 ABGB) im

Grundbuche eingetragen wird.

...

X. Die Vertragsteile erteilen die ausdrückliche Bewilligung,

1) daß in der für das Grundstück Grundparzelle 55 nach erfolgter

Abschreibung bestimmten Einlagezahl des Grundbuches ... einverleibt

werden kann:

a) das Eigentumsrecht für ... (Bruder der Zweitklägerin) zu vier

Zehntel;

b) ob den dem ... (Vater der Zweitklägerin) verbleibenden sechs

Zehntel. ..."

Daraufhin wurde das GSt 55 von der EZ 46 abgeschrieben und die neue EZ 2031 mit den GSt 55 Garten und 1120 Baufläche eröffnet, deren Miteigentümer vorerst zu 6/10 der Vater der Zweitklägerin und zu 4/10 ihr Bruder wurden. Die tatsächliche Nutzung des rechtlich im Miteigentum stehenden GSt 55 fand aber iS der Aufteilung nach dem obgenannten Teilungsplan des Geometers statt, das heißt, der Vater der Zweitklägerin, der vorerst Eigentümer der Liegenschaft EZ 46 mit dem GSt 44 geblieben war, benützte die südlich der Stützmauer (als Nutzungsgrenze gegenüber dem Bruder der Zweitklägerin) gelegene, nun strittige Teilfläche des GSt 55 allein weiter.

2.) Mit Kaufvertrag vom 28. Juli 1976 verkaufte der Vater der Zweitklägerin seinen Miteigentumsanteil an der Liegenschaft EZ 2031 mit den Grundstücken Nr 55 Garten und 1120 Baufläche mit allem Zubehör und, wie er diesen derzeit besitzt oder besitzen könnte, an den Bruder der Zweitklägerin, benutzte aber weiterhin die strittige Teilfläche des nun im Alleineigentum seines Sohns stehenden GSt 55.

3.) Mit Übergabsvertrag vom 16. Dezember 1976 wurde der Zweitklägerin von ihrem Vater die Liegenschaft EZ 46 mit den Grundstücken Nr 44 Wohnhaus samt Hof und 56/2 Garten "mit allem Zubehör und wie er diese derzeit besitzt oder besitzen könnte" übergeben. Auch die Zweitklägerin benützte dann ebenso wie ihr Vater die strittige Teilfläche.

4.) Mit Schenkungsvertrag vom 1. Juni 1979 schenkte die Zweitklägerin ihrem Ehegatten, dem Erstkläger, die Hälfte der ihr übergebenen Liegenschaft EZ 46 mit den Grundstücken 44 Wohnhaus samt Hof und 56/2 Garten mit allem Zubehör und "wie sie diese derzeit besitzt oder besitzen könnte." Weder im Übergabsvertrag noch im Schenkungsvertrag wird das GSt 55 in irgendeiner Weise angesprochen. Ebenso wie der Vater der Zweitklägerin und sie selbst benutzten nun beide Kläger weiter die strittige Teilfläche und errichteten darauf einen Erdkeller und unter Mithilfe des Bruders der Zweitklägerin (und damaligen Eigentümers des GSt 55) ein Saunagebäude in der einverständlichen Überzeugung, daß es sich bei der strittigen Teilfläche um einen Teil der Liegenschaft der Kläger handle.

5.) Mit Kaufvertrag vom 8. Februar 1991 verkaufte der Bruder der Zweitklägerin seine Liegenschaft EZ 2031 mit den GSt 55 Garten und 1120 Baufläche sowie dem darauf errichteten Einfamilienhaus an die Beklagten. Die wesentlichen Vertragsbestimmungen lauten:

"I. Kaufgegenstand: ... Die Liegenschaft hat ein Flächenausmaß von insgesamt 1893 m2. ...

II. Kaufvereinbarung: Auf Grund des Kaufvertrages verkauft und überträgt der Verkäufer die im Punkt I. genannte Liegenschaft, so wie sie liegt und steht, samt allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör

...".

....

V. Gewährleistung: ... Die Käufer erklären das Kaufobjekt eingehend besichtigt zu haben und das Ausmaß der Liegenschaft, sowie den Zustand der Liegenschaft und des Gebäudes zu kennen, und haftet daher der Verkäufer weder für ein ziffernmäßig genau bestimmtes Flächenausmaß, noch für eine bestimmte Beschaffenheit oder sonstige Eigenschaft des Kaufobjektes...".

...

VII. Rechtliche Übergabe: Die rechtliche Übergabe und Übernahme des Kaufobjektes erfolgt in den bestehenden Rechten und Pflichten, so wie sie der Verkäufer bisher besessen und benützt hat bzw. dazu berechtigt gewesen wäre.

...

XII. Aufsandungserklärung: Auf Grund dieses Kaufvertrages erteilen sohin die Vertragsparteien ihre ausdrückliche Einwilligung, daß ob der Liegenschaft EZ 2031 mit den Grundstücken 55 Garten, und 1120 Baufläche das Eigentumsrecht der ... (den Beklagten) je zur Hälfte grundbücherlich einverleibt werden könne.

Anläßlich des Abschlusses des Kaufvertrags besichtigte der Erstbeklagte die Liegenschaft, und der Verkäufer (Bruder der Zweitklägerin) zeigte ihm die Stützmauer als Grundstücksgrenze. Im Bewußtsein dieser "Grenze" benutzten die Beklagten niemals die strittige Teilfläche und erfuhren erst anläßlich der Überprüfung des Grenzverlaufs durch einen Ziviltechniker, daß der in der Natur vorhandene Grenzverlauf nicht mit dem mappenmäßigen übereinstimme.

Die Kläger begehrten zuletzt, die Beklagten seien schuldig, ihre Einwilligung in die Vermarkung der Grenze zwischen dem GSt 55 und dem GSt 44, wie in Beilage H ersichtlich, mit einer roten Linie gekennzeichnet und dem Verlauf der in der Natur vorhandenen Stützmauer entsprechend sei, zu erteilen. Dazu brachten sie im wesentlichen vor, die Vertragsparteien des Kaufvertrags vom 8. Februar 1991 seien von der Stützmauer als Grundstücksgrenze ausgegangen, die Grundbuchsmappe liefere keinen Beweis für die Grenze eines Grundstücks, die Stützmauer sei schon seit dem Ausstattungsvertrag vom 12. Mai 1962 als Grenze eingehalten worden und sie hätten daher Eigentum durch Ersitzung erworben.

Die Beklagten bestritten dieses Vorbringen und begehrten ihrerseits mit Widerklage, die Kläger seien zur gesamten Hand schuldig, ihnen die (strittige) Grundstücksfläche, die in dem einen integrierenden Bestandteil des Urteils bildenden Vermessungsplan eines näher genannten Geometers mit den Punkten A bis J (Beilage 1) umgrenzt werde, von sämtlichen Fahrnissen und Baulichkeiten geräumt zu übergeben, weil sie das GSt 55 gemäß dem Grundbuchsstand erworben hätten, somit Eigentümer des Grundstücks seien und die Kläger das Grundstück titellos benützten.

Die Kläger bestritten dies.

Das Erstgericht wies beide Klagebegehren ab, das der Kläger, weil deren allfälliger Eigentumserwerb an der strittigen Teilfläche durch Ersitzung am fehlenden Ablauf der 30jährigen Ersitzungszeit scheitere, und das der Beklagten, weil beim Kaufvertrag vom 8. Februar 1991 der - in der Besichtigung zum Ausdruck gekommene - Wille der Vertragsparteien das Kaufobjekt auf die Fläche nördlich der Stützmauer reduziert habe.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Kläger nicht Folge, wohl aber der der Beklagten und gab deren Widerklagebegehren mit einer Leistungsfrist von zwei Monaten statt. Bleibe Besitz und Übergabe eines nur an fremde Grundstücke angrenzenden Grundstücks hinter den Tatsachen zurück, so sei nicht der Besitz des Voreigentümers und die Übertragung dieses Besitzes für den Umfang der Eigentumsübertragung entscheidend, sondern der Inhalt des Kaufvertrags, ob nämlich an der ganzen in der Mappe veranschaulichten Fläche oder nur an einem Teil dieser Fläche Eigentum übertragen und erworben werden sollte. Da sich der Titel auf das gesamte GSt 55 erstreckt habe, sei der tatsächliche Grenzverlauf für den Umfang der Eigentumsübertragung entscheidend.

Die zweite Instanz sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige, und ließ die Revision nachträglich im Verfahren nach § 508 ZPO zu, weil der beiderseitige Besitzstand auf einen gemeinsamen Voreigentümer zurückgehe und dann nicht die Grundbuchsmappe, sondern der Umfang, in dem das Grundstück übertragen worden sei, entscheidend sei. Da sich unter Umständen auch die Meinung vertreten lasse, "daß im Sinne der Entscheidung SZ 56/141 der abweichend zu beurteilende Tatbestand des gemeinsamen Voreigentümers zum Tragen komme", sei eine Frage erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist zulässig, aber nicht berechtigt.

a) Nach gesicherter Rspr ist § 60 Abs 2 JN unanwendbar, wenn es nur um einen Teil einer Liegenschaft geht, für den ein gesonderter Einheitswert nicht festgelegt wurde. In einem derartigen Fall kann als Streitwert nicht der aliquote Anteil des Einheitswerts angenommen werden; vielmehr hat eine Bewertung durch das Rechtsmittelgericht zu erfolgen (1 Ob 53/97v mwN ua; Mayr in Rechberger, § 60 JN Rz 2). Das Berufungsgericht hat daher mit seinem Bewertungsausspruch nicht gegen zwingende Bewertungsvorschriften verstoßen, sodaß der Oberste Gerichtshof an diesen Ausspruch gebunden ist.

b) Unbestrittenermaßen sind die Liegenschaften der Streitteile noch nicht in den Grenzkataster iSd §§ 8 ff VermessungsG 1968, BGBl 1968/306, eingetragen, dessen § 49 den guten Glauben an die im Grenzkataster enthaltenen Grenzen schützt und nach dessen § 50 die Ersitzung von Teilen an den im Grenzkataster enthaltenen Grundstücken ausgeschlossen ist.

c) Das österreichische Sachenrecht unterscheidet zwischen originärem und derivativem Eigentumserwerb. Die Kläger könnten Eigentum an der strittigen (südlich der Stützmauer gelegenen) Teilfläche des GSt 55 - als Voraussetzung der Berechtigung ihres Klagebegehrens und der fehlenden Berechtigung des Widerklagebegehrens - originär mit Ablauf der Ersitzungszeit durch Ersitzung erworben haben (SZ 55/191;

Hinteregger in Schwimann2, § 431 ABGB Rz 9). Die Ersitzung schafft

zwar originär Eigentum, läßt aber einen ersessenen Grundstreifen

nicht dem Grundstück des Ersitzers zuwachsen; der Grenzverlauf

zwischen zwei Grundstücken kann nur durch bücherlichen

Eigentumswechsel oder durch Berichtigung der strittigen Grenze

geändert werden (1 Ob 583/85; NZ 1992, 292; RIS-Justiz RS0011310; Gamerith in Rummel2, § 851 ABGB Rz 4). Ein solches Begehren haben die Kläger nicht erhoben.

Ersitzungserfordernisse sind gemäß § 1460 ABGB die Fähigkeit der

Person, die Eignung der zu ersitzenden Sache, rechtmäßiger, redlicher

und echter Besitz - bloße Innehabung genügt nicht (7 Ob 637/94 = NZ

1996, 175 [Hoyer]; Schubert in Rummel2, § 1460 ABGB Rz 1 f) - und der

Ablauf der 30jährigen Ersitzungszeit. Bis zum Ausstattungsvertrag vom

12. Mai 1962 stand das GSt 55 einschließlich der strittigen

Teilfläche im Alleineigentum des Vaters der Zweitklägerin; daß eine

Ersitzung des Eigentumsrechts durch den Alleineigentümer selbst nicht

in Frage kam, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Mit dem

Ausstattungsvertrag wurde zwischen Vater und Bruder der Zweitklägerin

Miteigentum an der Liegenschaft begründet. Die Frage, ob der Erwerb

des ideellen, dem Vertragspartner vorbehaltenen Miteigentumsanteils

durch den anderen Vertragspartner ersessen werden kann (so 9 Ob

2020/96s = NZ 1998, 85), muß hier nicht gelöst werden: Denn dem Vater

der Zweitklägerin als Miteigentümer stand nach der getroffenen

Nutzungsvereinbarung (Punkt III. des Ausstattungsvertrags im

Zusammenhalt mit dem Teilungsplan des Geometers) das alleinige

Nutzungsrecht an der strittigen Teilfläche zu. Diese vertragliche

Gebrauchsüberlassung schließt jedenfalls auch die uneigentliche

Ersitzung (§ 1477 ABGB) des Eigentums aus, war doch die

Rechtsausübung Ausfluß der vertraglich eingeräumten Rechtsstellung,

die Ersitzung muß insoweit an der mangelnden Redlichkeit scheitern

(SZ 44/41 mwN, SZ 56/111; 4 Ob 1654/95 ua; RIS-Justiz RS0034095;

Schubert aaO § 1462 ABGB Rz 1 mwN). Erst auf Grund des Kaufvertrags

vom 28. Juli 1976 wurde der Bruder der Zweitklägerin Alleineigenümer

der Liegenschaft mit dem GSt 55; erst zu diesem Zeitpunkt könnte die

zur Ersitzung von Eigentum an der strittigen Teilfläche zugunsten des

Vaters der Zweitklägerin erforderliche 30jährige Ersitzungsfrist zu

laufen begonnen haben. Der originäre Eigentumserwerb des Vaters der

Zweitklägerin und damit auch der Kläger als dessen

Einzelrechtsnachfolger an der strittigen Grundfläche muß aber schon

daran scheitern, daß die Ersitzungszeit jedenfalls nicht mehr

vollendet wurde. Die übrigen Voraussetzungen für eine derartige Ersitzung müssen daher gar nicht mehr geprüft werden.

d) Die Kläger können ihr Begehren aber auch nicht mit Erfolg auf derivativen Erwerb ihres Eigentums an der strittigen Teilfläche stützen.

Als Titel für einen solchen Erwerb käme nur der Übergabsvertrag vom

16. Dezember 1976 in Frage, nach dessen Inhalt der Zweitklägerin aber

nur eine Liegenschaft mit den Grundstücken 44 und 56/2, aber nicht

auch eine Teilfläche des GSt 55 ins Eigentum übertragen wurde. Daß

ihr deren Vater, abweichend vom Inhalt des schriftlichen

Übergabsvertrags, die ihm im übrigen selbst als Miteigentümer, gar

nicht mehr gehörige, weil bereits vorher zur Gänze an deren Bruder

verkaufte Liegenschaft mit dem GSt 55 - teilweise - übergeben wollte, wurde nicht festgestellt. Es fehlt somit schon am Titel für den Erwerb des Eigentums an der strittigen Teilfläche. Auf den gleichfalls fehlenden modus muß daher nicht mehr eingegangen werden;

hier sei nur erwähnt, daß der Eintragungsgrundsatz auch für den derivativen Eigentumserwerb an Teilgrundstücken gilt (NZ 1992, 292;

RIS-Justiz RS0011312) und selbst ein - hier fehlender - rechtsgültiger Titel, verbunden mit der bloß tatsächlichen Übergabe, im Geltungsbereich des Eintragungsgrundsatzes (§ 431 ABGB), kein

Eigentum verschafft (stRspr: SZ 48/104 = JBl 1976, 145 [Bydlinski];

SZ 56/125; NZ 1992, 292 uva, zuletzt 1 Ob 140/97p = NZ 1998, 182;

RIS-Justiz RS0011111; Hinteregger aaO § 431 ABGB Rz 1).

Damit steht jedenfalls den Klägern an der strittigen Teilfläche Eigentum nicht zu.

e) Die Berechtigung des Widerklagebegehrens der Beklagten auf Räumung der strittigen Teilfläche durch die Kläger als - nach deren Behauptung - bloß titellose Inhaber (als Begehren der Eigentumsfreiheitsklage) hängt davon ab, ob die Beklagten an der strittigen Teilfläche durch den Kaufvertrag vom 8. Februar 1991 - ein anderer Rechtstitel kommt für sie nicht in Frage - derivativ Eigentum erworben haben. Dazu ist vorerst zu klären, ob der Vater der Zweitklägerin seinem Sohn mit dem Ausstattungs- bzw mit dem Kaufvertrag das gesamte GSt 55 veräußerte oder sich das Eigentum (gegebenenfalls Miteigentum) an der strittigen Teilfläche vorbehielt, und sodann, ob der Bruder der Zweitklägerin den Beklagten die Liegenschaft mit dem gesamten GSt 55 verkaufte oder ob er sich an der strittige Teilfläche das Eigentum vorbehielt und daher diese noch in seinem Eigentum steht; entgegen der Auffassung der zweiten Instanz bestünde insoweit kein "Niemandsland".

§ 3 AllgGAG bestimmt, daß die auf Grund der Katastermappe geführte Grundbuchsmappe, die zu jedem Hauptbuch zu führen ist, nur zur Veranschaulichung der Lage der Liegenschaften bestimmt ist. Die Grundbuchsmappe macht daher keinen Beweis über die Größe und die Grenzen der Grundstücke (SZ 62/59 mwN ua). In der Rechtsprechung kehrt seit der Entscheidung SZ 26/216 trotz wechselnder Fallgestaltung stets der Rechtssatz wieder, daß für den Umfang des Eigentumserwerbs an Grundstücken im rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht die Grundbuchsmappe, sondern der Umfang, in dem das Grundstück "nach dem Willen der Parteien" übertragen werden sollte, entscheidend ist (SZ 26/216, SZ 56/141; SZ 60/2 = JBl 1987, 308; 5 Ob 1572/94; 1 Ob 53/97v uva; RIS-Justiz RS0011236; vgl dazu aber Koziol/Welser, Grundriß10 II 102; Spielbüchler in Rummel2 § 431 ABGB Rz 6; Twaroch, Grundstücksgrenzen und Kataster in NZ 1994, 54 ff). Maßgeblich sind jedoch nicht die Papier-, sondern die Naturgrenzen (RZ 1990/65 mwN). Bereits in SZ 56/141 wurde unter Berufung auf Spielbüchler (JBl 1980, 169, 173) ausgesprochen, dafür, ob auf Grund eines Kaufvertrags an der gesamten in der Grundbuchsmappe veranschaulichten Fläche Eigentum übertragen und erworben worden sei, sei jedenfalls im Verhältnis zum Nachbarn, der sich nicht auf Ersitzung oder Besitzeinweisung durch denselben Verkäufer berufen könne, der "wahre" Grenzverlauf (nach den dem Voreigentümer zugestandenen rechtlichen Grenzen) maßgebend, auch wenn Besitz und tatsächliche Übergabe durch den Voreigentümer hinter den wahren Eigentumsgrenzen zurückblieben. In der Entscheidung 1 Ob 53/97v sprach der erkennende Senat ferner aus, für den Umfang des Eigentumserwerbs sei der im Inhalt des Kaufvertrags (als Titel) zum Ausdruck gebrachte Parteiwille ausschlaggebend. An dieser Auffassung ist festzuhalten, ist doch nach § 431 ABGB bei abgeleitetem Erwerb des Eigentums an unbeweglichen Sachen die tatsächliche physische Übergabe für Verschaffung des Eigentums bedeutungslos. Der maßgebliche "Wille der Parteien" über den Umfang des übergebenen Grundstücks äußert sich somit mangels weiterer Absprachen im Titel (Kaufvertrag). Erstreckt sich der Titel auf das gesamte Grundstück nach den dem Voreigentümer zugestandenen rechtlichen Grenzen, so kommt einer bei Abschluß des Kaufvertrags vorgenommenen Grenzbegehung, bei der der Voreigentümer irrtümlich einen anderen als den wahren Grenzverlauf zeigte, keine selbständige Bedeutung zu (SZ 56/141).

Daraus ergibt sich für die hier zu beurteilenden beiden Kaufverträge folgendes: Im Kaufvertrag vom 28. Juli 1976, mit dem der Vater der Zweitklägerin seinem Sohn seine Miteigentumsanteile an der vormals gemeinsamen Liegenschaft mit dem GSt 55 verkaufte, fehlt jeder Hinweis, daß sich der Verkäufer weiterhin sein Miteigentum an einem (abzuschreibenden) Liegenschaftsteil vorbehalte, übertrug er doch seinen Anteil "mit allem Zubehör und wie er diesen derzeit besitzt oder besitzen könnte". Ein vom schriftlichen Kaufvertrag abweichender Wille der Vertragsparteien wurde ebensowenig festgestellt wie, daß der Verkäufer seinem Sohn die Stützmauer als maßgebliche Grundstücksgrenze zwischen dem vorerst weiterhin in seinem Eigentum gebliebenen GSt 44 und dem nun zur Gänze seinem Sohn gehörigen GSt 55 bezeichnet bzw im Rahmen dieses Rechtsgeschäfts eine Begehung, Bezeichnung oder dergleichen stattgefunden habe. Die erst im Rechtsmittelverfahren aufgestellte Behauptung, der Bruder der Zweitklägerin habe niemals die Absicht gehabt, beim Erwerb der ganzen Liegenschaft Eigentum an der strittigen Teilfläche zu erwerben, ist feststellungsfremd. Der tatsächliche - hier: kataster- und mappenmäßige - Grenzverlauf entsprach daher bei diesem, auch von den Vertragsparteien niemals angefochtenen Kaufvertrag deren wahrem Willen. Zum Kaufvertrag vom 8. Februar 1991, in dem ausdrücklich auch die wahre Größe der ganzen Liegenschaft einschließlich der strittigen Teilfläche angeführt ist, wurde festgestellt, daß er das gesamte GSt 55 betreffe ("... Die rechtliche Übergabe und Übernahme des Kaufobjektes erfolgt in den bestehenden Rechten und Pflichten, so wie der Verkäufer bisher besessen und benützt hat bzw. dazu berechtigt gewesen wäre. ..."); daß sich der Bruder der Zweitklägerin als Verkäufer einen Teil der Liegenschaft zurückbehalten habe, wurde nicht festgestellt. Damit war auch in diesem Fall rechtens, daß sich der Titel (Kaufvertrag) nach dem Willen der Kaufvertragsparteien auf die ganze Liegenschaft in ihren mappenmäßigen Grenzen und nicht bloß in den Grenzen beziehen sollte, die dem Erstbeklagten vom Verkäufer als Grenzen gezeigt und in der Folge von beiden Beklagten vorerst als solche angesehen wurden.

In der Entscheidung SZ 38/32 wurde unter Hinweis auf die Vorentscheidung RZ 1965, 9 ausgesprochen, seien nach dem Willen der Parteien die Grenzen eines Grundstücks in der Natur (dort zwischen Wiese und Wald) festgelegt und sei das Grundstück in diesem Umfang an den Verkäufer übergeben worden, dann habe dieser Eigentum hieran ohne Rücksicht darauf erworben, welcher Umfang des Grundstücks sich aus der Mappe ergebe. Zu dem in der Entscheidung SZ 56/141 - bei sonst fehlenden Abmachungen - zum Ausdruck gekommenen Vorrang des schriftlichen Kaufvertrags gegenüber der Grenzbegehung durch die Kaufvertragsparteien wurde somit gar nicht Stellung genommen.

Die Beklagten haben den sie treffenden Nachweis des Eigentums an der strittigen Teilfläche erbracht. Der Revision kann demnach kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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