JudikaturJustiz17Os19/14v

17Os19/14v – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Mai 2014 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kotanko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Erich M***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, AZ 8 St 51/11s der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 3. September 2012, AZ 23 Bs 299/12g, 300/12d, und mehrere Vorgänge erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Brenner zu Recht erkannt:

Spruch

(I) Im Ermittlungsverfahren AZ 8 St 51/11s der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption verletzen

1) der Vorgang, dass die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien der Beschuldigten Priska L***** vor Fassung des Beschlusses vom 23. Mai 2012, GZ 351 HR 80/12k 161, keine Gelegenheit zur Äußerung zum Gebührenantrag (ON 61) des Sachverständigen Dr. Wolfgang C***** gegeben hat, § 52 Abs 3 dritter Satz GebAG idF BGBl I 2009/30;

2) das Unterbleiben der Zustellung der Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Mai 2012, GZ 351 HR 80/12k 16 und GZ 351 HR 80/12k 162, an Priska L***** § 40 Abs 1 Z 2 GebAG idF BGBl I 2009/30;

3) das Unterbleiben der Zustellung der gegen die unter Punkt 2 angeführten Beschlüsse gerichteten Beschwerden des Beschuldigten Dr. Erich M***** und des Sachverständigen Dr. Wolfgang C***** an Priska L***** § 41 Abs 1 zweiter Satz GebAG;

4) der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 3. September 2012, AZ 23 Bs 299/12g, 300/12d, in der ersatzlosen Aufhebung des Beschlusses des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Mai 2012, GZ 351 HR 80/12k 161, § 52 Abs 3 zweiter Satz GebAG idF BGBl I 2009/30.

(II) Der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 3. September 2012, AZ 23 Bs 299/12g, 300/12d (ON 177 der Ermittlungsakten), der im Übrigen unberührt bleibt, wird in dem zu Punkt 4 bezeichneten Umfang aufgehoben und diesem Gericht wird aufgetragen, (nach Durchführung der zu den Punkten 2 und 3 genannten Zustellungen) erneut über die Beschwerden Dris. Erich M***** und Dris. Wolfgang C***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Mai 2012, GZ 351 HR 80/12k 161, sowie über allenfalls von Priska L***** gegen diesen und gegen den Beschluss GZ 351 HR 80/12k-162 erhobene Beschwerden zu entscheiden.

(III) Unabhängig von der endgültigen Gebührenfestsetzung sind die Kostenersatzpflicht des rechtskräftig verurteilten Dr. Erich M***** und eine allenfalls entstehende Kostenersatzpflicht der Priska L***** für die vom Sachverständigen Dr. Wolfgang C***** im Zusammenhang mit der Erstattung des Gutachtens vom 13. Mai 2011 (ON 60) beanspruchte Gebühr mit 4.000 Euro begrenzt.

Text

Gründe:

Dr. Erich M***** und Priska L***** wurden mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 14. Februar 2013, GZ 31 Hv 169/12d 228, jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Mit Erkenntnis vom 6. März 2014, AZ 17 Os 25/13z, bestätigte der Oberste Gerichtshof den Schuldspruch des Erstgenannten und hob den Priska L***** betreffenden Schuldspruch (demgemäß auch den Strafausspruch) auf und ordnete in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung an. Das Strafverfahren gegen Priska L***** ist noch nicht abgeschlossen.

Im Ermittlungsverfahren bestellte die Staatsanwaltschaft Dr. Wolfgang C***** zum Sachverständigen und beauftragte ihn mit der Erstellung eines schriftvergleichenden Gutachtens. Dieses (ON 60) langte samt Gebührennote über 7.139,40 Euro (ON 61) am 16. Mai 2011 ein.

Entgegen § 52 Abs 2 Z 3 und Abs 3 zweiter Satz StPO wurden Gutachten und Gebührennote Dr. Erich M***** (erst) über dessen Antrag (ON 63) gegen Kostenersatz zusammen mit anderen Aktenbestandteilen in Kopie übermittelt (hier erwähnte Zustellungen an Beschuldigte sind durchwegs als solche an deren Verteidiger zu verstehen [§ 83 Abs 4 StPO]). Dabei hat die Staatsanwaltschaft nicht gesondert auf die Gebührennote hingewiesen, ebenso wenig hat sie diesem Beschuldigten anders als der Revisorin mit gleichzeitiger Verfügung (ON 1 S 18) ausdrücklich Gelegenheit zur Äußerung gegeben (vgl § 52 Abs 2 erster Satz iVm § 39 Abs 1a GebAG [zwischenzeitliche Gesetzesänderungen sind vorliegend ohne Bedeutung; auf unterschiedliche Gesetzesfassungen wird daher in weiterer Folge nicht hingewiesen]). Mangels Einwendungen der Revisorin (ON 75) ordnete die Staatsanwaltschaft (Dr. Erich M***** hatte sich zum Gebührenantrag nicht geäußert) die Auszahlung der verzeichneten Gebühren in Höhe von 7.139 Euro an (ON 77).

Am 19. Juli 2011 wurde Dr. Wolfgang C***** erneut zum Sachverständigen bestellt und mit der Erstellung eines weiteren schriftvergleichenden Gutachtens beauftragt (ON 71). Dieses (ON 88) langte samt Gebührennote über 11.624 Euro (ON 99) am 9. November 2011 bei der Staatsanwaltschaft ein und wurde Dr. Erich M***** neuerlich erst in Entsprechung eines von ihm gestellten Antrags zusammen mit anderen Aktenteilen in Kopie gegen Kostenersatz übermittelt (ON 1 S 35 f).

Nach Einwendungen der Revisorin verfügte die Staatsanwaltschaft die Zustellung einer Kopie dieser Gebührennote an Dr. Erich M***** und Priska L***** (dieser unter Anschluss einer Kopie des Gutachtens ON 88) und gab ihnen Gelegenheit, sich binnen sieben Tagen zum Gebührenantrag zu äußern (ON 1 S 37). Beide Beschuldigte erhoben Einwendungen (ON 148 f). Die Staatsanwaltschaft übermittelte daraufhin den Ermittlungsakt gemäß § 52 Abs 3 zweiter Satz GebAG der zuständigen Einzelrichterin des Landesgerichts. Da Dr. Erich M***** mit Schriftsatz vom 2. März 2012 (ON 154) Einwendungen auch zur Gebührennote des Sachverständigen vom 13. Mai 2011 (ON 61) erhoben hatte, beantragte die Staatsanwaltschaft auch diesbezüglich die gerichtliche Gebührenbestimmung (ON 1 S 40).

Mit Beschlüssen jeweils vom 23. Mai 2012 bestimmte die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien die Gebühren des Sachverständigen mit 4.000 Euro pro Gebührenantrag (GZ 351 HR 80/12k 161 hinsichtlich der Gebührennote ON 61 und GZ 351 HR 80/12k 162 betreffend die Gebührennote ON 99) und wies das jeweilige Mehrbegehren mit der Begründung ab, der Sachverständige sei seiner Warnpflicht gemäß § 25 Abs 1a GebAG nicht nachgekommen.

Beide Beschlüsse wurden (nur) Dr. Erich M*****, dem Sachverständigen und dem Revisor zugestellt (ON 1 S 41). Die beiden Erstgenannten erhoben gegen diese Beschlüsse jeweils Beschwerde (ON 165 f).

Nach dem Akteninhalt wurden Priska L***** weder diese Beschlüsse, noch die dagegen gerichteten Beschwerden (zur Äußerung) zugestellt, ebenso wenig das Gutachten ON 60 und die Gebührennote ON 61.

Mit Beschluss vom 3. September 2012, AZ 23 Bs 299/12g, 300/12d (ON 177), hob das Oberlandesgericht Wien in Stattgebung der Beschwerde des Sachverständigen den zuvor bezeichneten Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien, ON 161, ersatzlos auf. Das Beschwerdegericht verneinte die Entscheidungskompetenz der Einzelrichterin hinsichtlich der Kostennote ON 61. Im Übrigen wurde den Beschwerden (Dris. Erich M***** und Dris. Wolfgang C***** gegen den Beschluss ON 162) nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Das Unterbleiben von Zustellungen an Priska L*****, nämlich des Gebührenantrags ON 61, der Beschlüsse der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien (ON 161 und 162) und der dagegen gerichteten Beschwerden des Beschuldigten Dr. Erich M***** und des Sachverständigen Dr. Wolfgang C*****, sowie der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 3. September 2012, AZ 23 Bs 299/12g, 300/12d, soweit dieser den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Mai 2012, GZ 351 HR 80/12k 161, ersatzlos aufhob, stehen wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Der Gebührenanspruch des Sachverständigen ist gegen den Bund gerichtet, unter dem Blickwinkel der Durchsetzung demnach öffentlich-rechtlich. Inhaltlich handelt es sich um eine Honorarforderung, also ein „civil right“ im Sinn des Art 6 Abs 1 MRK. Das in §§ 38 bis 42 GebAG zu seiner Geltendmachung vorgesehene Verfahren, ein selbständiges Zwischenverfahren für alle Prozessarten, muss also die Garantien eines fairen Verfahrens erfüllen, unter anderem auch das rechtliche Gehör allenfalls zum Kostenersatz verpflichteter Parteien des (Haupt-)Verfahrens sicherstellen. Die genannten Bestimmungen des GebAG verdrängen in diesem Zusammenhang alle sonstigen für das Hauptverfahren geltende Vorschriften (hier der StPO). Diese finden nur insoweit ergänzend Anwendung, als das GebAG keine besonderen Regelungen enthält (zum Ganzen RIS Justiz RS0113541; Krammer in Fasching/Konecny 2 Anh § 365 ZPO Rz 1, 3 und 25 ff; vgl EBRV 1554 BlgNR 18. GP 8 und 14).

§ 52 GebAG ergänzt diese Verfahrensbestimmungen für den Bereich des von der Staatsanwaltschaft geleiteten Ermittlungsverfahrens: Bestellt diese den Sachverständigen (§ 126 Abs 3 erster Satz StPO), ordnet sie sofern (von Parteien oder dem Revisor) keine Einwendungen gegen den Gebührenantrag erhoben werden die Auszahlung der verzeichneten Gebühren aus Amtsgeldern an. Im Fall von Einwendungen hat die Staatsanwaltschaft, um die Entscheidung über den zivilrechtlichen Anspruch des Sachverständigen durch ein „Tribunal“ (Art 6 Abs 1 MRK) sicherzustellen, die Bestimmung der Gebühr bei dem für das Ermittlungsverfahren zuständigen Gericht zu beantragen (§ 52 Abs 3 GebAG; vgl EBRV 303 BlgNR 23. GP 9 und 51 f).

Zu den einzelnen Gesetzesverletzungen:

1) Die Staatsanwaltschaft hat dem Revisor, wenn der verzeichnete Gebührenbetrag 300 Euro (vor BGBl I 2013/159: 200 Euro) übersteigt, sowie jenen Personen, gegen die sich das Verfahren richtet, Gelegenheit zur Äußerung zum Gebührenantrag zu geben. Wird das Gericht (zufolge Einwendungen) mit der Gebührenbestimmung befasst, kann es von einer neuerlichen Zustellung des Gebührenantrags an diese Personen absehen (§ 52 Abs 2 und 3 letzter Satz GebAG). Da die Einzelrichterin des Landesgerichts Priska L***** den Gebührenantrag des Sachverständigen (ON 61) nicht zugestellt hat, obwohl dieser Beschuldigten zuvor auch von der Staatsanwaltschaft keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden war (§ 52 Abs 2 iVm § 39 Abs 1a GebAG), wurde § 52 Abs 3 dritter Satz GebAG verletzt.

2) Entgegen § 40 Abs 1 Z 2 GebAG wurden Priska L***** auch die Beschlüsse der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Mai 2012 (ON 161 und 162) nicht zugestellt.

3) Ebenso wenig hat die Einzelrichterin des Landesgerichts dieser Beschuldigten die gegen diese Beschlüsse ergriffenen Beschwerden des Beschuldigten Dr. Erich M***** und des Sachverständigen Dr. Wolfgang C***** zugestellt. Eine solche Zustellung wäre aber gemäß § 41 Abs 1 zweiter Satz GebAG vorzunehmen gewesen, weil die Gebühr, deren Zuspruch oder Aberkennung beantragt wurde, 300 Euro überstieg. Solcherart wurde Priska L***** die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit einer Beschwerdebeantwortung (§ 41 Abs 1 dritter Satz GebAG) genommen.

Die zu 2 und 3 bezeichneten (unterbliebenen) Zustellungen hätte das Oberlandesgericht vor Entscheidung über diese beiden Beschwerden entweder selbst vornehmen oder durch das Erstgericht veranlassen müssen, um dem in §§ 40 Abs 1 und 41 Abs 1 GebAG verankerten Grundsatz des rechtlichen Gehörs (vgl Art 6 Abs 1 MRK; RIS-Justiz RS0113540) Rechnung zu tragen und alle in weiterer Folge allenfalls zum Kostenersatz verpflichteten Beschuldigten am Beschwerdeverfahren zu beteiligen (vgl auch § 381 Abs 1 Z 2 iVm § 389 Abs 3 dritter Satz StPO, wonach die Sachverständigengebühren mehreren Verurteilten grundsätzlich zur ungeteilten Hand auferlegt werden).

4) Das Oberlandesgericht Wien ist in der Begründung seines Beschlusses vom 3. September 2012, AZ 23 Bs 299/12g, 300/12d (ON 177), davon ausgegangen, dass die Staatsanwaltschaft „§ 52 Abs 2 GebAG Genüge getan“ habe (vgl dazu die obigen Ausführungen zu Punkt 1), indem sie Dr. Erich M***** (erst über dessen Antrag) Aktenteile in Kopie, darunter das (erste) Gutachten samt Gebührennote (ON 60 und 61) übermittelt habe. Der Beschuldigte habe auch ohne ausdrücklichen Hinweis auf den Gebührenantrag und Setzung einer Frist zur Äußerung (§ 39 Abs 1a GebAG) für diese „ausreichend Zeit“ gehabt, bevor die Staatsanwaltschaft die Auszahlung der Gebühren am 29. Juli 2011 angeordnet habe. Auf die von diesem Beschuldigten mit Schriftsatz vom 2. März 2012 erhobenen Einwendungen sei „keine Rücksicht zu nehmen“ gewesen. Mangels Einwendungen (auch) des Revisors habe die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien keine Entscheidungsbefugnis im Sinn des § 52 Abs 3 zweiter Satz GebAG gehabt, ihr dennoch am 23. Mai 2012 gefasster Beschluss (ON 161) sei „ersatzlos zu beheben gewesen“ (ON 177 S 6 f).

Dieser Ansicht zuwider wurde durch die beschriebene Vorgangsweise das rechtliche Gehör des Beschuldigten Dr. Erich M***** nicht ausreichend gewahrt. Für die in § 40 Abs 1 GebAG genannten Personen muss deutlich erkennbar sein, dass die Übermittlung von Aktenstücken (auch) deshalb erfolgt, um ihnen Gelegenheit zur Äußerung zum Gebührenantrag (innerhalb einer bestimmten Frist) zu geben (vgl RIS Justiz RS0096929 zur Fristauslösung durch Übermittlung der Strafakten an die Staatsanwaltschaft [nunmehr § 81 Abs 3 StPO]). In Ermangelung eines auf diese Möglichkeit hinweisenden Begleitschreibens war dies hier nicht der Fall. Zudem hat die Staatsanwaltschaft keine Frist zur Äußerung festgesetzt (vgl § 39 Abs 1a zweiter Satz GebAG), sodass die Einwendungen Dris. Erich M***** auch deshalb nicht verspätet sein konnten.

Die ersatzlose Aufhebung des Beschlusses des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Mai 2012, GZ 351 HR 80/12k 161, verletzt daher § 52 Abs 3 zweiter Satz GebAG.

Zum Ausspruch nach § 292 letzter Satz StPO:

Da eine Wirkung der aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Nachteil des mittlerweile verurteilten Dr. Erich M***** und der Angeklagten Priska L***** nicht auszuschließen ist, war ihre Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO auf die im Spruch bezeichnete Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden.

Zwar ist eine Durchbrechung der Rechtskraft von ausnahmsweise im Strafverfahren ergangenen Ent-scheidungen über (ausschließlich) zivilrechtliche Ansprüche in Stattgebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wegen des damit verbundenen Eingriffs in eine durch Art 1 1. ZPMRK geschützte Rechtsposition (und den sich aus Art 6 Abs 1 MRK ergebenden Anspruch auf Rechtssicherheit) in der Regel nicht möglich (RIS Justiz RS0124740; Ratz , WK StPO § 362 Rz 3). Vorliegend kommt aber zum Tragen, dass der Sachverständige seinen Honoraranspruch ungeachtet dessen Charakters als „civil right“ unter der Einschränkung einer allfälligen Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 42 Abs 3 GebAG erworben hat. Eine solche Verpflichtung besteht nämlich dann, wenn die Gebühr (hier übrigens über Antrag des Sachverständigen [vgl ON 61 und 99]) vor Eintritt ihrer rechtskräftigen Bestimmung gezahlt und durch einen nachträglichen Beschluss oder eine Rechtsmittelentscheidung herabgesetzt wurde (vgl auch EBRV 303 BlgNR 23. GP 52 zur Vorgangsweise, wenn allenfalls Kostenersatzpflichtige erst nach Auszahlungsanordnung der Staatsanwaltschaft [§ 52 Abs 3 erster Satz GebAG] dem Verfahren beigezogen werden). Vorliegend sind die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Mai 2011 (ON 161 und 162) zufolge der in Punkt 2 aufgezeigten Gesetzesverletzung Priska L***** gegenüber nicht in Rechtskraft erwachsen (vgl zum Begriff der Rechtskraft Ratz , WK-StPO Vor § 280 Rz 3; Lewisch , WK-StPO Vor §§ 352-363 Rz 10 ff). Eine (unter grundrechtlichen Gesichtspunkten) unzulässige Rechtskraftdurchbrechung steht daher nicht in Rede.

Eine gänzliche Aufhebung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Wien vom 3. September 2012, AZ 23 Bs 299/12g, 300/12d, war dem Antrag der Generalprokuratur zuwider nicht erforderlich, weil eine nachteilige Wirkung der zu den Punkten 2 und 3 aufgezeigten Gesetzesverletzungen auf die Abweisung der Beschwerden Dris. Erich M***** und Dris. Wolfgang C***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Mai 2012, GZ 351 HR 80/12k 162, nicht ersichtlich ist.

In weiterer Folge werden die in den Punkten 2 und 3 bezeichneten Zustellungen nachzuholen sein. Danach wird das Oberlandesgericht Wien erneut über die Beschwerden Dris. Erich M***** (ON 165) und Dris. Wolfgang C***** (ON 166) im gegen den Beschluss ON 161 gerichteten Umfang sowie über allenfalls von Priska L***** erhobene Beschwerden gegen die Beschlüsse ON 161 und 162 nach Einhaltung der in § 41 Abs 1 zweiter Satz GebAG geregelten Vorgangsweise zu entscheiden haben.

Um sicherzustellen, dass sich aus einer durch die konkrete Wirkung ermöglichten neuerlichen Bestimmung der Sachverständigengebühren im Zusammenhang mit dem Gutachten vom 13. Mai 2011 (ON 60) keine nachteilige Wirkung für Dr. Erich M***** und Priska L***** ergibt, war in diesem Zusammenhang eine Haftungsbeschränkung mit 4.000 Euro (pro Beschuldigtem) auszusprechen (RIS-Justiz RS0059218), welcher Betrag mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vor der nunmehr kassierten Entscheidung (vgl Ratz , WK-StPO § 292 Rz 35) bestimmt worden war. Ein solcher Ausspruch war mangels neuerlicher Entscheidung über die Beschwerde des Sachverständigen gegen den Beschluss ON 162 nicht erforderlich.

Rechtssätze
5
  • RS0124740OGH Rechtssatz

    11. März 2024·3 Entscheidungen

    Die Erneuerungsmöglichkeit (auch ohne vorangegangene EGMR-Entscheidung) bedeutet keine unzulässige Beschränkung des aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) iVm der Präambel der Konvention abgeleiteten Anspruchs auf Rechtssicherheit, maW auf Respektierung der - nach Maßgabe nur des innerstaatlichen Rechtsschutzsystems zu beurteilenden - Rechtskraft von Entscheidungen durch den Staat selbst. In Strafsachen ist die Aufhebung eines grundrechtswidrigen Schuldspruchs des untergeordneten Strafgerichts zum Vorteil des Angeklagten stets möglich. Wurde hingegen über zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren entschieden, ist die Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft grundsätzlich auch unter dem Aspekt einer iSd Art 1 des 1. ZPMRK geschützten Position zu prüfen: Bei untrennbar mit einem Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) verbundenen Zusprüchen (§ 366 Abs 2 StPO) prävaliert im Strafverfahren der Schutz des Angeklagten; für den Privatbeteiligten allenfalls nachteilige Wirkungen einer Aufhebungsentscheidung wären als Schadenersatzansprüche im Amtshaftungsverfahren geltend zu machen. Wird hingegen ausnahmsweise im Strafverfahren über - vertragsautonom iSd Art 6 MRK betrachtet - zivilrechtliche, nicht akzessorische Ansprüche entschieden (§§ 6 ff, 9 f MedienG), ist die Entscheidung in der Sache, also auch die Aufhebung der Entscheidung des untergeordneten Strafgerichts jedenfalls dann möglich, wenn der Antragsgegner (als zuvor am Verfahren Beteiligter) einen Erneuerungsantrag unter den oben dargestellten strikten Voraussetzungen gestellt hat, gleichviel, ob die Aufhebung in Stattgebung dieses Antrags oder einer aus dessen Anlass erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erfolgt. Lediglich bei einer nicht von einem Antrag nach § 363a StPO begleiteten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (oder einem Antrag gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO) kann von dem Ermessen iSd § 292 letzter Satz StPO nicht Gebrauch gemacht werden, während die Feststellung der zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten sich auswirkenden Gesetzes-(Konventions-)verletzung stets (auch zugunsten des Privatanklägers bzw Antragstellers im vorangegangenen Verfahren) möglich ist, weil durch sie die geschützte Rechtsposition eines anderen Verfahrensbeteiligten - iS etwa eines Verstoßes gegen das Verbot der reformatio in peius - nicht tangiert wird. Diese höchstgerichtliche Feststellung einer Gesetzesverletzung hat im Übrigen Bindungswirkung in einem allfälligen Amtshaftungsverfahren und ist solcherart geeignet, die Opfereigenschaft iSd Art 34 MRK zu beseitigen.