JudikaturJustiz15Os74/21b

15Os74/21b – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. September 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Mag. Lampret in der Strafsache gegen Mag. * S* wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten * R* gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 13. Oktober 2020, GZ 39 Hv 94/19x 136, weiters über die Beschwerde der Privatbeteiligten R* gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 28. Mai 2021 (ON 156), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Mag. S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Die Beschwerde der Privatbeteiligten R* wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil Mag. * S* jeweils des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (A./) und der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB (B./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in S*

A./1./ bis 23./ im Zeitraum von 2013 bis zum 12. Juli 2017 in insgesamt 23 im Urteil konkretisierten Angriffen ein ihm als Rechtsanwalt und Treuhänder zur Abwicklung von Rechtsgeschäften anvertrautes Gut, nämlich aus Kaufverträgen, der Rückabwicklung eines Kaufvertrags und der Umschuldung von Krediten resultierende Treuhandgelder in Höhe von insgesamt 2.667.665,69 Euro sowie zur Begleichung von Grunderwerbsteuern, Immobilienertragsteuern und gerichtlichen Eintragungsgebühren übergebene Geldbeträge in Höhe von insgesamt 159.440,78 Euro, nicht vertrags- und widmungsgemäß weitergeleitet, sondern sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern;

B./ seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch einen anderen in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, indem er

1./ als zur Einkommens- und Vermögensverwaltung bestellter einstweiliger Sachwalter für * P* am 24. April 2017 (US 10) von einem ihrer Sparbücher 317.935 Euro abhob und für sich und die Schadensgutmachung in anderer Sache verwendete;

2./ als für finanzielle Angelegenheiten bestellter Sachwalter für * St* einen von diesem am 3. Oktober 2016 ausgehändigten, aus einer Pensionsnachzahlung stammenden Geldbetrag von 11.400 Euro am selben Tag auf ein ihm gehöriges Sammelanderkonto einzahlte, jedoch nicht auf das Treuhandkonto des Betroffenen überwies (US 11) , sondern für sich und die Schadensgutmachung in anderer Sache verwendete.

[3] Aufgrund der am 9. August 2019 erfolgten Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers für den Angeklagten (ON 1 S 31) wurde Rechtsanwalt Mag. Dr. * L* mit Bescheid der oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 14. August 2019 gemäß § 62 Abs 1 StPO als Verteidiger bestellt (ON 85). Mit Schriftsatz vom 26. August 2019 gab Rechtsanwalt Mag. * W* bekannt, dass er vom Verfahrenshilfeverteidiger gemäß § 14 RAO substituiert wurde und er sich auf die ihm mündlich erteilte Substitutionsvollmacht berufe. Weiters beantragte er , „alle Zustellungen zu seinen Handen vorzunehmen, soweit sie nicht ausschließlich an den Antragsteller (ersichtlich gemeint: den Angeklagten) zu erfolgen haben“ (ON 87). Nach – im Anschluss an die Urteilsverkündung erfolgter (ON 135 S 21) – Anmeldung der Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wurde die Urteilsabschrift am 8. Jänner 2021 – dem Einwand der Nichtigkeitsbeschwerde zuwider – wirksam (§ 285 Abs 1 StPO) dem für die gesamte Dauer des gegenständlichen Strafverfahrens bevollmächtigten (vgl § 8 Abs 1 zweiter Satz RAO) Substituten des bestellten Verfahrenshilfeverteidigers zugestellt (RIS Justiz RS0071976 [T3]). Dieser brachte für den Angeklagten am 4. Februar 2021 (ON 143) sowie am 26. Mai 2021 (ON 153) eine Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel ein, eine weitere A usführung brachte der bestellte Verfahrenshilfeverteidiger Dr. L* am 26. Mai 2021 beim Erstgericht ein (ON 155).

Rechtliche Beurteilung

[4] Zufolge des Gebots der Einmaligkeit der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285 Abs 1 StPO; vgl RIS Justiz RS0100152; Ratz , WK StPO § 285 Rz 2 f, 6 f) war nur auf die erste für den Angeklagten eingebrachte Rechtsmittelschrift Rücksicht zu nehmen. Diese auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt aber ihr Ziel.

[5] Die aus Z 3 ergriffene Beschwerde behauptet, das Schöffengericht hätte bestehende Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten vor Beginn der Hauptverhandlung am 13. November 2019 beheben müssen.

[6] Sie geht daran vorbei, dass als Hauptverhandlung (auch iSd Z 3) nur – mag auch an verschiedenen Tagen verhandelt worden sein – diejenige gilt, die der Urteilsfällung unmittelbar vorangeht (RIS Justiz RS0117403), gegenständlich aber die Verhandlung am 7. Oktober 2020 gemäß § 276a StPO neu durchgeführt wurde, weshalb jene vom 13. November 2019 rechtlich bedeutungslos ist (vgl ON 133 S 2 und 4; RIS Justiz RS0099033; Danek/Mann , WK StPO § 276a Rz 11).

[7] Im Übrigen liegt Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO ausschließlich bei in der Hauptverhandlung erfolgter Verletzung oder Missachtung einer der in dieser Gesetzesstelle taxativ aufgezählten oder in (nach Inkrafttreten der StPO erlassenen) Nebengesetzen enthaltenen, ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit zu beobachtenden – gegenständlich gar nicht angesprochenen – Bestimmungen vor (RIS Justiz RS0099118; Ratz , WK StPO § 281 Rz 193).

[8] Mit der bloßen Behauptung (nominell Z 3 und 4, der Sache nach nur Z 3) eines Zustellanstands bei der Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung am 13. November 2019 wird ein Verstoß gegen § 221 Abs 2 StPO in Bezug auf die Hauptverhandlung vom 7. Oktober 2020 nicht aufgezeigt.

[9] Das Vorbringen (nominell Z 4), das Erstgericht habe trotz Bestehens einer Herzinsuffizienz beim Angeklagten „keinerlei Feststellungen zur Frage der Verhandlungsfähigkeit oder Verhandlungsunfähigkeit“ getroffen, bringt einen Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungskonform zur Darstellung. Gleiches gilt für die in diesem Zusammenhang erhobene Kritik, die Angaben des Sachverständigen Dr. * H* zur Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten seien „nicht lege artis“ und das Erstgericht habe das gegenständliche Verfahren „regelrecht durchpeitschen“ wollen.

[10] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 7. Oktober 2020 gestellten Antrags auf Ausschluss der Öffentlichkeit, um den in der Verhandlung zu erörternden Gesundheitszustand des Angeklagten der Öffentlichkeit nicht zugänglich zu machen (ON 133 S 3), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Der Antrag wurde damit begründet, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit dem Angeklagten „ ein großes Anliegen“ wäre, weil sein Gesundheitszustand erörtert werde und er nicht möchte, „dass das irgendwo in den Medien dann herumgetragen wird“, weiters im Verhandlungssaal anwesende Leute ihn kennen würden und diesen sein Gesundheitszustand nicht zugänglich sein soll, darüber hinaus ein Sachverständiger anwesend sei und der Antragsteller nicht möchte, „dass hier die Öffentlichkeit Einblick hat“. Damit wurden aber – bei Anlegung eines strengen Maßstabs – nicht Gründe vorgebracht, denen zufolge der Ausnahmetatbestand des § 229 Abs 1 Z 2 StPO im konkreten Fall unzweifelhaft vorgelegen wäre (RIS Justiz RS0098334 [T4], RS0053667; vgl Danek/Mann , WK StPO § 229 Rz 1, 5/1).

[11] Die Begründung des den Antrag abweisenden Zwischenerkenntnisses, es sei keiner der im Gesetz angef ührten Gründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit erfüllt (ON 133 S 3), steht als solche nicht unter Nichtigkeitssanktion, wenn dem Antrag auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs – bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung – keine Berechtigung zukam (RIS Justiz RS0116749).

[12] Grundlage einer Verfahrensrüge nach Z 4 können nur in der Hauptverhandlung gestellte Anträge sein. Diese Voraussetzung erfüllen außerhalb jener in Schriftsätzen eingebrachte Anträge nur, wenn sie vom Antragsteller in der Hauptverhandlung wiederholt wurden (RIS Justiz RS0099099 [T1, T6]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 309 f).

[13] Indem sich die Beschwerde gegen den außerhalb der Verhandlung gefassten, den Antrag des Beschwerdeführers auf Vertagung der Hauptverhandlung abweisenden Beschluss des Vorsitzenden vom 6. Oktober 2020 (ON 1 S 55) wendet, bezieht sie sich nicht auf eine aus Z 4 anfechtbare Entscheidung. Das in der Hauptverhandlung hiezu erstattete Vorbringen, es werde „hinsichtlich des Beschlusses des Landesgerichtes Wels vom 6. Oktober 2020 die Nichtigkeit dieses Beschlusses gerügt“, dies „insbesondere nach § 281 Abs 1 Z 3 und 4 StPO“, und der Angeklagte behalte sich dazu die Einbringung einer Nichtigkeitsbeschwerde vor“ (ON 133 S 3), entspricht nicht einer prozessordnungskonformen Wiederholung des Vertagungsantrags.

[14] Zu Recht wies das Schöffengericht den in der Hauptverhandlung am 7. Oktober 2020 gestellten Antrag (ON 133 S 3) des Angeklagten auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. H* wegen Befangenheit ab (ON 133 S 4). Denn auf den Inhalt des schriftlichen Gutachtens gegründete Befangenheit eines Sachverständigen im Sinn des § 47 Abs 1 Z 3 (iVm § 126 Abs 4) StPO liegt nach Abgabe desselben nur vor, wenn zu erkennen ist, dass der Sachverständige sein Gutachten auch dann nicht ändern würde oder hiezu gewillt wäre, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen (RIS Justiz RS0115712). Solche Umstände wurden durch die Behauptung des Beschwerdeführers, der Sachverständige habe in der ergänzenden Stellungnahme vom 15. September 2020 überschießend ausgeführt, dass dem Angeklagten mit einer immer wieder hinausgeschobenen Verhandlung nicht gedient sei und die ständige Ungewissheit der Zukunft meist einen deutlich negativeren Einfluss auf Beschwerden und Krankheitsverlauf habe, weshalb dem Patienten aus medizinischer Sicht zu raten sei, das Gerichtsverfahren sobald wie möglich hinter sich zu bringen, nicht vorgebracht. Mit Kritik an der Begründung des Schöffengerichts zur Antragsabweisung entfernt sich die Beschwerde abermals vom Prüfungsmaßstab der Z 4 (RIS Justiz RS0116749 [T9]).

[15] Der Antrag (ON 133 S 12) auf Einholung eines Buchsachverständigengutachtens „für den Zeitraum laut Anklage 2013 bis 12. Juli 2017“ „zum Beweis der tatsächlichen Geldströme und zum Beweis der tatsächlichen Schadenshöhe, insbesondere am Sammelanderkonto der A* mit dem IBAN *“ konnte – der Beschwerde (Z 4) zuwider – ebenfalls ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden (ON 135 S 4). Denn einerseits ließ der Antrag durch den bloßen Hinweis auf die „tatsächlichen Geldströme“ nicht unmissverständlich erkennen, dass er einen für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage erheblichen Umstand betrifft (RIS Justiz RS0118444, RS0116503; Ratz , WK StPO § 281 Rz 321), andererseits erklärte er unter dem Aspekt der Schadenshöhe nicht, warum zur Lösung dieser Frage besonderes Fachwissen erforderlich sein sollte, über das das erkennende Gericht nicht verfügte (vgl § 126 Abs 1 StPO). Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe sind angesichts des sich aus dem Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).

[16] Zu A./ behauptet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) einen substanzlosen Gebrauch der verba legalia in Ansehung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 10), denen zufolge der Angeklagte jeweils wusste, dass er ihm anvertraute Geldbeträge (auch in 300.000 Euro übersteigendem Umfang) für sich, seinen Kanzleiaufwand, seine Familienmitglieder und die Schadensgutmachung in anderer Sache verwendete, und dies auch wollte, er weiters wusste, dass weder er noch sonst jemand (außer den aus dem jeweiligen Rechtsgeschäft Berechtigten) Anspruch auf das Geld hatte, sich damit abfand und dennoch mit dem Ziel handelte, sich „bzw.“ andere zu bereichern. Sie leitet aber nicht – unter Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RIS Justiz RS0099810), insbesondere die von den kritisierten Konstatierungen umfassten Tathandlungen (US 6 ff) – aus dem Gesetz ab, warum es den getroffenen Feststellungen am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS Justiz RS0119090 [T1, T2, T3]).

[17] Dass diese Feststellungen für einen Schuldspruch nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB „nicht ausreichen“, behauptet die Beschwerde ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz (RIS Justiz RS0116565).

[18] Mit der Behauptung, die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz würden „in den tatsächlichen Feststellungen des Urteils keine Deckung“ finden, wird Nichtigkeit nicht aufgezeigt.

[19] Die zu B./ erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a) richtet sich ebenfalls gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 11), denen zufolge der Angeklagte jeweils wusste, dass er als „für diese Angelegenheiten“ bestellter Sachwalter befugt war, über das Vermögen zu verfügen, durch seine Handlung seine Befugnis missbrauchte, also in unvertretbarer Weise gegen Regeln verstieß, die dem Vermögensschutz der Betroffenen dienten, dennoch handelte und es dabei zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass die Betroffenen durch seine Handlung in 300.000 Euro übersteigenden Beträgen am Vermögen geschädigt würden. Indem die Beschwerde die Feststellungen lediglich als unzureichend kritisiert, ohne zu erklären, warum diese einen Schuldspruch nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB nicht tragen sollten, unterlässt auch sie die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (vgl US 10 f) und einen aus dem Gesetz entwickelten Einwand.

[20] Mit der zu beiden Schuldsprüchen aufgestellten Behauptung, es gebe im gesamten Beweisverfahren keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte „von Anbeginn seines rechtswidrigen Verhaltens bis zum Schluss“ vorsätzlich und geplant gehandelt hätte, weshalb das Gericht eine Abgrenzung zum grob fahrlässigen Verhalten vornehmen und sich damit bei der subjektiven Tatseite „entsprechend auseinandersetzen“ hätte müssen, wird lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichts kritisiert.

[21] Die zu A./ und B./ gleichermaßen erhobene Subsumtionsrüge (Z 10) richtet sich gegen die jeweils angenommene Wertqualifikation und behauptet zunächst, das Erstgericht hätte feststellen müssen, „inwiefern“ sich der Angeklagte „im Klaren darüber war bzw. positiv gewusst“ hat, welchen Schaden er „der Höhe nach genau“ durch die angelasteten Verhaltensweisen verursacht hat. Warum die getroffenen, im Rahmen der Erledigung der Rechtsrüge wiedergegebenen Feststellungen zum jeweils auch die Überschreitung der Wertgrenze umfassenden Vorsatz des Angeklagten eine Subsumtion jeweils dem zweiten Fall des § 133 Abs 2 sowie des § 153 Abs 3 StGB nicht tragen sollten, erklärt die Beschwerde nicht.

[22] Weiters behauptet die Rüge, das Erstgericht hätte bei der Ermittlung der Schadenshöhe Zahlungen einerseits aus dem Vertrauensschadensfond der oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, andererseits der Haftpflichtversicherungen des Angeklagten berücksichtigen müssen, weil diese jeweils einen präsenten Deckungsfond darstellen würden und als Schadensgutmachung anzusehen seien, weshalb zu A./ und B./ jeweils ein 300.000 Euro nicht übersteigender Schaden vorliege.

[23] Sie argumentiert dabei zu A./ unter dem Aspekt eines präsenten Deckungsfonds nicht auf Basis der Entscheidungsgründe, sondern vernachlässigt die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz des Angeklagten (US 10). Im Übrigen liegt ein – einen solchen Vorsatz allenfalls ausschließender – präsenter Deckungsfond nur vor, wenn der Täter im Zeitpunkt der Zueignungshandlung zum sofortigen oder zumindest unverzüglichen Ersatz (in Höhe der zugeeigneten Sache) willens und fähig ist und die Ersatzfähigkeit nicht von Entscheidungen Dritter abhängt (vgl RIS Justiz RS0094326, RS0094283 [T4], RS0094486 [T3]; Salimi in WK 2 StGB § 133 Rz 109 f).

[24] Warum wiederum die zu A./ großteils erfolgte Schadensgutmachung durch die österreichische Rechtsanwaltskammer (US 7 ff) für die Subsumtion nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB maßgeblich sein soll, obwohl die Veruntreuung mit Zueignung des anvertrauten Guts vollendet ist (RIS Justiz RS0094038; Salimi in WK 2 StGB § 133 Rz 116), leitet die Beschwerde nicht aus dem Gesetz ab.

[25] Zu B./ legt die Beschwerde mit dem Vorbringen nicht methodengerecht dar, warum ein präsenter Deckungsfond oder eine Schadensgutmachung für die Tatbestandsmäßigkeit des § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB von Bedeutung sein sollte (vgl RIS Justiz RS0095462, RS0094634; Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 153 Rz 40).

[26] Durch in diesem Zusammenhang geäußerte Kritik am Unterbleiben einerseits der Beiziehung eines Buchsachverständigen und andererseits der Einsicht in den Konkursakt des Beschwerdeführers sowie Überlegungen zu einer „bestenfalls“ abzuleitenden groben Fahrlässigkeit desselben, weil die Privatentnahmen im Vergleich zum Kanzleiumsatz „in angemessener Höhe und keinesfalls außerhalb des Rahmens“ gelegen seien, sodass dem Angeklagten „keinerlei Unregelmäßigkeiten auffallen mussten“, wird ein Nichtigkeitsgrund nicht zur Darstellung gebracht.

[27] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[28] Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen resultiert aus § 285i StPO.

[29] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

[30] Zur Beschwerde:

[31] Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Vorsitzende des Schöffengerichts den Antrag (ON 144) der Privatbeteiligten * R* auf Berichtigung im Hinblick auf ihre nach Urteilsverkündung abgegebene, im Hauptverhandlungsprotokoll festgehaltene (ON 135 S 21) Rechtsmittelerklärung abgewiesen (ON 156).

[32] Die dagegen erhobene Beschwerde der Privatbeteiligten ist unzulässig. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung abgegebene Rechtsmittelerklärungen sind zwar zu protokollieren (vgl § 95 StPO), jedoch – weil sie keinen Gegenstand der Hauptverhandlung bilden – nicht Gegenstand einer Beschlussfassung nach § 271 Abs 7 StPO. Ein dennoch unter Berufung auf diese Vorschrift ergangener Beschluss ist wirkungslos, weshalb eine auf diesen gestützte Beschwerde – mangels des vom Gesetz geforderten Bezugspunkts dieses Rechtsmittels (nämlich eines Beschlusses nach § 35 Abs 2 erster Fall StPO) – zurückzuweisen ist (zum Ganzen RIS Justiz RS0125616; Danek/Mann , WK StPO § 271 Rz 2/3 und 42/3).

Rechtssätze
16
  • RS0125616OGH Rechtssatz

    15. September 2021·3 Entscheidungen

    Die Anmeldung von Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung ist, selbst wenn sie unmittelbar nach der (noch zur Hauptverhandlung im weiteren Sinn zählenden - § 268 zweiter Satz StPO) Rechtsmittelbelehrung erfolgt, nicht mehr Gegenstand der mit dieser jedenfalls endenden Hauptverhandlung. Wird „im Zuge" der Urteilsverkündung ein Rechtsmittel angemeldet, ist dieser Vorgang zwar zu protokollieren (§ 84 Abs 2 erster Satz StPO); dieser Protokollsinhalt gehört aber nicht zu dem „über die Hauptverhandlung" aufzunehmenden Protokoll des § 271 StPO, hinsichtlich dessen die - solcherart als Ausnahme angelegte (mit BGBl I 2004/164 eingefügte) - Vorschrift des § 271 Abs 7 StPO beschlussförmige (§ 35 Abs 2 erster Fall StPO) und mit Beschwerde bekämpfbare Berichtigung kennt. Demnach sind innerhalb derselben Gerichtssitzung unmittelbar nach der Urteilsverkündung abgegebene Rechtsmittelerklärungen (auch der Staatsanwaltschaft nach §32 Abs 1 StAG) zwar - der Übersichtlichkeit halber im Anschluss an Urteilsspruch (§ 271 Abs 1 Z 7 StPO) und der „zugleich" (§ 268 zweiter Satz StPO) erteilten Rechtsmittelbelehrung - zu protokollieren, jedoch nicht Gegenstand einer Beschlussfassung nach § 271 Abs 7 StPO. Ein gleichwohl unter Berufung auf diese Vorschrift ergangener Beschluss ist wirkungslos. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde ist mangels des vom Gesetz geforderten Bezugspunkts dieses Rechtsmittels (nämlich eines Beschlusses nach § 35 Abs 2 erster Fall StPO) zurückzuweisen.

  • RS0115712OGH Rechtssatz

    25. April 2023·3 Entscheidungen

    Die - außer dem Fall des § 252 Abs 1 StPO - in dessen Abhörung bestehende Beiziehung eines Sachverständigen zur Hauptverhandlung kann durch das Vorbringen erheblicher Einwendungen verhindert werden, auch wenn dieser bereits ein schriftliches Gutachten abgegeben hat (EvBl 1997/82). Nach § 248 Abs 1 erster Satz StPO hat das Gericht bei der Beurteilung solcher Einwendungen auf ihre rechtliche Erheblichkeit die für den Untersuchungsrichter in der Voruntersuchung erteilten Vorschriften zu beobachten, soweit sie nicht ihrer Natur nach als in der Hauptverhandlung unausführbar erscheinen. Auf den Anschein der Befangenheit gestützte Einwendungen sind dabei von solchen zu scheiden, die mit mangelnder Sachkenntnis der als Sachverständiger abzuhörenden Person begründet werden. Ob sich die als Sachverständiger beizuziehende Person schon vor der Hauptverhandlung eine Meinung über den Fall gebildet hat, ist für die Beurteilung des Anscheins der Befangenheit schon deshalb ohne Bedeutung, weil eine vorläufige Meinungsbildung spätestens mit Abgabe des schriftlichen Gutachtens füglich nicht mehr zu bestreiten ist und solcherart ansonsten kein mit der Abgabe eines schriftlichen Gutachtens beauftragter Gutachter in der Hauptverhandlung abgehört werden dürfte - ein Ergebnis das offen den Verfahrensgesetzen widerspricht und den Grundsatz indirekt als zutreffend erweist. Abhörung oder Verlesung des abgegebenen schriftlichen Gutachtens sind infolge Anscheins von Befangenheit vielmehr nur dann unzulässig, wenn zu erkennen ist, dass der Sachverständige sein Gutachten auch dann zu ändern nicht gewillt sein werde oder würde, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen. Allein aus einer vom Gutachtensauftrag nicht erfassten und daher unangebrachten rechtlichen Beurteilung zur Stellungnahme übermittelter Texte kann eine solche Befürchtung jedoch nicht abgeleitet werden. Von vornherein unbedenklich sind Aussagen wissenschaftlicher Publikationen aus dem Sachbereich des Gutachtensauftrages. Sie indizieren Befähigung, nicht Befangenheit. Wurde das schriftliche Gutachten bereits abgegeben, bedarf es zur Beiziehung eines weiteren Sachverständigen wegen fehlender Sachkenntnis des Beauftragten eines an den Kriterien der §§ 125 f StPO ausgerichteten Antragsvorbringens. Denn auch der Untersuchungsrichter hätte sich daran auszurichten (§ 248 Abs 1 erster Satz StPO).