JudikaturJustiz15Os64/22h

15Os64/22h – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Mag. Buttinger als Schriftführer in der Strafsache gegen * B* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * B* sowie die Berufungen des Angeklagten * P* und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 31. März 2022, GZ 80 Hv 116/21d 77, weiters über die Beschwerden der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen unter einem gefasste Beschlüsse auf Absehen vom Widerruf bedingter Entlassung und Verlängerung der Probezeit nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wehofer, der Angeklagten und ihrer Verteidiger Mag. Rauf und Mag. Paulsen

I. zu Recht erkannt:

Teils in Stattgebung, teils aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II./ ersatzlos und im den Angeklagten B* betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), demgemäß auch der ihn betreffende Beschluss gemäß § 494a StPO aufgehoben und insoweit in der Sache selbst erkannt:

* B* wird für das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB unter Anwendung der § 39 Abs 1 StGB und § 39a Abs 2 Z 4 iVm Abs 1 Z 5 StGB nach dem Strafsatz des § 143 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von

acht Jahren

verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte B* sowie die Staatsanwaltschaft – soweit sie sich gegen den diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch richtet – auf die Strafneubemessung verwiesen.

Den Berufungen des Angeklagten P* und der Staatsanwaltschaft diesen Angeklagten betreffend wird nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II. den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO wird vom Widerruf der bedingten Entlassung des * B* zu AZ 75 BE 37/21w des Landesgerichts Klagenfurt abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Mit ihren Beschwerden werden der Angeklagte B* und die Staatsanwaltschaft – soweit sie sich gegen diesen Angeklagten richtet – auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Beschwerde des Angeklagten P* und der ihn betreffenden Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass aus dem diesen Angeklagten betreffenden Beschluss auf Absehen vom Widerruf der bedingten Entlassung der Ausspruch über die Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre ersatzlos zu entfallen hat.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * B* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./) und * P* des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben am 20. August 2021 in K*

I./ * B* und * P* im bewussten und gewollten Zusammenwirken dem * K* mit Gewalt einen Bargeldbetrag in Höhe von 800 Euro mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem P* K* von hinten einen Tritt in die Kniekehle versetzte, während ihm B* unter Verwendung einer Waffe einen Schlag versetzte, nämlich ihm eine Bierflasche gegen den hinteren Scheitelbereich schlug, und sie K*, nachdem er zu Boden gestürzt war, Schläge und Tritte gegen den Körper versetzten und sich B* auf dessen Waden kniete, wodurch K* eine Platzwunde am rechten Hinterkopf, eine blutige Schürfwunde am linken Ellbogen, Abschürfungen am rechten Ellbogen und Prellungen im Wadenbereich links erlitt;

II./ * B* den * D* durch Versetzen eines Faustschlags gegen dessen Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch D* eine Platzwunde am linken Auge sowie aufgrund des Sturzes eine „Verletzung am Knöchel“ erlitt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*.

[4] Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von einer ungerügt gebliebenen, den Angeklagten B* belastenden materiell-rechtlichen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO).

[5] Nach den Urteilsfeststellungen wurden D* (und * Be*) aufgrund der Geräuschkulisse auf das Tatgeschehen (zu I./) aufmerksam und eilten dem Opfer zur Hilfe. Während Be* die Polizei verständigte, versuchte D* „physisch einzuschreiten“. Er wurde von den Angeklagten zunächst „bloß weggestoßen“ und schließlich schlug ihm „der Erstangeklagte mit einem gezielten Faustschlag ins Gesicht“, wodurch er zu Boden ging.

[6] Nachdem sie das Geld erlangt hatten, liefen die beiden Angeklagten davon und teilten es untereinander auf. Der Faustschlag des B* gegen D* erfolgte bewusst und gewollt, „um den Raub vollenden zu können“ (US 7 f). Das Tatgeschehen zu I./ war somit im Zeitpunkt der Gewaltanwendung gegen D* (II./) noch nicht abgeschlossen.

[7] Die konstatierte „Verteidigungsbereitschaft“ des D* macht diesen zu einem geeigneten Adressaten der beim Raub eingesetzten Gewalt („verteidigungsbereiter Dritter“; vgl RIS Justiz RS0131119; Eder-Rieder in WK² StGB § 142 Rz 27; Hintersteininger in SbgK, § 142 Rz 19 Leukauf/Steininger/Flora , StGB 4 § 142 Rz 7, Kienapfel/Schmoller , StudB BT II § 142 Rz 21). Ausgehend von einer – nach den Urteilsannahmen vorliegenden – tatbestandlichen Handlungseinheit (vgl RIS Justiz RS0122006), welche zur Erlangung des Bargelds des K* auch die Schlagführung gegen D* umfasste, erweist sich die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion auch unter § 83 Abs 1 StGB als verfehlt, weil bei strafbaren Handlungen, bei denen der Eintritt schwerer Verletzungsfolgen zu einem höheren Strafsatz führt (hier: § 143 Abs 2 StGB), die Zufügung einer leichten Körperverletzung infolge scheinbarer Idealkonkurrenz (Konsumtion) verdrängt wird (vgl RIS Justiz RS0092619).

[8] Dieser Subsumtionsfehler erforderte die ersatzlose Aufhebung des Schuldspruchs II./.

[9] Zutreffend zeigt die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) überdies auf, dass das Erstgericht das Höchstmaß der zugrunde gelegten Strafdrohung von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe (auch) beim Angeklagten B* gemäß § 39 Abs 1 StGB „um die Hälfte erhöhte“ (US 13), sohin rechtsfehlerhaft offenbar von einer Strafdrohung von einem bis zu 22,5 Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen ist und dadurch seine Strafbefugnis überschritten hat. Gemäß § 39 Abs 1 letzter Satz StGB darf nämlich die (angedrohte) zeitliche Freiheitsstrafe zwanzig Jahre nicht überschreiten ( Flora in WK² StGB § 39 Rz 30).

[10] Die Überschreitung der Strafbefugnis bewirkte – und zwar unabhängig davon, ob die konkret verhängte Strafe innerhalb des rechtsrichtigen Strafrahmens liegt – Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StGB (RIS Justiz RS0099852).

[11] Dies sowie der von Amts wegen aufgegriffene Subsumtionsfehler (Schuldspruch II./) zwangen zur Aufhebung de s Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie des gemeinsam mit dem Urteil gefassten, den Angeklagten B* betreffenden Beschlusses nach § 494a StPO.

[12] Ein Eingehen auf das weitere gegen den Strafausspruch aus Z 11 erstattete Vorbringen erübrigte sich daher.

[13] Die Strafe war daher unter Anwendung der § 39 Abs 1 StGB und § 39a Abs 2 Z 4 iVm Abs 1 Z 5 StGB neu zu bemessen. Abs 1a des § 39 StGB war hingegen nicht in Anschlag zu bringen, weil das – hier aktuelle – Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB keine strafbare Handlung gegen Leib und Leben darstellt und somit nicht von jener Gesetzesstelle umfasst ist.

[14] Dies legen schon die Materialien zum Gewaltschutzgesetz 2019, BGBl I 2019/105, nahe, wonach die Taten des Abs 1a „nicht notwendigerweise gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sein“ müssen, sofern „sie nur einer der drei Deliktsgruppen zuzurechnen sind“ (IA 970/A XXVI. GP, 32). Das Abstellen auf „Deliktsgruppen“ verweist auf die Einteilung des Besonderen Teils des StGB nach Abschnitten und fügt sich so in den Regelsprachgebrauch des StGB ein (vgl zB § 21 Abs 3, § 23 Abs 1, § 52a Abs 1, § 107b Abs 2, § 220b Abs 1 StGB).

[15] Der von der – eine andere Rechtsmeinung vertretenden – Entscheidung 11 Os 46/22g hervorgehobene Verweis auf die „verknüpfende Wortwahl“ im zweiten Satzteil des Abs 1a trägt zu einer Klärung nicht bei. Denn die Formulierung des Gesetzes, die ersichtlich nur den sprachlichen Bezug zum ersten Satzteil herstellen und eine neuerliche Aufzählung vermeiden will, ist für die Auslegung neutral und lässt keine Präferenz des Gesetzgebers für eine der Varianten erkennen. Insofern setzt der Rekurs auf die „verknüpfende Wortwahl“ das Ergebnis der Auslegung, das erzielt werden soll, bereits voraus, prägt doch das (Vor )Verständnis des ersten Satzteils die Auffassung von der Bedeutung des zweiten Satzteils.

[16] Auch der Vergleich mit § 33 Abs 2 StGB stützt das Auslegungsergebnis des 11. Senates nicht. Denn die Materialien sprechen unterschiedslos einerseits von „Delikten gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität oder Selbstbestimmung“ und andererseits von „Delikten des zweiten Abschnitts“. Sie bieten somit keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber der ziffernmäßigen Bezeichnung einen anderen Bedeutungsgehalt zugemessen hat als der sprachlichen Umschreibung oder dass er dieser gar einen neuen, von der bisherigen Terminologie abweichenden Anwendungsbereich geben wollte. Zudem wird das in § 33 Abs 2 StGB statuierte zusätzliche Kriterium „unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung“ damit erklärt, dass sonst „Delikte wie räuberischer Diebstahl, Raub und Erpressung aus dem Anwendungsbereich fallen“ würden (IA 970/A XXVI. GP, 31 f; vgl zu einer ähnlichen Problematik die Textierung des § 21 Abs 3 StGB); ein Problembewusstsein in Bezug auf durch Gewalt oder gefährliche Drohung begangene Vermögensdelikte war somit gegeben.

[17] Unklar bleibt in diesem Zusammenhang, was unter dem Begriff der „rechtsgutbezogenen Betrachtung“ konkret verstanden werden soll, zumal auch die Kategorisierung von strafbaren Handlungen im ersten, dritten und zehnten Abschnitt rechtsgutbezogen ist und der Gesetzgeber den eine „rechtsgutbezogene Betrachtung“ implizierenden Begriff der „gleichen schädliche Neigung“ (§ 71 StGB: „… gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ...“) bewusst gerade nicht verwendet hat.

[18] Versteht man etwa den Begriff „strafbare Handlungen gegen Leib und Leben“ dahingehend, dass alle Taten gemeint sein sollen, bei denen es auch zu einer (wenn auch nur versuchten) Beeinträchtigung der körperlichen Integrität und Gesundheit gekommen ist oder eine solche intendiert war (zB §§ 169, 178, 184, 246, 269 StGB), so erscheint der potentielle Anwendungsbereich unbestimmt weit, konturlos und schwer abgrenzbar. Dieses Bestimmtheitsdefizit würde in der Praxis zu Unsicherheiten und damit zu einer fehlergeneigten Sanktionsfindung und – weil nichtigkeitsbedroht (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) – zu einem sachlich nicht gerechtfertigten und der Zielsetzung einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung widerstreitenden Rechtsmittelaufwand führen (zur Bedeutung von Komplexitätsreduktion und struktureller Vorhersehbarkeit für die Erzielung von Entscheidungssicherheit vgl Lendl , Der OGH und die Hauptverhandlung, ÖJZ 2022, 725 [728]).

[19] Gegen die hier gewählte Interpretation sprechen auch keine teleologischen Überlegungen, lässt sich doch aus dem Regelungszusammenhang eine Fokussierung des Gewaltschutzgesetzes 2019 gerade auf die Raub- und Suchtgiftkriminalität nicht erkennen. Vielmehr legt das als BGBl I 2019/105 in Kraft getretene Paket an polizeilichen, straf- und exekutionsrechtlichen, personenstands- und berufsrechtlichen Regelungen sein Augenmerk erkennbar auf Maßnahmen der Gewaltprävention und des Opferschutzes vor allem zum Schutz vor Gewalt- und Sexualverbrechen in Beziehungen und im häuslichen Bereich (970/A XXVI. GP, 24 f, 31 f).

[20] Bei der Strafneubemessung waren erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall, die Tatbegehung während offener Probezeit (RIS Justiz RS0090597, RS0090954) sowie die im Rahmen des Raubgeschehens z ugefügten Verletzungen zu werten, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis und die Sicherstellung der Raubbeute.

[21] Zwar fällt dem Angeklagten eine heimtückische Begehungsweise nicht erschwerend zur Last (§ 33 Abs 1 Z 6 StGB; vgl RIS Justiz RS0091882, RS0091888), andererseits kann – dem Vorbringen der Berufung des Angeklagten zuwider – auch von einer Tatbegehung nur aus Unbesonnenheit (§ 34 Abs 1 Z 7 StGB) bei dem mehrfach vorbestraften, alkoholisierten Täter gerade nicht die Rede sein (vgl RIS Justiz RS0091026, RS0090992).

[22] Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungs-gründe war die aus dem Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe dem Unrechtsgehalt der Tat und der der Schuld des Angeklagten angemessen.

[23] Mit Blick auf die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe kam eine auch nur teilweise bedingte Nachsicht der Strafe nicht in Betracht.

[24] Eines zusätzlichen Widerrufs der bedingten Entlassung zu AZ 75 BE 37/21w des Landesgerichts Klagenfurt bedurfte es angesichts der nunmehr zu verbüßenden Freiheitsstrafe nicht, doch war die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

[25] Mit ihren Berufungen und Beschwerden waren der Angeklagte B* ebenso wie die Staatsanwaltschaft – soweit sie sich auf diesen Angeklagten bezieht – auf diese Entscheidung zu verweisen.

[26] Über den Angeklagten P* wurde vom Erstgericht eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren verhängt.

[27] Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht das einschlägig getrübte Vorleben, die Tatbegehung während offener Probezeit und unter Beteiligung eines Mittäters sowie die heimtückische Begehungsweise als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis und die teilweise geleistete Schadensgutmachung.

[28] Diese Strafzumessungsgründe sind insofern zu modifizieren als – wie die Berufung der Staatsanwaltschaft zu Recht moniert – die beim Raubopfer eingetretene Verletzung den Schuldgehalt der Tat erhöht, während auch diesem Angeklagten heimtückische Begehungsweise (§ 33 Abs 1 Z 6 StGB) oder eine führende Beteiligung (§ 33 Abs 1 Z 4 StGB) nicht als Erschwerungsgrund zur Last fällt.

[29] Entgegen der Berufung des Angeklagten erhöht die Tatbegehung während offener Probezeit den Schuldgehalt der Tat, die Berücksichtigung dieses Umstands bei der Strafbemessung ist daher zulässig ( Fabrizy/ Michel Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 33 Rz 3/1; RIS Justiz RS0090954). Von einer mildernd zu wertend en Provokation durch das Opfer oder einer bloßen alkoholbedingten Unbesonnenheit kann jedoch keine Rede sein.

[30] Insgesamt haben die Tatrichter ein Strafmaß gefunden, dass dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld dieses Angeklagten angemessen ist. Die Berufungen des Angeklagten P* und der Staatsanwaltschaft in Bezug auf diesen Angeklagten ergaben somit k eine Notwendigkeit der Korrektur des Strafausspruchs. Ihnen war daher nicht Folge zu geben.

[31] Zutreffend zeigt die Beschwerde der Staatsanwaltschaft allerdings auf, dass die Probezeit zu der dem Angeklagten P* zu AZ 75 BE 82/20m des Landesgerichts Klagenfurt gewährten bedingten Entlassung bereits mit dem Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 26. Juni 2020, AZ 19 U 52/20y, auf fünf Jahre verlängert wurde, sodass die rechtsirrtümlich erfolgte Verlängerung der Probezeit durch das Erstgericht wirkungslos ist. Dies war klar zustellen (vgl RIS Justiz RS0101911, RS0091864; Jerabek/Roppper , WK StPO § 494a Rz 13). In Anbetracht der nunmehr verhängten mehrjährigen Freiheitsstrafe erschien es aber nicht erforderlich, zusätzlich den Widerruf dieser bedingten Entlassung auszusprechen, um P* von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

[32] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
14
  • RS0122006OGH Rechtssatz

    18. März 2024·3 Entscheidungen

    Soweit in früherer Rechtsprechung unter dem Begriff des „fortgesetzten Delikts" (nach Maßgabe zuweilen geforderter, indes uneinheitlich gehandhabter weiterer Erfordernisse) mehrere den gleichen Tatbestand (ob versucht oder vollendet) erfüllende, mit einem „Gesamtvorsatz" begangene Handlungen zu einer dem Gesetz nicht bekannten rechtlichen Handlungseinheit mit der Konsequenz zusammengefasst wurden, dass durch die je für sich selbständigen gleichartigen Straftaten doch nur eine einzige strafbare Handlung begründet würde, hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsfigur der Sache nach bereits mit der Bejahung ihrer prozessualen Teilbarkeit durch die Grundsatzentscheidung SSt 56/88 = EvBl 1986/123 aufgegeben. Seither reduziert er deren Bedeutung auf den unverzichtbaren Kernbereich der der Rechtsfigur zugrunde liegenden Vorstellung, den er als tatbestandliche Handlungseinheit bezeichnet. In der Anerkennung des Fortsetzungszusammenhangs bloß nach Maßgabe tatbestandlicher Handlungseinheiten liegt gezielte Ablehnung einer absoluten Sicht des fortgesetzten Delikts und ein Bekenntnis zur deliktsspezifischen Konzeption. Denn der Unterschied zwischen der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts und der tatbestandlichen Handlungseinheit besteht darin, dass die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aus dem allgemeinen Teil des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, die der tatbestandlichen Handlungseinheit aber gleichartige Handlungen nach Maßgabe einzelner Tatbestände zusammenfasst. Die Kriterien einer Zusammenfassung können demnach durchaus deliktsspezifisch verschieden sein, ohne dass daraus das ganze Strafrechtssystem erfassende Widersprüche auftreten. Von einer tatbestandlichen Handlungseinheit spricht man im Anschluss an Jescheck/Weigend5 (711ff) bei einfacher Tatbestandsverwirklichung, also der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten (tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn) und dort, wo es nur um die Intensität der einheitlichen Tatausführung geht (SSt 56/88), demnach bei wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden, sowie bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung, also der Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, etwa beim Übergang vom Versuch zur Vollendung oder bei einem Einbruchsdiebstahl in zwei Etappen (tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinn).