JudikaturJustiz15Os126/14i

15Os126/14i – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Januar 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Dr. Tiefenthaler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Darko A***** wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 3 zweiter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Juli 2014, GZ 63 Hv 76/14b 38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch zu A./I./ und B./ zugrundeliegenden Taten (auch) unter § 28a Abs 2 Z 1 SMG, demzufolge auch in der zu diesen Punkten jeweils erfolgten Annahme der Privilegierung nach § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Strafsache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Sanktionsrüge und seiner Berufung wird der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Darko A***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 3 zweiter Fall SMG (A./I./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A./II./) und der Verbrechen des Suchtgifthandels als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 3 zweiter Fall SMG (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A./ vorschriftswidrig Suchtgift

I./ in einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge, wobei er zuletzt im Jahr 2008 wegen einer Straftat entsprechend § 28a Abs 1 SMG (ua § 28a Abs 1, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG) verurteilt worden war, gewerbsmäßig anderen überlassen, nämlich Heroin mit einem Reinheitsgrad von zumindest 3 % (Diacetylmorphin), und zwar

1./ am 12. Februar 2014 dem abgesondert verfolgten Jovica J***** ca 60 Gramm Heroin;

2./ zwischen 12. und 19. Februar 2014 ca 130 Gramm Heroin dem abgesondert verfolgten Andrija V*****;

3./ von März bis 6. April 2014 dem Bernhard R*****, der Bettina D*****, dem Martin F***** und weiteren nicht ausgeforschten Suchtgiftabnehmern zumindest 15 Gramm Heroin,

wobei er selbst an Suchtgift, nämlich Heroin gewöhnt ist, und die Taten vorwiegend beging, um sich seinen Eigenkonsum zu finanzieren;

II./ und zwar Heroin, Kokain und Substitol, seit Februar 2013 bis zum 6. April 2014 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen;

B./ vor dem und bis zum 12. Februar 2014 (wobei er schon einmal wegen einer Straftat entsprechend § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war) gewerbsmäßig dazu beigetragen, dass der abgesondert verfolgte Milan P***** am 12. Februar 2014 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich 250 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 3 % Diacetylmorphin (US 5) aus Serbien aus und nach Österreich einführte, indem er „über Auftrag des abgesondert verfolgten Jovica J***** das Suchtgift am 12. Februar 2014 in Wien von Milan P***** übernahm“, wobei er selbst an Suchtgift, nämlich Heroin gewöhnt ist und „die Taten“ vorwiegend deshalb beging, um sich seinen Eigenkonsum zu finanzieren.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der zum Teil Berechtigung zukommt:

Die Subsumtionsrüge (Z 10) erhebt zu A./I./1./ den Vorwurf eines Feststellungsmangels (dazu Ratz , WK-StPO § 281 Rz 600 und 611), weil das Erstgericht klärende Konstatierungen zu der Frage unterlassen habe, „ob bei der Übernahme des Suchtgifts am 12. Februar 2014 Alleingewahrsam des Beschwerdeführers oder Mitgewahrsame des Beschwerdeführers gemeinsam mit Jovica J***** begründet wurde“, ohne - wie für die deutliche und bestimmte Bezeichnung materieller Nichtigkeit im angesprochenen Sinn erforderlich (RIS-Justiz RS0099689 [T6, T8]) aufzuzeigen, welche in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweisergebnisse sachverhaltsmäßige Anhaltspunkte für einen im Zeitpunkt der Übergabe aktuellen (Mit)Gewahrsam (vgl RIS-Justiz RS0088344, RS0112911, RS0088010) des Jovica J***** indiziert hätten und welche Feststellungen noch zu treffen gewesen wären. In der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur nachgetragene Argumente sind als prozessual verspätet unbeachtlich (RIS Justiz RS0097061).

Im Übrigen lassen die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte am 12. Februar 2014 vom Suchtgiftkurier P***** ein Paket (beinhaltend ua 250 g Heroin mit einem Reinheitsgrad von zumindest 3 % Diacetylmorphin) übernahm und dieses „in weiterer Folge“ (vereinbarungsgemäß) zu Jovica J***** brachte (US 5), keinen Zweifel daran, dass Letzterer vor der Übergabe an ihn noch keinen Gewahrsam am Suchtgift erlangt hatte (vgl RIS Justiz RS0115882 [T1]).

Weiters vermeint der Rechtsmittelwerber, „in der Rückgabe von Suchtgift an den Auftraggeber Andrija V*****“ (A./I./2./) sei „keine tatbestandsmäßige Überlassung“ zu sehen, weil die Abgabe an den eigenen Lieferanten oder an einen „Mittäter“ schon vom Wortsinn her keinen Suchgifthandel in der Variante des „Überlassens“ darstellen könne, zumal dadurch kein Suchtgift (im Sinn eines „Suchtgifthandels“) „in Verkehr gesetzt“ oder „potentiellen Konsumenten verfügbar gemacht“ werde. Solcherart wird zunächst nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 588 ff), weshalb die Delitksvariante „Überlassen“ in § 28a Abs 1 SMG eine andere Bedeutung als in § 27 Abs 1 Z 1 erster Fall SMG haben und daher ausschließlich die mit einem (im Rechtsmittel angesprochenen) „Güteraustausch“ vergleichbare (entgeltliche) Übergabe an Endabnehmer umfassen sollte. Die Rüge erklärt auch nicht, weshalb der Auftraggeber V***** ausgehend von den getroffenen Feststellungen (US 5 f) als „Mittäter“ (§ 12 erster Fall StGB; vgl RIS-Justiz RS0117320) anzusehen wäre oder im Zeitpunkt der Retournierung des Suchtgifts einen aufrechten (Mit- oder Über-)Gewahrsam (vgl RIS-Justiz RS0088010, RS0115882) gehabt haben soll. Damit wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund einmal mehr nicht prozessförmig zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0099810, RS0116565).

Die Beschwerdebehauptung, die zu A./I./1./ und A./I./2./ angelasteten Tathandlungen würden zur Gänze im Tatbeitrag (§ 12 dritter Fall StGB) zum Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (B./) „aufgehen“ (Z 10), vernachlässigt jene Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte bereits durch die vor der Einfuhr des Suchtgifts nach Österreich erteilte Zusage, das Suchgift in Wien zu übernehmen und weiterzugeben, einen ursächlichen (psychischen) Beitrag (vgl RIS-Justiz RS0090488) zu der erst im Hinblick darauf in der Folge konkret durchgeführten Schmuggelfahrt geleistet hat (US 6, 8). Aus welchem Grund aber die erst in Wien sodann auch tatsächlich erfolgten Übergaben, so auch jene an Jovica J***** (A./I./1./) eine Beteiligung an der mit dem Überschreiten der Staatsgrenze bereits vollendeten Ein- und Ausfuhr von Suchtgift (B./) darstellen sollen oder weshalb der Handlungsunwert des dem Angeklagten zur Last liegenden Verhaltens allein durch die Verurteilung wegen der Beteiligung an der Ein- und Ausfuhr abgegolten sein soll (vgl RIS-Justiz RS0118871), lässt die Beschwerde offen. Auch in diesem Punkt entspricht sie somit nicht den Anforderungen der Prozessordnung (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 581, 584, 593).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Im Recht ist sie hingegen mit dem Einwand (Z 10), dass die angefochtene Entscheidung mit Blick auf den kurzen Tatzeitraum in Bezug auf die Schuldspruchpunkte A./I./ und B./ keine Feststellungen zur zeitlichen Komponente der Intention des Beschwerdeführers enthält, sich durch wiederkehrende Delinquenz im Sinn des § 28a Abs 2 Z 1 SMG eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (dazu eingehend Jerabek in WK² StGB § 70 Rz 7; RIS Justiz RS0092527, RS0107402) und insoweit den unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion gebotenen Sachverhaltsbezug vermissen lässt (RIS Justiz RS0119090).

Überdies setzt die Annahme gewerbsmäßigen Handelns die Absicht des Täters zu den jeweiligen Tatzeitpunkten voraus, sich soweit hier von Interesse durch die wiederkehrende Ein und Ausfuhr bzw durch wiederkehrendes Überlassen von die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmengen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl RIS Justiz RS0109694). Klare Feststellungen in diesem Sinn sind dem angefochtenen Urteil gleichfalls nicht zu entnehmen (US 5 f).

Da bereits diese Rechtsfehler mangels Feststellungen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 8) eine Aufhebung der zu  A./I./ und B./ erfolgten rechtlichen Unterstellung der Taten (auch) unter § 28a Abs 2 Z 1 SMG erfordern und demnach auch zur Aufhebung des Strafausspruchs führen, erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen zur in Rede stehenden Subsumtion ebenso wie auf jenes zur Sanktionsrüge (Z 11).

Auf in späteren vom Angeklagten selbst verfassten Eingaben dargelegte Einwände gegen den Schuldspruch war mit Blick auf den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels nicht einzugehen (RIS Justiz RS0097055, RS0100152).

Somit war - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - das Urteil in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285i StPO). Mit seiner Sanktionsrüge und seiner Berufung war der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen. Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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