JudikaturJustiz13Os118/22k

13Os118/22k – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Mai 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Mai 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Rechtspraktikant Mag. Wunsch in der Finanzstrafsache gegen DI * M* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und Abs 3 lit b FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten DI * M* und * Me* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 10. Jänner 2022, GZ 122 Hv 13/19d 333, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten DI * M* wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2014 (Teil des Schuldspruchs A I) sowie in der zum Schuldspruch dieses Angeklagten (A I und B) gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im ihn betreffenden Strafausspruch, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden im Übrigen werden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte DI M* und die Staatsanwaltschaft, soweit sie sich gegen den diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch richtet, auf die Aufhebung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten * Me* und der Staatsanwaltschaft, soweit sie sich gegen den diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch richtet, werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden DI * M* (A I und B) und * Me* (A II) jeweils eines Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und Abs 3 lit b FinStrG schuldig erkannt.

[2] Danach haben im Bereich des (ehemaligen) Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg unter Verwendung falscher Beweismittel, nämlich sogenannter Scheinrechnungen, vorsätzlich

(A) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige , Offenlegungs oder Wahrheitspflicht Verkürzungen an Umsatzsteuer bewirkt, und zwar

(I) DI * M* als faktischer Geschäftsführer der I* GmbH durch Unterlassen der Abgabe von Jahressteuererklärungen für jedes der Veranlagungsjahre 2013 und 2014 um zusammen 1.061.142,76 Euro am 30. Juni des jeweiligen Folgejahres und

(II) * Me* als Geschäftsführer der T *gesellschaft m. b. H. am 30. März 2015 durch die Abgabe einer unrichtigen Jahressteuererklärung für das Veranlagungsjahr 2013 um 614.248,04 Euro, wobei es beim Versuch (§ 13 FinStrG) blieb (US 10 und 30), weiters

(B) DI * M* zur Ausführung des Finanzvergehens des * Me* laut Schuldspruch A II beigetragen (§ 11 dritter Fall FinStrG), indem er mit ihm den Tatplan entwarf und ihm Rechnungen, denen keine Lieferungen oder sonstigen Leistungen zugrunde lagen und die zur Aufnahme in die Buchhaltung bestimmt waren, beschaffte und vermittelte (US 13 f).

Rechtliche Beurteilung

[3] Ihre dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen der Angeklagte DI M * auf Z 3, 5 und 9 lit a, der Angeklagte Me* auf Z 5, 9 (richtig) lit a und 10 jeweils des § 281 Abs 1 StPO.

Zum zutreffenden Einwand des Angeklagten DI M * :

[4] Die abgabenrechtlichen Pflichten einer juristischen Person treffen auch den sogenannten faktischen Geschäftsführer, wenn er – wie nach den Urteilsfeststellungen (US 4 f) der Beschwerdeführer (seit dem Jahr 2009) für die I* GmbH – (auch) die abgabenrechtlichen Belange de facto wahrnimmt (RIS Justiz RS0086711 und RS0119794 [T2] sowie Lässig in WK 2 FinStrG § 11 Rz 2).

[5] Bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter zu bestellen (§ 80 Abs 1 IO). Für die Zeit seiner Bestellung ist dieser betreffend die Insolvenzmasse (§ 2 Abs 2 IO) – soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind – abgabenrechtlich Verantwortlicher des Schuldners im Sinn des § 80 BAO ( Ellinger/Sutter/Urtz , BAO 3 § 80 E 72 f).

[6] Insoweit trifft, wenn über das Vermögen einer GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen – und zwar auch für davor gelegene Zeiträume – ab dem der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzedikts folgenden Tag (§ 2 Abs 1 IO) nicht mehr die Geschäftsführer der Schuldnerin, sondern den Insolvenzverwalter ( Ellinger/Sutter/Urtz , BAO 3 § 80 E 61 f). Eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der Gesellschaft durch deren Geschäftsführer kommt demnach während des Insolvenzverfahrens nicht in Frage (10 Os 184/83 und 10 Os 54/84), es sei denn, der Schuldnerin stünde die Eigenverwaltung (§ 169 IO; vgl § 74 Abs 1 Z 3a IO idF BGBl I 2010/29) zu.

[7] Nach den Urteilsfeststellungen wurde über das Vermögen der I* GmbH mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 1. April 2015 „ein Konkursverfahren eröffnet“ (US 5). Ob ihr nach dem Inhalt des Insolvenzedikts die Eigenverwaltung zustand, wurde nicht festgestellt.

[8] Auf dieser Sachverhaltsbasis ist – wie die Rechtsrüge (Z 9 lit a) im Kern zutreffend aufzeigt – die rechtliche Annahme gerichtlicher Strafbarkeit des Beschwerdeführers (als unmittelbaren Täters) wegen Unterlassens der Abgabe einer Jahresumsatzsteuererklärung für das Veranlagungsjahr 2014 in Bezug auf die genannte Gesellschaft bis zum 30. Juni 2015 (Teil des Schuldspruchs A I) unschlüssig. Denn zu diesem Zeitpunkt hätte die entsprechende abgabenrechtliche Pflicht (zu den in § 134 Abs 1 erster und zweiter Satz BAO normierten Erklärungsfristen Lässig in WK 2 FinStrG § 33 Rz 36) – nach dem zuvor Gesagten – allein den Insolvenzverwalter getroffen.

[9] Der darin gelegene Rechtsfehler mangels Feststellungen (RIS Justiz RS0122332) führte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 289 StPO).

[10] Das weitere gegen den aufgehobenen Teil des Schuldspruchs gerichtete Beschwerdevorbringen des DI M * hat demnach auf sich zu beruhen.

[11] Die übrigen Beschwerdeeinwände verfehlen ihr Ziel.

Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten DI M * :

[12] Gestützt auf Z 3 (iVm § 260 Abs 1 Z 1 StPO), „hilfsweise auch unter dem Gesichtspunkt der Undeutlichkeit des Ausspruchs des Schöffengerichts über wesentliche Tatsachen“ (Z 5 erster Fall) beanstandet die Beschwerde, im „gesamten Erkenntnis“ werde „nicht spezifiziert“, „welche konkreten Rechnungen vom Gericht als Scheinrechnungen angenommen wurden“.

[13] Das Erstellen, Verschaffen oder Vermitteln einer bestimmten „Scheinrechnung“ kann unmittelbar (§ 11 erster Fall FinStrG) – als „Verwendung“ falscher Beweismittel – eines der (alternativen) Tatbestandsmerkmale des § 39 Abs 1 lit a FinStrG erfüllen (vgl Schuldspruch A I). Auch kann darin ein sonstiger Beitrag (§ 11 dritter Fall FinStrG) zur Ausführung eines Finanzvergehens gelegen sein (vgl Schuldspruch B). In diesem Fall kann es sich dabei um einen jener Tatumstände handeln, die den als begründet erachteten Strafsatz (hier §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und Abs 3 lit b FinStrG ) „bedingen“ (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO).

[14] Eine diesbezügliche Undeutlichkeit des Ausspruchs nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO (Z 3) liegt jedoch schon deshalb nicht vor, weil in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – die unter diesem Aspekt (ebenso wie umgekehrt bei Behandlung einer Rüge aus Z 5 erster Fall) mit jenem Ausspruch eine Einheit bilden ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 278 und 580; RIS Justiz RS0098795) – die tatverfangenen „Scheinrechnungen“ durch deutliche Verweisung (US 8 ff) auf sie konkret bezeichnende Aktenbestandteile unverwechselbar festgestellt sind (vgl RIS Justiz RS0124017 [T2]).

[15] Gegenstand des (verbleibenden) Schuldspruchs sind das Unterlassen fristgerechter Abgabe (A I) sowie die Unterstützung (§ 11 dritter Fall FinStrG) der Abgabe einer unrichtigen (B) Jahres umsatzsteuererklärung der I* GmbH (A I) und der T *gesellschaft m. b. H. (B) durch den Beschwerdeführer für das Veranlagungsjahr 2013. Vom Erstgericht getroffene Feststellungen (US 8 ff) zu einer – dem jeweils vorangegangenen – Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe § 21 UStG entsprechender Voranmeldungen für einzelne Kalendermonate des Jahres 2013 (§ 33 Abs 2 lit a FinStrG) liegen dem Schuldspruch nicht zugrunde.

[16] Schon aus diesem Grund bezieht sich die Kritik (nominell Z 5 erster und vierter Fall) an Urteilsaussagen über „Vorsteuerbeträge“, die „betreffend die I * “ sowie „[h]insichtlich der T*“ „mit der UVA 5/2013“ „geltend gemacht“ worden seien, nicht deutlich und bestimmt auf entscheidende – also für die Schuld oder die Subsumtionsfrage bedeutsame – Tatsachen (siehe dazu RIS Justiz RS0106268).

[17] Soweit sie (der Sache nach als Rechtsrüge) Feststellungen dazu vermisst, „welche Beträge mit den UVA 10/2013 und 11/2013 zu Unrecht geltend gemacht worden sein sollen“, wiederum macht sie nicht klar, weshalb derartige Feststellungen zur rechtsrichtigen Beurteilung erforderlich gewesen sein sollten (siehe aber RIS Justiz RS0116565).

[18] Sollten jene Einwände (Z 5 vierter Fall), die sich auf die Abgabe von „Umsatzsteuervoranmeldungen für die I *“ durch den Beschwerdeführer beziehen, als Bekämpfung den (verbleibenden) Schuldspruch A I (mit )tragender Feststellungen zum subjektiven Handlungselement (US 11 f) zu verstehen sein, sind sie im Übrigen auch deshalb nicht nach der Verfahrensordnung ausgerichtet (RIS Justiz RS0119370), weil sie die Gesamtheit der diesbezüglichen Urteilserwägungen (insbesondere US 21 und 24 ff) ignorieren.

[19] Gleiches gilt für den Vorwurf, es sei unbegründet (Z 5 vierter Fall) geblieben, dass – worin das Erstgericht erkennbar eine notwendige Bedingung für seine den Schuldspruch B tragenden Feststellungen erblickte (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 410) – der Beschwerdeführer „Kenntnis“ jener „Geschäfte“ hatte, die der „von Me* zu verantwortenden Abgabenhinterziehung“ zugrunde lagen (dazu US 16 f, 20 f und 24 f).

[20] Welche – angeblich unberücksichtigt gebliebenen (Z 5 zweiter Fall) – „Widersprüche“ in den (vom Schöffengericht ohnedies erwogenen [US 20 f]) Angaben des Zeugen B* welcher konkreten Feststellung einer entscheidenden Tatsache in welcher Hinsicht erörterungsbedürftig entgegenstehen sollten, macht die Rüge nicht deutlich.

[21] Das übrige Vorbringen erschöpft sich in einem Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Me * :

[22] Gegenstand des Schuldspruchs A II ist die Abgabe einer unrichtigen Jahres umsatzsteuererklärung der T *gesellschaft m. b. H. für das Veranlagungsjahr 2013. Vom Erstgericht darüber hinaus getroffene Feststellungen (US 10 f und 12) zu einer – dem vorangegangenen – Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe § 21 UStG entsprechender Voranmeldungen für einzelne Kalendermonate des Jahres 2013 (§ 33 Abs 2 lit a FinStrG) liegen diesem Schuldspruch nicht zugrunde.

[23] Indem sich die Beschwerde auf letztere Urteilsaussagen bezieht (nominell Z 5 und 10), geht sie schon deshalb ins Leere.

[24] Soweit die Mängelrüge (Z 5) – mit dem Ziel des Entfalls der Qualifikation des § 39 Abs 3 lit b FinStrG – deutlich genug eine Reduktion des strafbestimmenden Wertbetrags auf eine 500.000 Euro nicht übersteigende Summe (von 271.280,54 Euro) anstrebt, sei festgehalten:

[25] Nach den Urteilskonstatierungen hat der Beschwerdeführer – mit entsprechender Willensausrichtung (US 13) – die Jahresumsatzsteuererklärung der T *gesellschaft m. b. H. für das Jahr 2013 abgegeben und darin (unter anderem) 614.248,04 Euro an Umsatzsteuer aus Rechnungen geltend gemacht, denen bloß vorgetäuschte Geschäftsfälle zugrunde lagen. Dieser Betrag wurde jedoch im Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2013, der aufgrund der Ergebnisse einer Außenprüfung der Gesellschaft erlassen wurde, von vornherein nicht berücksichtigt (US 10, zur daher zutreffenden rechtlichen Annahme der Verwirklichung des Finanzvergehens nach § 33 Abs 1 FinStrG in der Entwicklungsstufe des Versuchs [§ 13 FinStrG] siehe RIS Justiz RS0087158).

[26] Im Hinblick darauf stehen – dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider – weder das „vom Verteidiger vorgelegte Abgabenkonto“ noch der Umstand, dass mit dem erwähnten Umsatzsteuerbescheid „nur eine Abgabenforderung von € 252.617,30 bemessen“ worden sei und „zuvor nur Vorsteuern von € 18.663,24 gutgeschrieben“ worden wären, den bekämpften (die Subsumtion nach der angesprochenen Qualifikationsnorm tragenden) Feststellungen erörterungsbedürftig entgegen.

[27] Eine – von der Rüge vermisste (Z 5 vierter Fall) – Begründung der diesbezüglichen Feststellungen zum subjektiven Handlungselement findet sich auf den US 15 ff, 21 ff und 28.

[28] Die gleichgerichtete Subsumtionsrüge (nominell auch Z „9a“, der Sache nach nur Z 10) versäumt es, ihre Argumentation auf der Basis der – mit Mängelrüge erfolglos bekämpften – Urteilsfeststellungen (US 10) zu entwickeln. Überdies macht sie nicht deutlich, weshalb es zur rechtsrichtigen Subsumtion darüber hinausgehender Feststellungen zum Ergebnis der Außenprüfung sowie zur bescheidmäßigen Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2013 mit (just) 271.280,54 Euro bedurft haben sollte.

[29] Solcherart bringt sie den herangezogenen (materiell rechtlichen) Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS Justiz RS0099810 und RS0116565).

[30] Das übrige Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) beschränkt sich darauf, ohne deutliche und bestimmte Bezugnahme auf entscheidende – also für die Schuld oder die Subsumtionsfrage bedeutsame (erneut RIS Justiz RS0106268) – Tatsachen

- Milderungsgründe (dazu RIS Justiz RS0099469) sowie das Tatmotiv (dazu RIS Justiz RS0088761) zu relevieren,

- (nicht konkret bezeichnete Feststellungen [RIS Justiz RS0130729], sondern) bloß beweiswürdigende Erwägungen des Schöffengerichts infrage zu stellen und

- aus vom Schöffengericht in Befolgung des Gebots zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) erörterten (US 15 ff, 19, 22 f, 23 und 27 f) Beweisergebnissen dem Beschwerdestandpunkt (gegenüber den vom Gericht gezogenen) günstigere Schlussfolgerungen einzufordern.

[31] Die Anfechtungskategorien der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall, dazu RIS Justiz RS0118316 sowie Ratz , WK StPO § 281 Rz 421) und der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall, dazu RIS Justiz RS0099431 sowie Ratz , WK StPO § 281 Rz 467) zieht die Rüge damit nur nominell heran.

[32] Es waren daher – erneut im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Nichtigkeitsbeschwerde des Me * zur Gänze sowie jene des DI M * im angeführten Umfang gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[33] Mit ihren Berufungen waren DI M * und die Staatsanwaltschaft, soweit sie sich gegen den diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch richtet, auf die Aufhebung zu verweisen.

[34] Über die Berufungen des Angeklagten Me * und der Staatsanwaltschaft, soweit sie sich gegen den diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch richtet, hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei hinzugefügt:

[35] Das Schöffengericht ging zwar zutreffend von fallkonkret gleichgünstiger Gesamtauswirkung der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts nach der zur Tatzeit und nach der zum Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz geltenden Normenlage aus (vgl US 30). Entgegen § 4 Abs 2 FinStrG, der (im Unterschied zu § 61 StGB) für diesen Fall die Anwendung des Tatzeitrechts (hier jeweils §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und Abs 3 lit c FinStrG idF vor BGBl I 2019/62 ) vorsieht, unterstellte es die (vom Schuldspruch jedes der Angeklagten umfassten) Taten jedoch §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und Abs 3 lit b FinStrG idgF (US 2, vgl US 30).

[36] Der darin gelegene Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) hat sich in concreto nicht zum Nachteil des jeweiligen Angeklagten ausgewirkt und war daher von Amts wegen nicht aufzugreifen ( Ratz , WK StPO § 290 Rz 22 ff).

[37] Bei seiner (Me * betreffenden) Berufungsentscheidung ist das Oberlandesgericht (RIS Justiz RS0118870), bei der Fällung seines (DI M * betreffenden) Ergänzungsurteils im zweiten Rechtsgang ist das Erstgericht (RIS Justiz RS0129614 [T1]) aufgrund der hier getroffenen Klarstellung nicht an die jeweilige Fehlsubsumtion gebunden.

[38] Für den zweiten Rechtsgang sei darüber hinaus festgehalten, dass mit dieser Entscheidung der Schuldspruch des DI M * wegen zweier Taten – nämlich Verkürzung von Umsatzsteuer jeweils für das Veranlagungs jahr 2013 bezogen auf das Steuersubjekt I* GmbH (Teil des Schuldspruchs A I) und auf das Steuersubjekt T*gesellschaft m. b. H. (B) – in Teilrechtskraft (§ 289 StPO) erwachsen ist, die (zusammen) jedenfalls ein Verbrechen des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und Abs 3 lit c FinStrG idF vor BGBl I 2019/62 begründen. Die betreffende Subsumtionseinheit sui generis (RIS Justiz RS0130035) ist durch die Aufhebung zerschlagen worden und wird im zweiten Rechtsgang neu zu bilden sein (RIS Justiz RS0116734).

[39] Abhängig von der im zweiten Rechtsgang zu schaffenden Feststellungsbasis ist demnach wie folgt zu verfahren (siehe auch – zu einer ähnlichen Konstellation – 13 Os 46/22x [Rz 26]):

[40] Sollte DI M * auch in Bezug auf die Umsatzsteuer der I* GmbH für das Veranlagungsjahr 2014 (aufgehobener Teil des Schuldspruchs A I) ein – ebenfalls originär vom Gericht zu ahndendes (dazu im gegebenen Zusammenhang Lässig in WK 2 FinStrG § 39 Rz 2 f; 13 Os 44/22b [Rz 53]) – Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (unter Einsatz einer der von § 39 Abs 1 FinStrG verlangten Tatmodalitäten) verwirklicht haben, wäre dabei dieses in die betreffende Subsumtionseinheit aufzunehmen.

[41] Sollte hingegen – etwa mangels Übertragung der Eigenverwaltung (siehe oben) – das Unterlassen fristgerechter Abgabe der Jahresumsatzsteuererklärung der I* GmbH für das Veranlagungsjahr 2014 nicht als Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG strafbar sein, hätte dies nicht zwangsläufig zur Folge, dass DI M * in Bezug auf den betreffenden Verkürzungsbetrag straflos bleibt:

[42] Im Bereich der Umsatzsteuer – somit auch hier – wird das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG von jenem nach § 33 Abs 1 FinStrG konsumiert, wenn Letzteres nach Verwirklichung des Ersteren in der Folge mit Beziehung auf den gleichen Umsatzsteuer Verkürzungsbetrag und denselben Steuerzeitraum zumindest versucht (§ 13 FinStrG) wird (scheinbare Realkonkurrenz; RIS Justiz RS0086719; Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 18 mwN).

[43] Mangels nachfolgender Verwirklichung eines Finanzvergehens nach § 33 Abs 1 FinStrG wären solche ( vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangenen) – hier auch vom Anklagevorwurf umfassten (ON 236 S 5 f und 10) – Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (vgl US 9 und 10 f) aber nicht im Wege von Scheinkonkurrenz verdrängt worden.

[44] Eine Aufnahme dieser (demnach allenfalls verwirklichten) Finanzvergehen in die angesprochene Subsumtionseinheit (§§ 33 Abs 1 , 39 FinStrG) würde allerdings ausscheiden, weil nur gleichartige Finanzvergehen zu einem Finanzvergehen (§ 39 Abs 3 lit a FinStrG aF) oder Verbrechen (§ 39 Abs 3 lit b oder lit c FinStrG aF) des Abgabenbetrugs zusammenzufassen sind (RIS Justiz RS0130035 [insbesondere T2]; 13 Os 44/22b [Rz 50 f]).

[45] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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