JudikaturJustiz10ObS276/98f

10ObS276/98f – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. August 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Hon. Prof. Dr. Danzl in den zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Partei Franz K*****, vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1081 Wien, Josefstädterstraße 80, im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Versehrtenrente und Unfallheilbehandlung, infolge Revisionsrekurses des Zustellkurators Dr. Peter A*****, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 1998, GZ 10 Rs 169/98s-135, womit infolge Rekurses des Zustellkurators der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25. Mai 1998, GZ 15 Cgs 40/95x-129, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Bestellung eines Zustellkurators für den Kläger ersatzlos aufgehoben wird.

Text

Begründung:

Der Kläger, über dessen Vermögen zu 3 S 297/95m des Handelsgerichtes Wien auch ein Konkursverfahren eröffnet worden war, hatte in beiden zwischenzeitlich zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Sozialrechtssachen 15 Cgs 67/94s und 15 Cgs 40/95x (beide des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien) auf seinen jeweils eigenhändig eingebrachten Klagen seine Adresse mit "*****, Postfach *****", im gleichzeitig überreichten Vermögensbekenntnis zur (zunächst rechtskräftig abgewiesenen: ON 2) Verfahrenshilfe jedoch mit "*****" angegeben. Im Laufe des Verfahrens nannte der Kläger in mehreren, jeweils an das Erstgericht gerichteten Eingaben als seine aktuelle Anschrift eine Postfachadresse in *****, Ungarn. In späteren Eingaben nannte er wieder die Adresse "*****" als seine Wohnanschrift. Schließlich übernahmen RA Dr. Zandl/Dr. Grundei in Wien seine Vertretung unter Berufung auf die ihnen erteilte Vollmacht gemäß § 30 Abs 2 ZPO (ON 45 und 49).

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 29. 1. 1997 sein Klagebegehren auf Leistung einer Versehrtenrente sowie Gewährung eines Kuraufenthaltes im Rahmen der gesetzlichen Unfallheilbehandlung ab (ON 80). Der gegen dieses Urteil von seinen gewählten Vertretern erhobenen und nur auf den Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (inhaltlich teilweise auch Beweisrüge) gestützten Berufung gab das Berufungsgericht nicht Folge (ON 86). Dieses Berufungsurteil wurde den Klagevertretern am 22.7.1997 zugestellt. Während laufender Revisionsfrist teilte der Kläger - wiederum unter Nennung seiner Postfachanschrift in Ungarn - mit, Revision gegen das Berufungsurteil zu erheben und beantragte gleichzeitig die Bewilligung der Verfahrenshilfe (ON 88), welche mit Beschluß des Erstgerichtes vom 11. 8. 1997 abgewiesen wurde (ON 93). Das Rekursgericht gab einem hiegegen vom Kläger persönlich erhobenen Rekurs keine Folge (ON 107).

Zwischenzeitlich - während des Laufes der Revisionsfrist gegen das genannte Urteil - teilte eine Kanzleiangestellte des Klagevertreters RA Dr. Grundei der Geschäftsabteilung des Erstgerichtes bei einer persönlichen Vorsprache mit, daß die Vollmacht vom Klagevertreter bereits mit Schreiben vom 24. 7. 1997 an den Kläger gekündigt worden sei (ON 22).

Der die Abweisung des Verfahrenshilfeantrages bestätigende Beschluß des Rekursgerichtes wurde zunächst an den Masseverwalter RA Dr. Rudolf Zach im Konkursverfahren 3 S 297/95m des Handelsgerichtes Wien zugestellt (ON 107). Mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 10. 1. 1995 waren jedoch ua die Ansprüche des Klägers in den Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien aus der Konkursmasse ausgeschieden und diesem als Gemeinschuldner zur freien Verfügung überlassen worden (ON 48). Im weiteren verfügte das Erstgericht die neuerliche Zustellung des Beschlusses des Rekursgerichtes an die Wiener Adresse des Klägers mit dem Vermerk "Zustellung trotz Konkurs" verfügt (ON 115 und 123); das Rückscheinkuvert langte jedoch als Postfehlbericht mit dem Vermerk, daß der Empfänger für 6 Monate seine Abwesenheit erklärt habe, als unzustellbar zurück (ON 124).

Mit dem nunmehr bekämpften Beschluß bestellte das Erstgericht hierauf durch seine Vorsitzende RA Dr. Peter A***** in Wien zum Zustellkurator gemäß § 116 ZPO. Die mehrfache Unerreichbarkeit des Klägers sei so wie ein tatsächlich unbekannter Aufenthalt zu werten, bei welchem mit der Rückkehr einer Partei in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden könne.

Das Rekursgericht gab einem vom Zustellkurator gegen seine Bestellung erhobenen Rekurs nicht Folge und bestätigte diese Entscheidung. Es führte weiters aus, daß die Bestimmung des § 8 Abs 2 ZustellG (nämlich Hinterlegung an der bisherigen Abgabestelle ohne Zustellversuch) hier nicht möglich sei, weil der Kläger während des Verfahrens keine Änderung der Abgabestelle vorgenommen habe; auch die frühere Adresse in Wien sei als bloße Postfachanschrift keine gesetzliche Abgabestelle gewesen. Da Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgerichten gemäß § 39 Abs 1 ASGG besonders rasch durchzuführen seien, lägen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Zustellkurators nach § 116 ZPO vor.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs des Zustellkurators mit dem Antrag, den Beschluß auf Bestellung seiner Person ersatzlos aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Nach der Rechtsprechung ist eine zum Kurator bestellte Person zur Bekämpfung des Bestellungsbeschlusses im eigenen Namen berechtigt (SZ 21/155). Der Revisionsrekurs ist gemäß § 47 Abs 2 ASGG auch zulässig; die Rekursbeschränkung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (Bestätigung eines erstgerichtlichen Beschlusses durch das Rekursgericht zur Gänze) ist gemäß § 47 Abs 1 ASGG in Arbeits- und Sozialrechtssachen nicht anwendbar. Der Rechtsmittelausschluß des § 528 Abs 2 Z 4 ZPO greift nicht, weil im bekämpften Beschluß (nach seinem maßgeblichen Spruchinhalt) der Kurator nicht bloß für die Empfangnahme der den unmittelbaren (letzten) Zustellanstand auslösenden Rekursentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien im Zwischenverfahren über die beantragte Verfahrenshilfe, sondern darüber hinaus ganz allgemein und umfassend für das gesamte noch ausständige Verfahren (in merito) bestellt worden ist. Auch die Rechtsmittelbeschränkung des § 87 Abs 2 ZPO, wonach nur abgesonderte Rechtsmittel für zulässig erklärt werden, steht der Anfechtung nicht entgegen, weil dem bestellten Kurator als Person (in eigener Sache) kein weiteres Rechtsmittel zusteht, mit welchem er den nunmehrigen Revisionsrekurs verbinden könnte.

Seinem Rechtsmittel kommt auch Berechtigung zu.

Die Vorinstanzen haben zunächst übersehen, daß nach § 36 Abs 1 ZPO, welche Bestimmung gemäß § 2 Abs 1 ASGG auch in Verfahren vor den Arbeits- und Sozialgerichten Anwendung findet, eine durch Widerruf oder Kündigung herbeigeführte Aufhebung der Vollmacht zur Prozeßführung erst dann dem Prozeßgegner (und insoweit auch dem Gericht: Fasching II 288 Anm 1 zu § 36) gegenüber Wirksamkeit erlangt, wenn diesem das Erlöschen der Vollmacht, in Rechtssachen aber, in welchen die Vertretung durch Rechtsanwälte geboten ist, die Bestellung eines anderen Rechtsanwaltes von der Partei angezeigt wird. Im Innenverhältnis mögen die bestellten und seinerzeit gemäß § 30 Abs 2 ZPO ihr Vertretungsverhältnis dem Erstgericht bekanntgebenden Rechtsanwälte Dr. Zandl/Dr. Grundei dieses zwar per 24. 7. 1997 aufgelöst haben, eine bloß von einer Kanzleikraft der Anwälte gegenüber einer ebenfalls Kanzleikraft des Prozeßgerichtes erfolgte Mitteilung kann jedoch nicht als eine nach dieser Gesetzesstelle wirksame Beendigung des Vollmachtsverhältnisses qualifiziert werden. Zu diesem Zeitpunkt war zufolge Zustellung der (klageabweislichen) Berufungsentscheidung (am 22. 7. 1997) überdies die gesetzliche Revisionsfrist (§ 505 Abs 2 ZPO) bereits in Lauf gesetzt; für das Revisionsverfahren besteht jedoch auch in Arbeits- und Sozialrechtssachen - mangels Sonderregelung (insbesondere in § 40 ASGG) - absolute Anwaltspflicht (§ 506 Abs 1 Z 4 ZPO, § 2 Abs 1 ASGG; Feitzinger/Tades, ASGG2 Anm 3 zu § 40; Kuderna, ASGG2 240 Anm 2 zu § 40), sodaß die Anzeige des Erlöschens der Prozeßvollmacht in Form eines Schriftsatzes erfolgen hätte müssen (10 ObS 85/98t).

Nach der Rechtsprechung ist der Antrag einer Partei auf Bewilligung der Verfahrenshilfe unter Umständen als Anzeige des Erlöschens des bisherigene Vollmachtsverhältnisses zu werten (Fucik in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 36; SZ 48/93; RS0106741); aufgrund des Schutzzweckes des § 36 Abs 1 ZPO ist aber eine Partei, die die Gewährung der Verfahrenshilfe - wie hier - erfolglos begehrte, im weiteren Verfahren so zu behandeln, als hätte sie keinen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt; im Falle der rechtskräftigen Abweisung eines Verfahrenshilfeantrages wird daher § 36 Abs 1 ZPO bis zu diesem Zeitpunkt "bloß temporär verdrängt" (1 Ob 2394/96g). Nur so kann der Zweck der Vorschrift des § 36 Abs 1 ZPO, daß für Gericht und Gegenpartei der Fortgang des Verfahrens ohne Schwierigkeiten möglich bleibt, im Sinne von Rechtssicherheit und Prozeßökonomie gewährleistet werden (3 Ob 211/97v). Solange daher diese Partei nach rechtskräftiger Abweisung ihres Verfahrenshilfeantrages die Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwaltes unterläßt, haben alle Zustellungen an deren letzten Prozeßbevollmächtigten zu erfolgen (RS0106741).

Im Hinblick auf die Ausnahmen von der Anwaltspflicht auch im Rechtsmittelverfahren in Verfahrenshilfeangelegenheiten schlechthin (§ 72 Abs 3 ZPO; Fasching, LB2 Rz 497) ist freilich davon auszugehen, daß die Zustellung des den Antrag auf Verfahrenshilfe abweisenden Beschlusses an den Kläger selbst erfolgen kann.

Dies haben an sich auch die Vorinstanzen erkannt und wegen der Unstetheit und langjährigen Zustellschwierigkeiten den Rechtsmittelwerber als Zustellkurator bestellt. Wie dieser jedoch zutreffend hinweist, liegen die Voraussetzungen der §§ 8 iVm 23 ZustG vor. Danach hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen; unterläßt sie dies, ist eine Hinterlegung ohne Zustellversuch unter der bisherigen Abgabestelle zulässig. Der Kläger hat durch seine beiden Klagen den verfahrenseinleitenden Schritt gesetzt und bei dieser Gelegenheit als seine Abgabestelle (§ 4 ZustG) "*****" angegeben, diese Anschrift also dem Gericht als seine für das Verfahren und die an ihn zur erfolgenden Zustellungen maßgebliche Abgabestelle genannt (Walter/Mayer, Zustellrecht Anm 4 zu § 8), wobei diese auch in späteren Eingaben immer wieder (bis ins Jahr 1998) auch von ihm selbst als noch aufrecht genannt wurde (etwa ON 66, 89); eine spätere Änderung derselben hat er hingegen nie wirksam bekannt gegeben; die Anführung bloß eines Postfaches in Ungarn ist keine ordnungsgemäße Meldung einer neuen Abgabestelle, zumal gerichtliche Zustellungen über ein Postfach nicht vorgenommen werden können. Im Hinblick auf diese Gegebenheiten ist daher die Hinterlegung der Rekursentscheidung über die Verfahrenshilfe ON 107 unter seiner bisherigen, oben angeführten Anschrift in Wien zulässig, ohne daß (bereits) die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kuratorenbestellung nach den §§ 116 ff ZPO gegeben waren.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher die Bestellung des Prozeßkurators ersatzlos aufzuheben und seinem Rechtsmittel in diesem Sinne Folge zu geben. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil der Rechtsmittelwerber weder im Rekurs (ON 131) noch im Revisionsrekurs (ON 139) Kosten verzeichnet hat.

Gemäß § 11a Abs 3 Z 2 ASGG hatte über das Rechtsmittel ein Dreiersenat zu entscheiden.

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