JudikaturVwGH

Ra 2025/02/0080 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
06. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed, die Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision der 1. Ö und der 2. V, beide vertreten durch die Dr. Jantschgi Rechtsanwälte OG in Graz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 24. Februar 2025, 405 10/1559/1/2 2025, betreffend Feststellung gemäß Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention iZm Tiertransporten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg; mitbeteiligte Partei: Tierschutzombudsperson des Landes Salzburg Mag. Alexander Geyrhofer), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz an die Stadtgemeinde Salzburg wird abgewiesen.

1 Mit Antrag vom 3. April 2024 begehrten die revisionswerbenden Parteien die „Feststellung des Rechts anerkannter Umweltorganisationen auf Überprüfung der Abfertigung von Tiertransporten auf Übereinstimmung mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der EU TT VO“. Die revisionswerbenden Parteien begründeten ihren Antrag zusammengefasst damit, dass anerkannten Umweltorganisationen nach Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention und Art. 47 GRC das Recht zukomme, die Einhaltung von Unionsumweltrecht überprüfen zu lassen. Bestimmungen über Tiertransporte seien Bestandteil des Umweltrechts iSd Art. 2 Abs. 3 (gemeint wohl Art. 2 Z 3) der Aarhus Konvention und bei der Abfertigung von Tiertransporten handle es sich um Verwaltungshandeln. Eine Wahrung der tierrechtlichen Interessen durch die Tierschutzombudsperson sei mangels Erlassung eines Bescheides es würden lediglich die Fahrtenbücher durch Amtstierärzte abgestempelt nicht gewährleistet. Zur Gewährleistung eines korrekten Vollzuges der Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 (EU TT VO) müsse anerkannten Umweltorganisationen das Recht auf gerichtliche Überprüfung der Abfertigung von Tiertransporten zukommen. Zurzeit stehe ihnen kein anderer Rechtsweg als der Feststellungsantrag offen, um ihr nach Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention iVm Art. 47 GRC bestehendes Beschwerderecht gegen die Abfertigung von Tiertransporten geltend zu machen. Auch wenn dem Antrag kein aktueller Anlassfall zugrunde liege, bestehe ein Interesse daran, die Rechtsmittelbefugnis anerkannter Umweltschutzorganisationen für zukünftige Abfertigungen festzustellen.

2 Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit Bescheid vom 17. Juli 2024 als unzulässig zurück.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 24. Februar 2025 wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Individualtierschutz sei vom Umwelt und Artenschutz abzugrenzen und nach herrschender Ansicht nicht unter das Unionsumweltrecht zu subsumieren. Es sei somit nicht zu erkennen, dass die Erlassung des begehrten Feststellungsbescheides erforderlich wäre, um eine den revisionswerbenden Parteien drohende Gefahr eines rechtlichen Nachteils abzuwehren. Auch das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser und Lebensmittelversorgung und die Forschung bilde die Themen Tierschutz in § 2 leg. cit. und Umweltschutz in § 3 leg. cit. getrennt voneinander ab. Darüber hinaus könne die Behörde im Spruch eines feststellenden Bescheides auch nicht über abstrakte Rechtsfragen absprechen, deren Beurteilung losgelöst vom konkreten Einzelfall einem Rechtsgutachten nahekäme, also weder über die Geltung, Anwendbarkeit oder Auslegung genereller Normen entscheiden. Das Feststellungsbegehren stelle eine derartig abstrakte Rechtsfrage dar. Daher sei der Beschwerde der Erfolg zu versagen und spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurückweisung der Revision als unzulässig, in eventu ihre Abweisung als unbegründet sowie den Zuspruch von Aufwandersatz an die Stadtgemeinde Salzburg. Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erstattete ebenfalls eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück , in eventu die Abweisung der Revision beantragte.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes „zur Frage der Anwendbarkeit der Aarhus Konvention iZm der EU TT VO [...], insb, ob die Regelungen der EU TT VO umweltbezogene Bestimmungen iSd Art 9 Abs 3 Aarhus Konvention“ seien. Es liege kein „acte clair“ vor, weshalb die Vorlage an den EuGH zwingend geboten sei. Bereits aus diesem Grund liege eine wesentliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B VG vor. Diese Frage gehe auch den Alternativbegründungen zur Zulässigkeit des Feststellungsbescheides vor, weil die Vorgaben für einen Feststellungsbescheid gegebenenfalls im Lichte des Unionsrechts auszulegen seien bzw. unangewendet zu bleiben hätten. Nach der österreichischen Rechtsordnung bestehe für anerkannte Umweltorganisationen keine Möglichkeit, amtliche Kontrollen von Tiertransporten auf ihre Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 zu überprüfen, somit ihre aus Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention iVm Art. 47 GRC abgeleiteten Rechte geltend zu machen. Es handle sich um eine Konstellation, in der die österreichischen Behörden und Gerichte gehalten seien, für einen effektiven Rechtsschutz zu sorgen.

11 Weiters sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Feststellungsbescheiden abgewichen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes handle es sich bei der begehrten Feststellung nicht um eine abstrakte Rechtsfrage, deren Beurteilung einem Rechtsgutachten nahekomme, sondern um die konkrete Feststellung eines Rechts anerkannter Umweltorganisationen. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass den revisionswerbenden Parteien aktuell keine andere Möglichkeit offenstehe, die maßgebende Rechtsfrage, nämlich ob die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 und ihr Regelungsbereich unter den Begriff der umweltbezogenen Bestimmungen iSd Art. 9 Abs. 3 Aarhus Konvention fielen und in weiterer Konsequenz anerkannten Umweltorganisationen die in dieser Bestimmung niedergelegten Rechte zukämen, zu klären bzw. ihr Recht auf Überprüfung der amtlichen Kontrollen von Tiertransporten auf Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 geltend zu machen. Schließlich fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, in welcher Form anerkannte Umweltorganisationen ihre Rechte aus der Aarhus Konvention geltend machen könnten, wenn eine Handlung oder Unterlassung nicht in der Form eines Bescheides in Erscheinung trete und eine Anfechtung ex lege nicht vorgesehen sei.

12 Mit diesem Vorbringen gelingt es den revisionswerbenden Parteien nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen:

13 Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass es mangels einschlägiger Regelungen der Europäischen Union nach dem Grundsatz der nationalen Organisations und Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, die für den indirekten Vollzug des Unionsrechts zuständigen Behörden zu bestimmen und die Modalitäten der Verfahren zu regeln, sofern dabei der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz gewahrt werden (vgl. etwa VwGH 15.3.2023, Ra 2023/07/0035, mwN).

14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich die Erlassung eines Feststellungsbescheides u.a. dann als unzulässig, wenn über die den Gegenstand des Feststellungsantrags bildende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen Verfahrens zu entscheiden ist (vgl. VwGH 16.9.2020, Ra 2018/11/0100, mwN). Eine Vorfrage, die im Zuge eines Verwaltungsverfahrens zu lösen ist, kann nicht aus diesem Verfahren herausgegriffen werden und zum Gegenstand eines selbständigen Feststellungsbescheides gemacht werden (vgl. VwGH 28.5.2015, Ro 2014/22/0001, mwN).

15 Dies steht im Einklang mit der Judikatur des EuGH, der im Hinblick auf einen Antrag auf Feststellung, dass dem Antragsteller ein Recht aufgrund des freien Dienstleistungsverkehrs unbeschränkt zukomme, der sich nach dem (dortigen) nationalen Recht als unzulässig darstellte, davon ausging, dass dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Schutzes der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte schon dann entsprochen wird, wenn andere, dem Äquivalenzgrundsatz entsprechende Rechtsbehelfe die Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht als Vorfrage ermöglichten (vgl. EuGH 13.3.2007, Unibet , C 432/05).

16 Umweltorganisationen sind nach Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention iVm Art. 47 GRC darauf beschränkt, Verstöße gegen „umweltbezogene Bestimmungen“ des Unionsrechts geltend zu machen (vgl. VwGH 20.12.2019, Ro 2018/10/0010; 25.5.2023, Ra 2021/10/0139, jeweils mwN).

17 Demnach ist in jedem Verfahren über ein sich auf tierschutzrechtliche Bestimmungen des Tiertransportrechtes beziehendes Begehren einer anerkannten Umweltorganisation, das darauf abzielt, die Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften im Hinblick auf konkrete Handlungen oder Unterlassungen überprüfen zu lassen, als Vorfrage zu klären, ob das Tierschutzrecht überhaupt vom sachlichen Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention umfasst ist und Umweltorganisationen in Folge die darin umschriebenen Rechte zukommen.

18 In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich des Vorbringens zur Frage, in welcher Form anerkannte Umweltorganisationen ihre Rechte geltend machen können, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach sofern es sich um einen vom Umweltrecht der Union umfassten Bereich handelt etwa auch die Zulässigkeit verfahrenseinleitender Anträge im Lichte der zu Art. 9 der Aarhus Konvention ergangenen Judikatur des EuGH zu beurteilen ist, sodass auch im Hinblick auf solche Anträge innerstaatlich nicht derart strenge Kriterien festgelegt werden dürfen, dass es für Umweltorganisationen praktisch unmöglich ist, Handlungen und Unterlassungen im Sinne von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention anzufechten, um die Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen (vgl. zur Zulässigkeit von [nach nationalem Recht nicht vorgesehenen] Anträgen auf Erlassung von Maßnahmen zur Einhaltung umweltbezogener Bestimmungen bzw. Erlassung von Verordnungen: VwGH 19.2.2018, Ra 2015/07/0074; oder von Anträgen auf Prüfung von Unionsumweltrecht umsetzende Verordnungen auf ihre Vereinbarkeit mit diesem: VwGH 13.6.2023, Ra 2021/10/0162; 18.9.2024, Ra 2024/03/0038).

19 Im Falle einer negativen behördlichen Entscheidung eröffnet die Erlassung eines Bescheides die Möglichkeit, die zu klärenden Fragen im Rechtsmittelweg an die Verwaltungsgerichte und den Verwaltungsgerichtshof sowie gegebenenfalls im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH heranzutragen.

20 Ausgehend davon kann im hier vorliegenden Fall, in dem die revisionswerbenden Parteien in ihrem verfahrenseinleitenden Antrag selbst vorgebracht haben, dass diesem Antrag „kein aktueller Anlassfall zugrunde“ liegt, nicht erkannt werden, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Feststellungsanträgen abgewichen wäre. Da mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien zur Zulässigkeit ihrer Revision im Zusammenhang mit der Unzulässigkeit ihres Feststellungsantrages keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorgebracht wird, wird auch mit dem weiteren im Zusammenhang mit dessen die Zulässigkeit voraussetzenden erstatteten Revisionsvorbringen keine solche Rechtsfrage aufgezeigt.

21 Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage sowie insbesondere mit Blick auf die Sache des Beschwerdeverfahrens (vgl. VwGH 23.11.2023, Ro 2022/07/0009, mwN, wonach das Verwaltungsgericht bei Zurückweisung des Antrags durch die erstinstanzliche Behörde allein zu prüfen hat, ob die inhaltliche Behandlung des Antrags zu Recht verweigert wurde) stellt sich die Frage der Anwendbarkeit der Aarhus Konvention auf die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 als bloß hypothetische Rechtsfrage dar, die nicht dazu geeignet ist, die Zulässigkeit der Revision zu begründen (vgl. etwa VwGH 3.5.2023, Ra 2023/02/0057 bis 0058, mwN). Insofern bedarf es auch in diesem Revisionsverfahren keiner Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2017/04/0039, mwN).

22 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

23 Die Vollziehung des Tiertransportrechts einschließlich der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 9 B VG Bundessache (vgl. hierzu § 2a Abs. 1 Tiertransportgesetz 2007 sowie die Erläuterungen zu dessen Stammfassung, ErläutRV 142 BlgNR 23. GP 1). Der von den revisionswerbenden Parteien zu leistende Aufwandersatz stünde daher gemäß § 47 Abs. 5 VwGG dem Rechtsträger Bund zu. Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz an die Stadtgemeinde Salzburg war daher abzuweisen (vgl. VwGH 28.3.2025, Ra 2024/10/0139; 6.5.2025, Ra 2024/07/0160, jeweils mwN).

Wien, am 6. August 2025