JudikaturVwGH

Ra 2024/03/0038 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
18. September 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Partei Wverein in V, vertreten durch Mag. Stefan Traxler, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Spitalmühlgasse 16/3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 30. Jänner 2024, Zl. 405 1/981/1/4 2024, betreffend Feststellung der rechtskonformen Erlassung einer Verordnung nach dem (Salzburger) Jagdgesetz 1993 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit der Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 29. Juni 2023, mit der die Jagdgebiete der Wildregionen X, Y und Z betreffend die Wildart Wolf zu einem Maßnahmengebiet erklärt werden, LGBl. Nr. 44/2023, wurde auf der Grundlage von § 58a Abs. 1 und 2 (Salzburger) Jagdgesetz 1993 (JG) in einem näher definierten Maßnahmengebiet unter näher genannten Voraussetzungen die ganzjährige Schonzeit für die besonders geschützte Wildart Wolf ( Canis lupus ) aufgehoben und eine Entnahme für zulässig erklärt. Die Verordnung trat mit 30. Juni 2023 in Kraft und mit Ablauf des 15. November 2023 außer Kraft. Sie wurde mit der Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 20. Juli 2023, LGBl. Nr. 56/2023, insofern abgeändert, als sie auf weitere Gebiete ausgedehnt wurde.

2 Bereits im Zuge des Begutachtungsverfahrens zur Stammfassung der Verordnung hatte der Revisionswerber eine nach § 19 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 anerkannte Umweltorganisation mit Schreiben vom 26. Juni 2023 bei der Salzburger Landesregierung (der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht) einen Antrag auf Erlassung eines Bescheides in Angelegenheiten des (damals:) Entwurfs dieser Verordnung gestellt.

3 Mit Bescheid vom 26. September 2023 hat die belangte Behörde gemäß § 58a Abs. 1 und 2 JG iVm § 39 Abs. 2 AVG auf diesen Antrag hin festgestellt, dass die Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 29. Juni 2023, LGBl. Nr. 44/2023, rechtskonform erlassen wurde.

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Weiters hat es ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.

5 Begründend erwog es zunächst, dass sich die Zulässigkeit eines derartigen Prüfungsverfahrens (Prüfung einer generellen Norm im Wege eines verwaltungsbehördlichen/ gerichtlichen Rechtszuges) allein aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 13.6.2023, Ra 2021/10/0162, 0163) ableiten lasse.

Gemäß § 58a JG könne die Landesregierung durch Verordnung Teilgebiete oder eine Gesamtfläche von Jagdgebieten, Wildregionen und/oder Wildbehandlungszonen zu Maßnahmengebieten erklären und in diesen an die örtlichen Erfordernisse angepasste Maßnahmen zum Zwecke der Erfüllung der Grundsätze des § 3 JG, nämlich der Erhaltung des Wald , Wild und Umweltgleichgewichtes, festlegen.

Neben den jagdrechtlichen Vorgaben aus dem Jagdgesetz seien dabei auch die artenschutzrechtlichen Bestimmungen der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH Richtlinie) zu beachten. Die Wildart „Wolf“ sei eine streng geschützte Tierart gemäß Anhang IV lit. a FFH Richtlinie. Nach Art. 12 Abs. 1 lit. a FFH Richtlinie hätten die Mitgliedstaaten alle absichtliche Formen des Fanges oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren solcher Arten zu verbieten. Art. 16 Abs. 1 FFH Richtlinie ermögliche aber dennoch in engen (näher dargelegten) Grenzen das Abweichen von diesem strengen Schutzsystem.

Das Unionsrecht sehe für behördliche Entscheidungen, die sich auf Art. 16 FFH Richtlinie stützen, Einzelfallprüfungen vor. Die Wahl der geeigneten nationalen Handlungsform werde dabei in der Regel den Mitgliedstaaten überlassen (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Insofern müssten auch jene Verordnungen, die unmittelbar die Grundlage für Entnahmen bilden, den Voraussetzungen des Art. 16 der FFH Richtlinie entsprechen. Dies werde dann zu bejahen sein, wenn ihnen individuelle Abklärungen in einer aus Praktikabilitätsgründen abstrahierten Form zugrunde liegen. Dies könne aber auch bei Problemwölfen der Fall sein, wenn die Verordnung die Einstufung als schadensstiftendes Tier vorgebe und die Gefährdung öffentlicher Interessen in bestimmten Gebieten typisiert gegeben sei. Die vorliegende Verordnung beziehe sich auf konkrete Rissereignisse und stelle den Zusammenhang zwischen dem Wolf und aktuellen Rissereignissen sicher. Aus diesem Grund werde davon ausgegangen, dass die Erlassung der Regelungen in Verordnungsform mit dem Unionsrecht übereinstimme.

In der Folge setzte sich das Verwaltungsgericht eingehend u.a. mit den Voraussetzungen für eine Abweichung vom strengen Schutzsystem nach Art. 16 FFH Richtlinie auseinander (darunter das Vorliegen eines der von dieser Richtlinienbestimmung angeführten Zwecke sowie eines günstigen Erhaltungszustandes der betroffenen Tierart und das Fehlen einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung) und kam dabei zum Ergebnis, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben gewesen seien.

Betreffend die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Rechtsschutz sei aus dem konkreten Verfahrensgang mit der individuellen Beteiligung auch des Revisionswerbers und dem nunmehr vom Verwaltungsgericht abgeführten Verfahren ein Defizit nicht zu erkennen.

Eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung liege damit nicht vor.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Dazu wird in der Revision im Wesentlichen vorgebracht, sie hänge von der Lösung der Rechtsfrage ab, auf welche Weise österreichische Verwaltungsgerichte anerkannten Umweltorganisationen den rechtlich zu gewährleistenden Zugang zu Gerichten effektiv, rasch und günstig sicherstellen könnten. Nach Ansicht des Revisionswerbers könne dies nicht im Verordnungsweg erfolgen. Nur das für eine Bescheiderlassung vorgesehene Ermittlungsverfahren ermögliche es, eine Einzelfallprüfung durchzuführen, wie sie von Art. 16 der FFH RL vorgesehen sei.

9 Die aufgeworfene Rechtsfrage ist jedoch durch die bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. Juni 2023, Ra 2021/10/0162, 0163, mit näherer Begründung dargelegt, dass einer anerkannten Umweltorganisation, soweit der Schutz von Normen des Unionsumweltrechts auf dem Spiel steht, grundsätzlich ein Recht auf Teilnahme (bereits) am behördlichen Verfahren zusteht. Er hat weiter dargelegt, dass die Legitimation einer solchen Organisation zur Stellung eines Antrags auf Verordnungserlassung gegebenenfalls zu bejahen ist, und dass ungeachtet des Rechtstypenzwangs nach der österreichischen Rechtsordnung Konstellationen auftreten können, in denen die Verwaltung zur Erlassung einer Verordnung verpflichtet und ein entsprechendes Antragsrecht von Parteien zu bejahen ist. Da die österreichischen Gerichte und Behörden verpflichtet sind, für einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu sorgen, stelle die Bestätigung der behördlichen Zurückweisung des Antrags einer anerkannten Umweltorganisation auf inhaltliche Überprüfung einer Unionsumweltrecht umsetzenden Verordnung die Verweigerung der Sachentscheidung und damit eine Rechtsverletzung dar.

Mit diesem Erkenntnis wurde ein Weg gewiesen, wie anerkannten Umweltorganisationen im Anwendungsbereich von Unionsumweltrecht ein den Anforderungen des Art. 6 des Übereinkommens von Aarhus iVm Art. 47 GRC entsprechender gerichtlicher Rechtsschutz auch bei der Überprüfung von Unionsumweltrecht umsetzenden Verordnungen gewährt werden kann (vgl. in diesem Sinne bereits VwGH 8.11.2023, Ra 2023/03/0174, und 18.12.2023, Ra 2023/03/0091).

10 Soweit der Revisionswerber dazu vorbringt, es hätte sich mittlerweile gezeigt, dass österreichische Behörden anerkannten Umweltorganisationen die Überprüfung und Aufhebung von Verordnungen im Wege des Antragsrechts zu erschweren, wenn nicht sogar zu verhindern versuchten und dass jedenfalls rasche Abhilfe und effektiver Zugang zu Gerichten verunmöglicht werde, bleibt dies völlig unsubstantiiert.

11 Im vorliegenden Verfahren wurde vielmehr auf Grundlage der angeführten Rechtsprechung über Antrag des Revisionswerbers die von der Verordnungsgeberin angestellte Einzelfallprüfung im Hinblick auf Art. 16 FFH Richtlinie im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens nach dem AVG zunächst von der belangten Behörde und schließlich im Beschwerdeverfahren vom Verwaltungsgericht inhaltlich überprüft. Dass das Ergebnis dieser inhaltlichen Prüfung von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhinge, macht der Revisionswerber nicht geltend.

12 Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision außerhalb der gesonderten Zulässigkeitsbegründung anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 8.4.2022, Ro 2022/03/0030, mwN).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 18. September 2024

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